· Fachbeitrag · Bilanz
Rückstellung für nicht genommene Urlaubstage finanzamtskonform bilden
von Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de
| Nehmen Ihre Mitarbeiter die Urlaubstage im laufenden Jahr nicht vollständig in Anspruch, ist dies zunächst für Ihren Vermittlerbetrieb vorteilhaft. Denn es steht eine höhere Arbeitsleistung zur Verfügung, regelmäßig schlägt sich dies auch im Gewinn nieder. Doch im Folgejahr muss der Alturlaub regelmäßig genommen werden. Dies belastet den Gewinn. Um entsprechende Gewinnverschiebungen zu minimieren, ist für nicht genommene Urlaubstage eine Rückstellung zu bilden. VVP erläutert Ihnen die konkreten Rahmenbedingungen anhand eines Beispiels. |
Zwei Ermittlungsmöglichkeiten für die Rückstellung
Haben Ihre Mitarbeiter ihren Jahresurlaub nicht oder nicht vollständig im laufenden Geschäftsjahr genommen, besteht für Sie ein Erfüllungsrückstand. Da Sie jedoch nicht wissen, ob und wann Ihre Mitarbeiter den Resturlaub verbrauchen, liegt eine ungewisse Verbindlichkeit vor. Daraus resultiert die Verpflichtung, zum Ende des Geschäftsjahrs eine Urlaubsrückstellung zu bilden.
1. Individualberechnung
Grundsätzlich ist die Urlaubsrückstellung als Individualberechnung für jeden einzelnen Mitarbeiter zu ermitteln. Dabei müssen die auf den jeweiligen Mitarbeiter entfallenden Urlaubstage und anfallenden Aufwendungen konkret berechnet werden. Diese Variante ist insbesondere dann von Vorteil, wenn Sie die Rückstellung möglichst genau ermitteln möchten und im Idealfall über wenige Mitarbeiter verfügen.
2. Durchschnittsberechnung
Haben Sie eine größere Anzahl an Mitarbeitern, bietet sich die wesentlich einfachere Methode der sog. Durchschnittsberechnung an. Dabei sind zunächst sämtliche Mitarbeiter in Gruppen aufzuteilen, z. B. nach
- a) der Tätigkeit (z. B. sämtliche Bürokräfte, Außendienstmitarbeiter etc.),
- b) der beruflichen Stellung (z. B. Lohn- und Gehaltsempfänger, Minijobber) oder
- c) dem Umfang der Arbeitszeit (sämtliche Vollzeitkräfte, Teilzeitkräfte).
Es bietet sich regelmäßig an, die Kriterien miteinander zu kombinieren. Im zweiten Schritt wird mit Durchschnittswerten weitergerechnet.
Wichtig | Haben Sie sich für eine der Methoden entschieden, müssen Sie die Rückstellung auch in den Folgejahren nach entsprechender Methode ermitteln. Ein Wechsel ist nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig.
Maßgebende Berechnungspunkte für die Rückstellung
Für die Höhe der Rückstellung sind unabhängig von der gewählten Berechnungsmethode zunächst folgende Faktoren zu ermitteln:
- 1. Maßgebliches Urlaubsentgelt (Jahresarbeitsentgelt)
- 2. Arbeitstage je Jahr
- 3. Resturlaubstage
Dabei ist die Berechnung für steuerliche und handelsrechtliche Zwecke unterschiedlich. Denn der BFH hat mit Beschluss vom 29.01.2008 (Az. I B 100/07, Abruf-Nr. 081553) festgelegt, dass es sich für steuerliche Zwecke bei der Urlaubsrückstellung um eine Geldleistungsverpflichtung handelt. Diese ist danach zu bewerten, was am Bilanzstichtag aufgewendet werden müsste, um die Verpflichtung zu begleichen. Für handelsrechtliche Zwecke ist nach herrschender Meinung die Rückstellung danach zu bewerten, was im folgenden Jahr aufgewendet werden muss, um die Pflicht zu begleichen (Gewährung bezahlter Freizeit im Folgejahr). Je nach Berechnung der Rückstellung für die Steuer- oder Handelsbilanz sind deshalb andere Ausgangswerte heranzuziehen. Es gilt Folgendes:
1. Ermittlung des Urlaubsentgelts (Jahresarbeitsentgelt)
Maßgebend für die Steuerbilanz sind die jährlichen Bruttoarbeitslöhne bzw. Gehälter, die zum Bilanzstichtag vereinbart sind. Damit scheidet die Berücksichtigung künftiger Gehaltserhöhungen aus. Ebenfalls bleiben z. B. vermögenswirksame Leistungen außer Ansatz, weil es sich um keinen Bestandteil vom Lohn bzw. Gehalt handelt. Daneben sind die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen sowie die Beiträge zur Berufsgenossenschaft mit den jeweiligen Jahreswerten anzusetzen.
