· Fachbeitrag · Controlling
Mit der Prozesskostenrechnung die Kosten der eigenen Leistungen einschätzen und berechnen
von WP StB Prof. Dr. Claus Koss, Regensburg
| Die Prozesskostenrechnung eignet sich in besonderer Weise für das Con-trolling von Standardleistungen. Dieser Beitrag zeigt am Beispiel einer Steuer-beraterkanzlei - speziell am Leistungsprozess der Finanzbuchhaltung für einen Mandanten - wie der Steuerberater mit vertretbarem Rechenaufwand die Kosten seiner eigenen Leistungen besser einschätzen kann. |
1. Einsatz der Prozesskostenrechnung in der Steuerkanzlei
Die „klassische“ Kalkulation verwendet die Einzelkosten als Bezugsgröße für die Gemeinkostenzuschläge. Sie ist damit in Bezug auf die Steuerkanzlei ungeeignet. Denn - abgesehen von unwesentlichen Kosten wie dem Papierverbrauch - gibt es dort keine Einzelkosten. Die wesentlichen Kostenblöcke sind den einzelnen Leistungen nicht direkt zurechenbar. So werden Mitarbeiter nicht nach Buchungszeilen bezahlt oder die Haftpflichtversicherung wird i.d.R. nicht nach Fällen bezahlt.
Die Antwort aus der modernen Kostenrechnung ist die „Prozesskostenrechnung“. Diese stellt nicht auf die Kosten, sondern auf Prozesse ab. Sie fragt nicht: „Wie viel kostet ein Produkt oder eine Dienstleistung?“, sondern: „Was kostet eine Aktivität des Unternehmens, die dem Kunden den gewünschten Nutzen schafft?“.
Die Prozesskostenrechnung hat also zwei grundsätzlich andere Perspektiven als die „klassische“ Kostenrechnung:
- Das Bezugsobjekt ist der Prozess (auch als Aktivität bezeichnet).
- Die Optimierung erfolgt hinsichtlich der Prozesse, einmal im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Prozesses („Brauchen wir diese Aktivität?“) und zum anderen im Hinblick auf die Prozesskosten („Geht es nicht auch billiger?“).
Der Nachteil der Prozesskostenrechnung ist, dass dazu die einzelnen Prozesse im Unternehmen erst analysiert und diesen dann Kosten zugeordnet werden müssen, insgesamt ein aufwendiges Verfahren. Dieser Nachteil relativiert sich jedoch, wenn das Verfahren einmal eingerichtet ist. Durch entsprechende Erfassung in der EDV können die Berechnungen mit wesentlich weniger Aufwand regelmäßig aktualisiert werden.
2. Vorgehen bei der Prozesskostenrechnung
Betrachtungsobjekt der Prozesskostenrechnung ist der einzelne „Prozess“ (englisch „activity“, Plural: „activities“) konkret: Tätigkeiten, die in verschiedenen Kostenstellen oder Abteilungen anfallen. Diesen Aktivitäten werden jeweils Kosten zugeordnet, die wiederum auf andere Bezugsobjekte, z.B. Produkte, Dienstleistungen oder Mandanten, verrechnet werden.
Die Prozesse können in zwei Gruppen unterteilt werden: Hauptprozesse fallen kostenstellenübergreifend an und setzen sich aus einzelnen Teilprozessen zusammen.
Im Beispiel der Finanzbuchhaltung wäre die Einrichtung eines Neumandats ein Hauptprozess, der in die Teilprozesse „Vorbesprechung“ - „IT einrichten“ - und „physische Anlage“, z.B. einer Handakte, aufgeteilt werden kann.
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Die Prozesskostenrechnung besteht üblicherweise aus vier Schritten:
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2.1 Schritt 1: Prozessanalyse
Die Aufteilung aller Aktivitäten in Haupt- und Teilprozesse ist vor allem eine praktische-technische Frage. Sie hängt vor allem von dem Industriezweig ab, in dem das Unternehmen tätig ist.
