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· Fachbeitrag · Chefarztverträge

Kündigung vor Dienstantritt und in der Probezeit

von RA, FA Arbeits- und Medizinrecht Marc Rumpenhorst, Kanzlei Klostermann pp., Bochum, klostermann-rae.de

| Chefärzte bewerben sich häufig parallel auf unterschiedliche Stellen bei verschiedenen Krankenhausträgern oder werden gleichzeitig von mehreren „Headhuntern“ zu Bewerbungen aufgefordert. Nicht immer wird die „Wunschposition“ in zeitlicher Hinsicht zuerst besetzt und angeboten, weshalb sich der Arzt zwischen „dem Spatz in der Hand“ und der „Taube auf dem Dach“ entscheiden muss ‒ oder vielleicht doch nicht? |

Kündigung in der Probezeit

Wenn vom Wunscharbeitgeber noch keine Zusage vorliegt, kann der Arzt die bereits verfügbare (und nur als schlechtere Alternative angesehene) Stelle zunächst antreten und das „junge“ Arbeitsverhältnis während der Probezeit gleich wieder kündigen. Die zu vereinbarende Probezeit darf maximal sechs Monate betragen. Während dieser Zeit kann die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen auf zwei Wochen zum Monatsende bzw. zur Monatsmitte verkürzt werden. In Chefarztverträgen wird in der Regel eine Probezeit mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vereinbart.

 

MERKE | Im Falle einer Kündigung während der Probezeit müssen Sie ‒ bei einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende ‒ mindestens zwei Monate bei Ihrem Arbeitgeber tätig sein! Denn beginnen Sie zum 1. eines Monats eine Tätigkeit und kündigen sofort, kann die Monatsfrist zum Monatsende dennoch erst zum Ende des darauffolgenden Monats eingehalten werden! Dies sollten Sie im Hinblick auf ggf. weitere bestehende Bewerbungsverfahren bedenken!

 

 

  • Probezeit gilt beiderseitig!

Früher wurde die Probezeit ausschließlich als Möglichkeit des Arbeitgebers verstanden, die Fähigkeiten des neuen Arbeitnehmers zu testen, festzustellen ob er für die Stelle tatsächlich geeignet ist und zu prüfen, ob eine vernünftige Grundlage für die dauerhafte Fortführung des Arbeitsvertrags besteht. Nach heutigem Verständnis wird auch dem Arbeitnehmer das Recht der Erprobung zugesprochen. Auch er kann sich während der Probezeit Gewissheit darüber verschaffen, ob das eingegangene Arbeitsverhältnis für ihn auf Dauer befriedigend sein wird.

 

Kündigung vor Dienstantritt

Grundsätzlich kann ein Arbeitsvertrag auch vor dem vereinbarten Dienstantritt gekündigt werden, wenn die Parteien dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben oder sich der Ausschluss der Kündigung vor Dienstantritt nicht aus den Umständen zweifelsfrei ergibt ‒ etwa der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit. Insbesondere aus der Vereinbarung einer Probezeit ist aber abzuleiten, dass sich die Vertragsparteien noch nicht endgültig auf Dauer binden wollen.

 

MERKE | Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt mit Urteil vom 25.03.2004, Az. 2 AZR 324/03) beginnt der Lauf der Kündigungsfrist im Fall einer Kündigung vor Dienstantritt bereits mit Zugang der Kündigungserklärung beim Vertragspartner, weshalb die Kündigungsfrist sogar vor Beginn des Arbeitsverhältnisses enden könnte. Wäre dem nicht so, müsste die Tätigkeit ja zunächst ‒ für mindestens zwei Monate, wie im vorhergehenden Abschnitt beschrieben ‒ aufgenommen werden. Im Übrigen bedürfte es besonderer Umstände, die ein überwiegendes Interesse an der zumindest vorübergehenden Durchführung des Arbeitsvertrags erkennen ließen.

 

Kündigung vor Dienstantritt ‒ ein aktueller Fall

Einer Kündigung vor Dienstantritt (oder auch während der Probe-/Wartezeit) steht nicht entgegen, dass der Chefarzt ‒ in Erwartung seines neuen Beschäftigungsverhältnisses ‒ bereits seine gesamte Lebenssituation umgestellt hat und hierdurch sowohl deutlich persönlich als auch finanziell belastet wird (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.02.2019, Az. 7 SA 210/18).

 

Im verhandelten Fall unterzeichnete der betroffene Chefarzt Ende Juni 2017 einen Dienstvertrag, nach welchem er „mit Wirkung vom 01.01.2018 als leitender Arzt der Abteilung Innere Medizin“ angestellt werden sollte. Am 13.11.2017 erhielt er dann die schriftliche Kündigung zum 31.12.2017. Inzwischen hatte er seine vorherige sehr gut dotierte Stelle gekündigt, die Ehefrau hatte ihre Tätigkeit in derselben Klinik aufgegeben, das Eigenheim war verkauft und eine Wohnung am neuen Dienstort gekauft worden. Die Geschäftsführung des neuen Arbeitgebers „habe keinen einzigen plausiblen Grund benennen können, der ihre Kündigungsentscheidung rechtfertige oder zumindest erkläre“.

