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· Fachbeitrag · Ausländische Künstler und Sportler

Künstlersozialabgabe: Praxisbeispiele und Corona-Ausfallgelder

von Dipl.-Fw Jörg Holthaus, Unna

| Auch Vergütungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler unterliegen der Künstlersozialabgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz. Das gilt, obwohl ausländische selbstständige Künstler nicht einmal versicherbar sind und keinen Anspruch auf Leistungen aus der Künstlersozialversicherung erwerben. Der Beitrag zeigt, welche Vergütungen die Künstlersozialabgabe auslösen, wie diese zu ermitteln und im Einzelfall zu reduzieren ist. Weiterhin wird die Behandlung von Schadenersatz, Vertragsstrafen und Corona-Ausfallgeldern aufgezeigt. |

1. Das Künstlersozialversicherungsgesetz

Das am 1.1.83 in Kraft getretene Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) bietet selbstständigen Künstlern und Publizisten sozialen Schutz in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Wie Arbeitnehmer zahlen sie nur etwa die Hälfte der Versicherungsbeiträge, die andere Beitragshälfte trägt die Künstlersozialkasse (KSK). Die für die Finanzierung erforderlichen Mittel werden aus einem Zuschuss des Bundes und einer Künstlersozialabgabe (KSA) der Unternehmen finanziert, die künstlerische und publizistische Leistungen in Anspruch nehmen und verwerten (Verwerter). Seit dem Inkrafttreten des KSVG ist praktisch für jede Inanspruchnahme künstlerischer oder publizistischer Leistungen durch einen Verwerter eine Sozialabgabe zu zahlen. Bemessungsgrundlage sind alle in einem Kalenderjahr an selbstständige Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte (Die Künstlersozialabgabe wird ausführlich behandelt in Holthaus „Ausländische Künstler und Sportler im Steuerrecht“, NWB Verlag Herne, 3. Auflage 2020).

2. Abgabepflichtige Personen

Bei dem Unternehmerbegriff i. S. d. § 24 KSVG ist von einem sozialversicherungsrechtlichen Unternehmerbegriff auszugehen. Entscheidend ist ein nachhaltiges und regelmäßiges Tätigwerden am Markt, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht nicht zwingend erforderlich ist (BSG 20.4.94, 3/12 RK 33/92, DStR 95, 268; 1.10.91, 12RK 33/90, BB 92, 642). Erfasst werden hiernach auch gemeinnützige Vereine, selbst wenn sie lediglich eine Provision an einen Künstler anlässlich des Verkaufes einer seiner Werke zahlen. Das KSVG normiert in § 24 Abs. 1 S. 1 KSVG für die typischen Verwerter, d. h. solche Unternehmen, deren Tätigkeitsschwerpunkte ihrer Bestimmung nach bereits im künstlerischen oder publizistischen Bereich liegen, eine Abgabepflicht dem Grunde nach.

 

Beachten Sie | Entscheidend ist, dass eine Unternehmereigenschaft vorliegt. Anders als z. B. beim Steuerabzug nach § 50a EStG werden durch die KSA keine reinen Privatpersonen zum Abzug verpflichtet. Zudem ist auch bei Unternehmern deren Privatbereich außen vor. Engagiert z. B. ein Unternehmer für eine private Geburtstagsfeier eine Musikgruppe oder erwirbt ein Gemälde für sein Wohnzimmer, unterliegen die entsprechenden Entgelte nicht der KSA.

 

  • Typische Abgabeverpflichtete (Verwerter) sind
  • Verlage

(§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSVG)

  • Theater, Orchester, Chöre

(§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG)

  • Konzert- und Gastspieldirektionen

(§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG).

  • Galerien, Kunsthändler

(§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KSVG)

  • Museen, Zirkus- und Varietéveranstalter

(§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSVG)

 

Hierzu zählen auch alle von der öffentlichen Hand (Stadt, Land, Bund, Gemeindeverbände) betriebenen Theater, Opern- und Balletthäuser, von diesen veranstaltete Konzert- und Schauspielvorstellungen sowie gemeinnützige Vereine, die regelmäßig Konzerte, Aufführungen oder Ausstellungen veranstalten.