Wichtig ist, dass die einzelne Aktivität, aus der sich der jeweilige Prozess zusammensetzt, eindeutig abgrenzbar ist. Aus Gründen der Operationalität sollten solche Prozesse gewählt werden, die wiederholt stattfinden. Während sich Prozesse wie die Finanzbuchhaltung oder die Lohnabrechnung gut für die Einführung einer Prozesskostenrechnung eignen, wird sich die Steuergestaltungsberatung nur sehr schlecht abbilden lassen.
Bei den Prozessen sollte es sich auch um solche handeln, die gut strukturiert sind und für den Durchführenden mit wenig Freiraum für eigene Entscheidungen verbunden sind.
2.2 Schritt 2: Bezugsgrößenwahl
Die Teilprozesse können leistungsmengeninduziert (lmi) oder leistungsmengenneutral (lmn) sein. Leistungsmengeninduziert bedeutet, dass die Anzahl der Aktivitäten vom Output abhängig sind. In der Steuerkanzlei sind beispielsweise die Buchungszeilen leistungsmengeninduziert. Leistungsmengenneutral ist dagegen der Bereich der „Überwachung/Qualitätskontrolle“.
Für die leistungsmengeninduzierten Prozesse müssen geeignete direkte Bezugsgrößen der Kostenverursachung (Cost Driver) identifiziert werden, mit deren Hilfe die Prozesse mengenmäßig erfassbar sind. So kann im Fall der Finanzbuchhaltung entweder die Zahl der Buchungen oder die Anzahl der Buchhaltungen die Bezugsgröße sein.
Bei den leistungsmengenfixen Prozessen gibt es im Gegensatz dazu keine Bezugsgrößen für die Kostenverursachung. Die Kosten fallen entweder ganz an oder nicht. So muss der Steuerberater immer ein System der Qualitäts-sicherung vorhalten, ob er nun einen Mandanten hat oder hundert. Auch die Kosten für die EDV sind im Wesentlichen leistungsmengenfix. Der zusätz-liche Stromverbrauch durch die zusätzliche Buchungszeile kann praktisch vernachlässigt werden.
2.3 Schritt 3: Ermittlung von Kostensätzen
Die Kostensätze für den einzelnen Teilprozess setzen sich aus zwei Komponenten zusammen:
- Die leistungsmengeninduzierten Anteile werden pro Aktivität berechnet, d.h. die Gesamtkosten des Teilprozesses geteilt durch die Anzahl der Aktivitäten. Im Beispiel der Verbuchung von Belegen: die (anteiligen) Personalkosten für eine Buchhaltung geteilt durch die Anzahl der Buchungszeilen.
- Die leistungsmengenneutralen Anteile werden dagegen proportional zu den leistungsmengeninduzierten Kostensätzen aufgeteilt.
3. Fallstudie: Die Dienstleistung „Finanzbuchhaltung“
Das allgemeine Vorgehen bei der Prozesskostenrechnung soll am Beispiel der Dienstleistung „Finanzbuchhaltung“ in der Steuerkanzlei veranschaulicht werden. Diese Dienstleistung eignet sich für die Prozesskostenrechnung. Denn das Vorgehen kann weitgehend standardisiert werden und läuft wiederholt ab. Zum anderen bildet es einen wesentlichen Umsatzträger für die Steuerkanzleien, sodass sich der Aufwand der Kalkulation lohnt. Außerdem wird diese Dienstleistung auch von anderen Unternehmen angeboten, z.B. Buchhaltungsbüros. Die Steuerberater müssen daher bei ihrem Angebot mit diesen konkurrieren.
3.1 Ausgangssituation
Ein Steuerberater kalkuliert beispielsweise mit drei Personengruppen: dem Steuerfachangestellten, seiner eigenen Vergütung (im Folgenden als „Berufsträger“ bezeichnet) und einem Mitarbeiter in der allgemeinen Verwaltung (im Folgenden als „Sekretärin“ bezeichnet).
