· Fachbeitrag · Arzneimittelversorgung
Die neue BtMVV (Teil 2): Voraussetzungen für die Abgabe eines Substitutionsmittels an den Patienten
von RAin Dr. habil. Sabine Wesser, Köln
| Legt ein Patient ein mit „“ gekennzeichnetes BtM-Rezept vor, hat die Apotheke zu prüfen, ob sie das verschriebene Arzneimittel an den Patienten abgeben darf. Dies ist ihr nur dann erlaubt, wenn der Arzt das Substitutionsmittel (zumindest auch) zur eigenverantwortlichen Einnahme verschrieben hat. Bei dem vorgelegten Rezept muss es sich daher um eine Überbrückungs-Verschreibung, eine Take-Home-Verschreibung oder ‒ neu ‒ um ein Mischrezept handeln. |
Die Überbrückungs-Verschreibung
Eine Überbrückungs-Verschreibung nach § 5 Abs. 8 BtMVV setzt Folgendes voraus:
Begrenzung in Reichdauer und Menge
Der Arzt darf dem Patienten „zum Zwecke der Überbrückung weniger Tage“ (BR-Drs. 222/17, S. 20 zu Abs. 8) ein Substitutionsmittel zur „eigenverantwortlichen Einnahme“ verschreiben
- 1. in der für bis zu zwei aufeinanderfolgende Tage benötigten Menge oder
- 2. in der Menge, die benötigt wird für die Wochenendtage Samstag und Sonntag und für dem Wochenende vorangehende oder folgende Feiertage, auch einschließlich eines dazwischenliegenden Werktages, höchstens jedoch in der für fünf Tage benötigten Menge.
PRAXISHINWEIS | Die „Überbrückungs“-Verschreibung entspricht der Sache nach der bisherigen „Wochenendverschreibung“. Neu ist nur, dass jetzt bei einem hinzukommenden Feier- und ggf. Brückentag die Reichdauer bis zu fünf Tage betragen kann (wenn z. B. Heiligabend auf einen Montag fällt). |
Nicht mehr als eine Verschreibung pro Kalenderwoche
Der substituierende Arzt darf dem Patienten innerhalb einer Kalenderwoche nicht mehr als eine Verschreibung aushändigen (§ 5 Abs. 8 S. 3 BtMVV).
PRAXISHINWEIS | Die Apotheke hat zu kontrollieren, ob die Verschreibung tatsächlich zur Überbrückung ausgestellt ist (anhand der vom Arzt anzugebenden Reichdauer in Tagen), ob die Mengenvorgaben eingehalten sind und dass der Patient nicht mehr als eine solche Verschreibung pro Kalenderwoche der Apotheke vorlegt. |
Kennzeichnung
Das „Überbrückungs“-Rezept muss wie bisher die „Wochenend“-Verschreibung sowohl mit dem Buchstaben „“ (für Substitutionsmittelverschreibung) als auch zusätzlich mit „Z“ gekennzeichnet sein. Allerdings hat die zusätzliche Kennzeichnung „nach“ der Kennzeichnung mit dem Buchstaben „“ zu erfolgen (§ 5 Abs. 8 S. 5 BtMVV). Die BtMVV schreibt also die Buchstabenfolge vor ‒ trotz der von der ABDA hieran geübten Kritik (Stellungnahme vom 13.04.2017, S. 3 und 6). Dadurch soll eine eindeutigere Kennzeichnung bewirkt und mehr Fälschungsschutz gewährleistet werden.
Die „Take-Home“-Verschreibung
Mit der „Take-Home“-Verschreibung nach § 5 Abs. 9 S. 1 BtMVV darf der Arzt unter bestimmten Voraussetzungen dem Patienten Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme verschreiben.
Begrenzung in Reichdauer und Menge
Der Arzt darf Substitutionsmittel zur eigenverantwortlichen Einnahme in der folgenden Menge verschreiben:
- 1. grundsätzlich in der für bis zu sieben Tage benötigten Menge oder
- 2. in begründeten Einzelfällen in der für bis zu 30 Tage benötigten Menge.