Sollten den Mitarbeitern Sonderzahlungen zustehen (z. B. Weihnachtsgeld), ist zu differenzieren: Soweit sich die Sonderzahlungen aus dem jeweiligen Tarif- oder Anstellungsvertrag ergeben und ohne weitere Vereinbarung jährlich gezahlt werden, sind sie in die Berechnung einzubeziehen. Handelt es sich aber um jährlich neu zu vereinbarende Sonderzahlungen (z. B. freiwilliges Weihnachtsgeld), darf dieses in der Berechnung nicht berücksichtigt werden. Die Berechnung kann deshalb wie folgt vorgenommen werden (BFH, Urteil vom 10.03.1993, Az. I R 70/91):
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Vereinbartes Bruttoarbeitsentgelt jährlich (ohne Gehaltssteigerungen) | |
./. | Anteile, die kein Lohnbestandteil sind (z. B. vermögenswirksame Leistungen) |
./. | Jährlich neu zu vereinbarende Sonderzahlungen |
+ | Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen (KV, PV, RV, AV) |
+ | Beiträge zur Berufsgenossenschaft |
+ | Urlaubsgeld, sofern es noch nicht ausgezahlt wurde |
+ | Sonstige lohnabhängige Nebenkosten |
= | Maßgebendes jährliches Urlaubsentgelt |
In der Handelsbilanz sind die im Folgejahr anfallenden Kosten maßgebend. Deshalb beziehen sich sämtliche dargestellten Berechnungspositionen auf die Werte des Folgejahres (Vorsichtsprinzip). So sind etwa Gehaltssteigerungen und Erhöhungen bei den Sozialversicherungen einzubeziehen. Ferner werden sämtliche fest zugesagten Sondervergütungen (z. B. ein Weihnachtsgeld) berücksichtigt. Gleiches gilt für vermögenswirksame Leistungen, Zuführungen zur betrieblichen Altersversorgung und Jubiläumsrückstellung sowie anteilige auf den Mitarbeiter entfallende Gemeinkosten.
2. Ermittlung der Arbeitstage je Jahr
Da es sich bei dem im ersten Schritt ermittelten Urlaubsentgelt um einen Jahresbetrag handelt, muss dieses durch die Anzahl der jährlichen Arbeitstage geteilt werden. So erhält man das Urlaubsentgelt je Urlaubstag.
Das Urlaubsentgelt ist in der Steuerbilanz durch die Zahl der regulären Arbeitstage zu teilen. Maßgebend sind bei einer Fünf-Tage-Woche (Montag bis Freitag) also grundsätzlich die Werktage, abzüglich der auf Werktage entfallenden Feiertage. Abzüge für Urlaubs- und Krankheitstage sind nicht vorzunehmen. Allerdings ist bei der Berechnung problematisch, dass die Anzahl der Feiertage von Bundesland zu Bundesland differieren und sich diese jährlich verschieben. Vereinfachend gestattet die Rechtsprechung des BFH daher, dass bei einer Fünf-Tage-Woche pauschal 250 Arbeitstage angesetzt werden (BFH, Beschluss vom 29.01.2008, Az. I B 100/07, Abruf-Nr. 081553).
Demgegenüber sind für die Handelsbilanz die im kommenden Jahr tatsächlich zu erwartenden Arbeitstage maßgebend. Folglich ist von den regulären Arbeitstagen (z. B. 52 Wochen x fünf Tage) abzgl. Feiertage sowie Urlaubs- und Krankheitstage (nach dem Durchschnitt der letzten Jahre) auszugehen. Die Anzahl ist folglich erheblich geringer als die Anzahl für die Steuerbilanz.
3. Ermittlung der Resturlaubstage
Die Ermittlung der Resturlaubstage ist für die Steuer- und Handelsbilanz identisch. Es wird die Summe der zum Bilanzstichtag noch nicht genommenen Urlaubstage des jeweiligen Arbeitnehmers ermittelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nur noch wirklich zustehende Urlaubstage anzusetzen sind. Sind Urlaubstage aus Altjahren bereits verfallen (regelmäßig, wenn diese nicht innerhalb der ersten drei Monate des Folgejahrs genommen werden), dürfen diese nicht berücksichtigt werden. Bei Urlaubstagen aus Altjahren ist daher stets zu prüfen, ob der Anspruch noch besteht (z. B. wegen Elternzeit, längerer Erkrankung des Mitarbeiters etc.) oder bereits verfallen ist.
