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· Fachbeitrag · Aufwandsersatz

Aufwandsersatz im Verein: Welche Reisekosten Sie wem erstatten können

| Finanzverwaltung und Rechtsprechung haben sich in jüngster Zeit mit dem Thema Reisekosten von Arbeitnehmern beschäftigt. VB stellt Ihnen die Dinge und Aussagen vor, die auch Vereine betreffen. |

Steuerliche Unterscheidung

Das Einkommensteuerrecht unterscheidet bei Fahrt- und anderen Reisekosten von Arbeitnehmern zwischen zwei Dingen:

  • Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 EStG): Der Arbeitgeber kann seine Zuschüsse mit 15 Prozent in Höhe der Entfernungspauschale pauschalversteuern. Der Arbeitnehmer kann sie ‒ unabhängig vom Verkehrsmittel ‒ mit 30 Cent pro Entfernungskilometer (einfache Strecke; ab dem 21. Kilometer 35 Cent) steuerlich geltend machen.

 

  • Aufwendungen des Arbeitnehmers für berufliche Fahrten: Sie können je Verkehrsmittel mit Pauschalen pro Fahrkilometer steuerfrei vom Arbeitgeber erstattet werden. Für Pkw gilt eine Kilometerpauschale von 30 Cent.

 

Erste Tätigkeitsstätte

Entscheidend dafür, ob eine steuerfreie Erstattung möglich ist, ist also, ob es sich um Fahrten zur „ersten Tätigkeitsstätte“ handelt. Tätigkeitsstätte kann jede ortsfeste betriebliche Einrichtung sein. Es muss keine vereinseigene Einrichtung sein. Als (erste) Tätigkeitsstätte gelten auch vereinsfremde Einrichtungen, wenn der Arbeitgeber (Verein) das so bestimmt. Je Dienstverhältnis kann es aber nur eine erste Tätigkeitsstätte geben.

 

Der Arbeitgeber kann bei mehreren Einsatzstellen festlegen, welche die erste Tätigkeitstätte ist. Das muss nicht die sein, die der Arbeitnehmer am häufigsten besucht. Hat der Arbeitgeber keine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte vorgenommen oder ist sie nicht eindeutig, gilt als erste Tätigkeitsstätte die Einrichtung, an der der Arbeitnehmer

  • typischerweise arbeitstäglich tätig werden soll oder
  • je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.

 

  • Beispiel

Ein Sportverein hat keine eigenen Sportanlagen, sondern nutzt städtische Sporteinrichtungen, die sich nicht bei seiner Geschäftsstelle befinden. Ein Trainer des Vereins fährt mehrmals die Woche zu dieser Sportanlage, aber nur einmal zur Geschäftsstelle. Seine erste Tätigkeitsstätte befindet sich also an der Sportanlage. Der Verein kann das durch Vorgaben ändern. Legt er die Geschäftsstelle als erste Tätigkeitsstätte fest, sind die Fahrten des Trainers von seiner Wohnung oder der Geschäftsstelle zur Sportanlage beruflich veranlasste Fahrten. Der Verein kann die Aufwendungen dafür steuerfrei ersetzen.

 

Nachweis der ersten Tätigkeitsstätte

Wie der Arbeitgeber die Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte nachweisen muss, ist nicht vorgegeben. Im Arbeitsvertrag muss das jedenfalls nicht geregelt sein. Die Zuordnungsentscheidung muss auch nicht eigens dokumentiert werden. Sie kann sich ergeben aus Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Protokollnotizen, dienstrechtlichen Verfügungen, Einsatzplänen, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen o. ä. (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 - S 2353/19/10011, Abruf-Nr. 219558; BFH, Urteil vom 30.09.2020, Az. VI R 11/19, Abruf-Nr. 219779).

 

PRAXISTIPP | Vielfach wird aber eine ausdrückliche schriftliche Anweisung sinnvoll sein, weil andere Dokumente oft nicht konsistent geführt werden.

 

Wechselnde Einsatzstellen

Wird eine geringe Zahl von Einsatzorten während der Tätigkeit regelmäßig und in etwa gleichem Zeitumfang besucht und regelmäßig keine Betriebsstätte des Arbeitsgebers aufgesucht, gilt: Erste Tätigkeitsstätte ist die Einsatzstelle, die der Wohnung am nächsten liegt.

 

  • Beispiel

Eine Pflegedienstkraft betreut täglich vier Personen und besucht dabei bis auf weiteres (unbefristet) regelmäßig und in festem Turnus die Wohnungen der Pflegebedürftigen. Der Arbeitgeber hat keine dieser Pflegestellen als erste Tätigkeitsstätte bestimmt. Die jeweils zuerst besuchte Wohnung ist die erste Tätigkeitsstätte.

 

PRAXISTIPP | Der Pflegedienst könnte aber eine der Wohnungen als erste Tätigkeitsstätte festlegen. Bevorzugt wird das diejenige sein, die der Wohnung der Pflegekraft am nächsten liegt, weil damit mehr Fahrtkosten steuerfrei erstattet werden können.

