· Fachbeitrag · Betriebswirtschaftliche Kennzahlenanalyse
Der Cash Conversion Cycle (CCC) ‒ eine problematische Kennzahl
von Prof. Dr. Peter Hoberg, Worms
| Der Cash Conversion Cycle (CCC) fehlt in kaum einem Lehrbuch zur Finanzierung. Und auch in den Unternehmen wird der CCC sehr häufig als wichtige Kennzahl aufgeführt. Er gibt angeblich an, wie lang der Zyklus in Tagen dauert, bis das eingesetzte Kapital von der ersten Auszahlung bis zum Eintreffen der Zahlungen der Kunden zurückgeflossen ist. Ziel des Beitrags ist es, nach einer kurzen Darstellung des CCC seine Probleme aufzuzeigen und dann ein besseres und einfacheres Modell vorzustellen. Dieses soll die Unzulänglichkeiten des CCC vermeiden und damit das Management besser unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. |
1. Einleitung
Mit dem Cash Conversion Cycle ‒ teilweise auch nur Cash Cycle genannt ‒ soll das Management des Nettoumlaufvermögens (Net Working Capital = NWC) unterstützt werden. Die wichtigsten Bestandteile des NWC auf der Aktivseite bestehen in den Vorräten aller Art (insb. Rohstoffe/Zukaufsteile und Fertigprodukte) und den Forderungen, auf der Passivseite in den kurzfristigen Verbindlichkeiten.
Für das NWC wird die Differenz ermittelt, welche bei Industrieunternehmen üblicherweise positiv ist. Es ist somit zusätzliches Kapital gebunden. Das Ziel des Managements des Nettoumlaufvermögens besteht in möglichst geringen Kapitalkosten. Denn diese reduzieren im Reporting den Jahresüberschuss und in der Investitionsrechnung die Vorteilhaftigkeit von Handlungsmöglichkeiten (vgl. hierzu Hoberg [2018a], S. 1 ff.). Aber auch wenn das NWC negativ wird (z. B. bei Handelsunternehmen), muss es in die Kalkulationen einbezogen werden; dann allerdings mit einem positiven Effekt.
Zur Ermittlung des Cash Conversion Cycle werden nun für alle Bestandteile die Kapitalbindungsdauern in Tagen ermittelt. Dabei wird ein Jahresanteil berechnet, der dann mit der Periodenlänge ‒ meist 365 Tage ‒ multipliziert wird. Wenn die Forderungen 200 Mio. EUR am Jahresende betragen und der Umsatz 1.000 Mio. EUR in der Periode, dann ergibt sich die durchschnittliche Bindungsdauer von 200/1.000 × 365 = 73 Tagen (Days Sales Outstanding DSO). Diese Bindungsdauern werden dann für alle Bestandteile des NWC ermittelt. Die sich dabei ergebenden Tage werden saldiert.
2. Grundlagen
Der Ausgangspunkt der Optimierung des Nettoumlaufvermögens besteht auf der Aktivseite darin, keine unnötigen Bestände zu haben und die Forderungen pünktlich in Cash zu verwandeln. Auf der Passivseite dürfen die Verbindlichkeiten nicht zu früh bezahlt werden. Es wird für diesen Beitrag angenommen, dass diese Selbstverständlichkeiten erfüllt sind.
Zur Bestimmung der Länge des Cash Conversion Cycle müssen die einzelnen Bestandteile berechnet werden (vgl. z. B. Brealey/Myers/Marcus, S. 576). Die oben berechneten Tage der offenen Forderungen (Days Sales Outstanding DSO) ergeben sich wie folgt:
DSO = Forderungen zum Periodenende ÷ Periodenumsatz × Periodenlänge |
Im obigen Beispiel wurde das Jahr als Periode gewählt, sodass die Periodenlänge 365 Tage beträgt. Damit erhielt man für die Beispielsdaten einen Wert von 73 Tagen. Diese geben an, wie lange das Unternehmen durchschnittlich warten muss, bis seine Rechnungen bezahlt werden.