 

Auch für solche Unternehmen, deren Tätigkeitsschwerpunkte gerade nicht im künstlerischen oder publizistischen Bereich liegen, wird eine Abgabepflicht normiert, z. B. für Eigenwerber, die für Zwecke des eigenen Unternehmens Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben (§ 24 Abs. 1 S. 2 KSVG). Erfasst wird hierbei insbesondere die nicht nur gelegentliche Beauftragung von selbstständigen Künstlern/Publizisten zur Vornahme von Presse- und Medienarbeit, zur Erstellung von Publikationen oder zur Durchführung von Veranstaltungen und (Verkaufs-)Aktionen des beauftragenden Unternehmens. Hierzu zählt auch die Erstellung und Pflege eines Webdesigns (vgl. BSG 7.7.05, B 3 KR 29/04 R, SozR 4-5425 § 24 Nr. 7).

3. Abgabepflichtige Tatbestände

Nach § 25 Abs. 1 KSVG lösen Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke und Leistungen die KSA aus. Diese beiden Tatbestandsmerkmale sind in der Praxis schwer zu definieren und abzugrenzen.

 

3.1 Künstlerische Werke und Leistungen

Der Begriff „künstlerisch“ soll hier weit ausgelegt werden und geht damit über das hinaus, was im Steuerrecht unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG als künstlerisch eingestuft wird. Auch sämtliche artistische Leistungen sollen durch die KSA erfasst werden (vgl. BT-Drucks. 8/3172, 23 f. und BT-Drucks. 7/3071, 39).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG wird auch niveaulose Unterhaltung erfasst. So ist es nicht verwunderlich, dass der BSG „Damenunterwäschevorführungen in Diskotheken“ und die Tätigkeit von Juroren in einer Castingshow (BSG 25.12.95, 3 RK 24/94; 1.10.09, B 3 KS 4/08 R, SozR 4-5425 § 25 Nr. 5, BSGE 104, 265) selbst dann als abgabepflichtige künstlerische Tätigkeit im weitesten Sinne einstuft, wenn einige Statements der Jury einen strafrechtlich relevanten Inhalt aufweisen. „Hierdurch verlieren sie nicht die Qualität als künstlerische Leistung i. S. d. KSVG, selbst wenn dies zu Sanktionen nach anderen Rechtsvorschriften berechtigen könnte.“ Sogar die „Selbstdarsteller“ in einer von Moderatoren begleiteten s„Survivalshow“ („Dschungelcamp“) wurden als abgabepflichtige Unterhaltungskunst eingestuft (BSG 2.4.14, B 3 KS 3/12 R).

 

MERKE | Insgesamt unterliegt jede unterhaltende Darbietung, die entfernt an künstlerische Leistungen erinnert, der KSA, mit Ausnahme von Sportwettkämpfen.

 

Als abgabefrei wird dagegen die Durchführung einer japanischen Teezeremonie eingestuft, auch wenn dies in Japan als Kunst angesehen wird und eine langjährige Ausbildung erfordert. Der BSG sah in dieser Vorführung eher ein „exotisches Brauchtum“ (BSG 12.5.05, B 3 KR 13/04 R, SozR 4-5425 § 2 Nr. 3). Neben dem sportlichen Aspekt führte der BSG auch beim Country- und Westerntanz den Begriff „Brauchtum“ in der Argumentation gegen eine Abgabepflicht an (BSG 8.10.14, B 3 KS 6/13 R, SozR 4-5425 § 24 Nr. 14). Diese Sichtweise kann auch auf Fahnenschwinger und Karnevalsgruppen übertragen werden. Fraglich ist allerdings die Einstufung ausländischer Gruppen, die zwar Brauchtum pflegen, aber eindeutig künstlerisch geprägt sind, wie z. B. österreichische Schützenkapellen oder Square-Dance-Gruppen aus Irland.

 

Treten professionelle Sportler zusammen mit Prominenten in einem Wettkampf gegeneinander an (z. B. bei „Let‘s Dance“), handelt es sich nach Auffassung des BSG bei den Vergütungen an die Prominenten um abgabepflichtige Entgelte (BSG 28.9.17, B 3 KS 1/17 R). Die Prominenten tragen maßgeblich zum Unterhaltungswert bei und sind insoweit als künstlerisch tätig anzusehen. Die Profisportler agieren eher als Trainer und Sportler nicht künstlerisch und sind daher nicht abgabepflichtig.

