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· Fachbeitrag · Auskunftsersuchen an Airbnb

Die steuerstrafrechtliche Relevanz von Luftmatratze und Frühstück

von Dr. Karsten Webel, LL.M. (Indiana), Hamburg

| Die Sharing Economy ist ein Wirtschaftszweig, der immer bedeutsamer wird. Über entsprechende Plattformen werden Anbieter und Nachfragender elektronisch zusammengeführt, sodass die gemeinsame Nutzung von Konsumgütern einfach und kostengünstig ist. Bekannt sind vor allem die Vermittlung von Fahrdiensten über Uber und die Unterkunftsvermittlung über Airbnb. Insoweit besteht jedoch auch die Gefahr einer „Fehlnutzung“ und einer Gewinnmaximierung zulasten der Allgemeinheit durch Umgehung gesetzlicher Pflichten. Dazu im Einzelnen: |

1. Einleitung

Ein bedeutender Bereich der Sharing Economy ist die Unterkunftsvermittlung. Die derzeit wohl bekannteste Plattform in diesem Sektor dürfte Airbnb sein. Airbnb steht für „airbed and breakfast“, also Luftmatratze und Frühstück. Daneben bestehen aber auch zahlreiche andere Plattformen, wie z. B. wimdu, 9flats.com oder BestFewo. Diese Plattformen ermöglichen es, Zimmer, Wohnungen oder Häuser zu vermieten. Allein Airbnb vermittelt weltweit mehr Übernachtungen als die fünf größten Hotelketten zusammen und erzielt Umsätze in Milliardenhöhe. Der jeweilige Plattformbetreiber ermöglicht es Privatanbietern über die Plattform, eine Wohnung oder ein Zimmer zu inserieren, um diese für eine kurze Zeit zu vermieten. Der Plattformbetreiber wickelt die Bezahlvorgänge ab, erhebt eine Servicegebühr auf den Buchungspreis und zahlt den Restbetrag an den Gastgeber aus. Er steuert folglich den Zahlungsverkehr und beherrscht dadurch die Transaktionsdaten und den Zahlungsfluss.

 

Da die Vermietungsaktivitäten auf Plattformen wie Airbnb für die Finanzbehörden weitgehend unsichtbar sind, besteht die Vermutung, dass viele deutsche Gastgeber ihre Einnahmen steuerlich nicht erklärt haben bzw. nicht erklären. Diese Steuerersparnis ermöglicht es ihnen, die Unterkünfte im Vergleich zu Hotels günstiger anzubieten, was die Nutzung von Airbnb auch für die Konsumenten attraktiv macht. Dieses Vorgehen stellt die klassische Hotellerie vor wirtschaftliche Probleme und führt zur Verknappung von Wohnraum in touristisch interessanten Ballungsräumen. Folgerichtig gibt es zahlreiche Gemeinden, in denen die kurzfristige Vermietung aufgrund Ortssatzungen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum genehmigungspflichtig oder verboten ist.

2. Das Auskunftsersuchen

Es ist bekannt, dass nicht alle Gastgeber im Hinblick auf die Vermietung über Airbnb ihren steuerlichen Verpflichtungen gerecht werden. Schon in den Jahren 2010 bis 2012 sollen laut der Staatsanwaltschaft New York die hundert Top-Airbnb-Vermieter in der Stadt 54 Mio. USD eingenommen und dabei Steuern in Höhe von 8,5 Mio. USD hinterzogen haben.

 

Deutschland stellte über das BZSt als zentrales Verbindungsbüro in 2018 ein internationales Gruppenersuchen, um die steuerpflichtigen deutschen Airbnb-Vermieter der Jahre 2012 bis 2014 zu ermitteln. Der EU-Sitz von Airbnb ist in Dublin, Irland. Die Anfrage wurde daher auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 S. 1 des EU-Amtshilfegesetzes in Steuersachen (EUAHiG) i. V. m. dem DBA Irland an die irischen Finanzbehörden gestellt. Das Verfahren dauerte über zwei Jahre, in denen über die Voraussetzungen des Auskunftsersuchens ‒ insbesondere bestimmbarer, aber noch unbekannter Personenkreis, hinreichender Ermittlungsansatz und das Fehlen anderer erfolgversprechender Maßnahmen ‒ z. T. heftig gestritten wurde. Im Juni 2020 entschied der Irische High Court, der die Erforderlichkeit der Zusammenarbeit mit ausländischen Steuerverwaltungen in einer globalisierten Welt betont. Er stellte klar, dass es sich bei der Gruppenanfrage nicht um eine „fishing exercise“, also eine unzulässige Ermittlungshandlung „ins Blaue“ handele, sondern um eine gerechtfertigte Anfrage.

