Checkliste / 15 goldene Regeln zum Unternehmertestament |
- 1. Zum Start sollten immer drei Fragen beantwortet werden:
- a) Was habe ich? t‒ Bestandsaufnahme
- b) Wer soll was bekommen? ‒ Willensbildung
- c) Wie kann ich meine Ziele rechtssicher erreichen? ‒ Umsetzung
- Denn: Der Berater kann nur dann sinnvoll beraten, wenn er das Vermögen, den Willen und die rechtlichen und steuerlichen Möglichkeiten kennt.
- 2. Prüfen der gesetzlichen Erbfolge
- Hier ist zu klären, ob die gesetzliche Erbfolge, die ohne abweichende Testamente greift, nicht schon dem Willen der Beteiligten entspricht. Nur wenn nicht, macht es überhaupt Sinn, eine gesonderte Regelung zu treffen.
- Beispielsfall: Hier sähe die gesetzliche Erbfolge, also diejenige, die ohne ein Testament oder einen Erbvertrag nach §§ 1923 ff. BGB vorläge, wie folgt aus: Der überlebende Ehegatte würde 1/2 erben, die drei Kinder gemeinsam die andere Hälfte, also je 1/6. Diese gesetzliche Erbfolge wird bei Pflichtteilsfragen relevant (Ableitung der Pflichtteilsquote).
- 3. Testament oder Erbvertrag vorhanden?
- a) Testamente sind einseitige oder gemeinsam von Ehegatten bestimmte Regelungen, was im Todesfall geschehen soll. Testamente können handschriftlich i. S. d. § 2247 BGB oder notariell (§ 2231 BGB) erstellt werden.
- b) Erbverträge sind letztlich vertragliche Regelungen darüber, was beim Todesfall einer der Parteien geschehen soll. Häufig wird eine Erbeinsetzung mit einer Gegenleistung verbunden (Beispiel: Als Belohnung für Pflegeleistungen wird jemand als Erbe eingesetzt). Erbverträge sind immer notariell zu beurkunden (§ 2276 BGB).
- Erbverträge und Testamente unterscheiden sich dadurch, dass Testamente regelmäßig frei widerrufbar und abänderbar sind (Ausnahmen s. unten), Erbverträge aber regelmäßig nicht.
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- Was genau ist dort geregelt? Was muss gegebenenfalls angepasst werden? Beispiel: Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein und provozieren somit Pflichtteilsrechte (s. Punkt 6).
- 4. Hat die getroffene Erbregelung Bindungswirkung? Wenn ja: Kann diese wieder aufgehoben werden?
- Grundsätzlich gibt es keine Bindungswirkung von früheren Testamenten. Ausnahmen sind die meisten Ehegattentestamente und Erbverträge. Rückausnahmen liegen dann vor, wenn bei diesen wieder Abänderungsklauseln vorliegen. Bindende Ehegattentestamente und Erbverträge können aber wieder einvernehmlich zu Lebzeiten der Ehegatten bzw. der Erbvertragsparteien aufgehoben und abgeändert werden. Eine einseitige Änderung ist in der Regel nicht möglich.
- Beispielsfall: Da im Ausgangsfall beide Ehegatten noch leben, können sie das Testament einvernehmlich abändern oder aufheben.
- 5. Keine Erbregelung vorhanden: Macht ein notarielles Testament Sinn?
- Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn sich im Nachlass Grundvermögen, Auslandsvermögen oder Gesellschaftsanteile befinden. Denn:
- Liegt nur ein formwirksames handschriftliches Testament vor, ist die Erbfolge damit zwar geregelt. Dann wird aber zur Umschreibung des Grundbuchs, des Handelsregisters und regelmäßig auch für Auslandsbezug im Nachlass ein Erbschein benötigt. Dieser kostet Zeit und ist doppelt so teuer wie die Notarkosten für ein Testament. Dies beruht auf der gesetzgeberischen Motivation, dass Personen im Vorfeld mit notariellen Testamenten vorsorgen und nicht Erbscheinsverfahren produzieren sollen. Zudem wird im Erbscheinsverfahren oft gestritten, sodass man hier unnötiges Konfliktpotenzial schafft (Anwaltskosten, weitere Zeitverzögerung etc.).
- Beispielsfall: Hier wäre ein Erbscheinsverfahren erforderlich, um die Gesellschaften oder auch die inländischen Grundstücke auf die jeweiligen Erben umzuschreiben.
