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· Best Practice

Praxissoftware heute: Anforderungsprofil und Hilfen für die Kaufentscheidung

Bild: ©mrmohock - stock.adobe.com

von Dr. Detlev Nies, Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen, praxisbewertung-praxisberatung.com

| Ohne Not wechselt wohl kaum ein Zahnarzt die etablierte Praxissoftware: Alte Gewohnheiten, Diskussionen mit dem Praxisteam, lange Warteschleifen bei der Service-Hotline, Fortbildungskosten für die Anwender und sogar mögliche Honorareinbußen wegen Unkenntnis des neuen Programms treiben die Kosten einer Umstellung in die Höhe. Vor diesem Hintergrund skizziert der Beitrag einen Anforderungskatalog, der die Softwareumstellung für Zahnarzt und ZFA erträglicher machen kann. Einiges davon können Sie schon vor dem Software-Kauf überprüfen. Eine Checkliste am Ende des Beitrags hilft Ihnen dabei. |

Anforderungen an Software und Servicehotline

Grundüberlegung jeder Auseinandersetzung mit dem Thema „Praxissoftware“ muss sein, dass der Aufwand für die Verwaltung der Praxis soweit wie möglich reduziert werden muss, und dass die Praxisabläufe optimiert werden können.

 

Hotline

Sicher wären viele Berufskollegen bereit, für eine qualifizierte, schnelle und freundliche Hotline-Betreuung 100 Euro im Monat zusätzlich zu bezahlen. Der Zeitgewinn durch eine fachkompetente und professionelle Hotline macht die Mehrkosten allemal wett. Überprüfen Sie mithilfe von Testanrufen, ob die Hotline Ihren Vorstellungen entspricht.

 

  • Praxissoftware: Voraussetzungen für eine professionelle Servicehotline
  • Am Telefon sollten vorzugsweise ZFA beschäftigt sein ‒ ZFA untereinander kommunizieren wesentlich besser, als es bei der Unterhaltung mit fachfremdem Personal zu beobachten ist. Für die Betreuung bei Spezialfragen (z. B. Zahntechnik, Buchhaltung) sind ebenfalls Mitarbeiter „vom Fach “ besser geeignet als angelernte berufsfremde Mitarbeiter.
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  • Der Anbieter sollte genügend Hotline-Mitarbeiter beschäftigen, die an der Software gründlich geschult sind. Dies hilft, Wartezeiten, Mehrfachanrufe und überflüssige Rückfragen soweit wie möglich zu vermeiden.
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  • Das Servicepersonal sollte zumindest spezialisiert sein auf
    • Hardwareprobleme
    • Abrechnungsprobleme
    • Zahntechnisches Labor
    • Buchhaltung
    • Gesetzlich vorgeschriebene Zusatzfunktionen (siehe unten)
 

Anforderungen an die Praxissoftware

Nun aber zu der Praxissoftware selbst: Einige Anforderungen an die Praxissoftware sind vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Um die kommt man nicht herum.

 

  • Beispiele: gesetzliche Vorgaben für die Praxissoftware
  • Absicherung der Dateneingabe und der Dokumentation gegen nachträgliche Veränderungen
  • Umsetzung der gesetzlichen Bestimmungen für das Erstellen von Behandlungsanträgen und Abrechnungen
  • Schutz der Daten gegen unbefugte Nutzung, Verlust, Diebstahl und Missbrauch
  • Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung
 

Hier muss die Software die gesetzlichen Vorgaben auf möglichst einfache Weise umsetzen: Konnektoren, die jeden Tag mehrmals abstürzen, erfüllen diese Forderung z. B. nicht. Wünschenswert wäre außerdem, wenn die Softwareanbieter sich an einen Tisch setzen würden und die Bedienoberflächen ihrer Praxissoftware so vereinheitlichen könnten, dass nicht jedes Mal, wenn eine ZFA den Arbeitsplatz wechselt, in der Praxis monatelange Einarbeitungsphasen zu überstehen sind.

 

Zudem gibt es wichtige Funktionen, die zwar nicht explizit in einer Praxis-EDV enthalten sein müssen, aber von den Praxen trotzdem zwingend erfüllt werden müssen. Hier kann die EDV bei der Strukturierung der Praxisabläufe helfen und sollte diese bis an die Grenzen des gesetzlich Zulässigen automatisieren.

