· Fachbeitrag · Auftragsbeschaffung
Wirtschaftliche VgV-Verfahren: Ihr Planungsbüro kann Verträge auch inhaltlich mitgestalten
| Viele Planungsbüros beklagen, dass VgV-Verfahren nach dem Motto „friss oder stirb“ ablaufen. Dadurch, dass der Auftraggeber Vertragsinhalte (teilweise sogar fertige Vertragsmuster) vorgebe, habe man keine Möglichkeit mehr, den Planungsvertrag inhaltlich anders zu verhandeln. Das ist aber ein Trugschluss. PBP erklärt Ihnen, warum und wie Sie bei VgV-Verfahren Einfluss auf den Planungsvertrag nehmen können. |
E‒Vergaben ermöglichen „inhaltliche Verhandlungen“
VgV-Verfahren werden heutzutage fast ausschließlich digital durchgeführt. Bei diesen E-Vergaben von Planungsleistungen ist es möglich, Sachfragen mit geringem Aufwand inhaltlich zu klären. Musste man früher noch (wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes) die Antwort auf eine konkrete Frage jedem einzelnen Bieter „händisch“ (E-Mail) übermitteln, läuft das in Zeiten der Vergabemanagementsysteme (VMS-Systeme) anders.
Als Bieter haben Sie sofort nach Übergabe der Auslobungsunterlagen oder zu Beginn der zweiten Verfahrensstufe die Möglichkeit,
- klärende Sachfragen,
- Fragen zu Planungsvertragsinhalten und
- Verständnisfragen zu unklaren Angaben und Anforderungen
zu stellen. Die öffentlichen Auftraggeber (Empfänger Ihrer Anfrage) sind faktisch gezwungen, sämtliche Bieteranfragen kurzfristig und sachgerecht zu beantworten. Stellt ein Bieter eine Frage zu dem konkreten Auftrag ein, werden alle Bieter automatisch über die Antwort der Vergabestelle informiert.
PRAXISTIPP | Das bedeutet im Ergebnis, dass durch den Einsatz der E-Vergabe mittels der VMS-Systeme weitaus mehr Verhandlungsmöglichkeiten bestehen als bislang angenommen. Diese „Verhandlung“ läuft allerdings schriftlich und muss von Ihnen professionell gesteuert werden. Es reicht nicht, irgendwelche Fragen zu stellen. Denn auf eine unpräzise Frage werden Sie wahrscheinlich auch nur eine unpräzise Antwort bekommen. Ihre Frage muss also bereits dafür sorgen, dass die Antwort entweder klarstellende oder eindeutige anderweitige Erkenntnisse zur Folge hat. Auf diesem Weg können Sie z. B. vom Auftraggeber
in Ihrem bzw. im Sinne aller Bieter durch Rückfragen klarstellen oder auch eigene Vorschläge für vertragliche Inhalte als Fragen formulieren. |
Es wird schon vor dem Verhandlungstermin „verhandelt“
Mit anderen Worten: Sie können also schon „verhandeln“, bevor der eigentliche ‒ persönliche ‒ Verhandlungstermin stattfindet. Alles, was vor dem eigentlichen Verhandlungsgespräch erledigt ist, führt dazu, dass Sie den persönlichen Termin für andere Punkte nutzen können. Ein weiterer Vorteil der vorherigen Abklärung besteht darin, dass keine Verzögerungen im Vergabeverfahren entstehen und alle Bewerber gleichbehandelt werden. Das bedeutet, dass der Auslober Ihre Fragen unterm Strich sogar positiv sehen und bewerten wird.
Nachfolgend finden Sie einige Fragen, die sich für „eine Verhandlung vor dem eigentlichen Verhandlungstermin“ eignen.
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Die ingenieurtechnische Kontrolle der Ausführung des Tragwerks ist nach Ziff. 5.4 des veröffentlichten Ingenieurvertrags als Pauschale ausgeschrieben. Die Ausschreibung der Leistung ist dergestalt, dass wir nur schwer kalkulieren können, welcher konkrete Aufwand für die Erbringung der Leistungen erforderlich sein wird. Wir fragen deshalb an, ob Bieter diese Leistungen stattdessen (= Austausch der entsprechenden Vertragsformulierung) als Zeithonorar mit einem für alle Bewerber (aus Gründen der Gleichbehandlung) normierten Ansatz von 240 Stunden anbieten können, mit der Maßgabe, dass nach tatsächlichem Zeitaufwand abgerechnet wird? |
Wichtig | Mit dieser Frage wird verhandelt, ob der Auftraggeber für eine bestimmte Leistung eine andere (als die im veröffentlichten Vertrag vorgesehene) Honorarvereinbarung zulässt. Da diese Frage und die Antwort an alle Bieter geht, wird eine faire aber auch konsequente Verhandlung ermöglicht.
