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· Fachbeitrag · AM-RL

Verbandmittel oder sonstiges Produkt zur Wundbehandlung? G-BA schärft Abgrenzung

| Am 02.12.2020 ist ein Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in Kraft getreten, mit dem die Abgrenzung zwischen Verbandmitteln und sonstigen Produkten zur Wundbehandlung besser gelingen soll. Diese Einordnung ist für den Vertragsarzt von Bedeutung, weil sie sich unmittelbar auf die Verordnungsfähigkeit des jeweiligen Produkts auswirkt. Ist es ein Verbandmittel, so kann es unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit direkt zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden, ist es jedoch ein sonstiges Produkt zur Wundbehandlung, so muss es als Medizinprodukt in Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) aufgeführt sein. |

Hintergrund

Aufgrund einer fehlenden Legaldefinition für Verbandmittel kam es in der Vergangenheit bei bestimmten Produkten immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) hat der Gesetzgeber eine Legaldefinition eines Verbandmittels in das SGB V aufgenommen (s. Kasten) und den G-BA beauftragt, weitere Details zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstige Produkte zur Wundversorgung in der AM-RL zu bestimmen.

 

Mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wurde der Verbandmittelbegriff noch einmal weiterentwickelt.

 

  • Verbandmitteldefinition (§ 31 Abs. 1a SGB V)

Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, ggf. mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren.

 

Regelungen des G-BA

Der G-BA hat einen neuen Abschnitt P mit den Regelungen zu Verbandmitteln in den §§ 52 bis 54 und dazu eine weitere Anlage Va (Übersicht der Produktgruppen) in die AM-RL aufgenommen. In § 52 werden die Vorgaben aus der oben dargestellten Verbandmitteldefinition übernommen. Ein Versorgungsanspruch auf sonstige Produkte zur Wundversorgung besteht nur dann, wenn diese in Anlage V (Medizinprodukte) der AM-RL aufgenommen wurden.

 

Grundvoraussetzung ist nach § 53 AM-RL, dass die Verbandmittel als Medizinprodukt verkehrsfähig (CE-Kennzeichen) sind und im Rahmen ihrer Zweckbestimmung eingesetzt werden.

 

Der G-BA unterscheidet bei den Verbandmitteln die sogenannten eineindeutigen Verbandmittel von denen mit ergänzenden Eigenschaften.

 

Eineindeutige Verbandmittel

Als eineindeutige Verbandmittel verordnungsfähig werden solche Produkte eingeordnet, die ausschließlich

  • oberflächengeschädigte Körperteile bedecken,
  • Körperflüssigkeiten von diesen aufsaugen oder
  • beides leisten (bedecken und aufsaugen) oder
  • als Gegenstände zur individuellen Erstellung von Verbänden nicht oberflächengeschädigter Körperteile
    • stabilisieren,
    • immobilisieren oder
    • komprimieren

sowie

  • Fixiermaterial.

 

Eine Zusammenstellung von Produktgruppen, die als Verbandmittel oder Fixiermaterial im o. g. Sinne gelten, ist in Anlage Va Teil 1 der AM-RL enthalten.

 

MERKE | Die Produkte, die als Verbandmittel zulasten der GKV verordnet werden sollen, dürfen nicht geeignet sein, als Gegenstände des täglichen Bedarfs verwendet zu werden, z. B.

  • beschichtete Unterhemden oder
  • T-Shirts, die vom Hersteller als Verbandmittel geführt werden.
 

Verbandmittel mit ergänzenden Eigenschaften

Die Verbandmittel, die hierunter zu subsumieren sind, müssen als Mindestvoraussetzung geeignet sein, einen der beiden oben zuerst genannten Zwecke (also bedecken/aufsaugen bzw. stabilisieren/immobilisieren/komprimieren) zu erreichen. Das ist auch die Hauptwirkung. Diese Hauptwirkung besteht insbesondere auch dann, wenn die Produkte ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper zusätzlich

  • 1. feucht halten,
  • 2. Wundexsudat binden,
  • 3. Gerüche binden,
  • 4. ein Verkleben mit der Wunde verhindern (antiadhäsiv) bzw. atraumatisch wechselbar sind,
  • 5. reinigen oder
  • 6. antimikrobiell sind.

 

Die Hauptwirkung besteht auch, wenn ein Produkt ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, indem es metallbeschichtet ist (jedoch keine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise aufzeigt).

 

Eine beispielhafte Zusammenstellung von entsprechenden Produktgruppen findet sich in Anlage Va Teil 2 der AM-RL.

 

Abgrenzung zu sonstigen Produkten zur Wundversorgung (§ 54 AM-RL)

Sonstige Produkte zur Wundversorgung sind keine Verbandmittel im Sinne der gesetzlichen Regelungen. Ihre Hauptwirkung besteht nicht mehr in den Zwecken, die bei den eineindeutigen Verbandmitteln genannt wurden (bedecken/aufsaugen bzw. stabilisieren/immobilisieren/komprimieren).

 

Sonstige Produkte zur Wundversorgung können eine therapeutische Wirkung entfalten. Eine therapeutische Wirkung liegt u. a. vor, wenn

  • der oder die Bestandteile bei isolierter Verwendung geeignet sind, auf die natürliche Wundheilung mit einem eigenständigen Beitrag einzuwirken und
  • dieser eigenständige Beitrag aktiven Einfluss auf physiologische und pathophysiologische Abläufe der Wundheilung durch
    • pharmakologische,
    • immunologische oder
    • metabolische Wirkungen nehmen kann.

 

Eine beispielhafte Zusammenstellung der Produktgruppen, deren zugehörige Produkte als sonstige Produkte zur Wundbehandlung anzusehen sind, findet sich zukünftig in Anlage Va Teil 3 der AM-RL. Derzeit sind jedoch noch keine Produktgruppen gelistet.

Hinweise zur Umsetzung für Vertragsärzte

In den Anlagen werden jeweils nur Produktgruppen, aber keine einzelnen Produkte aufgeführt. Die Hersteller der jeweiligen Produkte sind jedoch gesetzlich verpflichtet, eigenverantwortlich ihre Produkte hinsichtlich der Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV zu kennzeichnen. Bei der Einschätzung können sich die Hersteller durch die in den Anlagen aufgeführten Produktgruppen mit den entsprechenden Beschreibungen und Beispielen orientieren. Die Kennzeichnung unterstützt die Ärztin bzw. den Arzt bei der Einschätzung der Verordnungsfähigkeit des Produkts zulasten der GKV!

 

MERKE | Nach Inkrafttreten dieser Regelung des G-BA am 02.12.2020 besteht noch eine zwölfmonatige Übergangsregelung (also bis Dezember 2021). In dieser Übergangszeit dürfen alle Produkte, die bereits vor dem 11.04.2017 auf GKV-Kosten verwendet werden konnten, weiterhin zulasten der GKV erbracht werden. Die Kennzeichnung der Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV durch die Hersteller wird in den Arzneiverordnungsmodulen der Praxisverwaltungssysteme (PVS) voraussichtlich spätestens zum Ende der Übergangszeit angezeigt werden und ist damit für den Arzt direkt erkennbar. Die Verpflichtung zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise bleibt natürlich bestehen!

 
Quelle: Seite 8 | ID 47007366