Bei den angestellten Mitarbeitern kalkuliert der Steuerberater mit folgenden Lohnnebenkosten:
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Beim Steuerfachangestellten legt er einen Stundensatz von netto 14,75 EUR zugrunde. Daraus ergibt sich ein Stundensatz von 17,93 EUR:
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Bei Mitarbeitern der allgemeinen Verwaltung liegt er mit 12,50 EUR einen niedrigeren Netto-Stundensatz zugrunde:
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Für den eigenen Unternehmerlohn möchte er mindestens 125.000 EUR erwirtschaften. Bei durchschnittlich 10,5 Stunden pro Arbeitstag und 247 Arbeitstagen ergibt sich ein kalkulatorischer Stundensatz von 48,20 EUR für den Berufsträger:
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3.2 Prozesse in der Finanzbuchführung
Ein typischer Geschäftsbereich in der Steuerberatung ist die Finanzbuchführung. Der Mandant bringt seine Belege zum Steuerberater. Dort werden diese verbucht. Die daraus resultierende Umsatzsteuer-Voranmeldung wird an das Finanzamt übermittelt. Der Mandant erhält anschließend neben seinen Belegen eine betriebswirtschaftliche Auswertung.
Diese Vorgänge lassen sich in folgende Haupt- und Teilprozesse untergliedern:
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Hauptprozesse | Neuanlage Mandant (C21) | Vorbereitung (C22) | Verbuchung (C23) | Kontrolle (C24) | Abschließende Tätigkeiten (C25) | Rückgabe der Belege und Auswertungen (C26) |
Teilprozesse | Neumandate besprechen (C211) | Anforderung Belege (C221) | Frageliste des Vormonats bearbeiten (C231) | Konten durchsehen und abstimmen (C241) | BWA prüfen und intern besprechen (C251) | Unterlagen bereitstellen (C261) |
| Pendelordner einrichten (C212) | Eingang der Belege erfassen (C222) | Wiederkehrende Buchungen verarbeiten (C232) | Abstimmungen durchführen (C242) | Benötigte Auswertungen ausdrucken (C252) | Ergebnis mit Mandant besprechen (C262) |
| Datenträgeraustausch einrichten und genehmigen lassen (C213) | Unterlagen sichten und sortieren (C223) | Übernahme der elektronisch verfügbaren Daten (C233) | Offene Posten abstimmen (C243) | Ablage (C253) | Pendelordner tauschen (C263) |
| EDV-Stammdaten einrichten (C214) |
| Lohnver-buchungen übernehmen (C234) | Buchführung durch Berufsträger durchsehen (C244) | Rechnung vorbereiten, erstellen, unterschreiben lassen und versenden (C254) | Meldungen übermitteln (C264) |
| Elektronische Übermittelung einrichten (C215) |
| Kontieren (C235) |
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| Schnittstellen zu anderen Programmen einrichten (C216) |
| Verbuchen (C236) |
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| Kanzleiordner FiBu einrichten (C217) |
| Fragen klären und Nachkontierungen vornehmen (C237) |
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| Anlagever-mögen aktualisieren (C238) |
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Quelle: Aufgliederung in Anlehnung an den Prozess „Leistungs-Prozesse Steuerberatung - Finanzbuchhaltung“ (C2) im Loseblattwerk „Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Steuerberatungd“, Bd. 1, hrsg. von: Bundessteuerberaterkammer KdöR, Deutscher Steuerberaterverband e.V. und DATEV eG
3.3 Ermittlung der Teilprozesskosten
Auf Grundlage der Prozesse und der gerade ermittelten Kosten ermittelt der Steuerberater die Teilprozesskosten:
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Spalte | (1) | (2) | (3) | (4) | (5) | (6) | (7)=(6)/(5) | (8) | (9) | (10)=Σ |
