· Fachbeitrag · Arbeitgeberleistungen
Die aktuellen Spielregeln für die Gesundheitsförderung durch Arbeitgeber
von StB, Dipl.-Finw. (FH) Anne L’habitant, WTS Steuerberatungsges. mbH, Düsseldorf
| Bereits 2009 hat der Gesetzgeber die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 34 EStG eingeführt, um Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung zu unterstützen. Zum 01.01.2019 wurde die Vorschrift geändert. Lernen Sie nachfolgend die aktuellen lohnsteuerlichen Spielregeln kennen, wenn Arbeitgeber gesundheitsfördernde Maßnahmen anbieten. |
Eigenbetriebliches Interesse
Gänzlich steuer- und sozialversicherungsfrei sind Zahlungen des Arbeitgebers für betriebliches Gesundheitsmanagement, wenn es sich um Leistungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers handelt. Eigenbetriebliches Interesse liegt z. B. in folgenden Fällen vor:
- Leistungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, z. B. die Bereitstellung von Aufenthalts- und Erholungsräumen sowie von betriebseigenen Dusch- und Badeanlagen. Hierunter wird auch ein betriebseigener Fitnessraum verstanden (H 19.3 LStH „Allgemeines zum Arbeitslohnbegriff“).
- Gestellung von ergonomischen Arbeitsmitteln, z. B. Bürostühle, höhenverstellbare Schreibtische, Fußstützen (R 19.3 Abs. 2 Nr. 1 LStR).
- Maßnahmen zur Vorbeugung spezifisch berufsbedingter Beeinträchtigungen der Gesundheit. Voraussetzung ist, dass die Notwendigkeit der Maßnahmen durch Auskünfte des medizinischen Dienstes einer Krankenkasse bzw. Berufsgenossenschaft oder durch Sachverständigengutachten bestätigt wird. Zu den Maßnahmen zählen z. B. Aufwendungen für die Massage von Mitarbeitern, die an Bildschirmarbeitsplätzen arbeiten (BFH, Urteil vom 30.05.2001, Az. VI R 177/99, Abruf-Nr. 011182).
- Angemessene Kosten für eine Bildschirmbrille, wenn aufgrund einer Untersuchung durch eine fachkundige Person im Sinne der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge die Notwendigkeit festgestellt wurde (R 19.3 Abs. 2 Nr. 2 LStR).
Wichtig | Leistungen im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse werden nicht auf den Höchstbetrag von 500 Euro nach § 3 Nr. 34 EStG angerechnet.
Der neue § 3 Nr. 34 EStG seit 01.01.2019
Seit 2019 sind gemäß § 3 Nr. 34 EStG zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken und zur Förderung der Gesundheit in Betrieben, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und Zertifizierung den Anforderungen der § 20 und § 20b SGB V genügen, steuerfrei, soweit sie 500 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigen. Sind Leistungen nach § 3 Nr. 34 EStG steuerfrei, sind sie auch sozialversicherungsfrei.
Zwei Bereiche
§ 3 Nr. 34 EStG unterscheidet in die zwei Bereiche
- individuelle verhaltensbezogene Prävention (§ 20 Abs. 4 Nr. 1 SGB V) und
- betriebliche Gesundheitsförderung (§ 20b SGB V).
Jährlicher Freibetrag von 500 Euro
Pro Arbeitnehmer sind 500 Euro im Jahr steuerfrei. Der Jahresbetrag von 500 Euro gilt auch bei nicht ganzjährigen Arbeitsverhältnissen im vollen Umfang. Bei einem Arbeitgeberwechsel im Laufe eines Kalenderjahrs oder bei Ausübung mehrerer Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander kann der Freibetrag mehrfach gewährt werden (Bergkemper, in H/H/R, § 3 Nr. 34 EStG).
Übersteigen die Gesundheitsleistungen die 500-Euro-Grenze, sind sie nur mit dem die 500 Euro übersteigenden Betrag steuerpflichtig. Handelt es sich um Sachzuwendungen, die 500 Euro übersteigen, kann der Arbeitgeber eine pauschale Besteuerung mit 30 Prozent nach § 37b EStG wählen.
Qualität, Zweckbindung, Zielgerichtetheit und neuerdings Zertifizierung
Die Maßnahmen mussten bislang hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der § 20 und § 20b SGB V genügen. Welche Maßnahmen hierunter fallen, definiert u. a. der GKV-Leitfaden Prävention (Abruf-Nr. 144035).
