· Fachbeitrag · AGG
Welche Ansprüche unterliegen der Geltendmachungsfrist nach § 15 Abs. 4 AGG?
Vergütungsansprüche wegen behaupteter oder tatsächlicher Diskriminierung wegen des Geschlechts, die von weiblichen ArbN geltend gemacht werden, sind Erfüllungsansprüche. Diese unterliegen nicht der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG. Neben diesen Erfüllungsansprüchen können Entschädigungsansprüche wegen der mit der Ungleichbehandlung verbundenen Persönlichkeitsverletzung gegeben sein (LAG Rheinland-Pfalz 14.8.14, 5 Sa 509/13, Abruf-Nr. 143094). |
Sachverhalt
Die ArbN ist beim ArbG, der Schuhe herstellt, als Produktionsmitarbeiterin tätig. Im Zeitraum zwischen dem 1.1.09 bis zum 31.12.12 zahlte der ArbG den in der Produktion beschäftigten weiblichen ArbN einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Diese geringeren Zahlungen wirkten sich auch auf die Höhe der Anwesenheitsprämie, die 5 % des Bruttolohns beträgt, das Weihnachtsgeld, das 40 % des Bruttolohns beträgt, und das Urlaubsgeld, das 46,5 % des Bruttolohns beträgt, aus. Denn diese Zahlungen wurden ebenfalls auf der Grundlage des geringeren Bruttostundenlohns berechnet.
Die ArbN macht für den Zeitraum zwischen dem 1.1.09 und dem 31.12.12 gegenüber dem ArbG diverse Ansprüche vor dem Arbeitsgericht geltend. Sie verlangt die rückständigen Lohndifferenzen, die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG, die Erteilung ordnungsgemäßer Abrechnungen sowie die Erteilung von Auskünften und Zahlung künftiger korrekter Vergütung.
Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz den Anspruch auf Zahlung der Lohndifferenzen in vollem Umfang und den Anspruch auf eine Entschädigung nach dem AGG zum Teil bejaht. Ebenso wurde der ArbG zur Auskunftserteilung verpflichtet. Die Anträge auf ordnungsgemäße Abrechnungen und Zahlung der künftigen korrekten Vergütung wurden in vollem Umfang abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der ArbN und des ArbG führte zu einer höheren AGG-Entschädigung. Im Übrigen waren die Berufungsanträge beider Seiten erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die 5. Kammer des LAG Rheinland-Pfalz betont in ihrer Entscheidung, dass bei Zahlungsklagen, die wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung bei der Entgeltzahlung erhoben werden, zwischen Erfüllungsansprüchen, die nicht der Frist nach § 15 Abs. 4 AGG unterliegen und Entschädigungsansprüchen, für die diese Frist gilt, unterschieden werden muss.
- Nach § 15 Abs. 4 AGG müssen Entschädigungs- und Schadenersatzansprüche, die auf eine Benachteiligung wegen der Kriterien nach § 1 AGG gestützt werden, innerhalb von zwei Wochen schriftlich geltend gemacht werden. Diese Geltendmachungsfrist beginnt im Falle einer Bewerbung oder des beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung. Erfolgt keine Ablehnung, beginnt sie zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hat.
- Die Differenzlohnansprüche unterliegen hingegen nur der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.
- Darüber hinaus hielt das LAG einen Entschädigungsbetrag von einheitlich 6.000 EUR für die mit der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung der weiblichen ArbN verbundene Persönlichkeitsverletzung für angemessen.
Praxishinweis
Der Parteivertreter, sowohl auf ArbN- als auch auf ArbG-Seite, muss neben der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten für Entschädigungs- oder Schadenersatzansprüche nach dem AGG auch die Klagefrist von drei Monaten nach § 61b ArbGG beachten. Danach muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung erhoben werden. Diese Geltendmachungs- und Klagefristen erfassen hingegen ausschließlich die Ansprüche nach § 15 AGG. Sie gelten nicht, wenn aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen vorgegangen wird. Tarifverträge können überdies auch für diese Ansprüche eine kürzere Geltendmachungsfrist vorsehen. Insbesondere bei Einstellungen und Beschwerden ist daher dem ArbG anzuraten, den Eingang entsprechender Geltendmachungsschreiben und seine Reaktion „gerichtsfest“ zu dokumentieren.
Checkliste / Ansprüche nach dem AGG und deren Geltendmachung |
Bei Anspruchstellung nach § 15 AGG sind folgende Fristen zu beachten:
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Weiterführende Hinweise
- Ansprüche aus AGG nicht gegen Personalvermittler richten: BAG in AA 14, 37
- Fristwahrung bei AGG-Entschädigungsansprüchen durch Klageerhebung? BAG in AA 14, 191
- Schadenersatz und Entschädigung nach § 15 AGG: BAG in AA 14, 116