· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Das Arbeitszeugnis - was gilt es zu beachten?
von Rechtsanwältin Susanne Schuster, LL.M. Medizinrecht, Kanzlei Dr. Hahne, Fritz, Bechtler & Partner, www.hfbp.de
| Trennt sich ein Zahnarzt von einem Mitarbeiter oder möchte dieser neue Wege gehen und kündigt das Arbeitsverhältnis von sich aus, steht der Zahnarzt regelmäßig vor der Herausforderung, ein Arbeitszeugnis erteilen zu müssen. Der Mitarbeiter hat darauf einen gesetzlichen Anspruch. Hierbei sind allerdings formale und inhaltliche Vorgaben zu beachten. Insbesondere hat sich im Laufe der Zeit eine eigene „Zeugnissprache“ entwickelt. Die Formulierung eines Zeugnisses ist daher nicht ganz einfach. Das Arbeitszeugnis hat immerhin nicht nur für die ausscheidende Zahnarzthelferin, sondern auch für den alten wie den neuen Arbeitgeber eine erhebliche Bedeutung. |
Anspruch des Arbeitnehmers
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Zeugnis, das Angaben zur Art und Dauer seiner Tätigkeit enthält (einfaches Arbeitszeugnis). Regelmäßig wird der Arbeitnehmer vom Zahnarzt ein qualifiziertes Zeugnis verlangen, in dem Angaben bezüglich der Arbeitsleistung und das Verhalten des Arbeitnehmers zu machen sind. Die Pflicht zur Zeugniserteilung trifft den Arbeitgeber. Der Zahnarzt kann daher nicht - wie in der Praxis oft der Fall - vom Arbeitnehmer einen Zeugnisentwurf einfordern. Unabhängig davon, wer letztlich den Zeugnisentwurf erstellt hat, sollte das Zeugnis vor der endgültigen Ausfertigung besprochen werden, um einen etwaigen Streit über Formulierungen zu vermeiden.
Form des Zeugnisses
Ein Arbeitszeugnis muss den im Geschäftsverkehr üblichen und von Dritten erwarteten Gepflogenheiten entsprechen. Sofern im Rahmen des Praxisbetriebs Briefköpfe genutzt werden, hat der Zahnarzt diesen auch für das Zeugnis zu verwenden. Eine elektronische Form wurde vom Gesetzgeber ausgeschlossen. Das Anschriftenfeld darf nicht ausgefüllt werden.
Ein mit Bleistift oder unsauber geschriebenes Zeugnis kann zurückgewiesen werden. Das Zeugnis darf nach heutiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geknickt werden und muss kopierfähig sein. Das Zeugnis sollte frei von Rechtschreibfehlern sein. Auch sind äußere Mängel wie Streichungen, Textverbesserungen etc. zu vermeiden. Im Übrigen ist das Arbeitszeugnis durch den Praxisinhaber oder einen Vertreter im Original zu unterzeichnen.
Fristen
Der Zahnarzt hat das Zeugnis spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist bzw. zum Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens dem Mitarbeiter zu übergeben. Dem Arbeitnehmer obliegt die Pflicht, das Zeugnis beim Zahnarzt abzuholen.
Inhalt des Zeugnisses
Im Grundsatz gilt: Jedes Arbeitszeugnis muss verständlich formuliert sein und dient als Nachweis für das fachliche Können und die bisherige Tätigkeit des Arbeitnehmers. Je länger ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, desto detaillierter müssen die Angaben im Zeugnis sein. Das Zeugnis muss das gesamte Arbeitsverhältnis vollständig beschreiben, nicht nur Teile davon. Auch ist die Verhaltens- und Leistungsbewertung einheitlich zu beschreiben. Das Arbeitszeugnis soll ein Gesamtbild des Arbeitsverhältnisses und der Person des Arbeitnehmers abbilden. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als die aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
Grundsätze für die Zeugniserteilung
Für die Anfertigung von Zeugnissen existieren folgende Grundsätze, an die sich der Zahnarzt zu halten hat:
- Zeugnisse sind wahrheitsgemäß und den Tatsachen entsprechend zu verfassen. Annahmen oder Verdachtsmomente dürfen nicht enthalten sein.
- Zeugnisse sind klar, deutlich und verständlich zu formulieren und dürfen keine Merkmale enthalten, die eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer treffen. Die Verwendung von Geheimzeichen ist verboten.
- Zeugnisse müssen von verständigem Wohlwollen des Arbeitgebers geprägt sein. Unter Berücksichtigung der Wahrheitspflicht darf das weitere Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert werden.
