· Fachbeitrag · Arbeitgeberdarlehen
Arbeitgeber gewährt Arbeitnehmer ein Darlehen: Wann sind Darlehenszinsen Arbeitslohn?
von Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de und Dipl.-Finanzwirt Jan-Philipp Muche, Hameln
| Im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden immer wieder Darlehen gewährt. Im Fokus der Finanzverwaltung steht dann der Zins: Wird ein dem Arbeitgeber gewährtes Darlehen überaus hoch verzinst oder verlangt der Arbeitgeber bei einem Darlehen an den Arbeitnehmer einen sehr niedrigen Zins, kann ein verdeckter Lohnbestandteil entstehen. Wird dies bei einer Lohnsteueraußenprüfung aufgedeckt, kommt es zur Haftung. LGP stellt die Grundsätze in einer zweiteiligen Serie vor. Im zweiten Teil geht es um die Fälle, in denen der Arbeitgeber ein Darlehen gewährt. |
Steuerliche Regeln für übliches Arbeitgeber-Darlehen
Gewährt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein Darlehen, könnte ein geldwerter Vorteil entstehen, wenn der vertraglich festgesetzte Zinssatz unverhältnismäßig gering im Vergleich zu einer Darlehensgewährung an einen fremden Dritten ist. Als Arbeitslohn muss dies dann gewürdigt werden, wenn die unverhältnismäßig günstige Geldüberlassung dem Arbeitsverhältnis geschuldet ist. Der Vorteil beim Arbeitnehmer durch den günstigen Zins ist über die monatliche Gehaltsabrechnung des Arbeitnehmers zu versteuern. Der Vorteil unterliegt sowohl der Besteuerung als auch den Sozialabgaben.
Das vergünstigte Arbeitgeberdarlehen stellt keinen Barlohn dar. Der Zinsvorteil wird vielmehr als Sachlohn eingestuft (BMF, Schreiben vom 19.05.2015, Az. IV C 5 ‒ S 2334/07/0009, Rz. 4 und Rz. 10, Abruf-Nr. 144553). Das ist wichtig im Hinblick auf die Anwendung der 50-Euro-Sachbezugsfreigrenze (dazu nachfolgend mehr).
PRAXISTIPP | Beträgt bei einem Arbeitgeberdarlehen die Darlehensschuld am Ende des Lohnzahlungszeitraums maximal 2.600 Euro, kann ein eventueller Zinsvorteil zur Vereinfachung als vollkommen steuerfrei angesehen werden. Die 2.600 Euro sind eine Freigrenze und kein Freibetrag. |
|
Eine GmbH gewährt ihrem Arbeitnehmer O am 01.04.2022 ein zinsloses Darlehen in Höhe von 2.500 Euro für einen Monat.
Lösung: Die aus der Darlehensgewährung resultierenden Zinsvorteile müssten bei O grundsätzlich als Arbeitslohn versteuert werden. Da der Darlehensbetrag am Ende des Lohnzahlungszeitraums (hier 30.04.2022) die Freigrenze von 2.600 Euro nicht übersteigt, wird er nicht als Arbeitslohn erfasst (BMF, Schreiben vom 19.05.2015, Az. IV C 5 ‒ S 2334/07/0009, Rz. 4). |
Folglich ergibt sich erst ab einer Darlehensschuld zum Ende des Lohnzahlungszeitraums von mehr als 2.600 Euro steuerpflichtiger Arbeitslohn. Da es sich bei dem Vorteil jedoch nicht um Barlohn, sondern um Sachlohn handelt, kann die 50-Euro-Freigrenze des § 8 Abs. 2 S. 11 EStG bei der Gewährung eines marktunüblichen Darlehens genutzt werden (gleich dazu mehr). Weiterhin ist es zulässig, dass der Arbeitgeber den geldwerten Vorteil aus der günstigen Darlehensgewährung zu seinen Lasten im Rahmen des § 37b Abs. 2 EStG pauschaliert. Wendet er die Pauschalierung an, führt diese dazu, dass der Arbeitnehmer nur mit seinen Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung belastet wird. Die anfallenden Steuern und die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung zahlt der Arbeitgeber.
Steuerliche Regeln für unübliches Arbeitgeber-Darlehen
Bezüglich der lohnsteuerrechtlichen Würdigung eines unüblichen Darlehens muss unterschieden werden, wie der geldwerte Vorteil (der Zinsvorteil) bewertet werden muss und was für ein Darlehen vorliegt.
