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· Fachbeitrag · Büroführung

Unterschiedliche Versendungsarten: So lässt sich der Zugang von Schriftverkehr beweisen

| Oft kommt es zwischen Versicherer und Versicherungsvermittler bzw. Kunden zum Streit über den Zugang eines Schriftstücks. Dreh- und Angelpunkt des Streits ist die Beweisbarkeit des Zugangs von rechtserheblichen Willenserklärungen. Häufig ist das der Fall z. B. bei einer Kündigung von Verträgen, der Zurückweisung einer Maklervollmacht, einer Mahnung wegen nicht gezahlter Prämien oder einer vom Versicherer angeblich versendeten Police. VVP erläutert, mit welcher Versendungsart sich der Zugang eines Schreibens und seines Inhalts am ehesten beweisen lässt. |

Beweis des Zugangs eines Schreibens

Die meisten Briefe werden mit normaler Post, Fax oder E-Mail versendet. Nur in Ausnahmefällen werden kostenintensivere Versendungsarten gewählt, wie das Einwurf-Einschreiben oder das Einschreiben mit Rückschein. Die Beweislast für den Zugang der Briefe trägt immer der, der sich darauf beruft.

 

Das Ergebnis vorweg: Je wichtiger die abgegebene Willenserklärung ist (z. B. die Kündigung eines „großen“ Versicherungsvertrags), desto eher sollten Sie bzw. Ihre Kunden die Versendungsart Einwurf- bzw. Übergabe-Einschreiben oder Einschreiben mit Rückschein wählen. Das gilt insbesondere, wenn mit etwaigen Zugangs-Spielereien der Versicherer-Gegenseite gerechnet werden muss. Umgekehrt gilt natürlich auch, dass Sie das Wissen um die Zugangsthematik nutzen können, um für sich selbst bzw. für Ihre Kunden die eine oder andere Situation „meistern“ zu können.

 

Die Erkenntnis hierüber bedeutet einen entscheidenden Vorteil. Lesen Sie nachfolgend, mit welcher Versendungsart Sie den Zugang nicht bzw. mit welcher Sie ihn einigermaßen sicher beweisen können.

 

Normal versendete Briefe und Postsendungen

Bei normal versendeter Post kann der Zugang nicht bewiesen werden. Hier besteht auch kein Anscheinsbeweis dafür, dass ein in einen Briefkasten geworfener Brief den Empfänger erreicht hat.

 

PRAXISTIPP |  Bewiesen werden kann der Zugang nur, wenn auf das Schreiben im weiteren Schriftwechsel (insbesondere von der Gegenseite) Bezug genommen oder der Eingang des Schreibens schriftlich bestätigt wird.

 

Fax

Beim Fax genügt der Sendebericht zum Beweis des Zugangs nicht (BGH, Beschluss vom 21.07.2011, Az. IX ZR 148/10, Abruf-Nr. 130135). Der Sendebericht beweist nur die Verbindung zwischen dem Sende- und Empfangsgerät, nicht aber die geglückte Datenübermittlung.

 

PRAXISTIPP | Der Sendebericht reicht als Beweis nur, wenn weitere Umstände hinzu kommen, die auf den Zugang des Faxes schließen lassen.

 

Anders sehen das einige Oberlandesgerichte: Versicherungsverträge können auch per Telefax gekündigt werden (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2008, Az. 12 U 65/08, Abruf-Nr. 083199 und OLG Celle, Urteil vom 19.06.2008, Az. 8 U 80/07, Abruf-Nr. 083305). Liegt dem Versicherungsnehmer ein Sendebericht mit einem „O.K.-Vermerk“ vor, so ist nach deren Ansicht dem Versicherer das Kündigungsschreiben ordnungsgemäß zugestellt worden.

 

E-Mail

Der Absender, der das Verschicken der E-Mail z. B. durch Ausdrucken der versandten Nachricht nachzuweisen versucht, schafft damit noch keinen Anscheinsbeweis für den Eingang der E-Mail in der Mailbox des Empfängers. Vielmehr geht eine E-Mail erst zu, wenn sie in der Mailbox des Empfängers oder dessen Provider abrufbar gespeichert wird. Diesen Umstand muss derjenige beweisen, der sich auf den Zugang beruft (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.11.2012, Az. 15 Ta 2066/12, Abruf-Nr. 146621).

 

Auch das LAG Köln sieht allein in der Absendung der E-Mail keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Denn es ist technisch durchaus möglich, dass eine E-Mail den Empfänger entweder gar nicht oder mit einer zeitlichen Verzögerung erreicht, was insbesondere bei fristwahrenden Erklärungen entscheidend sein kann (LAG Köln, Urteil vom 11.01.2022, Az. 4 Sa 315/21, Abruf-Nr. 227571, VVP 4/2022, Seite 1 → Abruf-Nr. 48033939).

 

PRAXISTIPP | Als Versender tragen Sie das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, sollten Sie gerade bei fristwahrenden Erklärungen eine Lesebestätigung anfordern.