Für die Zeit, in welcher die Rohwaren durchschnittlich auf Lager liegen (Days Inventory Outstanding [DIO]), wird die folgende Formel vorgeschlagen:
DIOR = Rohwarenwert zum Periodenende ÷ Rohwareneinsatz der Periode × Periodenlänge |
Für ein Beispiel möge gelten, dass zum Stichtag Rohwaren i. H. v. 40 Mio. EUR vorhanden waren und der Rohwareneinsatz 400 Mio. EUR im Jahr betrug:
DIOR = 40 ÷ 400 × 365 = 36,5 Tage |
Ähnlich sieht die Formel für die Lagerdauer der Fertigware aus:
DIOF = Fertigwarenwert zum Periodenende ÷ Produktionskosten der Periode × Periodenlänge |
Es ist aber zu beachten, dass im Nenner nicht mehr der Wert der Rohwaren, sondern der der gesamten Produktionskosten steht.
Bei der Strukturierung der Kapitalbindungen möge die folgende Abbildung 1 helfen. Sie kann für ein Produkt, einen Geschäftsbereich oder sogar für das ganze Unternehmen gelten.

Der betrachtete Zeitraum läuft vom Lieferdatum der ersten Rohstoffe bis zum Erhalt der letzten Kundenzahlung.
Das Bestelldatum wird noch nicht analysiert, obwohl mit dem Eingehen eines Vertrags schon Vor- oder Nachteile besiegelt werden können. In der Abb. 1 werden die amerikanischen Bezeichnungen gewählt, weil diese häufig auch in deutschen Unternehmen verwendet werden.
Es geht los mit dem Eintreffen der Rohwaren im Lager. Damit beginnt die Zeitspanne, in der die Rohwaren auf dem Lager liegen, aber noch nicht in die Produktion eingegangen sind. Der englische Begriff lautet Days Inventory Outstanding (DIO). Bei einem jährlichen Verbrauch von 400 Mio. EUR/a und einem Bestand an Vorräten von 40 Mio. EURYE (Zeilen 2 und 3 in Abb. 2) ergeben sich die DIOR zu 40/400 × 365 = 36,5 Tagen. Zur erhöhten Klarheit ist in der Einheit Mio. EURYE der Zeitindex mit YE = Year End angegeben. Er wird helfen, Probleme aufzudecken (vgl. zu der präziseren Schreibweise von Einheiten mittels Zeitindex Hoberg (2018b), S. 468 ff.).
Die nächste Phase ist die Produktion. Im einfachen Beispiel der Abb. 1 ist angenommen, dass sie praktisch keine Zeit benötigt, weil z. B. nur eine einfache Montage notwendig wird. Die Phase kann auch länger ausgedehnt werden.
Die folgende längere Phase besteht im Zeitraum, in welchem die Waren im Fertigwarenlager sind und auf die Auslieferung an den Kunden warten. Diese Phase wird in vielen Publikationen mit der ersten Phase zusammengeworfen, sodass dann beide unter DIO laufen. Da aber sehr unterschiedliche Beträge gebunden sein können und auch verschiedene Probleme vorliegen können, wird in Abb. 1 zwischen Rohwaren- und Fertigwarenlagerzeitraum unterschieden, sodass von DIOR und DIOF gesprochen wird. Wenn im gesamten Jahr für 700 Mio. EUR/a Fertigware produziert wird und ein Fertigwarenlagerbestand von 60 Mio. EURYE vorliegt, dann erhält man die DIOF zu 60/700 × 365 = 31,29 Tagen.
Die letzte Phase startet mit der Auslieferung der gelagerten Waren und endet mit dem Eintreffen der Zahlung beim Lieferanten des Endprodukts. Diese Forderungslaufzeit wird im Englischen mit DSO (Days Sales Outstanding) bezeichnet. Wenn die Forderungen am Jahresende 200 Mio. EURYE betragen und die Nettoumsätze 1.000 Mio. EUR/a, dann erhält man für die DSO 200/1000 × 365 = 73 Tage.
