· Biofilm
Parodontitis: Sind Amöben an schweren Zahnfleischentzündungen beteiligt?

| Oft sind die Heilungserfolge der Parodontitis nur von geringer Dauer. Ursache könnte das hohe krankheitserregende Potenzial der bisher unbeachtet gebliebenen ‒ aber sehr häufigen ‒ Amöbe Entamoeba gingivalis sein. In Analysen des parodontalen Biofilms zeigte sich, dass neben Bakterien auch Protozoen darin vorkommen: In 6 bis 38,5 % der Proben von Personen mit Parodontitis wurde Trichomonas tenax nachgewiesen und in 12 bis 69 % der Proben verschiedene Stämme von Entamoeba gingivalis. |
Parallelen zur Amöbenruhr
Forscher an der Charité ‒ Universitätsmedizin Berlin konnten nachweisen, dass die Entamoeba gingivalis (E. gingivalis) an Gewebezerstörungen und starken Entzündungsreaktionen beteiligt ist. Betroffen sind vor allem Patienten mit schweren, mitunter wiederkehrenden Zahnfleischentzündungen. Der im Mund häufig vorkommende einzellige Parasit besiedelt in hoher Anzahl die Mundhöhle.
Die E. gingivalis ist verwandt mit der Entamoeba histolytica (E. histolytica), die im Darm die Amöbenruhr auslöst. Sie verhält sich auch ähnlich:
- Der Parasit dringt in das Zahnfleischgewebe ein und zerstört dieses, indem er sich von den Gewebezellen ernährt.
- Die bakterielle Vielfalt der Mundhöhle nimmt ab.
- Die Häufigkeit von E. gingivalis nimmt bei einer schweren Parodontitis sehr stark zu.
Amöben bei vier von fünf Parodontitispatienten gefunden
Das Team um Professor Dr. Arne Schäfer ‒ Leiter der Forschungsabteilung für Parodontologie am Institut für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité ‒ konnte das Zusammenspiel zeigen, das zwischen oraler Entzündung und Besiedlung der Mundschleimhaut durch die E. gingivalis stattfindet.
Die Forscher untersuchten entzündete Zahnfleischtaschen und fanden die Amöben bei etwa 80 % der Parodontitispatienten, aber nur bei 15 % der gesunden Probanden. Sie konnten beobachten, dass die Parasiten in das Zahnfleisch eindringen, sich dort fortbewegen und den Inhalt der Zellen in sich aufnehmen. Dadurch werden die Wirtszellen getötet.
MERKE | Experimente mit Zellkulturen bestätigten diese Beobachtung: Die Infektion mit E. gingivalis verlangsamte das Wachstum von Zellen und führte schließlich zum Zelltod. |
Schlussfolgerung für die Praxis
Die Forscher sehen deutliche Parallelen zur Entstehung einer Amöbenruhr: „E. gingivalis trägt im Zahnfleisch aktiv zur Gewebszerstörung bei und aktiviert dieselben Abwehrmechanismen des menschlichen Wirtes wie E. histolytica während der Invasion in die Darmschleimhaut. Der durch einfache Tröpfcheninfektion übertragbare Parasit ist somit ein möglicher Verursacher schwerwiegender oraler Entzündungskrankheiten“, so Professor Schäfer.
FAZIT | Oft währt der Erfolg einer Parodontitistherapie nur kurz. Die E. gingivalils könnte die Ursache dafür sein. „Bislang werden weder die Infektion noch die erfolgreiche Eliminierung dieses Parasiten in der Therapie einer Parodontitis berücksichtigt“, erklärt Prof. Schäfer. Eine klinische Studie soll klären, wie sehr eine Beseitigung der Amöben den Therapieerfolg steigern kann. |
QuelleN
- [1] „Amöben an schweren Zahnfleischentzündungen beteiligt“. Pressemitteilung der Charité Universitätsmedizin Berlin vom 15.04.2020.
- [2] Bao X et al. Entamoeba gingivalis causes oral inflammation and tissue destruction. J Dent Res 2020; 99 (5): 561‒567.
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