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01.10.2005 | Altersteilzeit in der Insolvenz

Sicherung der Arbeitnehmer-Wertguthaben

von Rechtsanwalt Dr. jur. Magnus Bergmann, Essen

Das „Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (Hartz III) hat zum 1. Juli 2004 erhebliche Änderungen im Altersteilzeitgesetz (AltTZG) bewirkt. Arbeitgeber sind seither verpflichtet, Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse im Blockmodell für den Fall der Insolvenz abzusichern. 

 

Der folgende Beitrag zeigt, wie sich die Insolvenz des Arbeitgebers auf Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse auswirkt, wenn der Altersteilzeitvertrag vor dem 1. Juli 2004 („Altfälle“) bzw. nach dem 30. Juni 2004 abgeschlossen wurde. Ferner erfahren Sie, wie der Arbeitgeber den Insolvenzschutz in geeigneter Weise sicherstellt. 

„Altfälle“ in der Insolvenz

Unter die Bezeichnung „Altfälle“ fallen alle Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse, die vor dem 1. Juli 2004 im so genannten Blockmodell begonnen haben. Das Blockmodell zeichnet sich durch zwei Phasen aus, die Arbeits- und die Freistellungsphase.  

 

Während der Arbeitsphase verrichtet der Arbeitnehmer seine Tätigkeit im gewohnten Umfang, allerdings bei reduziertem Entgelt. Dadurch wird Entgelt angespart. In der zweiten Hälfte – der Freistellungsphase – arbeitet der Arbeitnehmer nicht mehr, erhält jedoch weiterhin das reduzierte Entgelt, welches er zuvor durch die geringere Entgelt-Auszahlung angespart hat. Dieses reduzierte Entgelt nennt man Wertguthaben. Um eben dieses Wertguthaben dreht sich die gesetzliche Neuerung. 

 

Vor dem 1. Juli 2004 musste der Arbeitgeber (lediglich) Vorkehrungen treffen, „die der Erfüllung der Wertguthaben einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dienen“ (§ 7d Abs. 1 SGB IV).  

 

Unterließ der Arbeitgeber entsprechende Vorkehrungen, trafen ihn keine Sanktionen. Etwas anderes konnte nur gelten, wenn für den Arbeitgeber bei Abschluss des Altersteilzeit-Arbeitsvertrags vorhersehbar war, dass die Vergütungsansprüche, die der Arbeitnehmer vorleistet, wegen Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllt werden können (LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.12.2004, Az: 9 [6] Sa 96/04; Abruf-Nr. 051659).  

 

Entsprechend haben viele Unternehmen Wertguthaben bisher nicht gegen Insolvenz gesichert. Gerät nun der Arbeitgeber in die Insolvenz, gilt hinsichtlich der nicht gesicherten Wertguthaben Folgendes:  

 

Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit?

Tritt die Insolvenz des Unternehmens zu einer Zeit ein, in der der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase ist, fragt sich, ob die Forderung des Arbeitnehmers (monatliche Auszahlung des Wertguthabens während der Freistellungsphase) Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ist. Antwort: Die Abgrenzung erfolgt danach, wann die Arbeitsleistung erbracht wurde, die den Ansprüchen zu Grunde liegt. Nicht entscheidend ist, wann der Arbeitnehmer die Zahlungen verlangen kann. Da die Ansprüche des Arbeitnehmers für die Freistellungsphase während der Arbeitsphase „erarbeitet“ werden, stellen die Forderungen einfache Insolvenzforderungen nach § 38 Insolvenzordnung (InsO) dar (BAG, Urteil vom 23.2.2005, Az: 10 AZR 600/03; Abruf-Nr. 052410). 

 

Forderungen älter als drei Monate vor Insolvenzeröffnung

Forderungen, die mehr als drei Monate vor der Insolvenzeröffnung rückständig sind, gelten demnach als Insolvenzforderungen.  