Seit dem 01.01.2019 neu eingeführte verhaltenspräventive Maßnahmen müssen zusätzlich zertifiziert sein. Das Zertifizierungserfordernis gilt für Maßnahmen, die seit dem 01.01.2019 begonnen wurden. Für bereits vor 2019 eingeführte Maßnahmen gibt es eine Übergangsfrist. Die Maßnahmen müssen erst ab dem 01.01.2020 zertifiziert sein.
Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention
Ziel der Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention ist es, das Erkrankungsrisiko zu minimieren, indem Risikofaktoren gesenkt werden und die Gesundheit gestärkt wird. Der Fokus liegt auf dem Verhalten und den Gewohnheiten des einzelnen Arbeitnehmers.
Angebote müssen zertifiziert und als förderungswürdig eingestuft sein
Alle individuellen verhaltensbezogenen Primärpräventionsangebote müssen entsprechend den Kriterien des GKV-Leitfadens Prävention von einer Krankenkasse bzw. einer von ihr autorisierten Stelle zertifiziert werden. Hat eine Krankenkasse solche Angebote als förderungswürdig eingestuft, sind sie auf alle Fälle steuerfrei. Darunter fallen insbesondere Maßnahmen in den Bereichen Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressmanagement und Suchtmittelkonsum.
Gemäß Leitfaden keine Krankenkassenförderung
Lt. GKV-Leitfaden Prävention sind insbesondere nicht förderungswürdig:
- Im Kurs bzw. als Begleiterscheinung werden Produkte (z. B. Diätmittel, Sportgeräte) verkauft.
- Die Angebote sind weltanschaulich nicht neutral.
- Bindung an eine bestehende oder zukünftige Mitgliedschaft.
- Auf Dauer angelegte Maßnahme (hierunter sind aber nicht wiederkehrende Kurse, die im Vorhinein auf eine bestimmte Anzahl von Einheiten angelegt sind, sondern von Anfang an zeitlich unbefristete gemeint).
- Die Maßnahme richtet sich an Kinder unter sechs Jahren.
Die Angebote, die die Qualitätskriterien des GKV-Leitfadens Prävention erfüllen, sind auf der Internetseite der jeweiligen Krankenkasse und des GKV-Spitzenverbandes recherchierbar. Außerdem wird das Prüfergebnis dem Kursanbietenden mitgeteilt. Es gilt nicht auf die Person des Kursleiters bezogen, sondern für jeden Kurs ist eine eigene Zertifizierung erforderlich.
PRAXISTIPP | Mittlerweile haben sich Anbieter etabliert, die eigens Konzepte zur betrieblichen Gesundheitsförderung entwickelt haben und eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber anstreben. Zur Sicherung der Steuerfreiheit sollten Arbeitgeber bei solchen Kooperationen im Vorhinein klären, ob die Maßnahme zertifiziert ist bzw. wird. Wird die Zahlung direkt vom Arbeitgeber an den Anbieter der Gesundheitsmaßnahme geleistet, ist es empfehlenswert, die Zertifizierung und die Teilnehmerlisten zu archivieren. |
Fitnessstudio
Fitnessstudio- oder Vereinsbeiträge können nie unter die Steuerbefreiungsvorschrift nach § 3 Nr. 34 EStG fallen. Denn zum einen binden sie an eine Mitgliedschaft und zum anderen sind sie auf Dauer ausgelegt.
PRAXISTIPP | Der BFH muss klären, ob der mit der vergünstigten Nutzung von Fitnessstudios einhergehende geldwerte Vorteil den Arbeitnehmern monatlich zufließt, wenn der Arbeitgeber mit dem Fitnessstudio einen Vertrag über die Dauer von zwölf Monaten geschlossen hat, der Arbeitnehmer aber keinen über die Dauer eines Monats hinausgehenden, unentziehbaren Anspruch zur Nutzung hat (Az. beim BFH: VI R 14/18). Das FG Niedersachsen (Urteil vom 13.03.2018, Az. 14 K 204/16, Abruf-Nr. 200749) hat einen monatlichen Zufluss bejaht. Das hat zur Folge, dass die monatliche Freigrenze in Höhe von 44 Euro nach Anrechnung der von den Arbeitnehmern gezahlten Entgelte eingehalten war. |
Betriebliche Gesundheitsförderung (Verhältnisprävention)
Gesundheitsförderliche Maßnahmen im Betrieb setzen anders als die Verhaltensprävention ihren Schwerpunkt auf die Arbeitsverhältnisse bzw. -umstände. Hierunter werden insbesondere der Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen im Betrieb verstanden. Der Leitfaden verdeutlicht, dass es Ziel der betrieblichen Gesundheitsförderung ist, strukturelle Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz gesundheitsförderlich zu gestalten; ebenso die alltäglichen Lebens-, Wohn- und Freizeitbedingungen, die auch auf die Arbeitsbedingungen und somit auf die Gesundheit Einfluss nehmen.