Ermittlung der Urlaubsrückstellung
Nachdem die obigen drei Faktoren ermittelt wurden, lässt sich aus diesen die Höhe der Rückstellung sowohl für die Steuer- als auch für die Handelsbilanz einfach berechnen. Es wird das Ergebnis zu 1. genommen (Urlaubsentgelt) durch das Ergebnis zu 2. geteilt (Arbeitstage je Jahr) und mit dem Ergebnis zu 3. multipliziert (Resturlaubstage). Da Urlaubstage im kommenden Jahr genommen werden und die Rückstellung damit weniger als zwölf Monate läuft, unterbleibt sowohl in der Steuer- als auch in der Handelsbilanz eine Abzinsung (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e EStG bzw. § 253 Abs. 2 S. 1 HGB).
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Urlaubsentgelt : Arbeitstage x Resturlaubstage = Rückstellung |
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Im Betrieb des V haben die zwei Innendienstkräfte Janssen und Schuster (Vollzeit, 5-Tage-Woche) zum Jahresende ihren Urlaub nicht vollständig genommen. V zahlt das Weihnachtsgeld freiwillig. Die Arbeitgeberanteile zu den Sozialversicherungen betragen 20 Prozent. V hat folgende Zahlen ermittelt:
Berechnung der Rückstellung nach der Individualberechnung
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Berechnung der Rückstellung nach der Durchschnittsberechnung:
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Rückstellung in der Bilanz
Die nach entsprechenden Grundsätzen ermittelte Rückstellung ist auf der Passivseite Ihrer Bilanz auszuweisen. Bilden Sie die Rückstellung zum ersten Mal, mindert sich Ihr Gewinn damit um den Rückstellungsbetrag. Sie generieren folglich ‒ durch den vorgezogenen Steuervorteil ‒ einen Liquiditätsvorteil. Zudem wird durch die Rückstellung die Mehrarbeit Ihrer Mitarbeiter, die sich regelmäßig in einem höheren Unternehmensgewinn niedergeschlagen hat, kompensiert.
Fortschreibung der Rückstellung ‒ Rückstellung zum 31.12. des Folgejahres
Die Höhe von Rückstellungen ist jährlich neu zu ermitteln und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Denn die Anzahl nicht genommener Urlaubstage und Lohnkosten differieren regelmäßig von Jahr zu Jahr. Folglich ist die bisherige Rückstellung gewinnwirksam aufzulösen (der ursprüngliche Urlaub wurde genommen) und für neuen ‒ nicht genommenen ‒ Urlaub eine neue Rückstellung gewinnwirksam zu bilden.
PRAXISTIPP | Zur Vereinfachung kann lediglich der Saldo beider Rückstellungen miteinander verglichen werden. Ist die neue Rückstellung höher, wird der bisherige Rückstellungsbetrag auf die neue Höhe angepasst. Die Differenz ist als Aufwand abzugsfähig und mindert den Gewinn. Ist die neue Rückstellung niedriger, wird der bisherige Rückstellungsbetrag auf den neuen Betrag gemindert. Die negative Differenz ist als Ertrag zu versteuern und erhöht den Gewinn. |
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Versicherungsvermittler V hat zum 31.12.2020 eine Urlaubsrückstellung in Höhe von 10.000 Euro ermittelt und entsprechend bilanziert. Zum 31.12.2021 ermittelt er die Rückstellung erneut und errechnet
Lösung: Die Urlaubsrückstellung zum 31.12.2021 ist an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Wurde die Rückstellung zum 31.12.2020 noch nicht gewinnwirksam aufgelöst, kann vereinfachend der Saldo entsprechender Beträge miteinander vergleichen und die Differenz berücksichtigt werden.
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Rückstellung für Urlaub nicht mit Überstunden verwechseln!
Hat Ihr Mitarbeiter zum Bilanzstichtag auch vergütungsfähige Überstunden angesammelt, können Sie dafür keine Rückstellung bilden. Denn es handelt sich um keine ungewisse Verbindlichkeit (der Lohn/die Überstundenvergütung stehen fest). Allerdings sind Überstundenvergütungen und noch nicht ausgezahlte Arbeitslöhne als Verbindlichkeit in der Bilanz auszuweisen und wirken sich gewinntechnisch wie Rückstellungen aus.