 

Folglich musste Airbnb ca. 10.000 Datensätze herausgeben, die die Daten, Namen und Vermietungsumsätze der deutschen Vermieter enthalten. Nach Presseverlautbarungen fand eine Sichtung durch die Steuerfahndung Hamburg statt, die die ausgewerteten Datensätze im September 2020 den betroffenen Bundesländern zur Verfügung gestellt haben soll. Die Einnahmen pro Gastgeber sollen meist im vier- bis fünfstelligen Bereich liegen.

3. Die steuerliche Ausgangslage

Die Einkünfte aus der Vermietung über Airbnb unterliegen der ESt, ggf. auch der GewSt und USt. Streitig ist zwar, ob es sinnvoll ist, auf die digitale Ökonomie die gleichen Steuerregelungen wie auf klassische Unternehmen anzuwenden, aber bis jetzt unterscheidet das deutsche Steuerrecht insoweit nicht grundlegend. Dadurch sollen Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Ertragsteuerlich handelt es sich bei den Einnahmen aus der kurzfristigen Vermietung von privatem Wohnraum über Airbnb ‒ eine Überschusserzielungsabsicht vorausgesetzt ‒ um steuerpflichtige Einnahmen i. S. d. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Davon sind Werbungskosten ‒ z. B. die Servicegebühren für Airbnb, die Reinigungskosten und Kosten für Verbrauchsmaterialien ‒ abziehbar, sofern sie unmittelbar der Vermietungstätigkeit zugeordnet werden können. Bei gemischt veranlassten Aufwendungen ‒ z. B. AfA ‒ ist eine Aufteilung nach Nutzungsumfang und -zeiträumen erforderlich. Handelt es sich ‒ insbesondere beim sog. „Home-Sharing“ ‒ um eine nur gelegentliche (Unter-)Vermietung, kann die Vermietungsleistung im Verhältnis zum eigenen Wohnen so weit zurücktreten, dass ein Abzug gemischt veranlasster Aufwendungen ausgeschlossen ist.

 

MERKE | Bei der (Unter-)Vermietung von selbstgenutztem Wohnraum kann bei Mieteinnahmen von bis zu 520 EUR pro Jahr (vor Abzug von Werbungskosten) gem. R 21.2 Abs. 1 S. 1 EStR auf eine Besteuerung verzichtet werden. Im Einzelfall kann die Vermietungstätigkeit auch die Grenze zur Gewerblichkeit überschreiten, sodass die Einkünfte § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG unterfallen. Indizien dafür sind die Qualifikation als „superhost“ oder eine hohe Anzahl von Bewertungen. Gewerbliche Einkünfte unterliegen neben der ESt gem. § 2 Abs. 1 GewStG auch der GewSt, sofern der Freibetrag von 24.500 EUR (§ 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG) überschritten wird.

 

Die Befreiung für Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 S. 1a UStG gilt gem. S. 2 nur für dauerhafte, nicht aber für kurzfristige Vermietung z. B. über Airbnb. Folglich kann die kurzfristige Vermietung von privatem Wohnraum ‒ die Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG vorausgesetzt ‒ als sonstige Leistung umsatzsteuerpflichtig sein. Um eine unternehmerische Vermietung handelt es sich, wenn sie nachhaltig ist, also auf die dauerhafte Erzielung von Entgelten angelegt ist, vgl. Abschn. 2.3 Abs. 5 S. 1 und 2 UStAE. Die Finanzverwaltung sieht die nur gelegentliche Vermietung nach Abschn. 2.3 Abs. 7 S. 2 UStAE nicht als unternehmerische Tätigkeit an. Für die Differenzierung dürfte insbesondere auf den Status des Gastgebers (sog. „superhost“), die Anzahl der Vermietungen pro Monat und den Grad ihrer Professionalisierung abzustellen sein. Zu beachten ist aber die Kleinunternehmerregelung gem. § 19 Abs. 1 UStG, bei der neben der Vermietungstätigkeit alle Umsätze des Unternehmers zu beachten sind.