Möglichkeit 1: Der Arbeitgeber ist kein Kreditinstitut
Ist der darlehensgebende Arbeitgeber kein Kreditinstitut (oder vergleichbar), wird der Zinsvorteil nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 S. 1 EStG bewertet, also mit dem ortsüblichen Endpreis vermindert um einen Abschlag von vier Prozent. Der übliche Endpreis ergibt sich dabei regelmäßig aus einem Angebot eines Kreditinstituts am Abgabeort („Vergleichsmaßstab“).
Alternativ kann auch der sog. günstigste Internetpreis (vgl. R 8.1 Abs. 2 S. 4 LStR) für die Vergleichsberechnung herangezogen werden. Maßgeblich für den Wert, ist ein Angebot einer Online-Bank bzw. einer Direktbank. Das günstigere vergleichbare Internetangebot muss jedoch in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Gewährung des Arbeitgeberdarlehens stehen, andernfalls ist es nicht anzuerkennen. Als Faustregel gilt hier ein Zeitraum von zehn Tagen vor bzw. nach dem Abschluss des Arbeitgeberdarlehens.
PRAXISTIPP | Nicht als Arbeitgeberdarlehen werden folgende Zahlungen des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer gewürdigt:
Unterbleibt hier eine Verzinsung, führt der Vorteil nicht zu Arbeitslohn. |
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass der Arbeitgeber kein Fremdangebot eingeholt hat. Werden die Angebote erst nachträglich im Rahmen einer Lohnsteuerprüfung eingeholt, wird der Prüfer diese nicht anerkennen. Denn diese spiegeln nicht die damaligen Verhältnisse wieder. Hier gestattet es die Finanzverwaltung zur Vereinfachung, den von der Deutschen Bundesbank zum Bewertungsstichtag veröffentlichten Effektivzinssatz zu verwenden. Dieser findet sich unter www.bundesbank.de unter dem Suchbegriff: Geldwerter Vorteil für Arbeitgeberdarlehen (ab 2003).
Wichtig | Damit eine genaue und richtige Ermittlung des anzusetzenden Zinssatzes durchgeführt wird, ist zu unterscheiden, ob
- ein Konsumentenkredit,
- ein Wohnungsbaukredit oder
- ein sonstiger Kredit vorliegt.
PRAXISTIPP | Arbeitgeber sollten dokumentieren, wie der Arbeitnehmer das erhaltene Darlehen verwendet. Des Weiteren ist die Laufzeit des Darlehens (variabel, bis ein Jahr, von über ein Jahr bis fünf Jahre oder von über fünf bzw. zehn Jahren) für die Frage des Zinssatzes entscheidend. |
Für die Ermittlung des geldwerten Vorteils eines Arbeitgeberdarlehens muss der ermittelte übliche Zinssatz mit dem tatsächlich vereinbarten Zins ins Verhältnis gesetzt werden. Wäre z. B. ein Zinssatz von 4,5 Prozent am freien Markt zu bekommen gewesen und hat der Arbeitgeber nur einen Zinssatz von zwei Prozent vertraglich mit seinem Arbeitnehmer geregelt, stellt die Differenz einen Zufluss aus dem Arbeitsverhältnis und folglich Arbeitslohn dar (Sachlohn).
|
A erhält im Januar 2022 ein Arbeitgeberdarlehen (vergleichbar mit einem Konsumentenkredit) in Höhe von 50.000 Euro zu einem Effektivzinssatz von nur ein Prozent jährlich (Laufzeit drei Jahre mit monatlicher Tilgungsverrechnung und monatlicher Fälligkeit der Zinsen). Zum Abschluss des Darlehens wurde kein Vergleichsangebot bei einer örtlichen Bank eingeholt und auch keine Internetrecherche durchgeführt. Der maßgebliche Zinssatz der Deutschen Bundesbank für Konsumentenkredite betrug zu diesem Zeitpunkt 4,29 Prozent.
Lösung: Für die Vergleichsberechnung des Zinsvorteils ist der Zinssatz der Deutschen Bundesbank heranzuziehen. Dieser beträgt 4,29 Prozent. Nach R 8.1 Abs. 2 S. 3 LStR ist ein Abschlag von vier Prozent vorzunehmen („Ansatz mit 96 Prozent“), sodass sich der Vergleichszins auf 4,11 Prozent reduziert. Der monatliche Vorteil beträgt deshalb übliche 4,11 Prozent abzgl. der vereinbarten ein Prozent ‒ damit 3,11 Prozent. Somit liegt Arbeitslohn (Zinsvorteil) in Höhe von monatlich 129,58 Euro (3,11 Prozent x 50.000 Euro x 1/12) vor. Dieser Vorteil ist lohnsteuer- und beitragspflichtig. Die Sachbezugsfreigrenze von 50 Euro gemäß § 8 Abs. 2 S. 11 EStG wird überschritten und findet deshalb keine Anwendung. Jedoch ist eine Pauschalierung des Vorteils nach § 37b Abs. 2 EStG möglich.