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- 6. Pflichtteilsrechte vorhanden?
- Pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte und die Kinder, in bestimmten Konstellationen die Eltern, niemals aber Geschwister. Sind allerdings Kinder vorverstorben, sind deren Kinder ebenfalls pflichtteilsberechtigt.
- Der Pflichtteilsanspruch ist ein Anspruch auf Geld in Höhe des Wertes des hälftigen gesetzlichen Erbteils. Er setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte enterbt worden ist. Da der Pflichtteilsanspruch sofort fällig gestellt werden kann und in bar geschuldet wird, hat das in der Praxis oft Liquiditätsprobleme zur Folge.
- Beispielsfall: Da hier der überlebende Ehegatte erbt, sind für den Fall des Todes des ersten Ehegatten alle drei Kinder enterbt. Diese haben also Pflichtteilsrechte. Auch die Kinder des vorverstorbenen Sohns Hans haben Pflichtteilsrechte in gleicher Höhe. Die Kinder wären, da die Eheleute in Zugewinngemeinschaft leben, nach der fiktiven gesetzlichen Erbfolge (die dann greifen würde, wenn kein Testament vorläge) Erben zu je 1/6. Der Pflichtteilsanspruch betrüge damit 1/12 für Peter und Renate, und für die Kinder von Hans je 1/24.
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- 7. Wenn Pflichtteilsrechte vorhanden sind: Abhilfe-Strategien prüfen!
- a) Pflichtteilsverzicht, § 2346 BGB
- Ein solcher ist in der Praxis regelmäßig nur gegen eine angemessene Abfindung durchsetzbar und notariell beurkundungsbedürftig.
- b) Schenkung unter Anrechnung auf den Pflichtteil, §§ 2315, 2316 BGB
- Wenn bereits Schenkungen erfolgt sind: Sind diese unter einer Anrechnungsbestimmung zum Zeitpunkt der Schenkung erfolgt, sodass also das Geschenkte auf den Wert des Pflichtteils später angerechnet werden kann? Wenn nicht, spielt die Zuwendung keine Rolle für den Pflichtteil.
- Beispielsfall: Peter hat 100.000 EUR ohne Anrechnungsbestimmung erhalten. Der überlebende Ehegatte könnte ihm nicht vorhalten, dass er bereits 100.000 EUR erhalten hat. Er müsste den vollen Pflichtteil von 1/12 zahlen.
- c) Pflichtteilsunwürdigkeit §§ 2333, 2338 BGB
- Diese Regel spielt in der Praxis so gut wie keine Rolle. Hierfür sind z. B. schwerste Straftaten gegen den Erblasser mit mindestens einem Jahr Gefängnisstrafe notwendig.
- d) Pflichtteilsstrafklausel
- Diese kann eine Rolle spielen, wenn Ehegatten sich gegenseitig zum Alleinerben einsetzen und nach dem Tod des zweiten Elternteils die Kinder den Nachlass bekommen. Dann sind sie für den Erbfall nach dem ersten Elternteil auf den Pflichtteil gesetzt. Hier wird dann oft formuliert, dass dann, wenn ein Kind diesen Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils verlangt (was grundsätzlich nicht zu verhindern ist), es für den zweiten Erbfall auch auf den Pflichtteil gesetzt wird. Das ist die „Pflichtteilsstrafklausel“. Entweder das Kind hält im ersten Erbfall still und erhält im zweiten Erbfall dann die volle Erbquote, oder es greift zweimal den jeweiligen Pflichtteil ab. Meist ist die Erbquote am Ende wirtschaftlich günstiger.
- Beachten Sie | Die Strafklausel läuft aber leer, wenn zu erwarten ist, dass im zweiten Erbfall nicht mehr viel Nachlass übrig sein wird (z. B. kostspieliger Heimaufenthalt des überlebenden Elternteils). In der Klausel sollte zudem definiert werden, was genau sanktioniert wird: Schon das Geltendmachen des Auskunftsanspruchs § 2311 BGB oder erst das Verlangen einer Zahlung auf den Pflichtteil?