Die Verschreibung einer für bis zu 30 Tage benötigten Menge ist ‒ anders als bisher ‒ nicht mehr von einem Auslandsaufenthalt des Patienten abhängig, sondern von einem begründeten Einzelfall. Ein solcher kann durch einen medizinischen oder anderen Sachverhalt begründet sein (vgl. § 5 Abs. 9 S. 1 bis 6 BtMVV). Über das Vorliegen eines begründeten Einzelfalls entscheidet der Arzt. Bejaht er diesen, so zeigt sich dies (allein) daran, dass er eine die Reichdauer von sieben Tagen überschreitende Verschreibung ausstellt. Der Grund ist also weder auf dem BtM-Rezept angegeben noch ist sein Vorliegen von der Apotheke zu prüfen.
Vorgaben an die Abgabe
Der substituierende Arzt kann patientenindividuelle Zeitpunkte festlegen, an denen Teilmengen des verschriebenen Substitutionsmittels in der Apotheke an den Patienten oder an die Praxis des substituierenden Arztes abgegeben oder zum unmittelbaren Verbrauch überlassen werden sollen. Der Arzt kann auf der Verschreibung also festlegen, dass das Substitutionsmittel dem Patienten nur in Teilmengen abgegeben wird, die für eine jeweils bestimmte Zahl von Tagen benötigt werden. Dazu eröffnet § 9 Abs. 1 Nr. 5 BtMVV zukünftig die Möglichkeit, dass die Angaben auf einem separaten Dokument („schriftliche Vorgaben“ zur Abgabe oder zum Überlassen zum unmittelbaren Verbrauch) vermerkt werden können, soweit sie aus Platzgründen nicht auf der Verschreibung angebracht werden können. Wurde dem Patienten die schriftliche Vorgabe übergeben, muss auf der Verschreibung dazu ein Hinweis erfolgen, damit die Apotheke die ärztlichen Vorgaben für die Abgabe erkennen und beachten kann.
PRAXISHINWEIS | Problematisch sind Fälle, in denen der Arzt patientenindividuelle Zeitpunkte für die Abgabe oder Überlassung von Teilmengen festgelegt, zugleich aber versäumt hat, darüber die Apotheke durch einen entsprechenden Hinweis auf dem BtM-Rezept zu informieren. Bei Zweifeln bezüglich des Vorhandenseins von Vorgaben an die Abgabe sollte die Apotheke immer Rücksprache mit dem Arzt halten, bevor sie das BtM abgibt. |
Kennzeichnung
In Bezug auf die „Take-Home“-Verschreibungen hat sich eine Änderung hinsichtlich der Art der Kennzeichnung ergeben: Sie sind nunmehr zusätzlich mit dem Buchstaben „T“ zu kennzeichnen und nicht mehr, wie bisher, mit dem Buchstaben „Z“ (vgl. § 5 Abs. 9 S. 7, § 9 Abs. 1 Nr. 6 BtMVV). Auch hier wird zum Zwecke eindeutiger Kennzeichnung und von Fälschungsschutz die Buchstabenfolge vorgeben: erst der Buchstabe „“, dann der Buchstabe „T“.
Mischrezepte
Die Verschreibung eines Substitutionsmittels zum Teil zum Sichtbezug, zum Teil zur eigenverantwortlichen Einnahme (§ 5 Abs. 9 S. 8 BtMVV) wird als „Mischrezept“ bezeichnet.
„Take-Home“ und „Sichtbezug“ auf einem Rezept
Alternativ oder kumulativ zur Abgabe von Teilmengen zur eigenverantwortlichen Einnahme kann der Arzt auf der Verschreibung festlegen, dass Teilmengen dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch in der Apotheke zu überlassen oder an die Praxis des substituierenden Arztes abzugeben sind. Der Arzt darf also auf der Verschreibung nicht nur bestimmen, dass die Apotheke das Substitutionsmittel dem Patienten in Teilmengen zur eigenverantwortlichen Einnahme abzugeben hat. Sondern er darf kumulativ auch bestimmen, dass es zum Teil in der Apotheke dem Patienten zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen ist.
Begründet wird die neue Vorschrift damit, dass sie der Gewährleistung der Sicherheit und Kontrolle im Betäubungsmittelverkehr und einer patientenindividuellen Therapieführung diene.
