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· Fachbeitrag · Berufsausbildung

Ausbildungszeit: So kann sie verkürzt werden

von Marie Reiter, Willich, www.deinberichtsheft.de

| Ob ReFa, NoFa, ReNo oder PatFa, die auszubildenden Fachangestellten in der anwaltlichen Assistenz haben eines gemeinsam: eine reguläre Lehrzeit von drei Jahren. Dass es Möglichkeiten gibt, diese Regelzeit zu verkürzen, eröffnet Arbeitnehmern und Arbeitgebern neue Perspektiven. So erhält die Fachangestellte sehr viel früher ein festes Monatseinkommen und der Arbeitgeber eine vollwertige Kraft ohne lästige Berufsschultage. Dieser Beitrag zeigt die verschiedenen Wege zum vorgezogenen Abschluss. |

1. Anrechnung der beruflichen Vorbildung

Oft hat die Auszubildende bereits eine Berufsausbildung oder ähnliche Maßnahmen vor der eigentlichen Ausbildung genossen. Dies können z. B. sein:

 

  • Berufsausbildungen in einer anderen Einrichtung (z. B. Fachschule),
  • Berufsvorbereitende Jahre, wie z. B.: Berufsgrundbildungsjahr (BGJ),
  • Einstiegsqualifizierungsjahr (EQJ), Berufsvorbereitungsjahr (BVJ),
  • langjährige, praktische Erfahrung in einer Kanzlei (z. B. Aushilfstätigkeit).

 

Solche und ähnliche berufsbildende Maßnahmen können ganz oder teilweise auf die Ausbildung angerechnet werden (§ 7 BBiG). Bei einer abgeschlossenen Berufsausbildung werden meist bis zu zwölf Monate angerechnet. Es gilt aber: Die Anrechnungsregelungen unterscheiden sich je nach Bundesland und zuständiger RAK. Grundsätzlich sollten Sie den Antrag auf Anrechnung der bereits geleisteten Ausbildungszeit aber schon zu Ausbildungsbeginn bei der zuständigen RAK einreichen. Wird er genehmigt, wird die angerechnete Zeit als bereits verbrachte Ausbildungszeit gewertet, d. h. Auszubildende überspringen z. B. das erste Lehrjahr und steigen direkt ins zweite Lehrjahr ein (inklusive höherer Ausbildungsvergütung für das zweite Lehrjahr). Nach § 45 BBiG ist es sogar denkbar, die Ausbildung komplett zu „überspringen“ und sofort zur Abschlussprüfung zugelassen zu werden. Dann muss die Auszubildende „mindestens das Eineinhalbfache der Zeit, die als Ausbildungszeit vorgeschrieben ist, in dem Beruf tätig gewesen sein, in dem die Prüfung abgelegt werden soll“ (dies entspräche 4,5 Jahre bei den hier vorgestellten Berufen).

 

PRAXISHINWEIS | Zur Verkürzung ist aber immer Ihre Zustimmung als Ausbilder erforderlich. Ohne die Zustimmung kann Ihre Auszubildende nicht verkürzen.

 

2. Verkürzung bei schulischer Vorbildung

Bei einem höheren Schulabschluss als dem Hauptschulabschluss kann ebenfalls verkürzt werden. Es gelten dabei folgende Richtlinien:

 

  • Zeitlicher Umfang der Verkürzung

Fachoberschulreife oder gleichwertiger Abschluss

bis zu 6 Monate

Fachhochschulreife, Allgemeine Hochschulreife

bis zu 12 Monate

 

Diese Daten sind Richtlinien der Empfehlung des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Verkürzung und Verlängerung der Berufsausbildung. Nach denselben Richtlinien kann sogar die Anrechnung des Alters des Auszubildenden eine Rolle spielen: Bei einer Auszubildenden über 21 Jahre darf die Ausbildungszeit (in Einzelfällen) um bis zu 12 Monate verkürzt werden. Dies sind jedoch lediglich Richtlinien für die zuständigen Stellen als Hilfe für eine Entscheidungsfindung (§ 8 BBiG). Dennoch werden sie in vielen Fällen gerne herangezogen.

3. Verkürzung bei einem Ausbildungsplatzwechsel

Steht ein Ausbildungsplatzwechsel bevor, muss unterschieden werden:

 

  • Wird nur der Betrieb gewechselt und der Ausbildungsberuf beibehalten, werden i. d. R. auch die bisher geleisteten Ausbildungszeiten angerechnet.
  • Wird jedoch die Berufsausbildung gewechselt (z. B. ReNo-Ausbildung wird aufgegeben, PatFA-Ausbildung wird begonnen), muss im Einzelfall entschieden werden, welche Zeiten angerechnet werden können.