Entlastend wirkt die Laufzeit der noch nicht gezahlten Verbindlichkeiten DPO. Wenn sich die offenen Verbindlichkeiten zum Jahresende auf 50 Mio. EURYE belaufen und die Rohwaren auf 400 Mio. EUR/a, dann erhält man die DPO zu 50/400 × 365 = 45,63 Tagen.
Damit lässt sich jetzt die Länge des Cash Conversion Cycle berechnen:
CCC = DSO + DIOR + DIOF ‒ DPO |
Mit den Beispielsdaten erhält man:
CCC = 73 + 36,5 + 31,29 ‒ 45,63 = 95,16 Tage |
In der folgenden Abb. 2 sind die Daten dieses Beispiels als Fall 1 zusammengefasst:
| |||||
Einheit | Fall 1 | Fall 2 | Fall 3 | ||
1 | Wert Rohwaren von UN | 40 % | |||
2 | Verbrauch Rohwaren | Mio. EUR/a | 400 | 400 | 400 |
3 | Bestand Vorräte | Mio. EURYE | 40 | 40 | 40 |
4 | DIOR | days | 36,50 | 36,50 | 36,50 |
5 | Wert Fertigware von UN | 70 % | |||
6 | Einsatz Fertigware | Mio. EUR/a | 700 | 700 | 700 |
7 | Bestand Fertigware | Mio. EURYE | 60 | 60 | 80 |
8 | DIOF | days | 31,29 | 31,29 | 41,71 |
9 | Nettoumsatz UN | Mio. EUR/a | 1.000 | 1.000 | 1.000 |
10 | Forderungen | Mio. EURYE | 200 | 220 | 172,6 |
11 | DSO | days | 73,00 | 80,30 | 63,00 |
12 | Anteil Material an UN | 40 % | |||
13 | Materialeinsatz | Mio. EUR/a | 400 | 400 | 400 |
14 | Verbindlichkeiten LuL | Mio. EURYE | 50 | 60,96 | 50 |
15 | DPO | days | 45,625 | 55,626 | 45,625 |
16 | Cash Conversion Cycle | days | 95,16 | 92,46 | 95,59 |
Abkürzungen | Mio. EURYE | Millionen Euro am Jahresende | |||
UN | Jahresnettoumsatz |
Zur Senkung der Kapitalkosten wird gefordert, den CCC möglichst gering zu halten.
3. Probleme des CCC
Der oben dargestellte Ansatz des CCC weist viele Probleme auf:
3.1 Berechnungsprobleme
Die üblichen Berechnungen der Tage der Kapitalbindung beruhen darauf, dass eine Bilanzgröße wie z. B. der Rohwarenbestand am Jahresende auf eine Stromgröße wie den Rohstoffeinsatz eines Jahres bezogen wird, um die DIO zu berechnen. Implizit wird mit dieser Berechnungsmethode unterstellt, dass der Rohwarenbestand zum Jahresende repräsentativ ist. Dies dürfte nur selten der Fall sein, weil viele Industrien saisonal geprägt sind, sodass der Bestand zum Jahresende entweder wesentlich höher oder wesentlich niedriger als der Durchschnitt liegt.
Einige Unternehmen berechnen den CCC daraufhin monatlich, sodass die Ungenauigkeiten geringer werden. Aber auch dann kann es in der Praxis zum Monatsende passieren, dass die Supply-Chain-Manager neue Lieferungen in den Folgemonat schieben, um ihr DIOR gering zu halten.
Die Ableitung aus der Bilanz ist somit nicht zu empfehlen. Als Alternative bietet sich an, die tatsächlichen Lagerverweildauern mit den Werten der Eingangsrechnungen zu gewichten.