 

Eine erste Tätigkeitstätte liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer ihr „dauerhaft“ zugeordnet ist. Das bedeutet nach Auffassung der Finanzverwaltung: auf unbestimmte Zeit oder für mehr als zwei Jahre.

 

Weitläufiges Arbeitsgebiet

Eine erste Tätigkeitsstätte fehlt auch, wenn der Arbeitnehmer ständig wechselnde Einsatzorte aufsucht. Bei einem solchen weitläufigen Arbeitsgebiet kann der Arbeitnehmer für Fahrten von seiner Wohnung zu einem bestimmten Punkt dieses weitläufigen Arbeitsgebiets die Entfernungspauschale ansetzen. Dies gilt, wenn der Arbeitnehmer

  • seinen Betrieb nur aufsucht, um von dort aus seine Auswärtstätigkeit aufzunehmen;
  • in einem weiträumigen Gebiet tätig ist, das er immer wieder von ein und demselben Zugang betritt (z. B. Streetworker einer Jugendhilfeeinrichtung, die ein bestimmtes Quartier betreuen).

 

Angesetzt werden die Fahrten von der Wohnung bis zum Zugang zu dem weiträumigen Arbeitsgebiet. Für alle Fahrten innerhalb des weiträumigen Arbeitsgebiets oder für Fahrten von der Wohnung zu einem weiter entfernten Zugang kann der Arbeitgeber die tatsächlichen Kosten (Fahrtkilometer) erstatten.

 

  • Beispiel

Die Rettungswache, der ein Rettungsassistent zugeordnet ist, ist dessen erste Tätigkeitsstätte, wenn er dort arbeitstäglich vor dem Einsatz auf dem Rettungsfahrzeug vorbereitende Tätigkeiten vornimmt, wie z. B. die Überprüfung des Rettungsfahrzeugs, Bestückung mit Medikamenten etc. Der Rettungsassistent wird also noch in ausreichendem Umfang in der Hauptwache tätig, um dort seine erste Tätigkeitstätte zu haben (BFH, Urteil vom 30.09.2020, Az. VI R 11/19, Abruf-Nr. 219779).

 

Home-Office während der Corona-Pandemie

Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse (das ist aktuell z. B. die Corona-Pandemie) vorrübergehend von der ursprünglichen Festlegung ab, ändert das nichts an der ersten Tätigkeitsstätte. Ordnet der Arbeitgeber also aktuell Home-Office an, bleibt der bisherige Arbeitsort erste Tätigkeitsstätte. Vereinzelte Fahrten dahin sind keine beruflich veranlassten Fahrten, für die die Kosten steuerfrei ersetzt werden können.

 

PRAXISTIPP | Das häusliche Arbeitszimmer kann ohnehin keine erste Tätigkeitsstätte sein. Arbeitet der Beschäftigte dauerhaft (unbefristet) von Zuhause aus, hat er keine erste Tätigkeitstätte mehr. Entweder wird dann eine der wechselnden Einsatzstellen zur ersten Tätigkeitsstätte oder es fehlt eine erste Tätigkeitsstätte und alle Fahrten zu den verschiedenen Einsatzorten sind steuerfrei erstattbar.

 

Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen

Die Frage, wo die erste Tätigkeitstätte ist, hat auch für die Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen Bedeutung. Für eintägige auswärtige Tätigkeiten ohne Übernachtung kann ab einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden von der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwendungen von 14 Euro berücksichtigt werden.

 

  • Beispiel

Der Rettungssanitäter im o. g. Beispiel hatte seine erste Tätigkeitstätte in der Rettungswache. Die Fahrt von der Wohnung bis dorthin war also keine „Dienstfahrt“. Andernfalls wäre die Aufenthaltsdauer außerhalb der Wohnung bzw. der ersten Tätigkeitsstätte acht Stunden lang gewesen und der Rettungsassistent hätte auch den 14-Euro-Satz für die Verpflegungsmehraufwendungen in Anspruch nehmen können.

 

Reisekostenersatz bei Ehrenamtlern

Die Regelung des § 9 Abs. 4 EStG zum Werbungskostenabzug von Fahrtkosten zur ersten Tätigkeitsstätte gilt nur für Arbeitnehmer. Ehrenamtlich Tätige stehen in keinem Arbeitsverhältnis zum Verein. Das gilt auch, wenn sie geringe Vergütungen erhalten. Voraussetzung für ein Beschäftigungsverhältnis ist, dass die Tätigkeit wegen des Entgelts ausgeübt wird (BFH, Urteil 23.10.1992, Az. VI R 59/91, Abruf-Nr. 094106). Sehr geringe Zahlungen gelten noch nicht als Entgelt sondern als pauschaler Aufwandsersatz.