 

Die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen unterliegt dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG (EuGH 19.12.19, C 390/18 ‒ Airbnb). Nach S. 2 der Vorschrift gilt jedoch der Regelsteuersatz für Leistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen, z. B. Verpflegungsleistungen, die Nutzung von Kommunikationseinrichtungen wie Internet und die gesondert zu bezahlende Nutzung von Fernsehprogrammen („pay per view“). Abschließend ist noch die in einigen deutschen Städten erhobene Übernachtungssteuer auf privat veranlasste Übernachtungen ins Auge zu fassen.

4. Die steuerstrafrechtliche Bewertung für 2012‒2014

Zur Beurteilung, ob eine Selbstanzeige sinnvoll ist, ist festzustellen, dass die Steuerfahndung eines Bundeslandes die von Airbnb gelieferten Datensätze gesichtet und an die zuständigen Länder weitergeleitet hat. Darüber wurde auch überregional berichtet. Zu klären ist daher, ob die Abgabe einer wirksamen Selbstanzeige für die Jahre 2012 bis 2014 noch möglich ist. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn die Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO. Eine Steuerstraftat ist erst entdeckt, wenn Anhaltspunkte bekannt sind, die bei vorläufiger Bewertung eine Verurteilung wahrscheinlich erscheinen lassen (BGH 20.5.10, 1 StR 577/09). Dabei ist aber neben dem frühen Verfahrensstadium zu berücksichtigen, dass die „Tatentdeckung“ erst der Anlass für die Ermittlungen sein soll. Es bedarf somit einer zweistufigen Prognoseentscheidung:

 

  • Fraglich ist, ob für eine Tatentdeckung ein ausreichender Tatverdacht vorliegt. Das ist der Fall, wenn im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte für die Tat vorliegen, d. h., wenn unter Berücksichtigung aller Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit naheliegt. Die zu stellenden Anforderungen sind folglich ein wenig höher als die für das Vorliegen eines Anfangsverdachts.

 

  • Darüber hinaus ist zu prüfen, ob der Sachverhalt, auf den sich der Verdacht bezieht, geeignet ist, eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen, wobei aufgrund des frühen Verfahrensstadiums die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeitsprognose nicht zu hoch angesetzt werden dürfen.

 

Für den Zeitraum von 2012 bis 2014 ist aufgrund des Sichtens und des Übermittelns an die zuständigen FÄ vor mehreren Monaten davon auszugehen, dass eine Abstimmung mit den Steuererklärungen der jeweiligen Gastgeber erfolgt ist, sodass ggf. ein ausreichender Tatverdacht und eine ausreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit zu bejahen sind, mithin eine objektive Tatentdeckung vorliegt. Auch vor dem Abgleich mit den Steuerakten des Steuerpflichtigen kann eine Tatentdeckung zu bejahen sein, wenn z. B. Steuerquellen in einer Art und Weise verschleiert werden, die nach kriminalistischer Erfahrung ein typisches Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben sind. Dies dürfte bei einer Vermietung über Airbnb im Rahmen der ersten Gruppenanfrage zu verneinen sein, da es sich prima facie um einen normalen wirtschaftlichen Vorgang handelt. Diese Bewertung kann sich jedoch für die Zukunft ändern, wenn sich herausstellt, dass ein hoher Prozentsatz der Gastgeber ihre Einkünfte aus der Vermietung nicht erklärt haben, da dies in Form der kriminalistischen Erfahrung im Hinblick auf die Bejahung des Tatverdachts zu berücksichtigen wäre.

 

Auch die subjektive Komponente der Tatentdeckung ‒ Kenntnis oder Kennen-Müssen ‒ dürfte zu bejahen sein, da nach Ansicht des BGH an die Annahme des „Kennenmüssens“ keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Die Nachricht über die Lieferung der Daten aus Irland und ihre Weiterleitung an die Finanzbehörden ging durch zahlreiche überörtliche Medien. Zudem weist Airbnb im Internet-Auftritt sowie in Live-Veranstaltungen auf die Steuerpflicht der Einkünfte hin, sodass die Gastgeber sich damit befasst haben dürften und auch die Kenntnis um die Gründe für die Änderung im Auftreten von Airbnb naheliegt.

 

Trotzdem bleibt in diesem Bereich noch Raum für die Verteidigung, da die Strafverfolgungsorgane nachweisen müssen, dass der Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände konkrete Anhaltspunkte für eine Tatentdeckung hatte, diese also für durchaus möglich hielt. Folglich wäre es auf dieser Basis durchaus möglich, die Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO anzustreben.