3.2 Abgrenzungsprobleme
In der Realität gibt es nicht immer den einen Termin, an dem alle Rohwaren angeliefert werden. Es kann nur ein Durchschnitt sein, wobei für spezielle Rohstoffe mit langer Wiederbeschaffungszeit die Lagerdauer aus Sicherheitsgründen häufig wesentlich länger ist.
Auf der Absatzseite kann es sein, dass es Anzahlungen, Abschlagszahlungen und Abschlusszahlungen gibt. Zudem können noch Ratenzahlungen auftreten. Diese müssen dann verzinslich zusammengefasst werden.
3.3 Einheitenproblem
Durch die Formel wird ein Bestand am Ende einer Periode ‒ Einheit Mio. EURYE ‒ auf den Verbrauch während der gesamten Periode (durchschnittlich in der Periodenmitte) dividiert und dann mit 365 Tagen pro Jahr multipliziert. Im Ergebnis Tage kürzen sich die Euros heraus, obwohl sie unterschiedliche zeitliche Dimensionen aufweisen.
3.4 Additionsprobleme
Der CCC setzt sich aus den saldierten Größen gemäß Abb. 1 zusammen. Während die Einzelgrößen noch einen gewissen Sinn machen, kann der Saldo irreführend sein. Denn die Größen sind Quotienten. Diese dürfen nur addiert werden, wenn die Nenner gleich sind oder gleichnamig gemacht wurden. Dies ist beim CCC nicht der Fall. In den Quotienten stehen im Nenner des Beispiels 3 unterschiedliche Größen:
- DIOR: Rohwareneinsatz in der betrachteten Periode
- DIOF: Produktionskosten der Fertigwaren in der betrachteten Periode
- DSO: Nettoumsatz in der betrachteten Periode
- DPO: Rohwareneinsatz in der betrachteten Periode
Durch die unterschiedlichen Nenner verliert die Größe des CCC ihre Aussagekraft. Denn durch die einfache Addition bzw. Subtraktion wird so getan, als wären die vier Arten von Bindungstagen gleichwertig. Aber bei der im Beispiel unterstellten Rohmaterialquote von 40 % des Nettoumsatzes sind längere Verbindlichkeitstage viel weniger bedenklich als die um die gleiche Tagesanzahl erhöhten Forderungslaufzeiten.
Durch diese falsche Gleichgewichtung kann es passieren, dass die CCC-Tage sinken, obwohl sich das Unternehmen schlechter stellt. Die weiteren Beispiele in Abb. 2 mögen dies zeigen. Auf Basis des Falls 1 werden Wirkungen aufgrund von Maßnahmen diskutiert.
Für den Fall 2 wird dazu angenommen, dass sich die Forderungslaufzeit um gut sieben Tage erhöht hat (Zeile 11) und zum Ausgleich die Laufzeit der Verbindlichkeiten sogar um zehn Tage gesteigert werden konnte (Zeile 15). Das führt in der Saldozeile 16 zu einer Reduktion des CCC von fast drei Tagen, was als positiv angesehen wird. Da aber die DSO in ihrer Wirksamkeit viel höher sind als die DPO, hat sich das Unternehmen verschlechtert. Das zeigt der Anstieg der Kapitalkosten, deren Berechnung in Abschnitt 4 gezeigt wird.
Umgekehrt sieht es in Fall 3 aus. Gegenüber Fall 1 konnten die Laufzeiten der offenen Forderungen um zehn Tage reduziert werden (Zeile 11). Dafür aber waren die Fertigwarenbestände höher, sodass die DIOF um etwas mehr als zehn Tage länger sind. Dadurch liegt der CCC leicht höher (Zeile 16). In der Welt des CCC wird somit von einer Verschlechterung ausgegangen. Die Wirklichkeit sieht anders aus, was in geringeren Kapitalkosten zum Ausdruck kommt, die im nächsten Abschnitt berechnet werden.
4. Verbesserte Metrik
Da das Ziel des Managements des Nettoumlaufvermögens darin besteht, die Kapitalkosten gering zu halten, sollten auch genau diese Kapitalkosten als Metrik verwendet werden.
