· Abrechnungsorganisation
Die Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung auf Ihre Rechnungslegung

| Das Bundeskabinett hat am 12.06.2020 beschlossen, dass die Mehrwertsteuer ab dem 01.07.2020 für ein halbes Jahr reduziert wird. Das soll die Wirtschaft ankurbeln, stellt aber Unternehmen und Freiberufler ‒ und damit natürlich auch Zahnarztpraxen ‒ erst einmal vor erhebliche bürokratische Hürden. Lesen Sie nachfolgend, was die kurzfristige Mehrwertsteuersenkung für die zahnärztliche Abrechnung bedeutet. |
Die befristeten neuen Steuersätze
Der volle Umsatzsteuersatz mindert sich ab dem 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 von derzeit 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz sinkt von 7 auf 5 Prozent. Die beschlossenen Maßnahmen sollen nun im Eilverfahren weiter beraten und am 29.06.2020 in Sondersitzungen von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
Der Zahnarzt und die Umsatzsteuer
Der Zahnarzt nimmt im Umsatzsteuerrecht eine Sonderstellung ein. Er ist zwar Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts, die Umsätze aus der Tätigkeit als Zahnarzt sind jedoch grundsätzlich von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 14 Satz 1 Umsatzsteuergesetz). Die Begriffe „Umsatzsteuer“ und „Mehrwertsteuer“ werden im deutschen Sprachgebrauch synonym verwandt. Zahnärztliche Heilbehandlungen sind Tätigkeiten, die zur Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten vorgenommen werden.
Erbringen Zahnärzte ausschließlich umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen, verzichtet die Finanzverwaltung auf die Abgabe der Umsatzsteuererklärung. Heilbehandlungen liegen vor, wenn für die erbrachten zahnärztlichen Leistungen eine medizinische Indikation besteht (Prävention, Diagnose, Behandlung). Soweit eine Heilbehandlung den Einsatz von Geräten zwingend erfordert, ist dies ein unselbstständiger Teil der Therapie und ebenfalls steuerfrei. Das gilt auch für berechenbare Praxismaterialien.
„Kleinunternehmerregelung“ ‒ wann gilt diese für den Zahnarzt?
Bei der Beurteilung der Umsatzsteuerpflicht sind alle unternehmerischen Aktivitäten und Unternehmensteile einzubeziehen. Wenn der Gesamtumsatz der Praxis bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 Euro (22.000 Euro ab 2020) nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigt, greift die Regelung zur Besteuerung von Kleinunternehmern. In diesen Fällen kann keine Umsatzsteuer erhoben werden und der Zahnarzt ist nicht verpflichtet, in seinen Rechnungen für eigentlich umsatzsteuerpflichtige Leistungen (wie z. B. ästhetisches Bleaching) Umsatzsteuer auszuweisen. Er muss daher keine Umsatzsteuer an das Finanzamt zahlen.
Abgrenzung umsatzsteuerpflichtiger Leistungen
Die Abgrenzung der Heilbehandlung von umsatzsteuerpflichtigen Behandlungen ist in der Praxis oft schwierig. Trotz Kooperation mit einem Steuerberater können der Zahnarzt und sein Team oftmals nicht entscheiden, ob ‒ und für welche Bereiche ab wann ‒ der Ausweis von Umsatzsteuer erforderlich ist. Beispiele für eindeutig umsatzsteuerpflichtige zahnärztliche Leistungen sind das Bleaching aus kosmetischen Gründen, das Anbringen von Zahnschmuck, Gutachten zu kosmetisch-ästhetischen Leistungen oder eine Sportschutzschiene.