 

Selbst wenn die Tatentdeckung bejaht wird, kann die Abgabe einer Selbstanzeige aber noch sinnvoll sein, da auch eine unwirksame Selbstanzeige i. d. R. strafmildernd wirkt. Gerade in Fällen wie Airbnb ist die Bereitschaft der Strafverfolgungsorgane der Finanzverwaltung, erhebliche Strafmilderungen zu gewähren oder sogar verhältnismäßig lange eine Selbstanzeige noch als wirksam anzusehen, aus praktischen Gründen hoch. Denn nur durch eine möglichst hohe Zahl abgegebener Selbstanzeigen und darauf folgender konfliktarmer Verfahren sind die Strafbereiche in der Lage, zahlreiche zusätzliche Steuerstrafverfahren gut abzuarbeiten, ohne die sonstigen Aufgaben in Mitleidenschaft zu ziehen.

 

Gegen die Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens unter Hinweis auf eine „fishing exercise“vorzugehen, wird aufgrund des insoweit klaren Urteils des Irischen High Courts jedoch kaum erfolgreich sein.

 

MERKE | Etwas anderes gilt hingegen für Gastgeber, die nicht bei Airbnb, sondern bei anderen Anbietern aktiv waren. Da insoweit bisher keine Gruppenanfragen oder Sammelauskunftsersuchen gestartet wurden, kann insoweit auch keine Tatentdeckung eingetreten sein.

 

5. Das weitere Vorgehen der Strafverfolgungsorgane

Es ist damit zu rechnen, dass es zeitnah ein weiteres Auskunftsersuchen gegenüber Airbnb geben wird. Ob es sich auf alle Jahre ab 2015 oder nur auf die Jahre 2017 bis 2019 beziehen wird, bleibt abzuwarten. Diesmal ist aber mit einer zeitnahen Übermittlung der Daten durch Airbnb zu rechnen:

 

  • Erstens ist die Entscheidung des Irischen High Court sehr klar, sodass nicht damit zu rechnen ist, dass das Gericht in einem erneuten Verfahren zu einem anderen Ergebnis kommen wird.

 

  • Zweitens hat sich die Argumentationsgrundlage für die deutsche Steuerverwaltung erheblich verbessert, wenn sich anlässlich der ersten Datenübersendung herausgestellt haben sollte, dass eine erhebliche Zahl von Gastgebern ihre Einkünfte aus kurzfristiger Vermietung über Airbnb nicht erklärt hat. In diesem Fall dürfte es zumindest am Vorliegen eines begründeten Verdachts dafür, dass Airbnb-Gastgeber ihre steuerlichen Pflichten verletzt haben könnten, keine nennenswerten Zweifel mehr geben. Ebenso wäre die Geeignetheit der ersuchten Informationen zur Prüfung der steuerlichen Pflichtbefolgung eindeutig.

 

  • Drittens verhält sich Airbnb im Hinblick auf die Anliegen nationaler Steuerverwaltungen mittlerweile deutlich weniger konfrontativ.

 

Darüber hinaus würde es aus Sicht der Finanzverwaltung auch naheliegen, bei anderen Anbietern als Airbnb anzufragen, wenn sich herausstellt, dass ein erheblicher Teil der Gastgeber seine Einkünfte aus der kurzfristigen Vermietung nicht versteuert hat. Dafür würde sich neben einem internationalen Gruppenersuchen auch ein Sammelauskunftsersuchen nach § 93 Abs. 1a AO als „nationale“ Variante anbieten. Auch nach dieser Vorschrift kann die Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nicht durch zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Plattformbetreiber und dem Gastgeber wirksam ausgeschlossen oder beschränkt werden. Ein hinreichender Anlass für die Ermittlung besteht, und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung versprechen keinen Erfolg, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrung die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt.

 

Es muss folglich eine über die allgemeine Lebenserfahrung hinausgehende, auf konkreten Anhaltspunkten fußende Vermutung bestehen, dass steuerlich erhebliche Sachverhalte durch das Sammelauskunftsersuchen aufgedeckt werden. Ein an diesem Punkt ansetzender Vortrag der Verteidigung, dass es sich um Ermittlungen ins Blaue hinein handele, dürfte sich als aussichtslos erweisen, wenn sich auf Basis der von Airbnb gelieferten Daten herausstellt, dass eine erhebliche Zahl von Gastgebern ihre über die Plattform getätigten Umsätze nicht versteuert hat. In diesem Fall dürften auch Sammelauskunftsersuchen an andere Plattformen gerechtfertigt sein. Eine Auskunftspflicht besteht allerdings nur, soweit dem Ersuchten die Daten, die zur Auskunftserteilung benötigt werden, zur Verfügung stehen, bzw. er auf diese zugreifen kann.

