· Fachbeitrag · Aus- und Fortbildung
So können Arbeitgeber die Fortbildungskosten der Arbeitnehmer steuerfrei erstatten
von Rechtsanwalt Thorsten Leisinger, WTS Steuerberatungsges. mbH, Frankfurt/a. M.
| Erstattet oder übernimmt der Arbeitgeber für einen Arbeitnehmer Aufwendungen für Fort- oder Weiterbildungsmaßnahmen, ist das nicht immer steuer- und sozialversicherungsfrei. Aus Sicht der Lohnsteuer, der Sozialversicherung und des Arbeitsrechts sind einige Besonderheiten zu beachten. LGP erläutert sie nachfolgend ausführlich. |
Aufwendungen für Aus- oder Fortbildung
Steuerlich ist zwischen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu unterscheiden:
Fort- oder Weiterbildung
Aufwendungen für beruflich genutzte Fort- und Weiterbildung werden in der Regel als Werbungskosten anzusehen sein. Als Werbungskosten anzuerkennende Aufwendungen, die der Arbeitgeber übernimmt, sind aber nur dann kein steuerpflichtiger Arbeitslohn, wenn die Fort- und Weiterbildung im überwiegenden betrieblichen Interesse ist (R 19.7 LStR). Dazu unten mehr.
Erstausbildung
Die Aufwendungen für die „Erstausbildung“ sieht die Finanzverwaltung dagegen derzeit als Aufwendungen für die private Lebensführung an. Sie können nur als Sonderausgaben angesetzt werden. Ob diese Ansicht rechtmäßig ist, muss das BVerfG entscheiden (Az. 2 BvL 23/14 und 2 BvL 24/14). Seit 2015 liegt eine Berufsausbildung nach § 9 Abs. 6 EStG als Erstausbildung vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung durchgeführt wird, die mit einer Abschlussprüfung endet.
PRAXISHINWEISE | Für den Arbeitgeber bedeutet dies:
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Zeitpunkt der Zusage der Kostenübernahme
R 19.7 Abs. 1 S. 4 LStR gibt vor, dass berufliche Fort- und Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers u. a. nur dann nicht zu Arbeitslohn führen, wenn
- der Arbeitgeber Rechnungsempfänger ist oder
- der Arbeitnehmer Rechnungsempfänger ist und der Arbeitgeber die Kostenübernahme vor Abschluss des Weiterbildungsvertrags schriftlich zugesagt hat.
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Der Arbeitnehmer hat sich auf eigene Initiative zur Weiterbildung zum Bilanzbuchhalter angemeldet und den ersten Ausbildungsabschnitt absolviert. Beim Jahresgespräch vereinbart er mit dem Arbeitgeber die Übernahme der Ausbildungskosten. Die für die Weiterbildung zum Bilanzbuchhalter übernommenen Kosten sind steuer- und sv-pflichtig. Die Rechnungen der Buchhalterschule lauten auf den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hätte die Übernahme der Kosten noch vor Abschluss des Weiterbildungsvertrags zusagen müssen. |
PRAXISHINWEISE | Legt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Rechnung zur Kostenübernahme vor, muss der Arbeitgeber
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Wird die Zusage zur Kostenübernahme vom Bestehen der Prüfung abhängig gemacht, handelt es sich eher um einen steuer- und sv-pflichtigen Bonus als um eine steuerlich begünstigte Fortbildung. Dies gilt insbesondere, wenn der Mitarbeiter Fortbildungskosten schon als Werbungskosten geltend gemacht hat (OFD NRW, Kurzinformation vom 25.10.2017, Abruf-Nr. 198032).
Aufwendungen im überwiegenden betrieblichen Interesse
Wie oben ausgeführt sind berufliche Fort- oder Weiterbildungsleistungen des Arbeitgebers kein Arbeitslohn, wenn diese Maßnahmen im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen (R 19.7 LStR).
