· Fachbeitrag · Abtretung
Wissenswertes zu Abtretungen und zur Klage aus abgetretenem Recht
| Wenn ein Versicherer nicht erstattet, was er erstatten muss, führt der Weg zum Geld im Rechtsstaat über das Gericht. Im Idealfall verklagt der Geschädigte oder bei Kaskofällen der Versicherungsnehmer den Versicherer auf Zahlung. Doch nicht immer lässt sich der Geschädigte überzeugen, diesen Weg zu gehen. Dann muss man nicht aufgeben. Oft ist es möglich, den Versicherer aus abgetretenem Recht zu verklagen. Das jedoch ist nicht ganz ohne Tücken. Aktuelle Entwicklungen sind der Anlass, das Thema umfassend zu beleuchten. Zeigen sie diesen Beitrag Ihren Anwälten. |
Klage aus abgetretenem Recht ist nur die zweitbeste Lösung
Eine Klage aus abgetretenem Recht ist immer nur die zweitbeste Lösung. Völlig klar ist: Die bessere Lösung wäre, der Betroffene klagt selbst:
- Häufig steht dort ein Rechtsschutzversicherer zur Seite, sodass das Prozesskostenrisiko nicht vorhanden oder ‒ immer häufiger ‒ auf den Betrag der Selbstbeteiligung in der Rechtschutzversicherung begrenzt ist.
- Alle formalen Probleme rund um die Abtretungsformulare gibt es dann nicht.
- Bei Kaskofällen steht oft ein Abtretungsverbot im Weg.
- Und zunehmend fassen Gerichte die Klage aus abgetretenem Recht mit spitzeren Fingern an.
PRAXISTIPP | Vorrangig sollte immer versucht werden, den Kunden zu überzeugen, aktiv zu werden. Es ist auch als Werkstatt, Autovermieter oder Schadengutachter nicht anrüchig, dem Kunden für den Fall des Unterliegens die Übernahme der Selbstbeteiligung im Hinblick auf die Rechtschutzversicherung zuzusagen, wenn das das Hindernis für den Kunden wäre. |
Doch wenn der Kunde nicht einsteigt, ist die Klage aus abgetretenem Recht der Weg der Wahl, wenn ein Profianwalt die Erfolgsaussichten als gut einschätzt.
Die Situation beim Haftpflichtschaden
Die Abtretung und das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
Der BGH hat bereits vor Jahren geklärt, dass die auch gerichtliche Beitreibung abgetretener Schadenersatzforderungen durch den Autovermieter als Nebenleistung zur Hauptleistung der Vermietung nach § 5 Abs. 1 RDG zulässig ist. Dort gibt es für Standardfälle ohne Streit um die Schuldfrage keine Schwierigkeiten mehr (BGH, Urteil vom 31.01.2012, Az. VI ZR 143/11, Abruf-Nr. 123101). Für Werkstätten gilt das genauso.
Wenn aber auch um die Verursachungsanteile bei der Unfallentstehung gestritten wird, ist die Klage aus abgetretenem Recht mit einer Abtretung erfüllungshalber nicht möglich. Das ist aber unkritisch, denn es wird wohl kaum eine Werkstatt für den Kunden vor Gericht die Haftungssituation klären wollen.
PRAXISTIPP | Für die Anwälte unter den Lesern: Wenn das im Ausnahmefall doch einmal nötig ist, hilft eine Abtretung an Erfüllung statt. Denn die führt die Werkstatt in eine „eigene Angelegenheit“, und dann ist das RDG gar nicht berührt (BGH, Urteil vom 02.12.2011, Az. V ZR 30/11, Abruf-Nr. 120255). |
Die formalen Anforderungen an die Abtretung
Eine jüngere Entscheidung des BGH hat einmal mehr die formalen Anforderungen an die Abtretung verschärft. Unter Gesichtspunkten des AGB-Rechts (die Formulare sind ja für eine Vielzahl von Verwendungen konzipiert und daher nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich kontrollierbar) hat der BGH verlangt, dass auch Selbstverständlichkeiten im Formular niedergeschrieben sein müssen.
Es genügt also nicht, dass die Rechtslage so ist, sie muss auch beschrieben sein. Wörtlich: „Ohne Belang für die Frage der Transparenz der im Streitfall zu beurteilenden Klausel ist schließlich, dass der Geschädigte im Falle einer Sicherungsabtretung der Schadensersatzforderung an den Sachverständigen ohne ausdrückliche Regelung zur Zahlung nur Zug-um-Zug gegen Rückübertragung der Forderung verpflichtet gewesen wäre.“ (BGH, Urteil vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, Abruf-Nr. 204497).
Für alles Weitere: Der Geschädigte ist in der Rechtssprache bei der Abtretung der Zedent (Abtretender), die Werkstatt (oder ggf. der Schadengutachter, der Autovermieter, der Abschleppunternehmer etc.) ist der Zessionar (Abtretungsempfänger).