6. Die steuerstrafrechtliche Bewertung für die Jahre ab 2015

Im Gegensatz zum Zeitraum vor 2015 ist nicht klar, ob eine Gruppenanfrage gestartet wurde und auf welche Jahre sie sich ggf. bezieht. Es ist somit davon auszugehen, dass diesbezüglich noch keine Daten vorliegen, sodass deutsche Finanzbehörden ab 2015 noch keine Taten entdeckt haben können. Eine solche Tatentdeckung wäre allenfalls durch die irischen Steuerbehörden möglich, die nach der Rechtsprechung des BGH (9.5.17, 1 StR 265/16) als Tatentdecker in Frage kommen. Die bloße Kenntniserlangung von einer Steuerquelle reicht aber noch nicht für eine Tatentdeckung aus. Folglich ist zu beachten, dass im Rahmen des Verfahrens nach § 6 Abs. 1 S. 1 EUAHiG keine inhaltliche Prüfung der zu übermittelnden Daten durch die ausländischen Finanzbehörden erfolgt. Es dürfte ‒ selbst vor dem Hintergrund der dargestellten geringen Anforderungen ‒ ausgeschlossen sein, dass eine Steuerhinterziehung durch die irischen Finanzbehörden entdeckt wird. Dies dürfte nur in dem Fall möglich sein, dass so viele der vom ersten Gruppenersuchen erfassten Gastgeber ihren steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sind, dass man insoweit nach kriminalistischer Erfahrung bereits von einem Hinterziehungssystem sprechen kann.

 

Sollte Airbnb die Daten aber geliefert haben und die Steuerverwaltung diese u. U. auch schon gesichtet haben, mag zwar eine objektive Tatentdeckung vorliegen. Es fehlt aber z. B. in Ermangelung entsprechender Bekanntmachungen an der subjektiven Seite der Tatentdeckung, da die Gastgeber keine Kenntnis davon haben bzw. haben könnten. Etwas anderes gilt hingegen für die Gastgeber, deren Steuerhinterziehung 2012 bis 2014 durch das erste Gruppenersuchen entdeckt wurde. In diesem Fall ist aufgrund der Tatentdeckung die Wirksamkeit einer Selbstanzeige auch für den Zeitraum ab 2015 gesperrt. Trotzdem ist zu einer Selbstanzeige zu raten, da sie durch die Offenbarung von der Steuerverwaltung noch nicht bekannten Zeiträumen i. d. R. in hohem Maß strafmildernd wirken wird. Darüber hinaus wird in der Literatur vertreten, dass die Selbstanzeigemöglichkeit nach Abschluss des Strafverfahrens wieder auflebt, sodass sie im Hinblick auf die Zeiträume ab 2015 wieder strafausschließend wirken kann. Selbiges soll sogar gelten, wenn dem Täter in Analogie zu § 171 Abs. 4 S. 3 AO nicht innerhalb von sechs Monaten nach Kenntnis von der Tatentdeckung die Einleitung des Verfahrens mitgeteilt wurde (Joecks, J/J/R, § 371 AO Rn. 364).

 

Folglich kann und sollte jeder Gastgeber, der bisher keine Selbstanzeige abgegeben hat, dies zeitnah tun. Sobald ein weiteres Auskunftsersuchen über das BZSt an Irland gestellt wird, ist die irische Finanzverwaltung gem. § 5 Abs. 1 S. 1 EUAHiG an eine maximal sechsmonatige Übermittlungsfrist gebunden.

 

Straffreiheit kann durch eine Selbstanzeige nur erlangt werden, wenn sie alle im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe unverjährten Steuerstraftaten der jeweiligen Steuerart vollständig erfasst und dabei zumindest die letzten zehn Jahre abdeckt. Die ausschließliche Nacherklärung der Einkünfte aus kurzfristiger Vermietung wird oft nicht ausreichen. Vielmehr müssen alle Hinterziehungen von ESt unabhängig von der Einkunftsart und deren Erhebungsform offengelegt werden. Auch wenn dies teilweise bestritten wird, ist nach dem klaren Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO die Steuerschuldnerschaft ohne Bedeutung, sodass z. B. auch die Teilnahme an der ESt-Hinterziehung anderer Personen in die Selbstanzeige aufzunehmen ist. Selbiges gilt im Hinblick auf die GewSt und USt.