Sofern die Zahnarztpraxis umsatzsteuerpflichtig ist, kann sie auf allen Eingangsrechnungen für umsatzsteuerpflichtige Leistungen ‒ gleichgültig ob Wareneinkauf oder Anschaffung von Anlage- und Verbrauchsgütern ‒ dem Finanzamt gegenüber die Vorsteuer geltend machen. Im Gegenzug muss sie die für die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen erzielte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
Rechnungserstellung mit umsatzsteuerpflichtigen Anteilen
Bei einem Privatpatienten wird der Zahn 25 mit einer einflächigen Kompositfüllung versorgt. Die Rechnung enthält folgende Angaben:
Datum | Region | Geb.-Nr. | Leistungsbeschreibung | Faktor | Anzahl | Euro |
02.07.20 | Ä1 | Beratung | 2,3 | 1 | 10,72 | |
Ä5 | Symptombezogene Untersuchung | 2,3 | 1 | 10,72 | ||
47 | 2060 | Präparieren einer Kavität mit Kompositmaterialien, in Adhäsivtechnik, einflächig | 2,3 | 68,17 | ||
Gesamtbetrag | 89,61 |
Bei der Therapie handelt es sich um eine Heilbehandlung, die von der Umsatzsteuer befreit ist. Mehrwertsteuer darf daher nicht ausgewiesen werden.
Umgang mit Materialpreisen
Für die Füllung wird ein lichthärtendes Komposit verwendet. Der Einkaufspreis beträgt 51,30 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer und Versandkosten. Das Dentaldepot erstellt folgende Rechnung:
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Produkt | Anzahl | Euro |
Komposit | 1 | 51,30 |
Versandkosten | 1 | 3,75 |
16 % MwSt. | 8,81 | |
Gesamtbetrag | 63,86 |
Der Zahnarzt kann die Mehrwertsteuer auf der Rechnung des Dentaldepots (8,81 Euro) nicht als Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend machen. Wer keine Umsätze versteuert oder versteuern muss, erhält auch nicht die an das Dentaldepot gezahlte Mehrwertsteuer für das erforderliche Material als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet. Bei der Vorsteuer handelt es sich um Umsatzsteuer, die der Zahnarzt an andere Unternehmer zahlt ‒ hier also 8,81 Euro ‒ und für die er dem Finanzamt eine entsprechende Rechnung vorlegen kann.
Aufgrund der befristeten Mehrwertsteuersenkung sind die Preise für alle Produkte, die in diesem Zeitraum für Patienten eingekauft werden und an diese weiterberechenbar sind, in der Praxissoftware anzupassen. Die korrekte Preisermittlung ist in der Praxis nicht immer einfach. Einerseits ist nicht immer ersichtlich, ob Materialien umsatzsteuerpflichtigen und umsatzsteuerbefreiten Leistungen zuzuordnen sind, andererseits verwirren die oftmals unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze auf den Eingangsrechnungen.
MERKE | Die Preisänderungen stellen in der Tat eine bürokratische Hürde dar, weil die zuständige Mitarbeiterin in der Verwaltung den Zeitpunkt erfahren muss, wann Produkte mit Einkauf bis zum 30.06.2020 und dem Steuersatz von 19 bzw. 7 Prozent und ab wann in der Sonderfrist der Umsatzsteuersatz mit 16 bzw. 5 Prozent zu beachten ist. |
Die Rechnung für gelieferte Fiberglasstifte vom 02.07.2020 enthält folgende Angaben:
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Artikel | Anzahl | Euro |
Fibrapost Plus gelb (5er Packung) | 1 | 22,90 |
Porto- und Verpackungskosten | 1 | 5,00 |
Zwischensumme | 27,90 | |
16 % MwSt. | 4,46 | |
Gesamtbetrag | 33,36 |
Der Einzelpreis wird wie folgt ermittelt:
Artikel | Betrag | Dividiert | Anzahl | Einzelpreis |
Fibrapost Plus Stift | 22,90 Euro | : | 5 | 4,58 Euro |
Porto- und Verpackungskosten | 5,00 Euro | : | 5 | 1,00 Euro |
16 % MwSt. | 0,89 Euro | |||
Gesamtbetrag | 6,47 Euro |
Wenn in der Praxis noch drei Fiberglasstifte aus einer Warenlieferung vom April 2020 vorrätig sind, kann der Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent für diesen Artikel erst dann in der Praxissoftware geändert werden, wenn die drei Restposten aufgebraucht und neue Artikel in der Sonderfrist bestellt werden.