Gesundheitsförderliche Maßnahmen im Betrieb gemäß GKV-Leitfaden
Folgende gesundheitsförderliche Maßnahmen im Betrieb nennt das Bundesministerium für Gesundheit:
- Gesunde Kantinenkost
- Gesundheitsfördernde Arbeitsplatzgestaltung
- Gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung
- Rauchfreier Betrieb
- Verbesserung des Betriebsklimas (Maßnahmen gegen Mobbing, Mitarbeiterführung)
- Etablierung von Gesundheitszirkeln, bauliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung
- Arbeitsplatzwechsel, flexible Arbeitszeiten
- Leitbild, transparente Kommunikation, Führungskompetenz
Diese Maßnahmen müssen den vom GKV-Leitfaden Prävention festgelegten Kriterien entsprechen. Sie müssen aber nicht zertifiziert werden.
Gesunde Kantinenkost
Für die Abgabe von gesunden Mahlzeiten im Rahmen der Kantinenverpflegung kann die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG in Anspruch genommen werden. Dazu muss ein Gutachten oder ähnliches eines Sozialversicherungsträgers bestätigen, dass die Maßnahme unter § 20 und § 20b SGB V fällt.
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Arbeitnehmer A nimmt in der Betriebskantine ein gesundes Kantinenessen ein. Nach Auskunft der Krankenkasse erfüllt das Essen die Kriterien der betrieblichen Gesundheitsförderung. A zahlt für das Essen 1,50 Euro aus eigener Tasche.
Der geldwerte Vorteil von 396 Euro im Jahr ist steuer- und sozialversicherungsfrei. Denn der Freibetrag von 500 Euro ist eingehalten. |
Im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG ist keine Durchschnittsberechnung (R 8.1. Abs. 7 Nr. 5 LStR) für die Ermittlung des geldwerten Vorteils möglich (OFD Frankfurt/Main vom 12.05.2014, Az. S 2342 A ‒ 81 ‒ St 211, Abruf-Nr. 142163). Das bedeutet: Der Arbeitgeber muss die normalen von den gesunden Essen getrennt aufzeichnen (z. B. durch besondere Kennziffern im Kassensystem).
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Der Arbeitgeber bietet in seiner Kantine ein normales Essen an. Damit hat er in einem Monat einen Umsatz von 4.000 Euro erzielt. Insgesamt wurden 1.200 solcher Essen ausgegeben. Daneben bietet der Arbeitgeber auch ein „Gesundes Essen“ nach § 20 und § 20b SGB V zu einem Preis von 1,50 Euro pro Mahlzeit an. | ||||
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„Sensibilisierungswoche“: Gesunder Lebensstil im Fokus
Der BFH unterscheidet im Urteil zur „Sensibilisierungswoche“ zwischen
- Maßnahmen zur Vermeidung berufsspezifischer Erkrankungen. Diese können im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen und deshalb nicht als Arbeitslohn einzustufen sein.
- Maßnahmen des Arbeitgebers für die Gesundheitsvorsorge der Belegschaft, die keinen Bezug zu berufsspezifischen Gesundheitsbeeinträchtigungen aufweisen. Diese führen zu Arbeitslohn, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände als Entlohnung darstellen. Ein wichtiges Kriterium ist für den BFH dabei die Freiwilligkeit der Teilnahme.
Das bedeutet: Für eine „Sensibilisierungswoche“ kann die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 34 EStG in Anspruch genommen werden. Die Leistungen sind aber nicht im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse, so der BFH (Urteil vom 21.11.2018, Az. VI R 10/17, Abruf-Nr. 207948).
Barzuschüsse zu Gesundheitsmaßnahmen
Nicht nur die Sachleistung, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht wird, ist steuerfrei, sondern auch Barzuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn (keine Gehaltsumwandlung). Die Steuerfreiheit erstreckt sich nicht auf die mit den Gesundheitsmaßnahmen im Zusammenhang stehenden Neben- oder Zusatzleistungen, z. B. Verpflegungs-, Reise- und Unterkunftskosten.
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Der Arbeitgeber zahlt seinen Arbeitnehmern zusätzlich zum Gehalt einen Zuschuss für Yoga-Kurse zur Stressbewältigung, die eine Krankenkasse als zertifiziert eingestuft hat. Er kann bis zu 500 Euro steuerfrei zahlen. |
Der Arbeitnehmer muss die zweckentsprechende Verwendung nachweisen. Der Arbeitgeber muss die Nachweise (z. B. Rechnung) als Beleg beim Lohnkonto verwahren und die Zertifizierung, soweit erforderlich, dokumentieren.