 

Darüber hinaus ist für jede Steuerart der Zeitraum von zehn Jahren zu berücksichtigen, sodass alle Steuerstraftaten einer Steuerart mitgeteilt werden müssen, die innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre begangen wurden, die dem Jahr der Abgabe der Selbstanzeige vorausgingen. Wichtig ist, dass sich dieser Zeitraum von der steuerlichen Festsetzungsverjährung unterscheidet, da bei der Berechnung des Zeitraums gem. § 8 StGB auf den Abgabezeitpunkt der jeweiligen Erklärung abzustellen sein dürfte. Weiterhin sollte die Selbstanzeige auch die ggf. in der jeweiligen Kommune anfallende Übernachtungs-steuer erfassen, damit durch eine Selbstanzeige bezüglich der anderen Steuerarten nicht eine Tatentdeckung bezüglich der Übernachtungssteuer eintritt und die diesbezügliche Strafbarkeit bestehen bleibt. Ferner sind die sich aus einem eventuell bestehenden bußgeldbewehrten Zweckentfremdungsverbot ergebenden Auswirkungen zu bedenken (vgl. dazu Ott, PStR 18, 173 ff.).

7. Der rechtliche Ausblick

Eine ähnliche Problematik wie die Besteuerung der Airbnb-Einkünfte gibt es beim Handel mit Waren im Internet (z. B. Amazon). Nach § 25e Abs. 1 UStG haftet der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes für die nicht entrichtete Umsatzsteuer aus der Lieferung von Gegenständen von Unternehmern, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet wurde. Es ist jedoch bisher nicht ernsthaft angedacht, auch für Vermietungsplattformen eine entsprechende Regelung einzuführen. Vorschläge gibt es jedoch für eine pauschal abgeltende Bruttoertragsbesteuerung von geringfügigen Umsätzen in der Sharing Economy. In Belgien z. B. wurde eine Quellensteuer von 10 Prozent auf verschiedene Sharing-Economy-Leistungen eingeführt. Es wird abzuwarten sein, ob der deutsche Gesetzgeber aktiv wird. Es werden jedoch ab dem 1.1.21 besondere Aufzeichnungspflichten für die Schnittstellenbetreiber und mithin auch für die Vermietungsplattformen eingeführt, die die Erbringung von sonstigen Leistungen an private Endverbraucher unterstützen, vgl. § 22f UStG-E. Folglich kann die Finanzverwaltung sich ab diesem Zeitpunkt die zu führenden Aufzeichnungen von den Betreibern übermitteln lassen und dann auswerten.

 

Auch in strafprozessualer Hinsicht sind Entwicklungen zu beobachten, die sich im Hinblick auf Userdaten von Vermittlungsplattformen auswirken werden: So sind einerseits mit einer VO über Europäische Herausgabe- und Sicherheitsanordnungen (COM/2018/225) und andererseits einer Richtlinie bezüglich der Bestellung von Vertretern von Internet-Dienstanbietern zu Zwecken der Beweiserhebung in Strafverfahren (COM/2018/226) zwei von der EU-Kommission bereits 2018 vorgelegte Vorschläge über elektronische Beweismittel auf europäischer Ebene auf den Weg gebracht worden. Ihnen könnte eine Schlüsselrolle bei der Erleichterung des raschen Zugangs zu digitalen Beweismitteln zukommen, mithin auch bezüglich der im Besitz der Plattformbetreiber befindlichen Angaben zur Identität von Personen und abgewickelten Geschäftsvorfällen. Ausgehend von der aktuellen Gesetzeslage ist jedoch aufgrund des wohl anstehenden weiteren Gruppenersuchens an Airbnb und die Möglichkeit von Sammelauskunftsersuchen bei weiteren Plattformbetreibern damit zu rechnen, dass es im Bereich der kurzfristigen Wohnraumüberlassung zeitnah noch weitere Verfahren geben wird, denn es handelt sich mit ca. 57 Mio. EUR monatlichem Umsatz allein in den 20 größten deutschen Städten im Jahr 2018 um ein in jeder Hinsicht vielversprechendes Feld.

Quelle: Seite 60 | ID 46995076