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Praxissoftware heute: Anforderungsprofil und Hilfen für die Kaufentscheidung

von Dr. Detlev Nies, Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen, praxisbewertung-praxisberatung.com
| Ohne Not wechselt wohl kaum ein Zahnarzt die etablierte Praxissoftware: Alte Gewohnheiten, Diskussionen mit dem Praxisteam, lange Warteschleifen bei der Service-Hotline, Fortbildungskosten für die Anwender und sogar mögliche Honorareinbußen wegen Unkenntnis des neuen Programms treiben die Kosten einer Umstellung in die Höhe. Vor diesem Hintergrund skizziert der Beitrag einen Anforderungskatalog, der die Softwareumstellung für Zahnarzt und ZFA erträglicher machen kann. Einiges davon können Sie schon vor dem Software-Kauf überprüfen. Eine Checkliste am Ende des Beitrags hilft Ihnen dabei. |
Anforderungen an Software und Servicehotline
Grundüberlegung jeder Auseinandersetzung mit dem Thema „Praxissoftware“ muss sein, dass der Aufwand für die Verwaltung der Praxis soweit wie möglich reduziert werden muss, und dass die Praxisabläufe optimiert werden können.
Hotline
Sicher wären viele Berufskollegen bereit, für eine qualifizierte, schnelle und freundliche Hotline-Betreuung 100 Euro im Monat zusätzlich zu bezahlen. Der Zeitgewinn durch eine fachkompetente und professionelle Hotline macht die Mehrkosten allemal wett. Überprüfen Sie mithilfe von Testanrufen, ob die Hotline Ihren Vorstellungen entspricht.
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Anforderungen an die Praxissoftware
Nun aber zu der Praxissoftware selbst: Einige Anforderungen an die Praxissoftware sind vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Um die kommt man nicht herum.
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Hier muss die Software die gesetzlichen Vorgaben auf möglichst einfache Weise umsetzen: Konnektoren, die jeden Tag mehrmals abstürzen, erfüllen diese Forderung z. B. nicht. Wünschenswert wäre außerdem, wenn die Softwareanbieter sich an einen Tisch setzen würden und die Bedienoberflächen ihrer Praxissoftware so vereinheitlichen könnten, dass nicht jedes Mal, wenn eine ZFA den Arbeitsplatz wechselt, in der Praxis monatelange Einarbeitungsphasen zu überstehen sind.
Zudem gibt es wichtige Funktionen, die zwar nicht explizit in einer Praxis-EDV enthalten sein müssen, aber von den Praxen trotzdem zwingend erfüllt werden müssen. Hier kann die EDV bei der Strukturierung der Praxisabläufe helfen und sollte diese bis an die Grenzen des gesetzlich Zulässigen automatisieren.
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Wichtig | Alle Funktionen, die nach den Vorgaben des Gesetzgebers und der Nutzer (hier sind die Standesvertretungen gefordert) nicht zwingend erforderlich sind, sollten abschaltbar sein. Sie können im Hintergrund laufen, wenn das für andere essenzielle Funktionen unerlässlich ist. Die fast nicht mehr zu überblickende Vielzahl von Buttons, Pull-down-Menüs, Unterfunktionen (deren Zuordnung sich dem Nutzer nicht zwingend erschließt) und Mehrfachbelegungen einzelner Funktionselemente verbessert die Software für den Anwender nicht, sondern verschlechtert sie.
MERKE | Jeder Zahnarzt verrichtet 80 Prozent seiner Arbeit mit fünf verschiedenen Bohrern und zehn unterschiedlichen Handinstrumenten, die Rezeptionskraft würde es mit ihrem Computer gerne ähnlich halten ‒ wenn die Software es doch nur zuließe. Wer bestimmte weitere Elemente in seiner Praxis benötigt oder anwenden möchte, mag dies (gegen Aufpreis für das betreffende Modul) gern tun. |
Testen Sie die Software vor dem Kauf
Im Idealfall hat der Interessent die Möglichkeit, eine ins Auge gefasste Software für einige Wochen auszuprobieren. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, schon vor dem Erwerb erfahrene Rezeptions-ZFA nach ihrer Meinung zu der Software zu befragen, denn sie kennen die zu erwartenden Probleme am besten. Fragen Sie auch im Kollegenkreis nach, wie lange es gedauert hat, bis der Praxisinhaber und sein Team gut mit der (neuen) Software arbeiten konnten, und wie gut das Programm betreut wird.
