· Fachbeitrag · Arbeitsrecht
Der arbeitsrechtliche Rahmen für die Anordnung von Homeoffice
von RAin Ina Jähne, Hannover, www.jaehne-guenther.de
| Das Homeoffice wird bleiben, nicht nur, weil ein Abflauen der Corona-Pandemie noch nicht abzusehen ist, sondern weil es sich insgesamt bewährt hat. Auch wenn ‒ oder gerade, weil ‒ aus dem angekündigten „Homeoffice-Gesetz“ in dieser Legislaturperiode nichts geworden ist, tun Arbeitgeber nun gut daran, das Homeoffice von vornherein rechtlich sauber auszugestalten. Der folgende Beitrag soll aufzeigen, welche arbeitsrechtlichen Aspekte für die Entsendung von Mitarbeitern ins Homeoffice relevant sind. |
Was wurde eigentlich aus dem Gesetzentwurf?
Nachdem er monatelang angekündigt war, legte Hubertus Heil Anfang Oktober seinen Entwurf für ein „Mobile-Arbeit-Gesetz“ vor, laut dem es einen Rechtsanspruch auf Mobile-Arbeit, faktisch also in den meisten Fällen Homeoffice, für 24 Tage im Jahr geben sollte, soweit die Tätigkeit sich hierfür eignete und keine betrieblichen Interessen dagegen sprachen. Das Kanzleramt hat den Vorschlag inzwischen abgeräumt, weil im Koalitionsvertrag ein Rechtsanspruch auf Homeoffice nicht vereinbart worden war.
Klar ist damit, dass es in dieser Legislaturperiode einen solchen Anspruch damit nicht geben wird. Dies ändert aber nichts an den tatsächlichen Umständen, nach denen die Zahl der im Homeoffice beschäftigten Arbeitnehmer spätestens seit dem zweiten Quartal dieses Jahres, schon aufgrund der Corona-Pandemie drastisch zugenommen hat. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend weiter verstärken wird, auch weil viele Arbeitgeber gezwungen waren die Erfahrung zu machen, dass gegen ihre Erwartung die Arbeit im Homeoffice jedenfalls nicht zu absteigender Produktivität zu führen scheint.
Im Frühjahr konnten Mitarbeiter coronabedingt noch eher hemdsärmelig ins Homeoffice entsandt werden, nun aber kommen Arbeitgeber langfristig nicht darum herum, die Tätigkeit ihrer Mitarbeiter im Homeoffice rechtskonform auszugestalten und dazu gehört deutlich mehr, als dem Mitarbeiter einen Laptop in die Hand zu drücken.
Abgrenzung der verschiedenen Formen der mobilen Arbeit
Die Tätigkeit im Homeoffice wird auch als „Telearbeit“ bezeichnet und ist abzugrenzen von der „alternierenden Telearbeit“, bei der im Wechsel zwischen dem Betrieb und zu Hause gearbeitet wird und dem „mobile Office“, bei dem die Arbeitsleistung von „Überall“, also theoretisch auch aus einem Café heraus erbracht werden kann.
Homeoffice setzt zunächst einmal voraus, dass die räumlichen Verhältnisse am Wohnsitz des Arbeitnehmers die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice in tatsächlicher Hinsicht überhaupt zulassen.
Anordnung von Homeoffice durch den Arbeitgeber
Ist dies der Fall, so bedarf es einer rechtlichen Grundlage für die Etablierung von Homeoffice für Arbeitnehmer.
Darf der Arbeitgeber ‒ grundsätzlich ‒ einseitig Homeoffice anordnen?
Denkbar wäre zunächst, dass der Arbeitgeber berechtigt ist, eine Tätigkeit aus dem Homeoffice einseitig anzuordnen. Dies könnte zum Beispiel aus dem Weisungsrecht des Arbeitgebers abzuleiten sein. Einigkeit besteht aber wohl darin, dass dieses Weisungsrecht des Arbeitgebers, das sich aus § 106 GewO ergibt, grundsätzlich nicht so weit reicht, dass es den Arbeitgeber legitimiert, dem Arbeitnehmer einseitig Telearbeit aus dem Homeoffice zuzuweisen. So hat es folgerichtig auch das LAG Berlin-Brandenburg (10.10.18, 17 Sa 562/18) entschieden.
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Bisher ist also nicht davon auszugehen, dass der Arbeitgeber als Ausfluss seines Weisungsrechts Homeoffice einseitig anordnen kann. Zur Begründung hat zum Beispiel das LAG Berlin-Brandenburg in der oben zitierten Entscheidung angeführt, dass die Arbeit im Homeoffice nicht mit der Arbeit in der Betriebsstätte vereinbar ist. Insbesondere würde der Arbeitnehmer den sozialen Kontakt zu den Kollegen einbüßen. Ein weiterer Aspekt, den das Gericht gewürdigt hat, ist die Entgrenzung der Arbeitszeit im Homeoffice: Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Damit müsse ein Arbeitnehmer nicht einverstanden sein. |
Darf der Arbeitgeber ‒ in der Pandemie ‒ einseitig Homeoffice anordnen?
