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· Fachbeitrag · Bilanzierung

Immer wieder übersehen ‒ 10 typische Fehler bei der Jahresabschlusserstellung

von WP StB Dipl.-Kfm. Lukas Graf, Meißen

| Bei der Jahresabschlusserstellung schleichen sich immer mal wieder (kleine) Fehler ein. Nachfolgend werden 10 typische Aspekte bzw. Fehlerquellen aufgezeigt, die es zu vermeiden gilt. |

1. Inventur: Körperliche Aufnahme und Anlagenlisten

Nach § 240 Abs. 2 HGB sind zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres alle Vermögensgegenstände und Schulden aufzunehmen. Es ist also eine Inventur zu machen. Nach § 241 Abs. 2 HGB bedarf es indes keiner körperlichen Bestandsaufnahme am Abschlussstichtag, wenn der Bestand der Vermögensgegenstände für den Abschlussstichtag durch ein anderes ordnungsmäßiges Verfahren festgestellt werden kann. Zu diesen anderen Verfahren gehört insbesondere die permanente Inventur, die viele Steuerberater für die Bestandsführung im Anlagevermögen verwenden. Dabei werden die Zu- und Abgänge bereits im Rahmen der laufenden Buchführung erfasst.

 

Außerhalb der laufenden Zu- und Abgänge mangelt es aber oft an den erforderlichen Inventurmaßnahmen. So fehlen oft die erforderlichen Aufräumarbeiten bei den nicht mehr nutzbaren, in der Regel voll abgeschriebenen Vermögensgegenständen. In Anlagenlisten finden sich immer wieder Uralt-Laptops, veraltete Nadeldrucker oder nicht mehr genutzte GWG. Es gilt: Was nicht mehr nutzbar ist, gehört nicht in die Anlagenliste!

 

Oft fehlt es auch an einer ausreichenden Dokumentation der permanenten Inventur: Denn auch bei einer permanenten Inventur müssen alle Vermögensgegenstände einmal im Jahr aufgenommen werden. Dabei hat der Kaufmann auch entsprechenden Abwertungsbedarf zu prüfen (z. B. wirtschaftliche Überholung, Schäden, Zerstörung, Diebstahl).

 

PRAXISTIPP | Nach Erstellung der Dezember-Buchhaltung sollte die Anlagenliste dem Geschäftsführer oder dem Leiter Rechnungswesen zur Durchsicht vorgelegt werden ‒ mit der Bitte um Mitteilung von Beschädigungen, sonstigen Wertminderungen, Bestandsverlusten und nicht mehr nutzbaren Vermögensgegenständen. Übrigens: Wenn bei der permanenten Inventur unterjährig nicht alle Bestände einmal gezählt wurden, kann die Inventur nach den Grundsätzen der nachverlegten Inventur (§ 241 Abs. 3 Nr. 1 HGB) noch bis zwei Monate nach dem Abschlussstichtag vorgenommen werden.

 

2. Kreditkartenzahlungen und PayPal: Ausweis der Guthaben

Viele Unternehmen erlauben ihren Kunden eine Zahlung mit Kredit- oder EC-Karte. Angenommene Kartenzahlungen werden in vielen Buchhaltungen von den Debitorenkonten runter auf ein Verrechnungskonto gebucht. Diese Verrechnungskonten werden dann zumeist unter den liquiden Mitteln ausgewiesen. Dies ist allerdings nach herrschender Auffassung (vgl. u. a. Beck’scher Bilanz-Kommentar, 11. Auflage, § 266, Rz. 113) nicht zutreffend. Wesentliches Argument ist, dass die Zahlung noch zurückgegeben werden kann. Der Ausweis sollte deshalb auf einem gesonderten Konto unter den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfolgen.

 

MERKE | Anders ist dies bei PayPal: Da PayPal (Europe) S.à r.l. et Cie, S.C.A. in Luxemburg als Kreditinstitut lizenziert ist, ist das PayPal-Konto als Guthaben bei Kreditinstituten auszuweisen. Denn hierzu gehören nicht nur Guthaben bei Kreditinstituten i. S. des § 1 KWG, sondern auch Guthaben bei vergleichbaren ausländischen Kreditinstituten (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, a. a. O., Rz. 154).