 

Nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 KSVG werden zusätzlich auch Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische und publizistische Tätigkeiten erfasst. Erteilt ein Künstler Musikunterricht, z. B. an einer Volkshochschule, unterliegt die Vergütung an der Schule der KSA.

 

Beachten Sie | Unterricht stellt aber nur dann „Lehre von Kunst“ dar, wenn vorrangig Fähigkeiten zur eigenständigen aktiven Ausübung künstlerischer Betätigungen vermittelt werden. Unterricht mit künstlerischen Elementen gehört nicht dazu, wenn in erster Linie pädagogische oder therapeutische Ziele verfolgt werden. Z. B. stellen Kurse in „kreativem Tanz“ für Kinder von drei bis zehn Jahren, die vorrangig der Stärkung der Persönlichkeit sowie der Förderung des Sozialverhaltens der Kinder dienen, keine abgabepflichtige Lehre von darstellenden Künsten dar (vgl. BSG 1.10.09, B 3 KS 3/08, R SozR 4-5425 § 2 Nr. 15, SGb 2009 S 96).

 

Bei der musikalischen Früherziehung unterscheidet die KSK (vgl. Informationsschrift 11 der KSK 6.2019) nach Alter. So wird Musikunterricht für Kinder ab 6 Jahren als grundsätzlich abgabepflichtig eingestuft, Musik- und Tanzunterricht für Kleinkinder bis zu 4 Jahren als abgabefrei. Als problematisch und einer Einzelfallprüfung vorbehalten werden Kurse für Kinder von 4 bis 6 Jahren angesehen (z. B. Glockenspielkurse für Kindergartenkinder).

 

3.2 Publizistisch

Vergütungen an Schriftsteller und Journalisten unterliegen in voller Höhe der KSA. Zur publizistischen Tätigkeit gehören auch

 

  • sogenannte Online-Journalisten, einschließlich der Einnahmen aus dem Verkauf von Werbeflächen auf Websites (vgl. BSG 21.7.11, B 3 KS 5/10 R, SGb 11, 520, ArbuR 11, 370), sowie

 

  • Werbewirte, die Werbebroschüren, -prospekte, -plakate, -anzeigen oder Touristenzeitschriften verfassen (vgl. BSG 24.7.03, B 3 KR 27/02 R, NJW 04, 628).

 

Übersetzer von Dramen, Drehbüchern und Lyrik werden aufgrund ihrer schöpferischen Eigenleistung als abgabepflichtig eingestuft. Nicht abgabepflichtig sind dagegen Honorare an Übersetzer von rein wissenschaftlichen Aufsätzen, Bedienungsanleitungen etc., da es ihnen an einer eigenschöpferischen Leistung mangelt (vgl. BSG 4.6.19, B 3 KS 2/18 R, SozR 4-5425 § 2 Nr. 26).

 

Insoweit stellt der BSG (16.7.14, B 3 KS 3/13 R) gerade Werbeunternehmen auf den Prüfstand, die Werbematerial mit textlichem Schwerpunkt erstellen. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftig einige Werbeunternehmen aus dem Anwendungsbereich der KSA wegfallen (krit. z. B. Mittelmann in: DStR 14, 2301).

 

Zudem unterliegen alle Vergütungen an werkschaffende Künstler der KSA, wie Maler, Bildhauer, Komponisten, Choreografen, Regisseure, Maskenbildner. Hierzu zählen insbesondere Verkaufserlöse von künstlerischen Werken, wie Gemälde, Skulpturen etc. Auch Werbe- und Modefotografen gehören zur bildenden Kunst im Sinne des KSVG.