Abgabe und Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch
Die in der Apotheke erfolgende Anwendung der („nur“) zum unmittelbaren Verbrauch bestimmten Teilmenge erfolgt dann unter der Oberaufsicht des Arztes. Abgegeben wird diese Teilmenge also an den Arzt und nicht an den Patienten, auch wenn der Patient das Arzneimittel sogleich in der Apotheke verbraucht. „Abgabe“ als Überlassung des Mittels zur freien Sachherrschaft ist nicht dasselbe wie „Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch“! D. h.:
- Sofern die Apotheke aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arzt zu den „Einrichtungen“ i. S. der BtMVV zählt, die Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch an den Patienten aushändigen dürfen, darf sie in Bezug auf diese Teilmenge dem Patienten nur die Konsummöglichkeit verschaffen und zwar in der Apotheke: Der Apotheker oder sein pharmazeutisches Personal händigen dem Patienten die Teilmenge aus, damit sie unter ihrer Aufsicht vom Patienten verbraucht wird.
- Offen ist, wie die Apotheke zu verfahren hat, wenn sie mangels Vereinbarung mit dem Arzt nicht zu den Einrichtungen zählt, in denen der Sichtbezug des Substitutionsmittels stattfinden darf: Soll sie dann von dem Substitutionsmittel die Teilmengen abgeben, die zur eigenverantwortlichen Einnahme bestimmt sind? Dagegen spricht, dass eine Teilbelieferung von Substitutionsverschreibungen betäubungsmittelrechtlich nicht vorgesehen ist und zudem unzulässig in die Substitutionstherapie des Arztes eingreifen würde. Darauf hat die ABDA in ihrer Stellungnahme vom 13.04.2017 zur Änderung der BtMVV zu Recht hingewiesen.
PRAXISHINWEIS | Eine Apotheke, der vom Patienten ein Mischrezept vorgelegt wird, sollte daher die Abgabe des Substitutionsmittels ablehnen, wenn sie nicht zugleich auch die Einrichtung ist, in der der Sichtbezug stattfinden darf. Sie kann in einem solchen Fall, muss es aber nicht, Rücksprache mit dem Arzt nehmen, um dem Patienten mitteilen zu können, welche Apotheke diejenige ist, die die erforderliche Vereinbarung mit dem Arzt getroffen hat und das Mischrezept beliefern darf.
Es ist nicht möglich, die von § 5 Abs. 10 S. 2 Nr. 2 BtMVV geforderte Vereinbarung zwischen Arzt und Apotheker (nachträglich) telefonisch zustande zu bringen. Denn:
- Die Vereinbarung hat schriftlich oder elektronisch zu erfolgen.
- Sie muss mindestens eine verantwortliche Person benennen und bestimmen, wie das eingesetzte Personal fachlich eingewiesen wird.
- Außerdem müssen die Kontrollmöglichkeiten durch den substituierenden Arzt geregelt sein (§ 5 Abs. 10 S. 4 BtMVV).
PRAXISHINWEIS | Zwar bestimmen weder die BtMVV noch das Betäubungsmittelgesetz (BtMG), was unter „elektronisch“ zu verstehen ist. Doch nach der Grundregel des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erfordert die Wahrung der elektronischen Form, die an die Stelle einer gesetzlich vorgeschriebenen schriftlichen Form treten kann, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (vgl. § 126a Abs. 1 BGB). Danach reichen auch E-Mails nicht aus, um die Vereinbarung nach § 5 Abs. 10 S. 2 Nr. 2 BtMVV zu schließen. |
Kennzeichnung
Auch ein „Mischrezept“ muss zusätzlich zu dem Buchstaben „“ mit dem Buchstaben „T“ gekennzeichnet sein.
PRAXISHINWEIS | Die erforderlichen Kennzeichen („“ und „Z“ bzw. „“ und „T“) bzw. die vorgeschriebene Buchstabenreihenfolge können nach § 12 Abs. 2 S. 1 1. Alt. bzw. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und Abs. 2 BtMVV nach Rücksprache mit dem Arzt, aber noch vor Abgabe des Betäubungsmittels vom Apotheker nachgeholt werden (vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 2 4. Spiegelstrich Nr. 3 S. 1 Fn. 1 Nr. 8 RahmenV). Die Änderung ist durch den Apotheker auf den Teilen I und II und durch den Verschreibenden auf Teil III der Verschreibung zu vermerken. Der Apotheker muss seine Änderung nach § 17 Abs. 5 S. 3 ApBetrO unterschreiben. |
Weiterführender Hinweis
- „Die neue BtMVV (Teil 1): Wann darf die Apotheke Substitutionsmittel an den Patienten abgeben?“ in AH 09/2017, Seite 12