 

3. Ausweis von Rückdeckungsversicherungen

Rückdeckungsversicherungen dienen der Absicherung von Pensionsverpflichtungen. Sie werden oft unter den sonstigen Vermögensgegenständen gezeigt. Dies erleichtert die Buchung der jährlichen Zuführungen. Im Umlaufvermögen dürfen aber nur Vermögensgegenstände gezeigt werden, die nicht dauerhaft dem Geschäftsbetrieb dienen bzw. zur Veräußerung bestimmt sind. Dies trifft auf die meisten Rückdeckungsversicherungen indes nicht zu. In der Regel sind Rückdeckungsversicherungen unter einem gesonderten Posten im Finanzanlagevermögen zu zeigen und auch in den Anlagespiegel aufzunehmen.

 

Beachten Sie | Soweit die Rückdeckungsverpflichtung aber verpfändet ist, liegt sogenanntes Deckungsvermögen vor. Dieses ist mit der Pensionsrückstellung zu saldieren bzw. als aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung auszuweisen (§ 246 Abs. 2 HGB). Steuerlich ist der Saldierung jedoch nicht zu folgen (§ 5 Abs. 1a S. 1 EStG).

4. Pauschalwertberichtigungen

Pauschalwertberichtigungen auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden in der Regel standardmäßig angesetzt. In den Arbeitspapieren zur Jahresabschlusserstellung sind die üblichen 1 % oft schon vorgesehen. Diese 1%ige Abwertung wird von den FÄ in der Regel auch steuerlich anstandslos akzeptiert.

 

In einigen Fällen wird aber übersehen, dass eine höhere Pauschalwertberichtigung erforderlich ist. Dies ist regelmäßig bei der Einräumung von Skonti ‒ z. B. mit 2 % ‒ erforderlich. Werden Skonti regelmäßig gezogen, reichen die 1 % nicht, um die tatsächliche Wertminderung abzubilden.

 

PRAXISTIPP | Im Rahmen der Jahresabschlusserstellung sollte immer der Nachweis der tatsächlichen Wertminderungen dokumentiert werden. Bei einer durchschnittlichen Skontoquote von 1,50 % und Forderungsausfällen von 0,75 % ist eine Pauschalwertberichtigung von 2,25 % sachgerecht.

 

5. Vereinfachungsmöglichkeiten bei aktiven RAP

Bei den aktiven Rechnungsabgrenzungsposten werden oft auch kleine Beträge abgegrenzt ‒ und das mit großem Aufwand. Hier kann man sich das Leben aber auch einfacher machen. Denn nach einer Entscheidung des BFH (18.3.10, X R 20/09) kann in den Fällen auf eine Abgrenzung verzichtet werden, in denen der Wert des einzelnen Abgrenzungspostens 410 EUR nicht übersteigt. Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit ist dies auch in der Handelsbilanz zulässig.

 

Beachten Sie | Da sich der BFH in seinem Urteil „... an den jeweiligen Grenzen des § 6 Abs. 2 EStG (in seiner jeweiligen für den betreffenden VZ geltenden Fassung)“ orientiert, müsste ab 2018 auf eine Abgrenzung verzichtet werden können, wenn der Wert des einzelnen Abgrenzungspostens 800 EUR nicht übersteigt (vgl. hierzu auch MBP 18, 102).

 

PRAXISTIPP | Bei der Behandlung von geringwertigen Wirtschaftsgütern ist zu konstatieren, dass ein ggf. gebildeter Sammelposten (§ 6 Abs. 2a EStG) auch in der Handelsbilanz (trotz Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes) anzuerkennen ist. Dies gilt allerdings nur, wenn der Sammelposten insgesamt von untergeordneter Bedeutung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ist (vgl. IDW-Life 17, 848).