Wenn Zinsen berechnet werden sollen, muss der einheitliche Vergleichszeitpunkt festgelegt werden, um eine Vergleichbarkeit aller Zinsbeträge herzustellen. Auch wenn praktisch jeder Zeitpunkt als Vergleichszeitpunkt eingesetzt werden kann, empfiehlt sich der Zeitpunkt der Lieferung/Rechnungserstellung als geeigneter Vergleichszeitpunkt. Für einen einzelnen Auftrag kann dieser dann am konkreten Tag der Rechnungserstellung liegen. Wenn jedoch ein ganzes Jahr betrachtet wird, so sollte die Jahresmitte als repräsentativer Zeitpunkt gewählt werden. Hier findet häufig die durchschnittliche Übergabe bzw. die Rechnungserstellung statt.
Aus diesem Grunde werden die Zinsen auf die vorher anfallenden Beträge auf diesen Übergabezeitpunkt aufgezinst und die später anfallenden Beträge entsprechend abgezinst.
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Monatszinssatz (wacc) 0,500 % effektiv | |||||
Einheit | Fall 1 | Fall 2 | Fall 3 | ||
1 | Tage Payables | days | 22,16 | 12,16 | 32,59 |
2 | Betrag Payables | Mio. EUR | 400 | 400 | 400 |
3 | Zinsen Payables | Mio. EURÜZP | 1,46 | 0,80 | 2,14 |
4 | Tage Produktion | days | 31,29 | 31,29 | 41,71 |
5 | Betrag Produktion | Mio. EUR | 300 | 300 | 300 |
6 | Zinsen Produktion | Mio. EURÜZP | 1,54 | 1,54 | 2,06 |
7 | Tage Forderungen | days | 73,00 | 80,30 | 63,00 |
8 | Betrag Forderungen | Mio. EUR | 1.000 | 1.000 | 1.000 |
9 | Zinsen Forderungen | Mio. EURÜZP | 11,90 | 13,08 | 10,28 |
10 | Zinsen gesamt | Mio. EURÜZP | 14,90 | 15,42 | 14,48 |
Mio. EURÜZP | Millionen Euro zum Übergabezeitpunkt/Lieferung |
Im ersten Kasten wird die Belastung durch die bezahlten Rohstoffrechnungen ermittelt, die 400 Mio. EUR betragen (Nr. 2 in Abb. 3). Wenn die Jahresmitte der Zeitpunkt der Lieferung darstellt, dann fällt die Auszahlung ca. 22 Tage vorher an.
Es werden zur besseren Vergleichbarkeit die gleichen Zeiträume wie im obigen Beispiel zum CCC verwendet. Ihre Ermittlung würde aber mit der exakten Methode durchgeführt.
Die Zeitspanne von 22 Tagen ergibt sich, indem die Zeiträume der Rohwaren- und der Fertigwarenbindung aus Abb. 2 addiert werden (36,5 + 31,3), wovon dann der Zeitraum der offenen Verbindlichkeiten von 45,6 Tagen abgezogen wird.
Für die Ermittlung der Zinsen sei ein Monatszinssatz von 0,5 % angenommen, der als Mischzinssatz von Eigen- und Fremdkapitalverzinsung (weighted cost of capital = Wacc) ermittelt wird. Seine Anwendung führt zu Zinsen i. H. v. 1,46 Mio. EURÜZP zum Übergabezeitpunkt.
Wenn sehr lange Zahlungsziele verhandelt wurden, welche dann über den Lieferzeitpunkt der Fertigware hinausgehen, können die Zinsen auch negativ sein. Dies gelingt einigen Handelskonzernen, welche das Geld für ihre Ware bereits kassiert haben, während die Lieferanten noch auf die Bezahlung ihrer Rechnungen warten.