- Bei Bildungsmaßnahmen, die auf die Arbeitszeit angerechnet werden, sind keine weiteren Voraussetzungen zu prüfen. Das betriebliche Interesse wird unterstellt. Anders ist es nur, wenn Anhaltspunkte für den Belohnungscharakter vorliegen (R 19.7 Abs. 2 S. 3. LStR).
- Auch Bildungsmaßnahmen, die nicht auf die Arbeitszeit angerechnet werden, können im betrieblichen Interesse liegen, wenn sie die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers im Unternehmen erhöhen. Die Übernahme der Kosten führt nicht zu Arbeitslohn. Im Umkehrschluss heißt das: Bei Maßnahmen, die keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit haben und die nicht auf die Arbeitszeit angerechnet werden, führt die Kostenübernahme zu Arbeitslohn. Für die unterschiedlichen Bildungsmaßnahmen bedeutet das:
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Führerscheine | Bei der Übernahme von Kosten für einen Führerschein ist zu differenzieren:
PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber sollten prüfen, welche Art Führerschein angestrebt wird, und den beruflichen Zusammenhang dokumentieren. |
Outplacement/Bewerbertraining | Auch bei Trainings- und Qualifikationsmaßnahmen im Sinne des SGB III liegt kein Arbeitslohn vor, wenn sie der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Auflösungsvereinbarungen erbringt (R 19.7 Abs. 2 S. 5 LStR). Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die zur Verbesserung der Eingliederung in das Arbeitsleben von staatlicher Stelle für maximal acht Wochen gefördert werden.
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Persönlichkeitsbildende Fortbildungen | Bei persönlichkeitsbildenden Maßnahmen wie Ausbildungen zum Neuro-Linguistischen Programmieren (NLP) und Ausbildungen zum Coach unterscheiden die Finanzgerichte bei der Frage, ob diese als Werbungskosten anzuerkennen sind, wie folgt:
Die Rechtsprechung zu den Werbungskosten ist nicht unmittelbar auf die Frage des betrieblichen Interesses übertragbar, gibt aber Anhaltspunkte.
PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber sollten die Seminarinhalte prüfen und den Zusammenhang mit der Berufsausübung dokumentieren. Im Zweifel sollten sie eine Anrufungsauskunft einholen. |
Sensibilisierungswochen | Als nicht im überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers stehend sieht das FG Düsseldorf die Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Sensibilisierungswoche, in der grundlegende Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil vermittelt werden sollten (FG Düsseldorf, Urteil vom 26.01.2017, Az. 9 K 3682/15 L, Abruf-Nr. 193938). Das FG nimmt hier eine allgemein gesundheitspräventive Maßnahme nach § 3 Nr. 34 EStG in Verbindung mit §§ 20, 20a SGB V an. Der BFH ist nun am Zug (Az. beim BFH: VI R 10/17).
PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber sollten entsprechende Verfahren im Hinblick auf das zu erwartende BFH-Urteil offenhalten. |
Sprachkurse | Übernimmt der Arbeitgeber für Arbeitnehmer die Kosten für Sprachkurse, gilt:
PRAXISHINWEIS | Arbeitgeber sollten bei Übernahme von Sprachkursen den beruflichen Bezug dokumentieren. Wird der Sprachkurs als Belohnung vom Arbeitgeber bezahlt, führen die übernommenen Kosten für den Kurs zu Arbeitslohn. |
Rückzahlungsklauseln
Rückzahlungsklauseln in Weiterbildungsvereinbarungen unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle durch die Gerichte. Arbeitgeber sollten sich daher an folgende Kriterien halten, die die Rechtsprechung für die Wirksamkeit einer Rückzahlungsvereinbarung herausgearbeitet hat:
- In der Rückzahlungsvereinbarung müssen die möglichen Rückforderungsbeträge im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren angegeben werden (BAG, Urteil vom 21.08.2012, Az. 3 AZR 698/10, Abruf-Nr. 131280).