 

Das gilt für Fahrtkostenerstattungen

Bezahlt ein Verein seinen Ehrenamtlichen lediglich eine Fahrkostenerstattung, liegt kein Arbeitsverhältnis und damit auch kein Arbeitslohn vor. Auch die Kosten für die Fahrten zum regelmäßigen Einsatzort können also erstattet werden.

 

PRAXISTIPP | Hier gelten dann die Erstattungsätze nach Reisekostenrecht, nicht die Pendlerpauschale. Steuerfrei ersetzen kann der Verein also 30 Cent pro gefahrenem Kilometer (nicht Entfernungskilometer) bei Nutzung des privaten Pkw. Steuerlich betrachtet liegt dann ein Auslagenersatz vor, der nach § 3 Nr. 50 EStG steuerfrei ist.

 

Wichtig | Das bedeutet aber, dass der Ehrenamtler diese Aufwendungen einzeln durch Belege nachweisen muss (z. B. Fahrkarten für öffentliche Verkehrsmittel). Tankquittungen bei Fahrten mit dem eigenen Pkw genügen nicht, weil sie nicht eindeutig in Bezug zu den Dienstfahren gesetzt werden können. Die Fahrten müssen also jeweils einzeln dokumentiert werden. Das kann in Form eines „Fahrtenbuchs“ geschehen, in dem für jeden Tag Ausgangs- und Endpunkt der Fahrt, die gefahrene Strecke und die „betriebliche“ Veranlassung der Fahrt dokumentiert ist.

 

  • Beispiel

Ein Amateurfußballspieler erhält vom Verein keine Vergütungen, sondern lediglich Fahrtkostenersatz für die Nutzung des eigenen Pkw. Steuerfrei erstatten darf der Verein sowohl die Fahrten zur regelmäßigen Trainingsstätte als auch zu Auswärtsspielen u. ä. mit 30 Cent pro gefahrerem Kilometer. Weil kein Arbeitsverhältnis besteht, gelten die Regelungen zur ersten Tätigkeitsstätte nicht. Der Spieler muss die Fahrten aber detailliert abrechnen.

 

Vergütungen oberhalb der Ehrenamtspauschale

Höhere Vergütungen als die Ehrenamtspauschale führen regelmäßig zu einem Arbeitsverhältnis ‒ es sei denn es liegt eine selbstständige Tätigkeit vor. Das gilt insbesondere für den Übungsleiterfreibetrag. Eine monatliche Zahlung von 250 Euro, die nach der Erhöhung des Freibetrags noch steuer- und sozialversicherungsfrei bleibt, wird regelmäßig ein Arbeitsverhältnis begründen. Dann liegt keine ehrenamtliche (unentgeltliche) Tätigkeit mehr vor, und es greifen bezüglich der Fahrtkosten die Regelungen für Arbeitnehmer.

Vergütung selbstständig Tätiger

Sind die Mitarbeiter im Verein selbstständig tätig (etwa als Übungsleiter, Trainer oder Dozenten), erzielen sie Gewinneinkünfte (Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit oder gewerbliche Einkünfte. Bloßer Auslagenersatz ist auch hier steuerfrei. Die Regelung des § 3 Nr. 50 EStG gilt zwar für Arbeitnehmer. Das gleiche ergibt sich aber bei einer selbstständigen Tätigkeit. Entweder fehlt die Gewinnerzielungsabsicht oder die Auslagen wären als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, und es entstehen dann ebenfalls keine Überschusseinkünfte.

 

  • Beispiel

Amateursportler, die nur in Einzelfällen Siegprämien erhalten und bei denen Startgelder im Wesentlichen nur die Aufwendungen decken, haben deshalb keine gewerblichen Einkünfte.

 

Die Versteuerung der Einnahmen obliegt dem selbstständigen Mitarbeiter. Für den Verein als Auftraggeber spielt es also keine Rolle, ob z. B. ein selbstständiger Übungsleiter Fahrtkosten oder Stundenvergütungen berechnet. Für den Verein sind das bloße Kosten ‒ ohne lohnsteuerliche Folgen.

 

PRAXISTIPP | Allerdings sollte der Verein klären, ob tatsächlich eine Einstufung als Selbstständiger möglich ist. Ergibt sich bei einer Nachprüfung, dass tatsächlich eine abhängige Beschäftigung vorlag, hat das auch Auswirkungen für die steuerliche Behandlung des Fahrtkostenersatzes.

 

Weiterführende Hinweise

  • Beitrag „Vergütungen im Verein: Was im Amateursport erlaubt ist und was Sie steuerlich wissen müssenf“, VB 11/2020, Seite 3 → Abruf-Nr. 46952807
  • Beitrag „Vergütungen im Verein: Was im Amateursport erlaubt ist und wie es sozialversicherungsrechtlich behandelt wird“, VB 10/2020, Seite 4 → Abruf-Nr. 46866913
Quelle: Seite 9 | ID 47101494