Anders wurde und wird die Frage des Rechts zur einseitigen Anordnung von Homeoffice im Zuge der Corona-Pandemie beantwortet. Ohne, dass es hierzu mit Ausnahme einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ‒ ebenfalls aus Berlin (VG Berlin 14.4.20, VG 28 L 119/20) ‒ nennenswert Rechtsprechung gibt, besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass angesichts der Tatsache, dass auch das Robert-Koch-Institut die Arbeit im Homeoffice als Präventionsmaßnahme benannt hat, ein einseitiges Recht zur Anordnung durch den Arbeitgeber jedenfalls für die Akutphase der Pandemie bestanden hat und möglicherweise auch in den kommenden Wintermonaten angesichts der steigenden Infektionszahlen wieder bestehen wird.
Unter Berücksichtigung der zuvor benannten Aspekte spielte dabei eine Rolle, dass die sozialen Kontakte zu Kollegen angesichts von Abstandsgeboten und Kontaktsperren ohnehin stark dezimiert sind. Auch das ansonsten gängige Argument der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG, in das der Arbeitgeber nicht eingreifen dürfe, ließ sich mit dem Einwand ausräumen, dass es sich um eine temporäre Maßnahme handeln sollte. Für einen kurzfristigen Zeitraum ist also ein Eingriff in Art. 13 GG und damit ein einseitiges Weisungsrecht des Arbeitgebers zur Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu rechtfertigen.
FAZIT | Grundsätzlich, und dies zeigt schon die Relevanz des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) in der Debatte, bedarf die Anordnung von Homeoffice damit aber einer Rechtsgrundlage abseits des Weisungsrechts, in der Regel im Arbeitsvertrag oder in einer zusätzlichen Vereinbarung zum Homeoffice, die sowohl von Arbeitgeber als auch von Arbeitnehmerseite zu unterzeichnen ist. Denkbar ist theoretisch auch eine mündliche Übereinkunft, von der aber aus Gründen der Transparenz und Beweisbarkeit und letztlich auch des Umfangs der erforderlichen Regelungen im Zusammenhang mit einer Tätigkeit im Homeoffice abzuraten ist. |
Pflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Homeoffice
Wie in fast allen anderen Feldern folgen Rechten aber auch Pflichten. Hier geht es insbesondere um die Ausstattung des Telearbeitsplatzes und wer dafür aufkommt und um die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften.
Gestellung der erforderlichen Arbeitsmittel
Auch bei der „Entsendung“ des Mitarbeiters ins Homeoffice wird der Arbeitgeber nicht frei von seiner Verpflichtung, dem Mitarbeiter die zur Erbringung seiner Arbeitsleistung erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Für die zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel trägt der Arbeitgeber dann auch die entstehenden Anschaffungs-, Wartungs- und Pflegekosten. Seine Grenze findet die Kostentragungslast des Arbeitgebers da, wo Anschaffungen bereits im Vorfeld getätigt worden sind (z. B. der Breitbandanschluss, den der Mitarbeiter ohnehin vorhält und auch privat nutzt; Krieger/Rudnik/Povedano-Peramato, NZA 20, 473).
Aufwendungsersatzanspruch
Stattet der Mitarbeiter aber einen Raum als Büro aus, den er vorher anderweitig genutzt hatte, dann besteht ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB. Die Grenze verläuft also bei Anschaffungen immer da, wo die Anschaffungen im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers stehen. Abzulehnen ist dies aber, wenn der Mitarbeiter auf eigenen Wunsch im Homeoffice tätig werden will, obwohl ihm bei dem Arbeitgeber ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch aus. Das wird insbesondere bei hybriden Arbeitsmodellen, also der alternierenden Telearbeit der Fall sein (vgl. Krieger/Rudnik/Povedano-Peramato, NZA 20, 473). Vom Grundsatz setzt der Aufwendungsersatzanspruch also voraus, dass es in erster Linie der Wunsch des Arbeitgebers ist, den Mitarbeiter ins Homeoffice zu entsenden, z. B. weil Bürokapazitäten reduziert werden.
PRAXISTIPP | Üblich ist die Vereinbarung einer Kostenpauschale für Strom-, Wasser- und Gasverbrauch und eine Beteiligung an den Kosten für den Telekommunikations- bzw. Internetanschluss. Der Höhe nach erscheint eine Pauschale in Höhe von rund 50 EUR monatlich angemessen. |
Wird die Arbeitsleistung grundsätzlich nur aus dem Homeoffice erbracht, dann ist das Homeoffice auch Ausgangsort für Dienstreisen. Fährt der Mitarbeiter dann also von Zeit zu Zeit in die vorherige Betriebsstätte, um z. B. an einer Besprechung teilzunehmen, dann sind diese Kosten vom Arbeitgeber zu tragen. Dies gilt nicht für alternierende Telearbeit.