 

  • Beispiele: Automatisierungspotenzial durch Praxissoftware
  • Erinnerungsfunktionen für Eingaben bei
    • Qualitätsmanagement
    • Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) und Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
    • Gerätebuch
    • Wartungsintervallen
    • Bestandsverzeichnis für Elektrogeräte usw.
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  • Automatisierung der Einträge für
    • Formulare
    • Recall
    • Hygienerichtlinien (Thermodesinfektor, Sterilisator)
    • Selbstdiagnose von Geräten
    • Materialbestellungen (z. B. Barcode-Lösungen für Mindestbestellmengen) usw.
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  • Erstellung individueller Leistungskomplexe
  • Patientenbestellsystem
  • Warenwirtschaftssystem
 

Wichtig | Alle Funktionen, die nach den Vorgaben des Gesetzgebers und der Nutzer (hier sind die Standesvertretungen gefordert) nicht zwingend erforderlich sind, sollten abschaltbar sein. Sie können im Hintergrund laufen, wenn das für andere essenzielle Funktionen unerlässlich ist. Die fast nicht mehr zu überblickende Vielzahl von Buttons, Pull-down-Menüs, Unterfunktionen (deren Zuordnung sich dem Nutzer nicht zwingend erschließt) und Mehrfachbelegungen einzelner Funktionselemente verbessert die Software für den Anwender nicht, sondern verschlechtert sie.

 

MERKE | Jeder Zahnarzt verrichtet 80 Prozent seiner Arbeit mit fünf verschiedenen Bohrern und zehn unterschiedlichen Handinstrumenten, die Rezeptionskraft würde es mit ihrem Computer gerne ähnlich halten ‒ wenn die Software es doch nur zuließe. Wer bestimmte weitere Elemente in seiner Praxis benötigt oder anwenden möchte, mag dies (gegen Aufpreis für das betreffende Modul) gern tun.

 

Testen Sie die Software vor dem Kauf

Im Idealfall hat der Interessent die Möglichkeit, eine ins Auge gefasste Software für einige Wochen auszuprobieren. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, schon vor dem Erwerb erfahrene Rezeptions-ZFA nach ihrer Meinung zu der Software zu befragen, denn sie kennen die zu erwartenden Probleme am besten. Fragen Sie auch im Kollegenkreis nach, wie lange es gedauert hat, bis der Praxisinhaber und sein Team gut mit der (neuen) Software arbeiten konnten, und wie gut das Programm betreut wird.

 

PRAXISTIPPS |

  • Verlassen Sie sich nicht auf die freundlichen Worte des Softwarevertreters und seine scheinbar spielerisch leichte Bedienung des Programms. Überprüfen Sie die Qualität der in das Programm integrierten Hilfefunktionen ‒ nach meiner Erfahrung ist ausgerechnet derjenige Begriff, den Sie gerade suchen, in der Hilfefunktion nur selten enthalten.
  •  
  • Geben Sie sich nicht mit einer nur halbtägigen Einführung in das Programm durch einen Mitarbeiter des Softwareanbieters zufrieden. Denn nach zwei bis drei Stunden ist Ihre Aufnahmefähigkeit erschöpft, und Sie haben bis dahin nur die „Schokoladenseite“ des Programms gesehen und sich bestenfalls einen groben Überblick verschafft, nicht aber die kniffligen Detailfragen geklärt, die im Praxisalltag auftauchen. Beispiel für einen schönen kleinen Test: Lassen Sie den Vertreter des Softwareanbieters einen Kassenplan für eine geteilte Brücke schreiben, deren hinterer Pfeiler ein hemisezierter 7er ist.
 

Checkliste für den Software-Kauf

Die hier vorgestellte Checkliste, die vor der Kaufentscheidung für eine bestimmte Praxissoftware abgearbeitet werden sollte, kann naturgemäß nicht den Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit und auch nicht auf Vollständigkeit erheben, sondern stellt vielmehr den Versuch dar, die aus meiner Sicht wichtigsten Gesichtspunkte zusammenzufassen. Dies gilt insbesondere für die von mir gewählte Gewichtung ‒ da ist „jeder Jeck anders“, wie man in Köln zu sagen pflegt. Vergeben Sie notfalls Punkte für Ihre Gewichtung. Im Folgenden wird unterstellt, dass der Softwarehersteller die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen garantiert.