4. Ermittlung der KSA

Gemäß § 26 Abs. 5 KSVG wird der Prozentsatz der KSA durch Rechtsverordnung (Künstlersozialabgabeverordnung) pro Jahr festgelegt. Er beträgt seit 2018 durchgängig 4,2 % (KSV-VO 2021 14.12.20, BGBL I 20, 3311; KSV-VO 2020 12.8.19, BGBl I 19, 1354; KSV-VO 19 23.8.18, BGBl I 18, 1348; KSV-VO 2018 1.8.17, BGBl I 17, 3056). Die Bemessungsgrundlage der KSA ist nach § 25 Abs. 1 KSVG das gesamte Entgelt für die künstlerische oder publizistische Leistung bzw. das jeweilige Werk. Gemäß § 25 Abs. 2 S. 1 KSVG gehört die Umsatzsteuer nicht in die Bemessungsgrundlage. Schließlich ist nach § 25 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 KSVG auch ein Ausgrenzen der sog. „Übungsleiterpauschalen“ nach § 3 Nr. 26 EStG (ab 2020 bis 3.000 EUR für nebenberufliche künstlerische, erzieherische, unterrichtende Tätigkeiten im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, wie Stadt, Kommune, Land oder eines gemeinnützigen Vereins) aus der Bemessung der KSA möglich.

 

Fußend auf § 25 Abs. 2 S. 3 KSVG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ab dem Jahr 1991 die Künstlersozialversicherungsentgeltverordnung in Kraft gesetzt. Hiernach dürfen nachgewiesene Reisekosten im lohnsteuerrechtlichen Sinne (§ 3 Nr. 16 EStG), also Fahrtkosten (Flugzeug, Bahn, Taxi, Bus oder 0,30 EUR pro gefahrenen km bei Benutzung eines Pkw), Übernachtungskosten und Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen (mehr als 24 Stunden Abwesenheit: 28 EUR, mehr als 8 Stunden oder An- bzw. Abreisetage: 14 EUR) aus der Bemessungsgrundlage der KSA herausgerechnet werden. Aufzeichnungen und Belege hierzu sind vorzuhalten.

 

Zusätzlich darf bei der KSA nach § 1 Nr. 2 Künstlersozialversicherungsentgeltverordnung auch der übliche Aufwand für die Bewirtung des selbstständigen Künstlers oder Publizisten abgabefrei erfolgen. Als Nachweis für die Bewirtungskosten werden neben der Rechnung Name/Anschrift der Gaststätte, Tag der Bewirtung, Name der bewirteten Personen und der teilnehmenden Künstler und der genaue Anlass der Bewirtung verlangt. Die Belege müssen maschinell erstellt und registriert sein.

5. Schadenersatz/Vertragsstrafen/Corona-Ausfallgelder

Schadenersatz und Vertragsstrafen an einen Künstler, die z. B. gezahlt werden, weil ein zuvor geschlossener Vertrag nicht durchgeführt wurde, unterliegen nicht der KSA. Dies betrifft insbesondere Ausfallgelder wegen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Entscheidend ist hier, dass tatsächlich keine künstlerische Leistung erbracht wurde. Bei Darbietenden ist ein Ausfallgeld für eine abgesagte Darbietung daher nicht abgabepflichtig.

 

Wird allerdings ein Ausfallgeld gezahlt, bei dem festgelegt wird, dass es ganz oder teilweise auf einen späteren Honoraranspruch verrechnet wird, kann im Nachhinein eine Abgabepflicht im Zeitpunkt der Verrechnung entstehen.

 

  • Beispiel 1

Das litauische Kammerorchester V aus Vilnius sollte ursprünglich bei einem Jubiläumskonzert der Philharmonie Essen am 20.3.20 in Essen spielen. Wegen des Lockdowns zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wurde das Konzert abgesagt. Anstatt der ursprünglich geplanten Brutto-Gage von 10.000 EUR zuzüglich der Reisekostenerstattung aller Ensemble-Mitglieder zahlte die Philharmonie Essen dem Kammerorchester ein Ausfallgeld von 5.000 EUR. Vertraglich wurde hierbei aber vereinbart, dass von den 5.000 EUR die Hälfte auf eine zukünftige Gage angerechnet wird, wenn innerhalb eines Jahres ein Ersatzkonzert in Essen stattfinden kann.

 

Am 3.11.20 wird ein Ersatzkonzert in der Philharmonie Essen unter den aktuellen Corona-Auflagen durchgeführt. Die Philharmonie übernimmt unmittelbar die Reisekosten (Hotel und Flug) von 10.000 EUR und verpflichtet sich zur Zahlung einer Brutto-Gage von 7.500 EUR (10.000 EUR ‒ 2.500 EUR) an das Orchester.