- Zeugnisse müssen vollständig sein, das heißt es müssen alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten sein. Überflüssige oder von vornherein selbstverständliche Angaben, insbesondere die Tätigkeit betreffend, sollten nicht enthalten sein >- zum Beispiel dass die Zahnarzthelferin jeden Morgen die Praxis aufschloss und die Zeitschriften im Wartezimmer ordnete. Ehrlichkeit ist nur zu nennen, wenn es für die Stelle von besonderer Relevanz ist. Die gesonderte Erwähnung der Pünktlichkeit kann bedeuten, dass der Arbeitnehmer nur in zeitlicher Hinsicht zuverlässig war.
Branchenübliche Aspekte sind jedoch zwingend zu nennen. Lässt der Zahnarzt einen wichtigen Teilbereich der Tätigkeit im Zeugnis weg, könnte dies als (versteckter) Hinweis an einen neuen Arbeitgeber gewertet werden, der Arbeitnehmer habe in diesem Bereich eine unterdurchschnittliche Leistung gezeigt.
Aufbau des Zeugnisses
Das Zeugnis sollte im Grundsatz wie folgt aufgebaut werden:
- 1. Überschrift („Zeugnis“, „Arbeitszeugnis“oder „Ausbildungszeugnis“),
- 2. Einleitung (Persönliche Daten, Beginn, Ende des Anstellungsverhältnisses),
- 3. Tätigkeitsbeschreibung (beruflicher Werdegang des Arbeitnehmers),
- 4. Leistungsbeurteilung (zusammenfassende Leistungsbeurteilung: Fachkenntnisse, Arbeitsqualität, Initiative, Fleiß, Verantwortungsbereitschaft, Durchsetzungsfähigkeit, Verhandlungsgeschick, Ausdrucksfähigkeit),
- 5. Soziales Verhalten (Führungsbeurteilung: Sozialverhalten, Umgang mit Vorgesetzten, Kollegen und Patienten; Beachtung der betrieblichen Ordnung),
- 6. Schlussformulierung (Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Dankes-/Bedauerns-Formel; Zukunftswünsche),
- 7. Ort und Datum der Zeugnisausstellung, Unterschrift des Zeugnisausstellers.
Der Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf eine Schlussformel im Arbeitszeugnis.Verwendet sie der Zahnarzt, darf sie nicht widersprüchlich zur sonstigen Beurteilung sein. Wird eine Schlussformel aufgenommen, mit der der Arbeitnehmer nicht einverstanden ist, hat er einen Anspruch auf ersatzlose Streichung, nicht auf Korrektur oder Ergänzung. Eine Bedauernsformulierung kann verwendet werden, um die Wertschätzung eines Mitarbeiters herauszustellen.
Zeugnissprache
Tatsache ist, dass sich bei der Zeugniserteilung eine eigene Zeugnissprache entwickelt hat, weil der Arbeitgeber verpflichtet ist, dem Mitarbeiter ein wohlwollendes und dennoch wahres Zeugnis zu erteilen. Überwiegend geht die Praxis dabei von einer Notenskala vergleichbar mit Schulnoten aus:
- Eine sehr gute Leistung wird mit „stets (oder jederzeit, immer) zu unserer vollsten Zufriedenheit“ bezeichnet.
- Eine gute Leistung wird mit „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ bewertet.
- Wird die Leistung mit „stets zu unserer Zufriedenheit“ oder „zu unserer vollen Zufriedenheit“ bewertet, so wird eine befriedigende bzw. gut durchschnittliche Beurteilung abgegeben.
- Eine unterdurchschnittliche, indes noch ausreichende Leistung wird mit „zu unserer Zufriedenheit“ bewertet.
- Eine mangelhafte Leistung wird mit „insgesamt zu unserer Zufriedenheit“ oder nur „eine im Großen und Ganzen zufriedenstellende Erledigung der Arbeit“ gekennzeichnet.
- Bezeichnet der Zahnarzt die Leistungen mit „Die Mitarbeiterin hat sich bemüht, die Arbeitsanforderungen zu erfüllen “ oder „Die Mitarbeiterin arbeitete im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“, so heißt dies, dass eine unzureichende Leistung erbracht wurde. Gleiches gilt für den Hinweis „Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben mit großem Eifer erfüllt“. Die Beurteilung entspricht der Schulnote „ungenügend“. Gleiches gilt, wenn formuliert wird, die Mitarbeiterin habe „die ihr übertragenen Aufgaben mit großem Fleiß und Interesse durchgeführt“.
Bei der Bewertung des Verhaltens gibt es ähnliche Formulierungen. „Der Kontakt mit den Kolleginnen war hervorragend“ kann so verstanden werden, dass die Mitarbeiterin mehr redete und Kaffee trank als dass sie arbeitete.
FAZIT | Bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen gibt es somit einige Vorgaben, bei deren Nichteinhaltung einem Mitarbeiter - selbst wenn der Praxischef dies gar nicht beabsichtigt - Steine in den Weg gelegt werden können. Der Zahnarzt sollte sich daher zuvor ausreichend informieren. Auch sollte er das Zeugnis mit dem Mitarbeiter besprechen, um möglichen Klagen vorzubeugen. |