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- Vorwegschenkungen von Vermögen sind denkbar, müssen aber langfristig geplant sein: Werden Kinder nach dem Tod eines Elternteils nicht Erben oder erhalten sie weniger als ihrem Erbteil entspricht, stehen ihnen grundsätzlich Pflichtteilsansprüche (§ 2303 BGB) bzw. ein Zusatzpflichtteil (§ 2305 BGB) zu. Sind innerhalb der letzten zehn Jahre Vorschenkungen an andere Personen erfolgt, bestehen auch Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 ff. BGB; siehe
- 8. Möglicher Konflikt: Gesellschaftsrecht und Erbrecht
- Es ist genau zu prüfen, ob die Regelungen im Testament möglicherweise dem Gesellschaftsvertrag widersprechen. So sind GmbH-Anteile grundsätzlich frei vererblich. In KG-Verträgen findet man aber häufig Nachfolgeklauseln, wie auch im Beispielsfall. Dann können Erben in den Gesellschaftsanteil nur die Personen werden, die die Nachfolgeklausel erfüllen.
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- Alle anderen Erben werden dann nicht Gesellschafter, müssen aber abgefunden werden (weichende Erben). Das provoziert Konflikte mit dem Erbrecht, sichert aber eine Konstante in der Riege der Gesellschafter. Hingegen wird man dann oft Probleme haben, die Abfindung als liquide Summe zu generieren.
- Beispielsfall: Peter dürfte nicht Gesellschafter werden, weil er keine abgeschlossene Berufsausbildung hat. Die Kinder von Hans ebenfalls nicht, da sie „minderjährig“ (noch keine 25 Jahre alt) sind.
- Hier muss ein Abgleich zwischen den erbrechtlichen Vorstellungen und den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgen. Solange alle Beteiligten leben, können z. B. auch Gesellschaftsverträge noch geändert werden. Das wird aber schon schwierig, wenn familienfremde Mitgesellschafter vorhanden sind.
- 9. Belastung des Gesellschaftsvermögens durch Abfindung an weichende Erben
- Wie vorstehend dargelegt, sind die sog. weichenden Erben (also Personen, die Erben sind, aber aufgrund Nichterfüllung der Voraussetzungen von Nachfolgeklauseln im KG-Vertrag nicht Gesellschafter werden) dem Grunde nach abfindungsberechtigt. Da solche Abfindungen die Liquidität der Gesellschaft belasten, gibt es regelmäßig Bestrebungen, die Abfindungssumme unter dem wahren Wert (Verkehrswert) des Gesellschaftsanteils zu bemessen. Hier gibt es mittlerweile eine ausdifferenzierte Rechtsprechung zur Abfindungshöhe:
- Es gilt regelmäßig der gemeine Wert ‒ also der Verkehrswert (BGH NJW 1982, 575 u. NJW 1982, 2441. Bei der Bewertung eines Handelsunternehmens ist grds. nicht der Buchwert maßgebend, sondern der wirkliche Wert des Unternehmens als wirtschaftliche Einheit unter Berücksichtigung stiller Reserven und unter Aktivierung des Firmenwerts (vgl. BGH NJW 1982, 575).
- Aber: Bei der Unternehmensnachfolge darf nicht verkürzt darauf abgestellt werden, dass dem Erben das Unternehmensvermögen rechtlich zugeordnet wird, zumal er bei Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs lediglich über die erwirtschafteten Gewinne verfügen kann. In einer solchen Konstellation muss daher beachtet werden, dass die wirtschaftliche Verfügbarkeit der betrieblich gebundenen Wirtschaftsgüter geringer ist als diejenige anderer Vermögenswerte. Untergrenze ist der Liquidationswert (BGH NJW 1973, 509). Umstritten ist, ob pflichtteilsrechtlich latente Steuerlasten berücksichtigt werden können (tendenziell bejahend: BGH NJW 1987, 1260).
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- Bei Personengesellschaften kann in engen Grenzen für weichende Erben (die aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen nicht Gesellschafter werden, aber dafür abgefunden werden) die Abfindung ausgeschlossen oder reduziert werden (s. hierzu BGH NJW 1987, 321).
- Beachten Sie | Als weitere Möglichkeit, die Liquidität der Gesellschaft zu schonen, kann die Abfindung über einen gewissen Zeitraum gestreckt werden. Auch hierzu gibt es detaillierte Rechtsprechung, welchen Spielraum man bei der Fälligkeit von Abfindungen hat. In den Stundungs- und Zahlungsvereinbarungen sollte für die Auszahlung des Abfindungsguthabens ein Zeitraum von nicht mehr als fünf Jahren festgelegt werden. Ferner ist eine angemessene Verzinsung der ausstehenden Raten zu vereinbaren. Unzumutbare Risiken für die spätere Durchsetzung der Ansprüche sind zu vermeiden.