 

Bei der Zahlung der 5.000 EUR im März 2020 stand noch nicht fest, ob es ein Ersatzkonzert geben wird, sodass keine Abgabepflicht bestand. Durch die Verrechnung im November ist die Hälfte des Ausfallgeldes als Vergütung für eine künstlerische Leistung einzustufen. Die KSA beträgt 4,2 % von 10.000 EUR (Zufluss im November 7.500 EUR, Zufluss im März 2.500 EUR) = 420 EUR.

 

Erfolgt dagegen keine tatsächliche Verrechnung, da auch in einem absehbaren Zeitraum keine Darbietung stattfindet, war die Abgabepflicht lediglich aufschiebend bedingt und nicht wirksam.

 

  • Beispiel 2

Das niederländische Jazzensemble J aus Rotterdam sollte ursprünglich bei einem Jazzfestival im März 2020 in München spielen. Wegen des Lockdowns zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wurde das Konzert abgesagt.

 

Anstatt der ursprünglich geplanten Brutto-Gage von 8.000 EUR zuzüglich der Reisekostenerstattung aller Ensemble-Mitglieder zahlte die Stadt München dem Jazzensemble ein Ausfallgeld von 4.000 EUR. Vertraglich wurde hierbei aber vereinbart, dass von den 4.000 EUR die Hälfte auf eine zukünftige Gage angerechnet wird, wenn innerhalb eines Jahres ein Ersatzkonzert in München stattfinden kann. Bis zum April 2021 konnte kein Ersatzkonzert stattfinden.

 

Da es tatsächlich keine Verrechnung (und aktuell auch keine zukünftige Verrechnungsmöglichkeit mehr) gibt, stellt das Ausfallgeld reinen Schadenersatz und kein Entgelt für eine künstlerische Leistung dar. Es ist daher keine Abgabepflicht gegeben.

 

Bei werkschaffenden künstlerischen und publizistischen Leistungen ist eine diffizile Betrachtung notwendig. So ist ein Ausfallhonorar an einen Publizisten für das „Nichtabdrucken“ eines seiner Werke, soweit es tatsächlich geschrieben wurde, abgabepflichtig (BSG 20.7.94, 3/12 RK 63/92, SozR 3-5425 § 25 Nr. 5). Ebenso ist wohl ein Ausfallhonorar an einen Komponisten abgabepflichtig, wenn er das Auftragswerk für den Auftraggeber komponiert hat, die Uraufführung lediglich wegen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie abgesagt wurde. In diesem Bereich dürfte die Tatsachenfeststellung allerdings durchaus schwierig sein, da dem Vertragspartner vielleicht gar nicht bekannt ist, ob eine publizistische oder künstlerische Leistung ausgeführt wurde oder nicht.

 

FAZIT | Ist die Abgabepflicht typischer Verwerter noch halbwegs eingängig prüfbar, ist die konkrete Abgrenzung von abgabepflichtigen künstlerischen und publizistischen Leistungen zu nicht abgabepflichtigen sportlichen oder brauchtumsmäßigen Darbietungen oft sehr schwierig. Zwar unterliegen echte Schadenersatzzahlungen aufgrund der COVID-19-Pandemie grundsätzlich nicht der Abgabepflicht. Jedoch ist im Einzelfall eine Abgabepflicht gegeben, wenn eine Verrechnung auf spätere Darbietungseinkünfte tatsächlich erfolgt oder die künstlerische bzw. publizistische Leistung (im Ausland) bereits erbracht ist, diese aber lediglich nicht im Inland genutzt wird.

 

Zum Autor | Dipl. Fw. Jörg Holthaus ist als Dozent an der Hochschule für Finanzen des Landes NRW in Nordkirchen und als Gastdozent der Bundesfinanzakademie Berlin mit dem Schwerpunkt Internationales Steuerrecht tätig. 2020 erschien die dritte Auflage seines Praktikerhandbuches „Ausländische Künstler und Sportler im Steuerrecht“ im NWB Verlag, Herne. Sein Beitrag ist nicht in dienstlicher Funktion verfasst und gibt seine persönliche Meinung wieder.

Quelle: Seite 73 | ID 47101078