 

Der Arbeitnehmer kann seine Forderung nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren (§ 87 InsO) verfolgen: Er muss sein Wertguthaben beim Insolvenzverwalter (§ 174 InsO) und im Falle der Eigenverwaltung beim Sachwalter (§ 270 Abs. 3 Satz 2 InsO) schriftlich zur Insolvenztabelle (§ 175 InsO) innerhalb der im Eröffnungsbeschluss vorgegebenen Frist anmelden. Erfahrungsgemäß erhält er aber als so genannter Insolvenzgläubiger lediglich maximal 30 Prozent seiner Gesamtforderung. 

 

Forderungen aus den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnung

Die Ansprüche für die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung sind Insolvenzgeldansprüche. Dazu gehören auch die Aufstockungsbeträge, auch in der Freistellungsphase (§ 183 Abs. 1 S. 4 SGB III). Diese Ansprüche sind über die Arbeitsagenturen gesichert. 

 

Forderungen aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung

Die Ansprüche für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Dies gilt unabhängig davon, ob sich der Altersteilzeit-Arbeitnehmer in der Arbeits- oder in der Freistellungsphase befindet. Reicht die Masse zur Befriedigung der Ansprüche nicht aus, kann nur entsprechend der Quote gezahlt werden.  

 

Beachten Sie: Arbeitnehmer in der Freistellungsphase können nicht aus betriebsbedingten Gründen gekündigt werden (BAG, Urteil vom 5.12.2002, Az: 2 AZR 571/01; Abruf-Nr. 030445). Der Insolvenzverwalter muss also den Altersteilzeitvertrag bis zum Ende erfüllen. Auch eine Kündigung in der Arbeitsphase dürfte in der Regel wegen des Alters und der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers sozialwidrig sein.  

Rechtslage seit dem 1. Juli 2004

Mit dem neuen § 8a AltTZG, der zum 1. Juli 2004 in Kraft getreten ist, wurde eine direkte Rechtspflicht zur Insolvenzsicherung von Wertguthaben eingeführt. Das „Ausfallrisiko“ des Teilzeit-Arbeitnehmers bei Insolvenz seines Arbeitgebers soll damit ausgeschlossen sein. Die Neuregelung löst bei nahezu jedem Arbeitgeber, der Altersteilzeit im so genannten Blockmodell durchführt, sofort Handlungsbedarf aus.  

 

Unser Tipp: Handlungsbedarf besteht nicht nur hinsichtlich neuer „Altersteilzeitler“. Arbeitgeber, die eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern vermeiden möchten (alte ungesicherte und neue abgesicherte Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse), werden sich mit der Absicherung bisher entstandener Wertguthaben beschäftigen (müssen). Eine Pflicht, „Alt-“ und „Neufälle“ gleich zu behandeln, besteht aber wohl nicht. Entscheidend wird sein, ob es für die Ungleichbehandlung eine sachliche Rechtfertigung gibt. Die unterschiedlichen Rechtslagen könnten als Begründung für eine Ungleichbehandlung ausreichend sein. 

 

Das angesparte Wertguthaben muss nunmehr gegen die Insolvenz des Arbeitgebers abgesichert werden, soweit der Betrag des dreifachen Regelarbeitsentgelts einschließlich des darauf entfallenden Arbeitgeberanteils zur Gesamtsozialversicherung überschritten wird. Erinnerung: Das einfache Regelarbeitsentgelt (§ 6 Abs. 1 AltTZG) beträgt im Jahr 2005 in den alten Bundesländern 5.200 Euro in den neuen 4.400 Euro. Wertguthaben über 15.600 bzw. 13.200 Euro müssen dementsprechend gesichert werden. 

Sicherung „in geeigneter Weise“

Der Arbeitgeber muss das Wertguthaben gegen das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit absichern und dem Arbeitnehmer die zur Sicherung des Wertguthabens ergriffenen Maßnahmen nachweisen.  