 

Grundsätzlich gilt: Deckt sich der Lehrinhalt der abgebrochenen Berufsausbildung mit der neuen Ausbildung weitgehend, stehen die Chancen sehr gut, dass der Großteil oder sogar die gesamte Ausbildungszeit angerechnet wird.

4. Verkürzung wegen guter Leistungen

Erbringt die Auszubildende während der Ausbildung, d. h. schulisch und betrieblich, überdurchschnittlich gute Leistungen, ist eine Verkürzung ebenfalls möglich (§ 45 BBiG). Der Antrag auf vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung muss rechtzeitig gestellt werden (z. B. nach der Zwischenprüfung) und schriftlich erfolgen (gem. § 45 Abs. 1 BBiG).

 

PRAXISHINWEIS | Die Auszubildende muss also rechtzeitig folgende Unterlagen bei der Rechtsanwaltskammer einreichen:

 

  • den vollständig ausgefüllten Antrag auf die vorzeitige Zulassung zur Abschlussprüfung,
  • das Einverständnis und die Bescheinigung des Ausbildungsbetriebs über ausreichende Leistungen
  • Nachweise der berufsschulischen Leistungen (i. d. R. die Kopie des letzten Berufsschulzeugnisses).

 

Einige RAK bieten die Anträge auf ihren Webseiten zum Download an, andere wiederum bitten um einen formlosen (schriftlichen) Antrag mit den o. g. Angaben und Nachweisen.

 

 

Nach der Empfehlung des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Verkürzung und Verlängerung der Berufsausbildung werden „überdurchschnittliche Leistungen“ wie folgt definiert:

 

  • Definition einer „überdurchschnittlichen Leistung“

Notendurchschnitt aller prüfungsrelevanten Berufsschulfächer (letztes Zeugnis)

besser als 2,49

Praktische Ausbildungsleistung, bzw. betriebliche Leistungsbewertung

besser als 2,49

 

PRAXISHINWEIS | Auch hier gelten je nach RAK andere Voraussetzungen. Die RAK Hamm z. B. erwartet einen Leistungsdurchschnitt von mindestens 2,0 (in der Kanzlei wie in der Berufsschule).

 

5. Sonderfall I: Teilzeitberufsausbildung

Es ist in der Regel möglich, einen Antrag auf Verkürzung der täglichen Ausbildungszeit zu stellen, um eine sogenannte „Teilzeitberufsausbildung“ zu absolvieren (§ 8 BBiG). Für diesen Antrag wird aber ein berechtigter Grund verlangt ‒ wie z. B. die Versorgung eines Kindes oder die Pflege von Familienangehörigen. Wird die Teilzeitberufsausbildung anerkannt, wird die wöchentliche, bzw. tägliche Ausbildungszeit verkürzt. Eine Mindestanzahl von 25 Stunden pro Woche (inklusive Berufsschule) ist vorgeschrieben. Anderenfalls müsste die Regelzeit von 36 Monaten verlängert werden.

 

PRAXISHINWEIS | Rechtlich betrachtet ist die Ausbildungsvergütung nicht an eine wöchentliche Stundenzahl geknüpft (im Gegensatz zum Monatsgehalt). Daher wäre eine volle Vergütung trotz reduzierter Stundenzahl bei Teilzeitberufsausbildungen grundsätzlich möglich. In der Praxis jedoch wird meist nur die anteilige Vergütung gezahlt.

 

6. Sonderfall II: Verlängerung der Berufsausbildung

Ist zu erwarten, dass die Ausbildung in der Regelzeit von 36 Monaten nicht erfolgreich abgeschlossen wird, kann die Ausbildungszeit verlängert werden. Das gilt sowohl für Teilzeitberufsausbildungen als auch für reguläre Berufsausbildungen („Vollzeitberufsausbildungen“). In beiden Fällen kann die Verlängerung erst im Laufe der Ausbildung beantragt werden.

 

Auch ist es möglich, die wöchentliche Ausbildungszeit auf 20 Stunden zu verkürzen, dafür verlängert sich die Ausbildungsdauer. Gründe für eine Verlängerung können u. a. sein: lange Fehlzeiten (z. B. krankheitsbedingt), Betreuung des eigenen Kindes oder von pflegebedürftigen Angehörigen, Nichterreichen des Leistungsziels der Berufsschulklasse sowie körperliche, geistige oder seelische Behinderung.

Quelle: Seite 48 | ID 45085150