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bAV im Minijob: Aktuelle Gestaltungen aufgrund des Betriebsrentenstärkungsgesetzes
von Dr. Claudia Veh, Schweizer Leben PensionsManagement GmbH, Garching
| Auch Minijobber sollten die Möglichkeit einer betrieblichen Altersvorsorge prüfen. Vor dem Hintergrund des Betriebsrentenstärkungsgesetzes eröffnen sich verschiedene neue Gestaltungen für Minijobber. |
1. Versicherungspflicht und Opting Out
Für seit 2013 neu aufgenommene geringfügige Beschäftigungen mit einem regelmäßigen Verdienst bis 450 EUR im Monat besteht seit 1.1.13 automatisch eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Minijobber stockt automatisch die Arbeitgeberpauschale von 15 Prozent bis zum Regelbeitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung (2019: 18,6 Prozent) auf. Er zahlt also die Differenz (2019: 3,6 Prozent). Auf Antrag kann sich der Minijobber von der Versicherungspflicht befreien lassen.
Die Vorteile aus der Versicherungspflicht liegen auf der Hand: Die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung werden als Pflichtbeiträge für die Wartezeit und auch für die Anwartschaften auf eine Rente wegen Erwerbsminderung oder die Voraussetzungen für eine REHA-Leistung berücksichtigt.
Aber aufgrund des geringen Entgelts erwerben Minijobber trotz Versicherungspflicht keine nennenswerten Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Deshalb muss der Minijobber anderweitig eine Altersversorgung aufbauen. Ein attraktiver Weg ist die betriebliche Altersversorgung (bAV).
2. Arbeitgeberfinanzierte bAV
Der Arbeitgeber kann auch für seine geringfügig Beschäftigten eine bAV einrichten. Gibt es im Unternehmen eine Versorgungsordnung für die Belegschaft, darf der Arbeitgeber Minijobber nicht ausschließen. Sonst würde er gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG verstoßen.
Für die bAV der Minijobber stehen alle fünf Durchführungswege zur Verfügung, also die nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds sowie die Unterstützungskasse und die Direktzusage. Bei den nach § 3 Nr. 63 EStG geförderten Durchführungswegen ist allerdings Voraussetzung, dass es sich um das erste Arbeits- bzw. Dienstverhältnis handelt.
Im Allgemeinen bewegen sich Beiträge zugunsten einer bAV für Minijobber im Rahmen der über § 3 Nr. 63 EStG steuerlich geförderten Beiträge: Steuerfrei sind acht Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG 2019: 80.400 EUR). Steuerfrei sind damit 536 EUR monatlich, sozialabgabenfrei vier Prozent der BBG, also 268 EUR pro Monat.
Sprich: Arbeitgeber können für den Minijobber eine arbeitgeberfinanzierte bAV mit einem Beitrag von 268 EUR monatlich über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds einrichten, ohne dass in der Anwartschaft Steuern und Sozialabgaben anfallen. Die Nutzung des § 3 Nr. 63 EStG ist allerdings an das erste Arbeitsverhältnis geknüpft. Für Arbeitnehmer, die den Minijob als zweites Dienstverhältnis ausüben, lässt sich die steuerliche Förderung des § 3 Nr. 63 EStG im Minijob nicht nutzen. In diesem Fall wählen Arbeitgeber in der Regel den Durchführungsweg Unterstützungskasse.
3. Entgeltumwandlung
Auch eine Entgeltumwandlung ist bei geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern möglich. Den Rechtsanspruch haben geringfügig Beschäftigte allerdings nur, wenn sie rentenversicherungspflichtig sind; also
- (Alt-)Minijobber mit Beschäftigungsbeginn vor 2013, die den Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit erklärt haben, oder
- (Neu-)Minijobber mit Beschäftigungsbeginn seit 2013, die keine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragt haben.
Der rentenversicherungspflichtige Minijobber hat einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung in Höhe von vier Prozent der BBG (2019: 268 EUR monatlich). Kaum ein Minijobber wird diese Grenze ausnutzen. Im Regelfall werden geringere Beträge umgewandelt, z. B. 50 EUR monatlich.