 

Trotz allem sah das LAG die Kündigung vor Dienstantritt als wirksam an. In der Kündigung hätten sich die Risiken eines Wechsels des Arbeitsplatzes und damit das allgemeine Lebensrisiko realisiert; zudem habe keine vertragliche Residenzpflicht bestanden, weshalb der kündigende Krankenhausträger den Wohnortwechsel nicht einmal verlangt hätte. Auch ein Verstoß gegen den in § 42 BGB normierten Grundsatz von Treu und Glauben läge allenfalls dann vor, wenn das Scheitern des Arbeitsverhältnisses den Kläger nicht bloß hart träfe, sondern schlechthin untragbar wäre, also eine Existenzgefährdung bedeuten würde. Diese sah das Gericht bei einem angenommenen durchschnittlichen Jahreseinkommen von zuletzt circa 440.000 Euro brutto nicht.

 

PRAXISTIPP | Die Entscheidung zeigt, dass gravierende Dispositionen nicht vor Ablauf der Probe-/Wartezeit getroffen werden sollten bzw. getroffen werden müssen. Auch eine vertraglich vorgesehene Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der Nähe des Krankenhauses, soweit sie vor dem Hintergrund des AGB-Rechts überhaupt ausreichend bestimmt und somit zulässig und wirksam ist, sollte erst nach einer Beschäftigungszeit von einem Jahr gelten, damit der Arzt nach Ablauf der Probezeit in Ruhe ‒ und in der Gewissheit des Fortbestands der Zusammenarbeit über die Probezeit hinaus ‒ einen Wechsel seines Wohnortes vorbereiten kann.

 

 

  • Kündigungsmöglichkeiten gelten beiderseitig!

Die Kündigungsmöglichkeiten vor Dienstantritt und während der Probezeit gelten sowohl für den Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber.

 

Der Verzicht auf eine Probezeit schützt nicht vor Kündigung

Wenn auf die Vereinbarung einer Probezeit verzichtet wird, könnte man annehmen, dass auch eine Kündigung während der Probezeit bzw. vor Dienstantritt ausgeschlossen ist. Denn wer keine Probezeit braucht, ist sich scheinbar sicher, dass er sich auf Dauer binden will. Dem ist nicht so! Mit dem Verzicht auf die Vereinbarung einer Probezeit geht nicht einher, dass Arbeitgeber während der ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses nicht doch grundlos kündigen können. Denn das Recht, innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses kündigen zu können, ergibt sich nicht aus der (Vereinbarung einer) Probezeit, sondern aus der im Kündigungsschutzgesetz geregelten Wartezeit. Vor Ablauf dieser Wartefrist bedarf die Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung keiner Gründe bzw. Begründung ‒ unabhängig von der Vereinbarung einer Probezeit.

 

Lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers ist der Chefarzt geschützt. Sittenwidrig ist eine Kündigung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts erst dann, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv des Kündigenden beruht, wie insbesondere Rachsucht oder Vergeltung, oder wenn sie aus anderen Gründen dem „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ widerspricht („Verstoß gegen die guten Sitten“). „Alle billig und gerecht Denkenden“ sind dann aber nicht „alle Menschen“, sondern die Anschauungen der betroffenen Kreise (hier Ärzte, Krankenhausträger).

 

MERKE | Besteht das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate, ist nach dem Kündigungsschutzgesetz die arbeitgeberseitige Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt (also begründet und wirksam), wenn sie aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen oder dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgt.

 

Will der Chefarzt also ausschließen, dass der Krankenhausträger während der ersten sechs Monate des Beschäftigungsverhältnisses grundlos kündigen kann, reicht der Verzicht auf die Probezeit nicht aus. Vielmehr müsste der Krankenhausträger ausdrücklich auch auf die Wartezeit nach dem Kündigungsschutzgesetz verzichten bzw. es müsste ausdrücklich vereinbart werden, dass eine Kündigung des Krankenhausträgers (von Beginn des Vertragsverhältnisses an oder noch besser: ab Wirksamkeit des Vertrags) nur aus verhaltens-, personenbedingten Gründen oder dringenden betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt ist.

 

MERKE | Will der Chefarzt selbst trotz fehlender Vereinbarung einer Probezeit vor Dienstantritt kündigen, gelten die obigen Regeln. Will er innerhalb der ersten sechs Monate kündigen, muss er die vereinbarte Kündigungsfrist einhalten.

 
Quelle: Seite 12 | ID 46126236