PRAXISTIPPS |
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Checkliste für den Software-Kauf
Die hier vorgestellte Checkliste, die vor der Kaufentscheidung für eine bestimmte Praxissoftware abgearbeitet werden sollte, kann naturgemäß nicht den Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit und auch nicht auf Vollständigkeit erheben, sondern stellt vielmehr den Versuch dar, die aus meiner Sicht wichtigsten Gesichtspunkte zusammenzufassen. Dies gilt insbesondere für die von mir gewählte Gewichtung ‒ da ist „jeder Jeck anders“, wie man in Köln zu sagen pflegt. Vergeben Sie notfalls Punkte für Ihre Gewichtung. Im Folgenden wird unterstellt, dass der Softwarehersteller die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen garantiert.
Checkliste / Anforderungen an die Praxissoftware | ||
Gesichtspunkt | Gewichtung | Hinweis |
Qualifikation der Hotline-Mitarbeiter | hoch | Testanrufe bei der Hotline durchführen. |
Spezialisierung der Hotline-Mitarbeiter | hoch | Bei Kollegen nachfragen, die die betreffende Software schon nutzen. |
Dauer der Warteschleifen | mittel bis hoch | Bei Kollegen, die die betreffende Software schon nutzen, nachfragen:
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Fortbildungsangebot des Softwareunternehmens | niedrig bis mittel | Preise der verschiedenen Softwareanbieter vergleichen! Lassen Sie Ihre ZFA vorzugsweise an reinen „ZFA-Veranstaltungen“ teilnehmen. Der Blickwinkel der ZFA unterscheidet sich deutlich vom Blickwinkel der Zahnärzte. Außerdem entstehen oft informelle Netzwerke, die besser funktionieren als jede Hotline. |
Datenübernahme aus der vorherigen Praxissoftware | sehr hoch | Überprüfen Sie die Effektivität und Genauigkeit der Datenübernahme vorab anhand ausgewählter komplizierter und umfangreicher Behandlungsfälle. |
Gekoppeltes Hardwareangebot | sehr niedrig | Die Hardware ist im Fachhandel i. d. R. deutlich günstiger. |
Anschaffungskosten | mittel | Sind im Verhältnis zur Qualität des Programms zu beurteilen. |
Laufende Kosten | mittel | Sind vor allem in Abhängigkeit von der Qualität der Hotline zu beurteilen. |
Übersichtlichkeit der Bildschirmmasken | hoch | ZFA fragen. |
Intuitive Benutzerführung | hoch | ZFA fragen. |
Abschaltbarkeit nicht benötigter Funktionen | sehr hoch | Lassen Sie sich die Möglichkeiten ggf. zeigen. |
Formularwesen | hoch | Neben der Bereitstellung von vorgegebenen Standardformularen muss die Möglichkeit bestehen, eigene Formulare zu entwerfen. |
Recall | hoch | Muss per E-Mail möglich sein. |
Patientenbestellbuch | sehr hoch | Ausprobieren. Bestimmte Teilfunktionen braucht man erfahrungsgemäß nie, diese sollten je nach den Praxiserfordernissen abschaltbar sein. |
Materialbestellungen | mittel bis hoch | Wird in Zukunft in Zusammenarbeit mit QM-Funktionen immer wichtiger werden. |
Qualitätsmanagement | hoch | Achten Sie darauf, dass „nur“ die Mindestanforderungen erfüllt sind. Wer mehr machen will, mag das in der EDV zuschalten oder außerhalb der EDV tun. |
Strahlenschutz (Röntgen) | hoch | Geben Sie auf jeden Fall einige unterschiedliche Aufnahmearten (Zahnfilm, OPG usw.) in das System ein, um ein Gefühl für den erforderlichen Aufwand zu bekommen. |
Hygienerichtlinien | hoch | Lassen Sie sich die automatisierte Erfassung und Dokumentation von Sterilisationsvorgängen zeigen. |
Gerätebuch für (zahn-)medizinische Geräte | mittel | Ggf. mit erforderlichen Wartungsintervallen kombinieren (Erinnerungsfunktion). |
Bestandsverzeichnis für Elektrogeräte | mittel | Mit erforderlichen Wartungsintervallen kombinieren (Erinnerungsfunktion). |
Diagnosedaten von Geräten (z. B. Sterilisatorchargen) | hoch | Sollten vollautomatisch gespeichert und nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen auch vollautomatisch gelöscht werden. |
Statistikfunktionen | hoch | Für eine effektive Praxisführung unerlässlich. Lassen Sie sich die Funktionen ausführlich erläutern. |