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· Fachbeitrag · Anteilsübertragung

Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft als notwendiges Betriebsvermögen

von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

| Bei der Schenkung von GmbH-Anteilen kann es ertragsteuerlich von großer Bedeutung sein, ob die Anteile zum Betriebs- oder zum Privatvermögen gehören. Wird eine zum Betriebsvermögen gehörende Beteiligung verschenkt, führt dies zur Entnahme und damit zur Aufdeckung stiller Reserven. Gehört sie zum Privatvermögen, ist dies grundsätzlich nicht der Fall. Entsprechende Fragen können z. B. bei Unklarheiten über Bestehen oder Nichtbestehen einer Betriebsaufspaltung oder über die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zum notwendigen Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens zu klären sein. |

1. Musterfall

Die Eheleute M und F gründen im Jahr 01 die H-GmbH. M hält 45 % und F zunächst 55 % der Geschäftsanteile. Ehemann M ist auch Geschäftsführer der GmbH. Diese betreibt an mehreren Standorten Einzelhandels-Fachmärkte. Die hierfür genutzten Immobilien vermietet M an die H-GmbH.

 

Im Jahr 10 errichtet die H-GmbH einen Online-Shop, da sie beabsichtigt, ihre Produkte auch über das Internet zu verkaufen. Die Umsetzung dieses Projekts scheitert allerdings, da der Einkaufsverband, dem die H-GmbH seinerzeit angehörte, einen Internet-Produktabsatz nicht gestattet und ein Ende der Lieferbeziehung androht. Daraufhin gründet M im September 13 ein Einzelunternehmen. Unternehmensgegenstand des Einzelunternehmens war der Handel mit Geräten und deren Versand. Das Einzelunternehmen führt den von der H-GmbH aufgebauten Online-Shop fort. Das hierfür erforderliche Personal überlässt die H-GmbH dem Einzelunternehmen gegen Entgelt.

 

Von September 13 bis Juli 14 bezieht das Einzelunternehmen seine Waren nahezu ausschließlich über die H-GmbH, zunächst zum Selbstkostenpreis, ab Anfang des Jahres 14 mit einem Aufschlag von 5 %. Bis zur Fertigstellung eigener Betriebsräume und Lagerhallen im Juli 14 wickelt das Einzelunternehmen zudem die gesamte Logistik (Bestellung, Anlieferung, Lagerung und Versand) über die Räumlichkeiten der H-GmbH ab. Im Sommer 14 tritt die H-GmbH dem Einkaufsverband Y bei. Das Einzelunternehmen wird als Filialbetrieb der H-GmbH in den neuen Verband einbezogen. Auf diese Weise kann es seine Wareneinkäufe hierüber fortan unmittelbar selbst abwickeln. Die H-GmbH und das Einzelunternehmen bilden für ihre Einkäufe eine Bonusgemeinschaft. Der Anteil des Wareneinkaufs des Einzelunternehmens über die H-GmbH bzw. Y entwickelte sich wie folgt:

 

  • Anteil des Wareneinkaufs H-GmbH
über
13
14
15
16
17
18
19
20

H-GmbH

100 %

51 %

4 %

3 %

11 %

43 %

25 %

28 %

Y

0 %

45 %

89 %

72 %

66 %

4 %

0 %

0 %

 

Mit Vertrag vom 15.12.20 überträgt der Kläger seine Beteiligung an der H-GmbH unentgeltlich auf Ehefrau F sowie auf seine Tochter und seinen Sohn.

2. Zugehörigkeit der Beteiligung zum notwendigen BV

Der BFH hatte sich in zwei aktuellen Entscheidungen mit der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit von GmbH-Anteilen zum notwendigen Betriebsvermögen zu befassen (BFH 12.6.19, X R 38/17, Abruf-Nr. 210081; BFH 10.4.19, X R 28/16, Abruf-Nr. 209898) und gibt unter Einbeziehung seiner bisherigen Rechtsprechung wichtige Kriterien für die Abgrenzung vor.