 

Der Gesetzgeber hat jedoch die gesetzliche Nachweispflicht nicht konkret ausgestaltet. Damit wollte er verhindern, dass durch eine abschließende Aufzählung der zugelassenen Modelle die Entwicklung weiterer innovativer Sicherungsmodelle unterbleibt. Statt dessen arbeitet der Gesetzgeber mit einer Negativausgrenzung: § 8a Abs. 1 Satz 2 AltTZG nennt die Modelle, die nicht als geeignete Sicherungsmittel anzusehen sind.  

 

Ungeeignete Sicherungsmittel

Nicht geeignet sich demnach bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen (§ 18 AktG) begründete Einstandspflichten, insbesondere Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte. 

 

Geeignete Sicherungsmittel in der Praxis

In der Praxis haben sich verschiedene Insolvenzsicherungsmodelle he-rausgebildet, die als Sicherungsmittel geeignet sind. Zum Beispiel:  

 

  • (Bank-)Bürgschaften,
  • Dingliche Sicherheiten zu Gunsten der Arbeitnehmer (zum Beispiel Verpfändung von Wertpapieren, insbesondere Fonds),
  • Treuhandmodelle (insbesondere so genannte Contractual Trust Arrangement [CTA])
  • Versicherungen (Bürgschafts- und Rückdeckungsversicherungen)

 

Unser Tipp: Je nach Größe und Bonität des Unternehmens, der Zahl der Altersteilzeit-Arbeitsverhältnisse sowie der finanzwirtschaftlichen (bilanziellen) Situation sind unterschiedliche Modelle zu bevorzugen. 

Die wichtigsten Sicherungsmittel im Überblick

Die Charakteristika der wichtigsten Sicherungsmittel sind:  

 

Bürgschaft (Bank)

Hier bürgt die Bank im Insolvenzfall für die Auszahlung der Ansprüche von Arbeitnehmern und Sozialversicherungsträgern. Die Bürgschaft muss auf den Höchstbetrag der zu sichernden Summe lauten. Der Arbeitgeber muss mit einer Bonitätsprüfung rechnen und beachten, dass die Bürgschaftssumme auf die Kreditlinie angerechnet wird. Je nachdem, ob einzelne Arbeitnehmer oder die Gesamtheit der Altersteilzeitler abgesichert werden, wird es sich um Einzel- bzw. um Globalbürgschaften handeln.  

 

Beachten Sie: Ganz billig ist die Angelegenheit nicht: Abhängig von der Bonität des Unternehmens und dem gewünschtem Limit werden pro Jahr Avalprovisionen zwischen 0,5 und 2 Prozent der Bürgschaftssumme fällig. Zudem kann eine Sicherung in Höhe von 20 bis 50 Prozent des Sicherungsvolumens zu leisten sein, im Einzelfall sogar mehr.  

 

Bürgschaft (Unternehmen) 

Eine Bürgschaft für Altersteilzeitverbindlichkeiten kann ein fremdes oder ein zum Konzern gehörendes Unternehmen gewähren.In beiden Fällen handelt es sich um Bankgeschäfte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG (Garantiegeschäft). Sie erfordern eine Genehmigung (Bankerlaubnis nach § 32 KWG) der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.  

 

Verpfändung von Wertpapieren

Für kleinere Betriebe kommt eine Verpfändung von Wertpapieren (insbesondere Fondsanteile) in Betracht: Der Arbeitgeber erwirbt für jeden seiner Arbeitnehmer Wertpapiere in Höhe des jeweiligen Wertguthabens. Diese werden dem Arbeitnehmer auf einem Einzelkonto gutgeschrieben und anschließend verpfändet. Der Verwaltungsaufwand ist überschaubar. 

 

Treuhandmodelle (insbesondere CTA)

Bei einem CTA wird das Sicherungsvermögen von einem Treuhänder (Trust) verwaltet. Der Trust kann insbesondere in Form eines eingetragenen Vereins oder auch als Stiftung organisiert sein. Zwischen Trust und Arbeitgeber wird vertraglich vereinbart, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer in Altersteilzeit aus dem Sicherungsvermögen befriedigt werden.  