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Bei Arbeitgeber A arbeiten zwei 450-EUR-Kräfte monatlich 45 Stunden zu einem Stundenlohn von 10 EUR. Die eine Minijobberin ist rentenversicherungsfrei. Die zweite ist rentenversicherungspflichtig und wandelt 50 EUR in eine bAV im Juli 2019 um. | ||
Monatsarbeitszeit | 45 Stunden | 45 Stunden mit bAV |
Bruttoentgelt | 450 EUR | 450 EUR |
bAV-Beitrag | 0 | 50 EUR |
Sozialabgaben M | 0 EUR (rv-frei) | 14,40 EUR (3,6 % x 400 EUR) |
Nettoentgelt M | 450 EUR | 385,60 EUR |
Abgaben A | 140,18 EUR | 124,60 EUR |
Gesamtaufwand A | 590,18 EUR | 574,60 EUR |
Die zweite Minijobberin erzielt bei der Entgeltumwandlung von 50 EUR ein Nettoentgelt von 385,60 EUR statt der 450 EUR ohne Umwandlung. Der Arbeitgeber A spart bei der zweiten Minijobberin 15,58 EUR. |
a) „Minijob-Rente“ durch Mehrarbeit
Ein unter dem Begriff „Minijob-Rente“ geläufiger Begriff bezeichnet den Aufbau einer bAV durch Mehrarbeit.
Dabei wird die Arbeitszeit erhöht, ggf. auch über die 450-EUR-Grenze hinaus. Die zusätzliche Zeit wird als Beitrag für eine Entgeltumwandlung verwendet. So kann ein Minijobber seinen Status behalten, obwohl der sich mit der Mehrarbeit ergebende Lohn über 450 EUR monatlich und damit seit 1.7.19 im Übergangsbereich liegen würde.
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Eine rentenversicherungspflichtige Minijobberin erhöht ihre Arbeitszeit bei einem Stundenlohn von 10 EUR um fünf Stunden (von 45 auf 50 Stunden) pro Monat bei ihrem Arbeitgeber und wandelt 50 EUR in eine Unterstützungskasse um: | ||
Monatsarbeitszeit | 45 Stunden | 50 Stunden mit bAV |
Bruttoentgelt | 450 EUR | 500 EUR |
bAV-Beitrag | 0 EUR | 50 EUR |
Entgelt | 450 EUR | 450 EUR |
Sozialabgaben M | 0 EUR (rv-frei) | 16,20 EUR |
Nettoentgelt M | 450 EUR | 433,80 EUR |
Abgaben A | 140,18 EUR | 140,18 EUR |
Gesamtaufwand A | 590,18 EUR | 640,18 EUR |
Die Minijobberin erzielt bei der Entgeltumwandlung ein Nettoentgelt von 433,80 EUR. Das sind 16,20 EUR weniger im Vergleich zu einer rentenversicherungsfreien Minijobberin mit einem 450-EUR-Minijob ohne Umwandlung und ohne Stundenaufstockung. Für den Arbeitgeber erhöht sich der Gesamtaufwand um 50 EUR aufgrund der Mehrstunden. |
b) Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung
Interessant wird die Entgeltumwandlung, wenn der mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführte verpflichtende Arbeitgeberzuschuss genutzt werden kann. Der Arbeitgeber muss unter bestimmten Voraussetzungen 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten (§ 1a Abs. 1a BetrAVG).
Der Arbeitgeberzuschuss ist verpflichtend
- in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds,
- soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialabgaben einspart (§ 1a Abs. 1a BetrAVG),
- für neu abgeschlossene Entgeltumwandlungsvereinbarungen seit dem 1.1.19 und für Bestandsverträge ab dem 1.1.22 (abweichende tarifvertragliche Regelungen sind zu beachten) und
- für Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Denn der Arbeitgeberzuschuss ist in § 1a BetrAVG geregelt. Damit gelten alle Voraussetzungen für den Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung auch für den Arbeitgeberzuschuss.
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Ein rentenversicherungspflichtiger Minijobber im gewerblichen Bereich mit nur einem Dienstverhältnis verdient 450 EUR brutto im Monat. Wandelt der Minijobber von den 450 EUR nun 50 EUR in eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung in eine Direktversicherung um, sind diese Beiträge steuer- und sozialabgabenfrei. Der Arbeitgeber rechnet wie folgt: | ||
ohne bAV | mit bAV | |
Bruttoentgelt | 450 EUR | 450 EUR |
Entgeltumwandlung | ‒ | 50 EUR |
Entgelt nach Entgeltumwandlung | 450 EUR | 400 EUR |
Abgaben AG (inklusive Umlagen, Pauschsteuer) | 140,18 EUR | 124,60 EUR |
Ersparnis gesamt AG | 15,58 EUR | |
15-%-AG-Zuschuss zur Entgeltumwandlung | 7,50 EUR | |
„Netto-Ersparnis“ AG | 8,08 EUR | |
Der Arbeitgeber spart durch die Entgeltumwandlung 15,58 EUR (inklusive Umlagen und Pauschsteuer). Er muss daher den Zuschuss von maximal 15 Prozent des umgewandelten Entgelts in die Direktversicherung leisten. Das sind also 7,50 EUR (15 % x 50 EUR = 7,50 EUR; Ersparnis ist höher: 15,58 EUR). Trotz Zuschuss spart der Arbeitgeber noch 8,08 EUR (15,58 EUR ./. 7,50 EUR). |
Geringfügig Beschäftigte, die sich für die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden haben, haben keinen Anspruch auf Entgeltumwandlung und daher auch nicht auf einen Arbeitgeberzuschuss. Freiwillig kann der Arbeitgeber dennoch einen Zuschuss leisten.