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- Stundungs- und Zahlungsvereinbarungen sind dann weniger risikobehaftet, wenn die übrigen Abfindungsklauseln gesellschafterfreundlich ausgestaltet sind und die Abfindung zum vollen Anteilswert erfolgt.
- Sittenwidrig und damit nichtig sind Regelungen, wenn die Zahlung der ersten Abfindungsrate zu weit hinausgeschoben wird, z. B. bei einer zehn Jahre übersteigenden Abfindungszeit (BGH NJW 1989, 2685), oder wenn die Auszahlung des Abfindungsguthabens in drei Raten nach fünf, acht und zehn Jahren bestimmt ist (OLG Dresden, GmbHR 00, 718).
- 10. Kontozugriff, Vollmachten, Fortführung des operativen Geschäfts?
- Erben werden gemäß AGB der Banken regelmäßig nur dann Zugriff auf Konten haben, wenn sie entweder einen Erbschein vorlegen können ‒ oder aber ein notarielles Testament. Beides ist teuer, ein Erbscheinsverfahren sogar noch langwierig und konfliktträchtig. Vermieden werden kann dies, wenn auf hauseigenen Bankformularen Beteiligten Kontovollmacht eingeräumt wird. Damit einher geht zwar die Gefahr des Missbrauchs, zur Sicherstellung der Fortführung des operativen Geschäfts ist dies aber regelmäßig zu empfehlen. Die Bankvollmacht gilt nur für die jeweilige Bank.
- Beispielsfall: Hier wäre ein Erbschein für den überlebenden Ehegatten erforderlich. Auch notarielle General- bzw. Vorsorgevollmachten sind sinnvoll, um nach dem Tod die Handlungsfähigkeit der Erben sicherzustellen.
- Beachten Sie | Das Risiko bei Vollmachtsgestaltungen ist, dass die Vollmachten von Erben, auch von einem einzelnen Erben, widerrufen werden können. Steht also der Bevollmächtigte außerhalb der Erben und gibt es Streit zwischen ihm und den Erben, wird seine Vollmacht regelmäßig widerrufen. Das ist ein systemimmanenter Schwachpunkt, mit dem man leben muss.
- 11. Testamentsvollstreckung sinnvoll?
- Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung macht Sinn bei besonders großen oder besonders kompliziert strukturierten Nachlässen und bei zu erwartenden Streitigkeiten unter den Erben. Hier kann der Testamentsvollstrecker für einen gewissen Ausgleich sorgen und quasi als „Mediator“ agieren.
- Steuerberater sind regelmäßig prädestiniert für diese Tätigkeit und haben auch den organisatorischen Unterbau, um die häufig sehr aufwendige Tätigkeit des Testamentsvollstreckers schultern zu können. Dem Testamentsvollstrecker können Vorgaben gemacht werden, was er zu tun und zu lassen hat, um den Willen des Erblassers zu fokussieren. Er ist regelmäßig allein verfügungsbefugt über den Nachlass. Als Steuerberater sollte man hier aber im Vorfeld darauf bedacht sein, eine klare Vergütungsregelung zu treffen (s. Gemmer, GStB 19, 66 ff.).
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- Hier muss man natürlich die einschlägigen Freibeträge und insbesondere die Verschonungsregeln bei Unternehmensvermögen im Blick haben (§§ 13a, b ErbStG). Nach der aktuellen Gesetzeslage muss ein Schwerpunkt der Beratung sein, begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen abzugleichen und zu prüfen, ob für das konkrete Unternehmen überhaupt die entsprechenden Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können. Auch die Frage nach dem Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG ist zu stellen.
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- Beispielsfall: Die Erfahrung zeigt, dass hier durchaus gewisses Insistieren gegenüber den Mandanten sinnvoll ist: Diese sehen häufig nicht ein, warum im Vorfeld erheblicher Aufwand getrieben werden muss, nur um die Frage der Anwendbarkeit der Verschonungsregeln zu klären. Dies macht aber unbedingt Sinn: Stellt der Berater nämlich fest, dass die Verschonungsregeln derzeit nicht in Anspruch genommen werden können, so kann das Unternehmen gegebenenfalls umstrukturiert werden, um schädliches Verwaltungsvermögen zu vermeiden. Das geht nach dem Todesfall nicht mehr (s. hierzu Musterfall Brüggemann, ErbBstg 4/18, 87 ff.).