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Die Vorgabe der anrechenbaren Kosten aus mitverarbeiteter Bausubstanz (mvB) gemäß Ziff. 4.6 des vorgelegten Planungsvertrags wird nur als Vorab-Annahme zur Sicherstellung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verstanden. Ist es richtig, dass die tatsächlichen anrechenbaren Kosten nach § 4 Abs. 3 HOAI zum Zeitpunkt der Entwurfsplanung je nach vorliegender Entwurfsplanung angesetzt werden, weil erst zu diesem Zeitpunkt projektbezogen erkennbar ist, welche mvB mitverarbeitet wird und welche nicht mitverarbeitet oder entfernt wird? |
Ist es richtig, dass mit dieser Maßnahme eine fachliche Gleichbehandlung der sog. investiven anrechenbaren Kosten, die sich auch erst im Zuge der Entwurfsplanung ergeben, mit den anrechenbaren Kosten aus mvB ergibt, weil beide Arten der anrechenbaren Kosten nach den Regelungen der HOAI erst zum Entwurfszeitpunkt fachtechnisch einwandfrei ermittelt werden können? |
Wichtig | In der HOAI ist geregelt, dass die anrechenbaren Kosten, auch die der mvB, erst zum Zeitpunkt der Lph 3 ermittelt werden. Das ist weit nach Vertragsabschluss, weil erst da erkennbar ist, welche Bausubstanz konkret mitverarbeitet werden wird. Mit dieser Frage soll der Bauherr erklären, ob er die anrechenbaren Kosten aus mvB entgegen der HOAI geregelt haben will (nämlich als vorgegebene Pauschale) als die investiven anrechenbaren Kosten, die sich ebenfalls aus der Kostenberechnung zum Entwurf ergeben.
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Die beim Zeithonorar nach § 5 Nr. 4 des vorgelegten Planungsvertrags angegebene Anzahl an Stunden wird von uns so verstanden, dass der anzubietende Honorarstundensatz nur für diesen abgefragten Umfang (hier: 20 Std.) gilt. Wir bitten Sie um Klarstellung, weil eine evtl. unbegrenzte Anforderung von Leistungen unterschiedlicher Komplexität zu Verfälschungen bei der Kalkulation führen kann. Das gilt insbesondere, wenn von Ihnen Leistungen angefordert werden, die ein höheres fachliches Niveau ‒ und damit andere Stundensätze ‒ erfordern. |
Wichtig | Damit soll vermieden werden, dass es später zu Unterdeckungen kommt, wenn der Auftraggeber weitreichende Änderungsleistungen oder zusätzliche Besondere Leistungen fordert, die den angebotenen Ansatz von 20 Stunden überschreiten und, die Sie zu dem vorgegebenen Stundensatz nicht wirtschaftlich erbringen können.
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Ist es richtig, dass mit der Besonderen Leistung nach § 6 Abs. 4 des vorgelegten Planungsvertrags koordinierte und mit dem Nutzer abgestimmte Wandabwicklungen im Maßstab 1:50 für alle Einbauten, Installationen und sonstigen sichtbaren Installationen gefordert werden?
Kann diese Anforderung auf einzelne Bauteile, Einbauten, Installationen und räumliche Bereiche eingegrenzt werden, wenn ja, auf welche? |
Wichtig | Mit dieser Frage soll eine klarstellende Leistungsbeschreibung noch im VgV-Verfahren erwirkt werden, weil im Planungsvertrag eine Art „Komplettheitsklausel“ enthalten ist, die hinsichtlich der anzubietenden Honorarhöhe zu unbestimmt ist und somit zu erheblichen Unterdeckungen führen kann. Die Beispielfrage ist verkürzt dargestellt: Sie kann noch um Gewerke ergänzt werden, die in den Wandabwicklungen abgebildet werden. Sinngemäß das Gleiche trifft für Anforderungen an Raumbücher zu.
FAZIT | Der Beitrag und die Beispielfragen zeigen, dass es ohne besonderen Aufwand möglich ist, eine ganze Reihe von inhaltlichen Fragen bequem mit dem VMS-System zu klären. Die textliche Fragestellung muss präzise sein. Sie darf es nicht erlauben, dass der Bauherr bei der Beantwortung ins Allgemeine flüchtet. Alle Fragen sollten sofort gestellt werden, damit diese für alle Bewerber vor dem persönlichen Verhandlungstermin geklärt sind. Es ist auch zum Wohle des Bauherrn. |