Der Geschädigte muss aus dem Formular heraus erkennen können, dass Zahlungen des Versicherers an den Zessionar auf die Forderung des Zessionars gegen ihn als Zedenten angerechnet werden. Er muss also erkennen können, dass er nicht mehr selbst bezahlen muss, was der Versicherer bereits bezahlt hat. Sinngemäß muss da also stehen: „Zahlungen des Versicherers werden auf die Forderung gegen den Zedenten angerechnet.“. Das ist nicht konkreter Inhalt der oben zitierten Entscheidung, ist aber deren logische Folge.
Der zweite Punkt basiert darauf, dass die üblichen „Abtretungen erfüllungshalber“ den Geschädigten nicht von seiner eigenen Pflicht zur Zahlung befreien. Wenn die Werkstatt oder andere Zessionare beim Versicherer nicht in angemessener Zeit zum Zuge kommen, können sie die Aktivitäten gegenüber dem Versicherer einstellen und das Geld stattdessen vom Kunden verlangen.
Der muss aber, so der BGH ganz ausdrücklich, aus dem Abtretungstext heraus erkennen können, dass der Zessionar nicht einerseits das Geld von ihm als Zedenten verlangen kann und gleichzeitig weiterhin Inhaber des Anspruchs gegen den Versicherer bleibt. Denn der Geschädigte, der selbst bezahlt, muss ja nun die Chance haben, sich selbst gegen den Versicherer durchzusetzen. Also muss im Abtretungstext sinngemäß geschrieben stehen: „Im Umfang der Zahlungen durch den Zedenten überträgt der Zessionar die abgetretene Forderung an den Zedenten zurück.“
Angepasste Formulare sind aktuell am Markt
Hoffentlich haben unsere Leser bemerkt, dass die Verbände und die Fachverlage (u. a. Vogel-Forma; www.vogel-forma.de) auf die Situation aufmerksam gemacht haben und angepasste Formulare anbieten. Es ist wichtig, nur noch die neuen Formulare zu verwenden.
Wichtig | Ob allen Anbietern die Aktualisierung inhaltlich gelungen ist, können und wollen wir nicht abschließend beurteilen. In einem weit verbreiteten Formular können wir jedoch in der aktualisierten Fassung den ersten der beiden Punkte, nämlich die sinngemäße „Zahlungen des Versicherers werden auf die Forderung gegen den Zedenten angerechnet“-Regelung nicht finden.
Der abgetretene Anspruch
Ein Grundsatz jeder Abtretung lautet, dass sich die Rechtsnatur des abgetretenen Anspruchs nicht dadurch ändert, dass der Anspruch mit der Abtretung in andere Hände übergeht. So sagt der BGH: „Die Auffassung der Revision, dass sich der Inhalt der Schadensersatzforderung durch die Abtretung ändere, weil nicht mehr der Geschädigte die Schadensersatzforderung geltend mache, ist unzutreffend. Der Zessionar erwirbt die Forderung in der Form, wie sie zuvor in der Person des Zedenten bestand.“ (BGH, Urteil vom 19.07.2016, Az. VI ZR 491/15, Abruf-Nr. 188868).
Das bedeutet: Auch wenn die Werkstatt als Klägerin auftritt, klagt sie nicht ihren Werklohn beim Versicherer ein, sondern den Schadenersatzanspruch des Zedenten. Alle Fragen sind also nach wie vor schadenrechtlich und nicht etwa werkvertraglich zu klären.
Viele Gerichte sehen das auch genauso und handeln auch danach. Dennoch stößt man da gelegentlich auf Schwierigkeiten. Manche Richter sehen zwar objektiv, dass immer noch Schadenrecht anzuwenden ist, meinen aber subjektiv, dass das doch „Werklohndurchsetzungsprozesse hinter schadenrechtlicher Maske“ seien. Rein wirtschaftlich betrachtet ist das auch nicht ganz von der Hand zu weisen.
Das Risiko dieser Betrachtungsweise ist, dass dann doch werkvertraglichen Einwendungen des Versicherers nachgegangen wird. Insbesondere dem „Diese oder jene Arbeit war nicht nötig“-Einwand, der schadenrechtlich keine Rolle spielt, wenn die Arbeitsschritte schon im Gutachten standen, gehen die Gerichte nach. Das kann zu erheblichen Kostenrisiken aufgrund gerichtlich eingeholter Gutachten führen.
Insbesondere bei einem eher kleinen Amtsgericht in einer kleinen Stadt, in der ein großer Versicherer seinen Gerichtsstand hat, was zur völligen Überlastung des Gerichtes führt, kann derzeit beobachtet werden, wie mit immer neuen Gedanken die Klage aus abgetretenem Recht von Tag zu Tag unattraktiver (gemacht) wird.
Die Problematik mit den nicht vereinbarten „üblichen“ Kostenpositionen
Der Ansatzpunkt ist ein Urteil des BGH, bei dem es um eine abgetretene Schadenposition ging, die werkvertraglich nicht auf einer Preisvereinbarung, sondern auf der Üblichkeit im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB beruht.