- Zudem kann in diesem Zusammenhang eine vorweggenommene Erbfolge, also eine Schenkung schon zu Lebzeiten an die späteren Erben, sinnvoll sein.
- Beachten Sie | Häufig werden Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Das kann zwar erbschaftsteuerlich sinnvoll sein; im Hinblick auf den Ergänzungspflichtteil enterbter Nachkömmlinge ist diese Konstellation aber nachteilig. Grund ist: Solange ein Nießbrauch besteht (und dieser besteht in der Regel bis zum Tode), wird das vorweggeschenkte Vermögen dem Nachlass wieder fiktiv anteilig hinzugerechnet (§ 2325 BGB). Ob es Sinn macht, sich auf Kosten von Pflichtteilslasten Steuervergünstigungen zu erkaufen, ist letztlich ein Rechenexempel.
- Hier sind auch Gestaltungen wie Höchstbetragsvermächtnisse denkbar (ein Dritter bekommt als Vermächtnis einen Wert zugewendet, der dem zum Todeszeitpunkt aktuellen Freibetrag bei der Erbschaftsteuer entspricht).
- Auch die optimale Ausnutzung von Steuerfreibeträgen will gelernt sein. Die sog. Kettenschenkung macht sich die unterschiedlichen Steuerklassen und Steuerfreibeträge nach §§ 15, 16 ErbStG zwischen Verwandten verschiedenen Grades zunutze, indem die Vermögensübertragung jeweils zwischen den Verwandten mit den günstigsten Steuerklassen bzw. Steuerfreibeträgen erfolgt:
- Beispiel: Ein Großvater möchte seiner Enkelin Vermögenswerte zuwenden. Verschenkt er diese zuerst an seine Tochter und überträgt diese dann das Vermögen wiederum ihrer Tochter, kommen die höheren Freibeträge zum Tragen. Der bloße „Durchgangserwerb“ ist aber nicht begünstigt. Bei der zweiten Übertragung sollte also eine gewisse Schamfrist abgewartet werden (zu Kettenschenkung und Güterstandsschaukel siehe auch Klein, GStB 14, 15 ff.).
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- 13. Schwarzgeld im Nachlass?
- Der Berater sollte offensiv ermitteln, ob Schwarzgeld im Nachlass schlummert. Als Organ der Rechtspflege kann er sich sonst schnell der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig machen. Auch wenn entsprechende Maßnahmen wie Selbstanzeige, Berichtigungsanträge etc. zu erheblichen Steuernachzahlungen führen, sollte man schnell handeln und bei fehlender Einsicht der Mandanten das Mandat sofort niederlegen.
- Zu den Handlungspflichten des Erben beim „Schwarzgeldfund“ siehe auch den Beitrag „Der verstorbene Steuerstraftäter ‒ Pflichten und Risiken des Erben“, ErbBstg 12, 227 ff.
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- 14. Vorweggenommene Erbfolge
- Hierunter fasst man, dass jemand, der später ohnehin Erbe würde, schon zu Lebzeiten Vermögen erhält. Letztlich handelt es sich hier regelmäßig um modifizierte zivilrechtliche Schenkungen. Beispiele sind die Übertragung von Immobilien oder Gesellschaftsvermögen unter Nießbrauchsvorbehalt, Übertragung von Geldvermögen etc. Dies hat einerseits steuerliche Gründe im Hinblick auf die Ausschöpfung von Freibeträgen im Zehnjahreszeitraum (§ 14 ErbStG). Andererseits können eine dosierte Vermögensübertragung und eine Steuerung der Nachfolge erfolgen. Sicherheitshalber sollten sogenannte Rückholklauseln etabliert werden (sinngemäß: Die Übertragung kann rückabgewickelt werden bei grobem Undank, Insolvenz, Scheidung des Zuwendungsempfängers etc.).
- Beispielsfall: Hier sollte man darüber nachdenken, ob nicht Vermögen der Eltern schon zu Lebzeiten auf die Kinder übertragen wird. So könnte z. B. das Mehrfamilienhaus mit Wert von 800.000 EUR im Hinblick auf die Steuerfreibeträge nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt.; 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG von je 400.000 EUR zur Hälfte auf zwei der Kinder übertragen werden. Dann wären deren Freibeträge ausgeschöpft, aber Schenkungsteuer fiele nicht an.