Wichtig | Der ermittelte Zinsvorteil von monatlich 129,58 Euro ist nicht für die Lohnabrechnungen der folgenden Monate maßgeblich, sondern muss für jeden Monat neu ermittelt werden. Dieses ist der Tilgung des Arbeitgeberdarlehens geschuldet. Da sich von Monat zu Monat eine geringere Restschuld ergibt, reduziert sich der monatliche Zinsvorteil. Bei der monatlich durchzuführenden Berechnung bleibt der maßgebende Vergleichszins unverändert (4,11 Prozent).
Werden nach Ablauf der Zinsfestlegung beim Arbeitgeberdarlehen die Zinskonditionen desselben Darlehens neu vereinbart (Prolongation), ist der Zinsvorteil nach den gegebenen Kriterien neu zu ermitteln. |
Maßgeblich für den Zufluss (also dem Versteuerungszeitpunkt) des geldwerten Vorteils beim Arbeitnehmer ist der Fälligkeitstermin der Zinsen. Dabei muss unterschieden werden, ob die Zinsen monatlich, vierteljährlich oder jährlich gezahlt werden. Je nachdem ist zu entsprechenden Zeitpunkten der Vorteil zu versteuern. Wurde zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kein verzinsliches, sondern ein unverzinsliches Darlehen vereinbart, existiert kein vertraglicher Fälligkeitszeitpunkt für (die fehlenden) Zinsen. In dem Fall ist der Zufluss in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem die Zinsen üblicherweise fällig wären. Dabei kann angenommen werden, dass zum Zeitpunkt der Tilgungsleistung gleichzeitig die aufgelaufenen Zinsen fällig gewesen wären.
Möglichkeit 2: Der Arbeitgeber ist ein Kreditinstitut
Ist der Arbeitnehmer bei einem Kreditinstitut (oder vergleichbar) beschäftigt, das am freien Markt mit Krediten und Dienstleistungsprodukten handelt und diese in der gleichen Form an fremde Endverbraucher vermittelt, kann ein vergünstigter Zinssatz auch unter die Steuerfreiheit des § 8 Abs. 3 EStG (sog. Rabattfreibetrag von jährlich 1.080 Euro) fallen. Handelt es sich dagegen um ein Finanzprodukt, das eigens für die Mitarbeiter eingeführt wurde, lässt sich § 8 Abs. 3 EStG nicht nutzen.
Auch bei dieser Bewertungsmethode kann ein Abschlag in Höhe von vier Prozent vorgenommen werden. Als relevanter Endpreis i. S. v. § 8 Abs. 3 EStG gilt der Zinssatz, der für diese Leistungen im Preisaushang des Kreditinstituts allgemein gültig ist. Dabei können jedoch üblicherweise gegebene Preisnachlässe an Dritte bei der Ermittlung des Zinssatzes berücksichtigt werden.
| ||||||
Kreditinstitut K überlässt Arbeitnehmer A am 01.01.2022 ein Arbeitgeberdarlehen von 200.000 Euro zum Effektivzinssatz von 0,50 Prozent jährlich (Laufzeit vier Jahre mit jährlicher Tilgungsverrechnung und vierteljährlicher Fälligkeit der Zinsen). Darlehen gleicher Art bietet K fremden Kunden zu einem Effektivzinssatz von zwei Prozent an. Der Zinsvorteil für A für das erste Jahr ermittelt sich wie folgt:
Da die Zinsen vierteljährlich zu zahlen sind, hat der Arbeitnehmer je Quartal mit Fälligkeit der Zinszahlung einen sonstigen Bezug von 440 Euro zu versteuern. Erfolgen Darlehenstilgungen, ist der Zinsvorteil neu zu ermitteln. |
PRAXISTIPP | Die Bewertung des anzusetzenden Zinssatzes lässt sich auch nach der Wertermittlung des § 8 Abs. 2 EStG durchführen. Ratsam ist dieses Wahlrecht dann, wenn der Zinssatz bei einer Direktbank für dasselbe Produkt günstiger sein sollte. Dieses Wahlrecht kann sowohl im Lohnsteuerabzugsverfahren als auch im Rahmen der persönlichen Einkommensteuererklärung des Arbeitnehmers ausgeübt werden (BMF, Schreiben vom 16.05.2013, Az. IV C 5 ‒ S 2334/07/0011, Abruf-Nr. 131659). Jedoch ist für die Ausübung des Wahlrechts der vertraglich geregelte und der günstigere Zinssatz am Abschlussstichtag (z. B. durch ein Internetangebot) gegenüber dem Finanzamt nachzuweisen. |