Am Tag der Produktion erhöht sich der Wert des eingesetzten Kapitals um die Produktionskosten, was im Beispiel 300 Mio. EUR sind (Nr. 5). Diese werden ca. 31 Tage (Nr. 4) bis zum Übergabezeitpunkt hochgezinst, was zu einer Zinsbelastung von 1,5 Mio. EURÜZP führt.
Schließlich muss noch die Zinsbelastung durch die Zahlungsziele von 73 Tagen (Nr. 7) berücksichtigt werden. Der volle Nettoumsatzbetrag ist zum Übergabezeitpunkt weniger wert:
1.000 ÷ 1,005(73/[365/12]) = 988,1 Mio. EURÜZP |
Daraus ergibt sich eine Belastung von 11,9 Mio. EURÜZP. Diesen Betrag verliert das Unternehmen jährlich aufgrund der Kapitalbindung im Nettoumlaufvermögen.
Im Fall 2 hatten die Maßnahmen bei den Forderungen und den Verbindlichkeiten zu einer Reduktion der CCC geführt, was bereits oben schon als falsch entlarvt wurde. Die angestiegenen Zinszahlungen zum Übergabezeitpunkt (Nr. 10 in Abb. 3) zeigen, dass sich die Situation sogar verschlechtert hat.
Der CCC führt auch im Fall 3 zu einer falschen Schlussfolgerung. Er zeigt eine Zunahme der Tage, während die exakte Zinskalkulation eine Entlastung ausweist.
Die Vorteile der neuen Metrik können noch ausgebaut werden, wenn die Zinsverluste (14,9 Mio. EURÜZP für Fall 1) z. B. auf die Nettoumsätze, Rohertragsmargen, Deckungsbeiträge oder Gewinne bezogen werden. Es sei angenommen, dass in der betrachteten Periode ein operatives Ergebnis (vor Zinsen) von 40 Mio. EURÜZP erreicht wurde. Dann müssen 37,2 % des operativen Ergebnisses allein für die Verzinsung des Nettoumlaufvermögens verwendet werden. Dies stellt einen starken Anreiz zur Reduktion des Umlaufvermögens dar.
FAZIT | Das auf den ersten Blick überzeugende Konzept des CCC ist nicht geeignet, das Management des Nettoumlaufvermögens zuverlässig zu unterstützen. Objektive Verbesserungen können zu einer Verschlechterung des CCC führen.
Daher wurde mit den auf den Lieferzeitpunkt bezogenen Kapitalkosten nicht nur eine verbesserte Metrik vorgestellt, die bereits in der absoluten Form zeigt, wie hoch die finanzielle Last durch die Kapitalbindung im Umlaufvermögen ist, sondern in der relativen Form auch offenlegt, welche Ergebnisanteile für die Verzinsung des Umlaufvermögens geopfert werden müssen.
Generell sei zum Management des Nettoumlaufvermögens festgestellt, dass es nicht isoliert von den übrigen Managemententscheidungen durchgeführt werden darf. Gerade die Coronakrise zeigt, dass höhere Lagerbestände nicht nur als Kostenfaktor betrachtet werden dürfen. Die Maßnahmen müssen somit immer auch auf negative Folgen in anderen Unternehmensteilen überprüft werden. |
Weiterführende Literatur
- Brealey, R., Myers, S., Marcus, A.: Fundamentals of Corporate Finance, 10th Edition, New York 2020
- Hoberg, P. (2018a): Working Capital in der Investitionsrechnung, in: BBP 7/2018, Beihefter S. 1 ‒ 8
- Hoberg, P. (2018b): Einheiten in der Investitionsrechnung, in: WISU, 47. Jg., 4/2018, S. 468 ‒ 474
- Perridon, L., Steiner, M., Rathgeber, A.: Finanzwirtschaft der Unternehmung, 16. Auflage, München 2012
- Varnholt, N., Hoberg, P., Gerhards, R., Wilms, S.: Investitionsmanagement - Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Umsetzung mit SAP®, Berlin/Boston 2018