 

Einer E-Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur nach dem Signaturgesetz kommt aufgrund des gesetzlichen Echtheitsanscheins vor Gericht ein hoher Beweiswert zu. Die Vorschriften über die Beweiskraft privater Urkunden sind entsprechend anwendbar (§ 371a ZPO). Hat der bestreitende Gegner ernstliche Zweifel an der Urheberschaft des Signaturschlüssel-Inhabers, muss er diesbezüglich den Gegenbeweis erbringen; nur so kann der gesetzliche Echtheitsanschein ausgehebelt werden. Aber: Die Signierung nach dem Signaturgesetz wird in der Praxis als wenig praktikabel angesehen.

 

Standard-Einschreiben

Beim Standard-Einschreiben quittiert der Empfänger oder ein Empfangsberechtigter bzw. ein besonders Bevollmächtigter zwar den Erhalt eines Briefes. Für dessen Zugang hat die Rechtsprechung aber ebenfalls noch keinen Anscheinsbeweis anerkannt. Auch der Benachrichtigungszettel des Postboten bei Abwesenheit des Empfängers beweist nicht den Zugang.

 

PRAXISTIPP | Beim Standard-Einschreiben kann lediglich die Absendung bewiesen werden. Das aber ist ohne Bedeutung. Auch hier müssen weitere Umstände hinzu kommen, die auf den Zugang schließen lassen.

 

Einwurf-Einschreiben oder Übergabe-Einschreiben (Eigenhändig)

Ein Teil der Rechtsprechung bejaht den Anscheinsbeweis für den Zugang eines Einwurf-Einschreibens. Das setzt allerdings voraus, dass der Briefkasten-Einwurf ordnungsgemäß dokumentiert worden ist. Nach den Richtlinien der Post muss der Zustellungsbescheid erst nach Einwurf der Sendung beim Empfänger ausgestellt und dem Absender zugestellt werden (AG Paderborn, Urteil vom 03.08.2000, Az. 51 C 76/00, Abruf-Nr. 146622). Es gibt jedoch auch Rechtsprechung, die einen Anscheinsbeweis im Einzelfall verneint (AG Kempen, Urteil vom 22.08.2006, Az. 11 C 432/05, Abruf-Nr. 146623).

 

Beim Übergabe-Einschreiben wird das Schriftstück persönlich an den Empfänger oder an einen besonders Bevollmächtigten ausgehändigt. Die persönliche Aushändigung gilt als zugangssicher (BGH, Urteil vom 23.11.1997, Az. VIII ZR 22/97, Abruf-Nr. 146624).

 

Einschreiben mit Rückschein

Das Einschreiben mit Rückschein ist gesetzlich geregelt (§ 175 ZPO). Daraus lässt sich folgern, dass der Gesetzgeber diese Versendungsart auch für das Privatrecht als besonders zuverlässig ansieht. Aber auch diese Versendungsart ist problematisch, wenn der Empfänger (insbesondere im privaten Bereich) das Einschreiben wegen Abwesenheit nicht entgegennimmt (bei Versicherern gibt es immer einen Empfangsberechtigten) und das Schreiben trotz postalischer Benachrichtigung nicht rechtzeitig bei der Postlagerstelle abholt. Dann entscheidet der Einzelfall, ob von einem Zugang ausgegangen werden kann. Eine einheitliche Rechtsprechung hierzu gibt es nicht.

Beweis des Inhalts des Schreibens

Der Zugang eines Briefes ‒ und das gilt für alle physischen Versandarten ‒ sagt aber noch nichts darüber aus, welchen Inhalt dieser Brief hatte. Den Inhalt muss im Bestreitensfalle der Erklärende beweisen. Der Beweis dafür kann in der Regel nur dadurch erbracht werden, dass beim Kuvertieren des Briefes ein Zeuge zugegen ist bzw. dieser mit seiner Aussage belegen kann, dass der Brief mit dem bestrittenen Inhalt (ggf. von ihm selbst) zur Post gebracht worden ist.

 

Das vorstehende Problem löst die Zustellung eines Schriftstücks durch einen Gerichtsvollzieher (§ 192 f. ZPO). Er beurkundet nicht nur die Zustellung eines Briefes beliebigen Inhalts, sondern auch die des konkreten Dokuments, mit dessen Zustellung er beauftragt wurde. Die Zustellungsurkunde übermittelt er wiederum dem Auftraggeber. Somit kann der Zugang eines Dokuments bestimmten Inhalts bewiesen werden. Die Kosten für die Zustellung sind abhängig von der Entfernung bzw. der Kilometerpauschale.

 

FAZIT | Je günstiger die Versendungsart ist, desto weniger zugangssicher ist sie. Je wichtiger ein zu versendendes Dokument ist, desto zugangssicherer sollte es übermittelt werden, z. B. mittels Einwurf- bzw. Übergabe-Einschreiben oder Einschreiben mit Rückschein. Absolut zugangssicher auch hinsichtlich des Inhalts eines Schreibens ist nur die persönliche Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher.

 

 

Quelle: Seite 14 | ID 47971728