 

Der BFH geht davon aus, dass die GmbH-Beteiligung bereits in der Gründungs-phase des Einzelunternehmens im Jahr 13 zum notwendigen Betriebsvermögen gehörte und bis zur Übertragung im Streitjahr 20 Betriebsvermögen geblieben war. Die Beteiligung wurde nämlich vorher weder ausdrücklich entnommen noch wegen veränderter tatsächlicher Umstände dem notwendigen Privatvermögen zugeordnet.

 

MERKE | Notwendiges Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebs sind diejenigen Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind. Eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft gehört nach Auffassung des BFH somit zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie

  • entweder dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten (1. Alternative) oder
  • dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern (2. Alternative).
 

3. Kriterium der Förderung der gewerblichen Betätigung

Für die Beurteilung der ersten Alternative, in denen über die Kapitalgesellschaft Produkte oder Dienstleistungen des Steuerpflichtigen vertrieben wurden, konnte der BFH auf eine aus seiner Sicht gefestigte bisherige Rechtsprechung verweisen. Für die im Musterfall zu prüfende zweite Alternative sah er sich allerdings veranlasst, die Kriterien für die Förderung der gewerblichen (branchengleichen) Betätigung des Steuerpflichtigen zu konkretisieren.

 

Insofern gebietet nach Auffassung des BFH bereits die Abgrenzung zum gewillkürten Betriebsvermögen ‒ die ebenfalls eine gewisse betriebliche Förderung durch das Wirtschaftsgut voraussetzt ‒ dass sich eine von der Kapitalgesellschaft ausgehende Förderung des Einzelgewerbetreibenden nicht in einer auch zwischen fremden Dritten üblichen Geschäftsbeziehung erschöpft, sondern deutlich intensiver ist. Eine „entscheidende Förderung“ i. S. der oben genannten zweiten Alternative setzt daher voraus, dass der Steuerpflichtige seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zum Wohle seines Einzelgewerbebetriebs einsetzt. Dies sei regelmäßig dann gegeben, wenn

  • zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Einzelgewerbetreibenden eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung besteht,
  • die sich für den Einzelgewerbetreibenden als erheblich vorteilhaft erweist
  • und dieser Vorteil seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.

 

Beachten Sie | Im Rahmen einer derartigen Geschäftsbeziehung wird die Kapitalbeteiligung erst Recht zum Zwecke der Förderung des Einzelgewerbetreibenden eingesetzt, wenn diesem hierdurch fremdunübliche Vorteile verschafft werden.

 

MERKE | Im Gegensatz hierzu setzt die Zuordnung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen und die hierbei zu treffende Feststellung, ob der Steuerpflichtige die Beteiligung in den Dienst seines Einzelgewerbebetriebs stellt, weder eine rechtliche noch faktische Beherrschung der Kapitalgesellschaft voraus.

 

In seiner bisherigen Rechtsprechung zu Einzelunternehmen geht der BFH davon aus, dass Beteiligungen seit jeher losgelöst von der Beteiligungshöhe des Steuerpflichtigen dessen notwendigem Betriebsvermögen zugeordnet werden, wenn die Beteiligung eine bestimmende bzw. dienende Funktion für das Einzelunternehmen hatte. Die bisherige Rechtsprechung betraf zwar nur die erste Alternative der Förderung des Absatzes von Produkten des Steuerpflichtigen; nach Auffassung des BFH kann für die hier zu beurteilende zweite Alternative jedoch nichts anderes gelten.

 

Ebenso wenig macht der BFH die Zuordnung zum notwendigen Betriebsvermögen davon abhängig, dass die Kapitalgesellschaft keinen über die Geschäftsbeziehung zum Einzelgewerbetreibenden hinausgehenden erheblichen Geschäftsbetrieb unterhält (hierzu ausführlich BFH 10.4.19, X R 28/16).