 

Checkliste / Anforderungen an die Praxissoftware

Gesichtspunkt
Gewichtung
Hinweis

Qualifikation der Hotline-Mitarbeiter

hoch

Testanrufe bei der Hotline durchführen.

Spezialisierung der Hotline-Mitarbeiter

hoch

Bei Kollegen nachfragen, die die betreffende Software schon nutzen.

Dauer der Warteschleifen

mittel bis hoch

Bei Kollegen, die die betreffende Software schon nutzen, nachfragen:

  • Können per Anrufbeantworter Rückrufe vereinbart werden?
  • Wie lange ist die Reaktionszeit?

Fortbildungsangebot des Softwareunternehmens

niedrig bis mittel

Preise der verschiedenen Softwareanbieter vergleichen! Lassen Sie Ihre ZFA vorzugsweise an reinen „ZFA-Veranstaltungen“ teilnehmen. Der Blickwinkel der ZFA unterscheidet sich deutlich vom Blickwinkel der Zahnärzte. Außerdem entstehen oft informelle Netzwerke, die besser funktionieren als jede Hotline.

Datenübernahme aus der vorherigen Praxissoftware

sehr hoch

Überprüfen Sie die Effektivität und Genauigkeit der Datenübernahme vorab anhand ausgewählter komplizierter und umfangreicher Behandlungsfälle.

Gekoppeltes Hardwareangebot

sehr niedrig

Die Hardware ist im Fachhandel i. d. R. deutlich günstiger.

Anschaffungskosten

mittel

Sind im Verhältnis zur Qualität des Programms zu beurteilen.

Laufende Kosten

mittel

Sind vor allem in Abhängigkeit von der Qualität der Hotline zu beurteilen.

Übersichtlichkeit der Bildschirmmasken

hoch

ZFA fragen.

Intuitive Benutzerführung

hoch

ZFA fragen.

Abschaltbarkeit nicht benötigter Funktionen

sehr hoch

Lassen Sie sich die Möglichkeiten ggf. zeigen.

Formularwesen

hoch

Neben der Bereitstellung von vorgegebenen Standardformularen muss die Möglichkeit bestehen, eigene Formulare zu entwerfen.

Recall

hoch

Muss per E-Mail möglich sein.

Patientenbestellbuch

sehr hoch

Ausprobieren. Bestimmte Teilfunktionen braucht man erfahrungsgemäß nie, diese sollten je nach den Praxiserfordernissen abschaltbar sein.

Materialbestellungen

mittel bis hoch

Wird in Zukunft in Zusammenarbeit mit QM-Funktionen immer wichtiger werden.

Qualitätsmanagement

hoch

Achten Sie darauf, dass „nur“ die Mindestanforderungen erfüllt sind. Wer mehr machen will, mag das in der EDV zuschalten oder außerhalb der EDV tun.

Strahlenschutz (Röntgen)

hoch

Geben Sie auf jeden Fall einige unterschiedliche Aufnahmearten (Zahnfilm, OPG usw.) in das System ein, um ein Gefühl für den erforderlichen Aufwand zu bekommen.

Hygienerichtlinien

hoch

Lassen Sie sich die automatisierte Erfassung und Dokumentation von Sterilisationsvorgängen zeigen.

Gerätebuch für (zahn-)medizinische Geräte

mittel

Ggf. mit erforderlichen Wartungsintervallen kombinieren (Erinnerungsfunktion).

Bestandsverzeichnis für Elektrogeräte

mittel

Mit erforderlichen Wartungsintervallen kombinieren (Erinnerungsfunktion).

Diagnosedaten von Geräten (z. B. Sterilisatorchargen)

hoch

Sollten vollautomatisch gespeichert und nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen auch vollautomatisch gelöscht werden.

Statistikfunktionen

hoch

Für eine effektive Praxisführung unerlässlich. Lassen Sie sich die Funktionen ausführlich erläutern.

 
Quelle: Seite 15 | ID 46309269