Wird der Minijob als zweites Dienstverhältnis ausgeübt, lässt sich § 3 Nr. 63 EStG nicht nutzen. Deshalb muss die Entgeltumwandlung über eine Unterstützungskasse (oder Direktzusage) durchgeführt werden. Dabei ist zu beachten, dass diese für den Arbeitgeber mit Beiträgen zur gesetzlichen Insolvenzsicherung über den Pensions-Sicherungs-Verein und ggf. mit Verwaltungskosten der Unterstützungskasse verbunden ist. Zudem gilt die gesetzliche Zuschusspflicht zur Entgeltumwandlung hier nicht. Freiwillig kann der Arbeitgeber natürlich trotzdem einen Zuschuss zur Entgeltumwandlung leisten.
4. bAV-Förderbetrag nach § 100 EStG
Arbeitgeber können für Minijobber auch die mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführte Förderung für Arbeitnehmer mit niedrigerem Einkommen nutzen (§ 100 EStG).
- Die Einkommensgrenzen für diese Förderung liegen bei 2.200 EUR monatlich bzw. 26.400 EUR jährlich.
- Der Arbeitgeber zahlt jährlich jeweils zwischen 240 EUR und 480 EUR als Beitrag für den Arbeitnehmer.
- Es muss eine kapitalgedeckte bAV in Form eines externen Durchführungswegs (Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds) sein.
- Die Verträge müssen Leistungen in Form einer Rente/eines Auszahlungsplans nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vorsehen.
- Beim Minijob muss es sich um das erste Arbeitsverhältnis (d.h. Lohnsteuerklasse I bis V) handeln.
Der Arbeitgeber erhält einen Steuerzuschuss von 30 Prozent des Beitrags für jeden Geringverdiener. Dieser wird dem Arbeitgeber durch eine Verrechnung mit der von ihm abzuführenden Lohnsteuer gewährt. Neben dieser Sonderförderung ist darüber hinaus der Restbeitrag (bAV-Beitrag ./. Förderung) als Betriebsausgabe abzugsfähig.
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Ein Arbeitgeber stellt einem Minijobber 480 EUR jährlich zusätzlich für eine Direktversicherung bereit. | |
Gesamtbeitrag | 480 EUR |
./. Förderung nach § 100 EStG (30 %) | 144 EUR |
./. Steuerersparnis aus Betriebsausgabenabzug bei Steuersatz 30 % (30 % aus 336 EUR) | 100 EUR |
Nettoaufwand des Arbeitgebers | 236,00 Euro |
Der Arbeitgeber spart 144 EUR an Lohnsteuer. Seine Belastung beläuft sich nicht auf 480 EUR, sondern nur auf 336 EUR, das sind 28 Euro monatlich. Die 336 EUR sind darüber hinaus Betriebsausgaben. Sprich: Sie mindern den zu versteuernden Gewinn. Bei einem Steuersatz von 30 Prozent beträgt der Nettoaufwand des Arbeitgebers 236 EUR (49 Prozent von 480 EUR). |
Die Förderung nach § 100 EStG steht parallel neben der Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG. So könnte
- der Arbeitnehmer im Minijob
- durch Verzicht auf die Möglichkeit der Befreiung aus der gesetzlichen Rentenversicherung geringe gesetzliche Rentenansprüche erzielen,
- der Arbeitgeber mit einem überschaubaren zusätzlichen Aufwand im Wege des § 100 EStG für den Minijobber eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung abschließen, die er mit 240 bis 480 EUR jährlich bespart.
FAZIT | Minijobber haben in der Regel einen hohen Bedarf an Altersversorgung. Aber selbst bei Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben sie nur einen kleinen Rentenanspruch. Zusätzliche Vorsorge ist nötig. Ein attraktiver Weg ist die Entgeltumwandlung, vor allem wenn infolge des § 1a Abs. 1a BetrAVG der Zuschuss des Arbeitgebers in Höhe von 15 Prozent des umgewandelten Betrags hinzukommt. Arbeitgeber werden vor allem durch den Förderbetrag des § 100 EStG motiviert, für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen eine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung einzurichten. |