 

6. Latente Steuern

Bei temporären Abweichungen zwischen handels- und steuerrechtlichen Ansätzen sind nach § 274 HGB latente Steuern anzusetzen ‒ und zwar

 

  • aktive latente Steuern, wenn die Ertragsteuern im Verhältnis zum Handelsbilanzgewinn zu hoch sind (Beispiel: handelsrechtliche Drohverlustrückstellung, die nach § 5 Abs. 4a EStG steuerlich nicht anzuerkennen ist).

 

  • passive latente Steuern, wenn die Ertragsteuern im Verhältnis zum Handelsbilanzgewinn zu niedrig sind (Beispiel: Ansatz von selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen in der Handelsbilanz; Ansatzverbot in der Steuerbilanz).

 

Nach § 274 HGB sind passive Steuerlatenzen verpflichtend anzusetzen, wohingegen es bei einem Überhang an aktiven latenten Steuern ein Aktivierungswahlrecht gibt. Nach § 274 Abs. 1 S. 3 HGB ist auch ein unsaldierter Ausweis von aktiven und passiven Steuerlatenzen möglich.

 

Beachten Sie | Für kleine Gesellschaften sieht § 274a Nr. 4 HGB eine (generelle) Befreiung für die Abgrenzung latenter Steuern vor. Hier wird aber oft übersehen, dass § 274a Nr. 4 HGB kleine Gesellschaften gleichwohl nicht von der Ermittlung solcher passiver latenter Steuern befreit, die gleichzeitig die Tatbestandsvoraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB erfüllen (so z. B. IDW RS HFA 7; andere Auffassung BStBK [DStR 12, 2296]).

7. Rückstellung für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen

Für die zu erwartenden Aufwendungen für die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen ist sowohl handels- als auch steuerrechtlich eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden, da hierfür eine öffentlich-rechtliche Aufbewahrungspflicht (§ 257 HGB, § 147 AO sowie Einzelsteuergesetze) besteht. Dies wird inzwischen in den meisten Abschlüssen auch umgesetzt ‒ nicht aber die Berücksichtigung der Aufwendungen für die Aufbewahrung digitaler Unterlagen. Soweit neben der Aufbewahrung in Papier auch digitale Unterlagen aufzubewahren sind, sind auch dafür Rückstellungen anzusetzen.

 

Beachten Sie | Soweit aber eine Doppelaufbewahrung erfolgt, ist Vorsicht geboten. So dürfte z. B. beim ersetzenden Scannen eine Rückstellung für die Aufbewahrung von Papierdoppeln ausscheiden, da es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung hier um eine freiwillige Aufbewahrung handelt (BMF 14.11.14, IV A 4 - S 0316/13/10003, Rz. 139).

 

Oft ist nicht bekannt, dass es auch Aufbewahrungspflichten aus anderen Gesetzen gibt. Wie das folgende Beispiel zeigt, sind Aufbewahrungsrückstellungen bei einem Krankenhaus ‒ anders als bei gewerblichen Unternehmen ‒ keine bilanzrechtliche Petitesse!

 

  • Beispiel

Nach § 85 Abs. 2 des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) sind z. B. Röntgenbilder, digitale Bilddaten und sonstige Untersuchungsdaten aufzubewahren, und zwar grundsätzlich

  • im Falle von Behandlungen für eine Dauer von 30 Jahren,
  • im Falle von Untersuchungen
    • einer volljährigen Person für eine Dauer von 10 Jahren,
    • bei einer minderjährigen Person bis zur Vollendung ihres 28. Lebensjahres.
 

8. Garantie- und Kulanzfälle

Die Ansetzbarkeit von Garantie- und Kulanzrückstellungen in Handels- und Steuerbilanz ist unstreitig. Diese Rückstellung kann für Einzelfälle als auch pauschal für die Gesamtheit der Garantierisiken erforderlich sein.

 

Bei den pauschalen Rückstellungen fehlt es in der Praxis oft an einer gesicherten Datenbasis für die Bewertung der Rückstellung. Zwar akzeptiert die Finanzverwaltung bei Unternehmen mit typischerweise garantiebehafteten Umsätzen oft auch eine pauschal ermittelte Rückstellung (berechnet als Prozentsatz auf den noch garantiebehafteten Umsatz). Dies muss aber nicht ausreichend sein.