PRAXISTIPP | Eine enge Kooperation mit der zuständigen Kollegin für die Materialverwaltung ist unabdingbar, um den Änderungsaufwand so gering wie möglich zu halten. Ggf. sollte eine Rücksprache mit dem Softwarehersteller erfolgen. |
Beispiel: Rechnung für eine Sportschutzschiene
Besteht Umsatzsteuerpflicht in der Praxis, ist der Steuersatz von 16 Prozent in der Sonderfrist auf umsatzsteuerpflichtige Leistungen auszuweisen. Da es sich um eine nicht medizinisch notwendige Leistung handelt, sind bei Rechnungslegung alle flankierenden Gebührenziffern entsprechend den Vorgaben der GOZ zu kennzeichnen.
Datum | Region | Geb.-Nr. | Leistungsbeschreibung | Faktor | Anzahl | Euro |
02.07.20 | Ä1 | Beratung auf Wunsch gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 3 GOZ | 2,3 | 1 | 10,72 | |
Ä5 | Symptombezogene Untersuchung auf Wunsch gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 3 GOZ | 2,3 | 1 | 10,72 | ||
UK | 7010a | Sportschutzschiene entsprechend Nr. 7010 Aufbissbehelf auf Wunsch gemäß § 1 Abs. Satz 2 und § 2 Abs. 3 GOZ | 1,9 | 1 | 85,49 | |
Playsafe farbig | 1 | 34,95 | ||||
Zwischensumme | 141,88 | |||||
16 % MwSt. | 22,70 | |||||
Gesamtbetrag | 164,58 |
Leistungen aus dem Praxislabor
Das Anfertigen von Zahnprothesen im Praxislabor ist umsatzsteuerpflichtig. Zahntechnische Leistungen und Materialien unterliegen im Praxis- wie im gewerblichen Labor dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Zu den Zahnprothesen zählen nach dem Verständnis der Finanzverwaltung z. B. Inlays, Dreiviertelkronen, Onlays, Veneers, Prothesen, Brücken und Einzelkronen. Mit der ermäßigten Umsatzsteuer werden auch flankierende Leistungen wie z. B. die Herstellung von Modellen, Bissschalen, Bisswällen und Funktionslöffeln besteuert.
Praxislaborbelege enthalten nicht immer nur zahntechnische Materialien und Leistungen, sondern oftmals auch Praxismaterial, das aufgrund der Zuordnung zur Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit ist. Die Erfassung auf dem Laborbeleg ist nicht korrekt, da es sich um Praxis- und nicht um Labormaterialien handelt. Diese werden nach der FAQ-Frageliste zum Rechnungsvordruck seit dem 01.07.2012 laut BZÄK auf der zahnärztlichen Rechnung oder einem eigenen Beleg für Praxismaterialien erfasst.
Beispiel: Rechnung für ein umsatzsteuerpflichtiges Praxislabor
Ein Kassenpatient erhält in der Sonderfrist eine Praxislaborrechnung, die auch zahnärztliche Materialien enthält. Eigentlich sind diese hier nicht zu erfassen, außer die Praxissoftware lässt keine andere Möglichkeit zu.
L-Nr. | Leistungsbezeichnung | Einzelpreis | Anzahl | Betrag | Summe |
001-0 | Modell | 5,76 Euro | 4 | 23,04 Euro | |
021-1 | Individueller Löffel | 18,76 Euro | 1 | 18,76 Euro | |
Summe Laborkosten | 41,80 Euro | 41,80 Euro | |||
Zwischensumme | 41,80 Euro | ||||
MwSt. auf Laborkosten 5 % | 2,09 Euro | ||||
Zwischensumme inklusive 5 % | 43,89 Euro | ||||
Alginat | 4,08 Euro | 2 | 8,16 Euro | ||
Abformmaterial | 9,72 Euro | 1 | 9,72 Euro | ||
Summe Verbrauchsmaterial | 17,88 Euro | 17,88 Euro | |||
Laborkosten gesamt | 61,77 Euro |
Die umsatzsteuerpflichtigen zahntechnischen Leistungen sind in der Sonderfrist in der Rechnung mit 5 Prozent Umsatzsteuer, die Praxismaterialien ohne Ausweis von Umsatzsteuer mit dem Bruttobetrag erfasst.