- Unzulässig ist eine Kombination einer Rückzahlungsklausel bei vorzeitigem Ausscheiden mit einer tatsächlichen Kostenbeteiligung durch ein zunächst abgesenktes Gehalt (BAG, Urteil vom 10.05.2016, Az. 9 AZR 434/15, Abruf-Nr. 188578).
- Eine Klausel, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten für jeden Fall einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung ohne Ausnahme vorsieht, ist unwirksam. Denn Kündigungen der Arbeitnehmer, deren Grund in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen (BAG, Urteil vom 18.03.2014, Az. 9 AZR 545/12, Abruf-Nr. 150388). Das gilt auch für eine Rückzahlungspflicht für den Fall der Arbeitgeberkündigung mit Ausnahme der verhaltensbedingten Kündigung.
- Die Bindungsfrist muss im angemessenen Verhältnis zu der Fortbildungsdauer stehen. Folgende Richtwerte hat die Rechtsprechung für durchgängige Lehrgangsdauern entwickelt (bei Lehrgängen in Blöcken sind die Blöcke zur Bestimmung der Lehrgangsdauer zusammenzuziehen):
- Lehrgangsdauer bis zu einem Monat: Bindungsdauer bis zu sechs Monaten (BAG, Urteil vom 05.12.2002, Az. 6 AZR 539/01, Abruf-Nr. 041955)
- Lehrgangsdauer bis zu zwei Monaten: Bindungsdauer bis zu zwölf Monaten (BAG, Urteil vom 15.12.1993, Az. 5 AZR 279/93)
- Lehrgangsdauer zwischen drei und vier Monaten: Bindungsdauer bis zu 24 Monaten (BAG, Urteil vom 06.09.1995, Az. 5 AZR 241/94)
- Lehrgangsdauer zwischen sechs und zwölf Monaten: Bindungsdauer bis zu drei Jahren (BAG, Urteil vom 05.06.2007, Az. 9 AZR 604/06, Abruf-Nr. 080545)
- Lehrgangsdauer bei 24 und mehr Monaten: Bindungsdauer bis zu fünf Jahren (BAG, Urteil vom 14.01.2009, Az. 3 AZR 900/07, Abruf-Nr. 090608)
- Inwieweit der Arbeitgeber die Fähigkeiten des Arbeitnehmers aus der Weiterqualifikation nutzt, ist ebenfalls bei der Angemessenheit der vereinbarten Bindungsdauer zu berücksichtigen. Nach BAG (Urteil vom 18.03.2014, Az. 9 AZR 545/12, Abruf-Nr. 150388) ist eine dreijährige Bindungsfrist zu lang, wenn die Kenntnisse nicht verwertet werden.
- Die Rückzahlungsvereinbarung muss eine differenzierte Regelung für den Fall der erfolglosen Teilnahme enthalten. Sie muss unterscheiden, in wessen Verantwortungsbereich der Grund für die erfolglose Fortbildungsteilnahme fällt (LAG Niedersachsen, Urteil vom 29.10.2014, Az. 17 Sa 274/14, Abruf-Nr. 177479). Liegt der Abbruch bzw. das Nichtbestehen der Abschlussprüfung an personenbedingten Gründen (Krankheit) oder fehlenden persönlichen Gründen, hat der Arbeitnehmer den Eintritt der Bedingung nicht schuldhaft herbeigeführt. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer trotz aller Anstrengungen in den abschließenden Prüfungen scheitert.
Reisekosten
Sind Fort- oder Weiterbildungsleistungen steuerfrei, kann der Arbeitgeber auch die Reisekosten steuer- und beitragsfrei erstatten, die durch die Teilnahme des Arbeitnehmers an der Bildungsveranstaltung veranlasst sind (§ 3 Nr. 13, 16 EStG, R 9.4 bis R 9.8 und R 9.11). Andernfalls sind sie zu versteuern und zu verbeitragen.