 

PRAXISTIPP | In vielen Unternehmen werden Garantiefälle nicht ausreichend dokumentiert bzw. die damit verbundenen internen Aufwendungen (z. B. für die Nachbearbeitung eines reklamierten Teils) nicht erfasst. Hier gilt es, Abhilfe zu schaffen (z. B. Erfassung von Fallzahlen, Dokumentation des verwendeten Materials und der aufgewandten Zeit).

 

9. Umsatzerlöse versus sonstige betriebliche Erträge

Mit dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG, BGBl I 15, 1245) wurde der Begriff der Umsatzerlöse neu geregelt. Danach sind Dienstleistungen (auch wenn nur gelegentlich erbracht) regelmäßig nach § 277 Abs. 1 HGB als Umsatzerlöse zu zeigen. Dies betrifft z. B. Miet- und Pachteinnahmen. In den Jahresabschlüssen findet sich aber immer noch der ein oder andere sonstige betriebliche Ertrag, der eigentlich ein Umsatzerlös ist.

 

Beachten Sie | Soweit eine Umgliederung zu den Umsatzerlösen erfolgt, sind auch die damit zusammenhängenden Leistungsbezüge umzugliedern (z. B. von den sonstigen betrieblichen Aufwendungen zum Materialaufwand).

 

MERKE | Aber auch nach BilRUG sind nicht alle Erträge als Umsatzerlöse auszuweisen. So ist z. B. der Umsatz aus der Veräußerung von Sachanlagevermögen in der Regel netto im Rahmen der Gewinne oder Verluste aus dem Abgang von Sachanlagevermögen zu zeigen. Soweit der Verkauf von Anlagevermögen aber Vermögensgegenstände umfasst, die zum typischen Geschäftsbetrieb gehören, liegen Umsatzerlöse vor. So ist bei Autohäusern der Verkauf von Miet- oder Vorführwagen als Umsatz und nicht als sonstiger betrieblicher Ertrag zu zeigen.

 

10. Periodenfremde Aufwendungen und Erträge

Periodenfremde Aufwendungen und Erträge sind nach § 285 Nr. 32 HGB im Anhang anzugeben, um den Bilanzleser über sich daraus ergebende Ergebnisverzerrungen zu informieren. Voraussetzung für eine Angabepflicht ist, dass die Beträge nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Ferner sind kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften nach § 288 HGB von einer Angabepflicht befreit. Dennoch finden sich in vielen Buchhaltungen Konten mit periodenfremden Aufwendungen und Erträgen, die eine bedeutungslose Höhe aufweisen.

 

  • Beispiel

Im Jahresabschluss 2017 wurde eine Rückstellung für Jahresabschlusskosten von 10.000 EUR gebildet. Die Rechnung des StB für 2017 beläuft sich in 2018 auf 10.450 EUR. Der Buchhalter bucht 10.000 EUR auf das Konto Jahresabschlusskosten, die er durch den Verbrauch der Rückstellung neutralisiert, und 450 EUR als periodenfremden Aufwand.

 

Was zunächst nach besonders genauer Buchführung aussieht, ist letztlich wenig hilfreich: Denn die Jahresabschlusskosten werden bei einer solchen Buchungstechnik in der Totalperiode nicht vollständig ausgewiesen. Nutzt man das Vorjahr als Planungsgrundlage, geht man von zu niedrigen Jahresabschlusskosten aus.

 

Bei wesentlichen Beträgen ist dies anders. Hier kann eine Buchung als periodenfremd schon für Zwecke der BWA sinnvoll sein. Eine generelle Vorerfassung, damit später nichts vergessen wird, ist dagegen wenig sinnvoll. Dass versehentlich etwas vergessen wird, ist bei sorgfältiger Arbeitsweise auch nicht sehr wahrscheinlich. Der Grundsatz bei der Buchung sollte also sein: Aufwendungen gehören zunächst auf die richtigen Sachkonten!

Quelle: Seite 50 | ID 45737772