Bei der ausschließlichen Tätigkeit aus dem Homeoffice wird dort auch ein Gerichtsstand für arbeitsgerichtliche Streitigkeiten begründet.
Einhaltung von Vorschriften des Arbeitsschutzes
Auch die Vorgaben des Arbeitsschutzes (Arbeitsschutzgesetz und Arbeitsstättenverordnung) sind vom Arbeitgeber bei der Entsendung von Mitarbeitern ins Homeoffice zu beachten. Im Spannungsverhältnis steht die Pflicht des Arbeitgebers zur Einhaltung der Vorgaben des Arbeitsschutzes mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG, welches den Einflussbereich des Arbeitgebers reduziert.
Jedenfalls ist es die Pflicht des Arbeitgebers, den Mitarbeiter zu informieren und zu unterweisen, sodass dieser in der Lage ist, besondere Gefahren für seine Gesundheit zu erkennen und zu vermeiden. Von besonderer Relevanz sind hier z. B. Ergonomie und Größe von Bildschirmen.
Umstritten ist, ob es sinnvoll ist, dass der Arbeitgeber sich ein Zutrittsrecht zur Wohnung des Mitarbeiters sichert, um die Einhaltung der Vorgaben der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zu prüfen. Zum Teil wird die Vereinbarung eines Zutrittsrechts bereits für unverhältnismäßig gehalten. Eine entsprechende Regelung solle nichtig und unwirksam sein (vgl. Hidalgo, NZA 19, 1449, 1452). Auch mit dieser Frage hatte sich das BAG noch nicht zu befassen, sodass auch bei dieser Frage noch ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit besteht.
PRAXISTIPP | Zum Teil wurde von Arbeitgebern in der Vergangenheit versucht, die Anwendbarkeit der Arbeitsstättenverordnung zu umgehen, indem statt „Homeoffice“ „mobile Office“ vereinbart wurde, weil mobiles Arbeiten nicht der Arbeitsstättenverordnung unterliegt (Hidalgo, NZA 19, 1449, 1452). Allerdings wird in der Literatur so gut wie einhellig vertreten, dass auch bei mobilem Arbeiten im Homeoffice die allgemeinen Bestimmungen des ArbSchG Anwendung finden (Hidalgo, NZA 2019, 1449, 1452). Dass die Gerichte hier zu einer anderen Bewertung kommen werden, ist mehr als unwahrscheinlich. |
Geltung des Arbeitszeitgesetzes auch im Homeoffice
Die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zu täglichen Höchstarbeitszeiten, Pausenzeiten und Ruhezeiten gelten auch im Homeoffice. Die Möglichkeiten der Sicherstellung der Einhaltung dieser Vorgaben sind für den Arbeitgeber bei der Tätigkeit im Homeoffice aber eingeschränkt, weswegen der Mitarbeiter zur Erfassung und Aufzeichnung seiner Arbeitszeiten verpflichtet werden sollte. Dies befreit den Arbeitgeber dann aber nicht davon, die Dokumentation an sich zu überprüfen und auch, ob danach die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.
Gesetzlicher Unfallschutz im Homeoffice
Der gesetzliche Unfallschutz besteht für Mitarbeiter auch im Homeoffice, allerdings nur, wenn sich das Unfallgeschehen anlässlich einer Tätigkeit ereignet, die der Mitarbeiter mit der Handlungstendenz ausführt, eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit auszuüben (BSG 27.11.18, B 2 U 28/17 R). Verneint wird dies z. B. bereits für den Gang in die Küche, um dort ein Glas Wasser zu trinken (BSG 5.7.16, B 2 U 2/15 R).
Beendigung der Tätigkeit im Homeoffice
Grundsätzlich gilt für vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter, dass es ein einseitiges Lösungsrecht nicht gibt und im Zweifel nur die Änderungskündigung bleibt.
Denkbar ist es aber, die Möglichkeit des Widerrufs durch den Arbeitgeber für die Tätigkeit des Mitarbeiters im Homeoffice vorzusehen, wenn dies aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt/erforderlich erscheint. Dabei ist auch eine ausreichende Frist vorzusehen, damit sich der Mitarbeiter auf die Umstellung einrichten kann. Unklar ist bisher noch, welche Anforderungen ein wirksamer Widerrufsvorbehalt im Einzelnen erfüllen muss, weil es dazu obergerichtliche Rechtsprechung bisher nicht gibt. Im Sinne einer Negativ-Abgrenzung lässt sich aber jedenfalls eine Entscheidung des LAG Düsseldorf heranziehen. Danach soll ein voraussetzungsloses Beendigungsrecht des Arbeitgebers eine unangemessene Benachteiligung darstellen, mithin unwirksam sein (LAG Düsseldorf 10.9.14, 12 Sa 505/14).
Checkliste / Soll-Regelungen für das Homeoffice |
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