Für diese Konstellation hat der BGH einen Weg eingeschlagen, der im Ergebnis dazu führt, dass der für die Anspruchsdurchsetzung sehr hilfreiche „subjektbezogene Schadenbegriff“ durch werkvertragliche Detailprüfung ersetzt wird. Der Geschädigte (Zedent) gehe bei Abschluss eines Werkvertrags mit dem Leistungserbringer (dort war es ein Schadengutachter, aber bei Werkstätten ist das nicht anders) davon aus, mehr als das Übliche werde ihm bei den nicht vereinbarten Kostenpositionen schon nicht berechnet. Daher werde der schützenwerte Schadenbegriff durch die objektive Üblichkeit ersetzt (BGH, Urteil vom 28.02.2017, Az. VI ZR 76/16, Abruf-Nr. 193340).
Bei unserer Darstellung dieses Themas soll nicht verstanden werden „So ein Mist, jetzt können wir nicht mehr als das Übliche abzocken …“. Wir gehen davon aus, dass unsere seriösen Leser dort, wo mangels Preisvereinbarung „das Übliche“ abzurechnen ist, auch nicht mehr als das Übliche abrechnen.
Das Problem liegt an anderer Stelle: Wenn nun der Versicherer im Prozess das Gericht verunsichert, ob diese oder jene Position im Rahmen des Üblichen liegt oder den Rahmen sprengt, holt das Gericht ein Gerichtsgutachten zur Üblichkeit ein. Da werden schnell mal 2.000 oder 3.000 Euro für aufgerufen. Wenn man dann im Prozess um die restlichen kleinen dreistelligen (und manchmal nur zweistelligen) Positionen auch nur mit einer kleinen Quote unterliegt, fressen die fünf oder zehn Prozent der Gerichtsgutachtenkosten den Ertrag schnell auf. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass der Versicherer den ganzen Rest am Bein hat.
Die Lösung: vereinbaren, vereinbaren, vereinbaren…
Die derzeit häufigste Kostenposition, die auf der Üblichkeitsschiene läuft, ist die der Verbringungskosten. Auch bei den Standkosten und bei den Probefahrt- oder Reinigungskosten liegt selten eine Preisvereinbarung vor.
PRAXISTIPP | Wer sich für Rechtsstreitigkeiten wappnen möchte, sollte ab sofort Preise vereinbaren. Der sicherste Weg ist nach derzeitiger Einschätzung, die Kostenpositionen in den Auftrag zu schreiben. Das könnte etwa so aussehen:
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Denn für alles, was vereinbart ist, muss nicht im Nebel der Üblichkeit herumgestochert werden. Das wird die Rechtsstreitigkeiten einfacher machen. |
Die Situation bei Kaskoschäden
Liegt überhaupt eine Abtretung vor?
Das am häufigsten verwendete Abtretungsformular, das vom ZDK verbreitet wird, begrenzt die Abtretung bereits nach seinem Text auf die Haftpflichtschäden. Für Kaskoschäden ist darin gar keine Abtretung vorgesehen. Wenn es aber gar keine Abtretung des Anspruchs des Versicherungsnehmers gegen seinen Kaskoversicherer gibt, stellen sich alle weiteren Fragen nicht. Dann ist eine Klage aus abgetretenem Recht gar nicht möglich.
Der Hintergrund ist, dass die Kaskoverträge wohl ausnahmslos eine Regelung vorsehen, die landläufig als „Abtretungsverbot“ bezeichnet wird. Bei genauerem Hinsehen ist das aber nur ein Abtretungsgenehmigungserfordernis. Ohne Genehmigung des Kaskoversicherers sind Abtretungen auf den ersten Blick also unwirksam.
Allerdings gibt es eine gesetzlich geregelte Ausnahme: Nach § 354a Abs. 1 HGB kann unter Kaufleuten kein Abtretungsverbot wirksam vereinbart werden. Wenn also der Versicherungsnehmer Kaufmann ist (der Versicherer ist es per se), dann ist eine Abtretung der Kaskoansprüche sehr wohl erlaubt.
Und die Rechtsprechung sieht in einer vorgerichtlichen Zahlung des Versicherers an die Werkstatt in ihrer Rolle als Zessionar ‒ je nach Umständen - eine Genehmigung der Abtretung.
Abtretung nicht ausgeschlossen ‒ aber auch wirksam?
Ausgeschlossen ist eine Abtretung der Kaskoansprüche also nicht, wenngleich eine solche Abtretung oft doch unwirksam ist. Es kommt auf den Einzelfall an.
Wenn aber schon das Abtretungsformular keine Abtretung für Kaskofälle vorsieht, steht die Werkstatt auch in den Fällen, in denen die Abtretung wirksam wäre, auf verlorenem Posten. Das Formular von Vogel-Forma sieht deshalb auch die Variante der Abtretung des Kaskoanspruchs vor.
Wichtig | Wenn Klage eingereicht werden soll, muss ein Anwalt, der die Feinheiten der Abtretung von Kaskoansprüchen kennt, noch einmal genauer hinschauen, ob das geht.
Alle weiteren Fragen sind genauso zu beantworten, wie bei den Haftpflichtthemen.