- Da Ernst abgesichert sein will, kann er sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten, was dann wieder gegen den Wert des Hauses gerechnet würde. Somit wäre das Mehrfamilienhaus schon einmal der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer entzogen. Gegenrechnen muss man aber natürlich die Kosten für Berater, Notar und für die Umschreibung im Grundbuch.
- Unabhängig von den steuerlichen Vorteilen könnte aber auch Ernst als Gegenleistung für die Übertragung des Hauses einen Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB verlangen. Dann könnten die Kinder, die zu Lebzeiten hälftiges Eigentum am Mehrfamilienhaus erlangen, später nicht mit ihren Pflichtteilsansprüchen gegen Ehefrau Hertha vorgehen. Damit wäre ein Teil des o. g. Pflichtteilsproblems gelöst.
- Beachten Sie | Das Kind, das nicht an einer solchen Zuwendung zu Lebzeiten partizipiert, hat entsprechende Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB gegenüber dem überlebenden Ehegatten. Diese wären aber in der Summe deutlich geringer als Pflichtteilsansprüche aller drei Kinder, was dem Nachlass Liquidität sichert.
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- Ist Auslandsvermögen im Nachlass vorhanden, gelten besondere verfahrensrechtliche, zivilrechtliche und steuerliche Aspekte.
- In der EU gilt mittlerweile (mit Ausnahme von Großbritannien, Dänemark und Irland) die EU-Erbrechtsverordnung. Das hiernach anwendbare Erbrecht ist das Recht des Staates, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dieser gewöhnliche Aufenthalt wiederum setzt sich zusammen aus einem subjektiven Bleibewillen und einer objektiven Verweildauer im jeweiligen Staat. Die einzelnen Kriterien sind komplex. Die Erblasser können aber im Testament oder Erbvertrag die Anwendung ihres Heimatrechts, also das Erbrecht des Staates, dem sie angehören, wählen. Außerhalb der EU kommt es auf die konkrete Konstellation an, ob sich das anwendbare Erbrecht nach der Staatsangehörigkeit oder dem Aufenthaltsort des Erblassers richtet.
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- Oft sind auch im Inland bekannte Aspekte des deutschen Erbrechts wie Testamentsvollstreckung, Vor-/Nacherbschaft, Pflichtteilsrecht etc. im anderen Staat unbekannt oder jedenfalls im Detail anders ausgestaltet.
- Beispielsfall: Setzten Ernst und Hertha einen Testamentsvollstrecker ein, so wäre zunächst zu klären, ob der deutsche Testamentsvollstrecker auch über die spanische Immobilie verfügen dürfte und wie er sich in Spanien legitimieren muss etc.
- b) Anwendbares Verfahrensrecht
- Hier wäre zu bedenken, dass ggf. Erbnachweise geführt werden müssen, dass vor ausländischen Gerichten oder Behörden ein deutscher Erbschein nicht anerkannt wird und welche Behörden oder Gerichte im ausländischen Staat überhaupt zuständig sind für die Abwicklung von Erbfällen.
- Für die EU gibt es im Hinblick auf die EU-Erbrechtsverordnung seit August 2015 das sogenannte europäische Nachlasszeugnis. Dieses wird beim im Inland zuständigen Nachlassgericht beantragt und muss von den nachlassabwickelnden Behörden im EU-Ausland anerkannt werden.
- Beispielsfall: Damit die Immobilie in Spanien wirksam auf die Erben der Hertha umgeschrieben werden kann, wäre ein solches Nachlasszeugnis unbedingt erforderlich. Nur so wird man die entsprechende Eintragung in der „Escritura“, dem spanischen Grundbuch, durchsetzen können.
- c) Erbschaft- und Schenkungsteuer im Ausland
- Es gibt für die wenigsten ausländischen Staaten mit Deutschland ein DBA für die Erbschaftsteuer (Beispiele: Schweiz, USA, Griechenland, Dänemark, Frankreich und Schweden). Das führt dazu, dass schnell eine Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer drohen kann. Viele ausländische Rechtsordnungen kennen aber ähnliche Anrechnungsmöglichkeiten wie in § 21 ErbStG. In solchen Fällen sollte man sich nicht scheuen, einen Spezialisten hinzuzuziehen.
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