 

PRAXISTIPP | Die Kriterien der rechtlichen oder faktischen Beherrschung und das Unterhalten eines eigenen Geschäftsbetriebs sind laut BFH nur für die Zuordnung der Beteiligung eines Mitunternehmers an einer Kapitalgesellschaft zu dessen notwendigem Sonder-BV II aufgestellt worden. Insoweit sei die steuerrechtliche Ausgangslage mit Einzelgewerbetreibenden nicht vergleichbar. Während für die Bestimmung des Umfangs des (notwendigen) Betriebsvermögens eines Einzelgewerbetreibenden auf § 4 Abs. 1 S. 1 EStG zurückgegriffen werden kann, gilt dies nicht für Wirtschaftsgüter, die nicht zum Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft zählen, sondern im Eigentum eines Mitunternehmers stehen.

 

4. Anwendung der Kriterien auf den Musterfall

Eine „entscheidende Förderung“ i. S. der oben genannten zweiten Alternative leitet der BFH für den Musterfall aus folgenden Kriterien ab:

 

  • Die H-GmbH hat dem Einzelunternehmen für den Zeitraum zwischen der Betriebseröffnung (September 13) und der Fertigstellung eigener Lagerhallen im Sommer 14 die gesamte Warenlogistik (Einkauf, Lagerung, Versand) zur Verfügung gestellt. Hierbei handelte es sich um eine elementare, nachhaltige und für den Geschäftsbetrieb des Einzelunternehmens erheblich vorteilhafte Förderung, die in Anbetracht des beträchtlichen Umschlagvolumens und der Dauer von etwa einem Dreivierteljahr ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis zu M hatte.

 

  • Zudem hatte das Einzelunternehmen hierfür kein Entgelt zu entrichten, sodass sich diese Art der Förderung als fremdunüblich erwies. Allein aus dieser ‒ in der Gründungs- und Anlaufphase äußerst intensiven Fördermaßnahme rechtfertigt sich für den BFH der Schluss, dass M seine Beteiligung an der H-GmbH in den Dienst des Einzelunternehmens gestellt hat. Unerheblich ist für den BFH, dass diese Unterstützung im Hinblick auf die von Anfang an beabsichtigte Errichtung eigener Betriebsräume und Lagerhallen nicht von Dauer war.

 

  • Das Einzelunternehmen erwarb jedenfalls bis Ende des Jahres 13 die Waren für seinen eigenen Geschäftsbetrieb aufschlagfrei von der H-GmbH. Auch diese Förderung wäre ohne die Gesellschafterstellung des M nicht vorstellbar gewesen; sie stellte sich insbesondere wegen der Unentgeltlichkeit zudem als nicht fremdüblich dar. Auch der ab Anfang des Jahres 2004 vereinbarte Aufschlag von 5 % auf den Wareneinkaufspreis der H-GmbH lässt nicht auf eine zwischen fremden Dritten gewöhnliche Geschäftsbeziehung schließen. Andernfalls bliebe ‒ neben der Frage der Marktüblichkeit einer Marge von nur 5 % ‒ der Umstand unberücksichtigt, dass der Geschäftsbetrieb der H-GmbH auf den Warenverkauf gegenüber Endverbrauchern ausgerichtet war, nicht aber auf den Weiterverkauf an branchengleiche Händler.

 

  • Gegen die seinerzeitige Fremdüblichkeit der Ausgestaltung des Warenbezugs sprechen zudem vorhandene Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen auf den 31.12.04 gegenüber der H-GmbH von mehr als 1 Mio. EUR. Der Warenbezug über die H-GmbH endete bereits Mitte des Jahres 04 (Aufnahme in den Einkaufsverband Y); ein derart langfristiges Zahlungsziel für den Wareneinkauf wäre einem fremden Dritten nicht gewährt worden.

 

  • Darüber hinaus hatte die H-GmbH dem Einzelunternehmen den Online-Shop zur Nutzung im eigenen Geschäftsbetrieb überlassen. Das Einzelunternehmen wurde hierdurch und ebenso durch die ‒ wenn auch entgeltliche ‒ Überlassung des hiermit betrauten Personals in die Lage versetzt, ohne weitere Vorlaufzeiten seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen. Eine solche Unterstützung in der Start- und Anlaufphase wäre zwischen Unternehmen, die gesellschaftsrechtlich nicht miteinander verbunden sind, undenkbar.