 

Unser Tipp: Es sollten nicht nur die Mittel übertragen, sondern gleichzeitig eine Sicherungsübereignung und Sicherungstreuhand zu Gunsten der Altersteilzeit-Arbeitnehmer vereinbart werden. Andernfalls (wenn der Arbeitgeber der Treugeber ist) fällt das Treugut in die Insolvenzmasse. Die Sicherungsfunktion geht ins Leere (Negativbeispiel: BAG, Urteil vom 24.9.2003, Az: 10 AZR 640/02; Abruf-Nr. 052333).  

 

Ferner sollten die Verträge von Anfang an so konzipiert sein, dass der Treuhänder bei der Auszahlung an die Arbeitnehmer auch die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge abführt.  

 

Bürgschafts- und Rückdeckungsversicherungen

Bei der Bürgschaftsversicherung handelt es sich um eine reine Risikoversicherung für den Insolvenzfall. Der Versicherer sichert als Bürge die Ansprüche der Arbeitnehmer ab. Häufig wird – ähnlich wie bei der Bankbürgschaft – neben der Versicherungsprämie die Bestellung einer Sicherheit in Höhe eines bestimmten Teils der Wertguthaben verlangt.  

 

Aus der Rückdeckungsversicherung (zum Beispiel in Form einer Lebensversicherung) ist – anders als bei der Bürgschaftsversicherung – allein der Arbeitgeber anspruchsberechtigt. Er verpfändet jedoch seine Ansprüche aus der Versicherung an den Arbeitnehmer. Dieser darf die an ihn verpfändeten Ansprüche aber nur im Insolvenzfall verwerten.  

Nachweis der ergriffenen Maßnahmen

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer mit der ersten Gutschrift und danach alle sechs Monate in Textform (§ 126b BGB) die Sicherungsmaßnahmen nachweisen. Dabei müssen dem Arbeitnehmer entsprechende Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.  

 

Die Betriebsparteien, also Arbeitgeber und Betriebsrat, können neben der Textform eine andere gleichwertige Art und Form des Nachweises vereinbaren (§ 8a Abs. 3 Satz 2 AltTZG). Da das Verfahren sehr detailliert vorgegeben ist, wird es schwierig sein, in der Praxis gleichwertige andere Nachweisvereinbarungen zu schließen. 

Anspruch auf Sicherheitsleistung

Kommt der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Insolvenzsicherung nicht oder nicht ausreichend nach oder unterbleibt ein geeigneter Nachweis gegenüber dem Arbeitnehmer, so kann der Arbeitnehmer Sicherheitsleistung in Höhe des bestehenden Wertguthabens verlangen (§ 8a Abs. 4 AltTZG).  

 

Die Sicherheitsleistung kann der Arbeitgeber nur erbringen, indem er  

  • einen tauglichen Bürgen stellt oder
  • Geld oder sonstige Wertpapiere hinterlegt, die nach § 234 Abs. 1und 3 BGB zur Sicherheitsleistung geeignet sind.

 

Das Gesetz räumt dem Arbeitnehmer damit ein Wahlrecht hinsichtlich der zulässigen Sicherheitsleistungen ein. 

 

Unser Tipp: Arbeitgeber sollten ihrer Pflicht zur Insolvenzsicherung von sich aus nachkommen. Sie haben dadurch die Möglichkeit, das Sicherungsmittel aus einer wesentlich größeren Palette auszuwählen.  

 

Umgehung der Sicherungspflicht ausgeschlossen

Arbeitgeber können ihre Sicherungspflicht nicht umgehen. Vereinbarungen über den Insolvenzschutz sind unwirksam, die zum Nachteil des in Altersteilzeitarbeit beschäftigten Arbeitnehmers von den Bestimmungen dieser Vorschrift abweichen (§ 8a Abs. 5 AltTZG). 

Quelle: Seite 176 | ID 88098