 

Da somit die Voraussetzungen der zweiten Alternative vorlagen, sieht der BFH die Anteile als notwendiges Betriebsvermögen an und geht aufgrund der Schenkung an die Kinder von einer Entnahme zum Teilwert im Jahr 20 aus. Anhaltspunkte für eine frühere Entnahme waren nicht ersichtlich.

5. Annex: Berechnung des Entnahmegewinns durch Unternehmensbewertung

Die Entnahme der Beteiligung des M an der H-GmbH aus dem Betriebsvermögen ist nach § 4 Abs. 1 S. 1 und 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 Hs. 1 EStG mit dem Teilwert zu bewerten. Dieser ermittelt sich nach Auffassung des BFH mangels Ableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, auch für ertragsteuerliche Zwecke nach § 11 Abs. 2 S. 2 BewG.

 

Insofern war in dem vom BFH entschiedenen Fall von besonderer Bedeutung, dass zwischen den Beteiligten zwar kein Streit über die Richtigkeit der Methodik eines (Unternehmensbewertungs-)Gutachtens bestand, wohl aber über den Ansatz einzelner Berechnungsparameter eines ansonsten methodisch beanstandungsfreien Gutachtens. Dies führte zur Zurückverweisung des Falls an das Finanzgericht mit folgenden für den gutachterlichen Nachweis eines Verkehrswertes wichtigen Hinweisen:

 

  • Ein Sachverständigengutachten, das von einem Beteiligten außergerichtlich eingeholt und in das finanzgerichtliche Verfahren als urkundlich belegter Beteiligtenvortrag eingebracht wird, bindet das FG nicht.

 

  • Es kann vom FG seiner Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn keiner der Beteiligten substantiierte Einwendungen gegen die Richtigkeit erhebt.

 

  • Besteht Streit über die Richtigkeit der Methodik eines (Unternehmensbewertungs-)Gutachtens oder streiten sich die Beteiligten über den Ansatz einzelner Berechnungsparameter eines ansonsten methodisch beanstandungsfreien Gutachtens, bedarf dies der Sachaufklärung durch das FG gemäß § 76 Abs. 1 FGO.

 

  • Fehlt dem FG für eine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung die eigene Sachkunde, ist es grundsätzlich gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 S. 2, § 82 FGO i. V. m. §§ 402 ff. der Zivilprozessordnung das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Bewertung eines Unternehmens streitig ist und sich daher die Notwendigkeit einer solchen Beweiserhebung aufdrängt (vgl. BFH, Beschluss vom 5.10.18, IX B 48/18, BFH/NV 2019, 39, Rz 4 m. w. N.; Seer in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 82 FGO Rz 56).

 

  • Entscheidet das FG dagegen aufgrund eigener Sachkunde, muss es im Urteil darlegen, worauf diese Sachkunde beruht.

 

Nach diesen Grundsätzen sah der BFH im entschiedenen Fall das Vorgehen des FG, einzelne Wertansätze des eingereichten ‒ und von ihm als methodisch ordnungsgemäß angesehenen ‒ Unternehmensbewertungsgutachtens ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen und ohne Darlegung eigener Sachkunde durch eigene Werte zu ersetzen, als verfahrensfehlerhaft an. Das FG muss daher im zweiten Rechtsgang den Teilwert der aus dem Betriebsvermögen entnommenen Beteiligung des M an der H-GmbH unter Berücksichtigung vorgenannter Erwägungen erneut feststellen.

 

Beachten Sie | Geht das FG aufgrund der Entscheidung des BFH für die nachzuholende Sachaufklärung von einer fehlenden eigenen Sachkunde aus, wäre es gehalten, das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen. Dies müsste für die schenkung- oder erbschaftsteuerliche Beurteilung von Sachverständigengutachten gleichermaßen gelten (siehe auch Brüggemann, ErbBstg 19, 287).

Quelle: Seite 303 | ID 46263997