Zeile | Hauptprozess | Teilprozess | Leistungsmengenverhalten | Bezugsgröße | Planprozessmenge | Plankosten | Teilprozesskostensatz (lmi) | Umlagesatz (lmn) | Teilprozesskostensatz | Hauptprozesskosten |
Zeile | EUR | EUR/lmi | EUR/lmn | EUR/Prozess | EUR/HP | |||||
(a) | C21 | C211 | lmi | Anzahl Neumandate | 1,0 | 32,57 | 32,57 | 15,41 | 47,98 | |
(b) | C212 | lmi | Anzahl Neumandate | 1,0 | 2,52 | 2,52 | 1,19 | 3,71 | ||
(c) | C213 | lmi | Anzahl Neumandate | 0,5 | 2,97 | 5,94 | 2,81 | 8,75 | ||
(d) | C214 | lmi | Anzahl Neumandate | 1,0 | 9,24 | 9,24 | 4,37 | 13,61 | ||
(e) | C215 | lmi | Anzahl Neumandate | 1,0 | 1,49 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(f) | C216 | lmi | Anzahl Neumandate | 1,0 | 1,49 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(g) | C217 | lmi | Anzahl Neumandate | 1,0 | 2,52 | 2,52 | 1,19 | 3,71 | 82,14 | |
(h) | C22 | C221 | lmi | Drittel der Anzahl Buchhaltungen | 10,0 | 29,73 | 2,97 | 1,41 | 4,38 | |
(i) | C222 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 7,56 | 0,25 | 0,12 | 0,37 | ||
(j) | C223 | lmi | 10 % der Buchhaltungen | 3,0 | 17,84 | 5,95 | 2,81 | 8,76 | 13,51 | |
(k) | C23 | C231 | lmi | 20 % der Buchhaltungen | 6,0 | 26,76 | 4,46 | 2,11 | 6,57 | |
(l) | C232 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 44,60 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(m) | C233 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 44,60 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(n) | C234 | lmi | Hälfte der Anzahl Buchhaltungen | 15,0 | 22,30 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(o) | C235 | lmi | Anzahl Buchungen | 5.700,0 | 4.237,00 | 0,74 | 0,35 | 1,09 | ||
(p) | C236 | lmi | Anzahl Buchungen | 5.700,0 | 847,40 | 0,15 | 0,07 | 0,22 | ||
(q) | C237 | lmi | 5 % der Buchungen | 285,0 | 296,59 | 1,04 | 0,49 | 1,53 | ||
(r) | C238 | lmi | 70 % der Anzahl Buchhaltungen | 21,0 | 93,66 | 4,46 | 2,11 | 6,57 | ||
(s) | C24 | C241 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 44,60 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | |
(t) | C242 | lmi | 1 % der Buchungen | 57,0 | 127,11 | 2,23 | 1,05 | 3,28 | ||
(u) | C243 | lmi | 2 pro Buchhaltung | 60,0 | 89,20 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(v) | C244 | lmi | Anzahl der Buchhaltungen | 30,0 | 89,20 | 2,97 | 1,41 | 4,38 | ||
(w) | C25 | C251 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 168,40 | 5,61 | 2,66 | 8,27 | |
(x) | C252 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 37,80 | 1,26 | 0,60 | 1,86 | ||
(y) | C253 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 44,73 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | ||
(z) | C254 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 30,0 | 323,10 | 10,77 | 5,09 | 15,88 | 28,18 | |
(aa) | C26 | C261 | lmi | Anzahl Buchhaltungen | 50,0 | 137,33 | 2,75 | 1,30 | 4,05 | |
(ab) | C262 | lmi | Hälfte der Buchhaltungen | 15,0 | 330,20 | 22,01 | 10,41 | 32,42 | ||
(ac) | C263 | lmi | Hälfte der Buchhaltungen | 15,0 | 44,60 | 2,97 | 1,41 | 4,38 | ||
(ad) | C264 | lmi | Anzahl der Buchhaltungen | 50,0 | 74,33 | 1,49 | 0,70 | 2,19 | 43,04 | |
(ae) = Σ[(a):(ad)] | 7.231,31 | |||||||||
(af) | lmn | Gemeinkosten | 3.420,75 | |||||||
(ag)=(af)/(ae) | 47,3 % |
Zur Erläuterung der Berechnungen:
Der Hauptprozess „Neuanlage Mandant“ (C21) findet einmalig bei jedem Mandat statt. Dabei geht der Steuerberater davon aus, dass er im Monatsdurchschnitt ein Neumandat hat.
Der Steuerberater schätzt, dass für die Einführung und Besprechung (Teilprozess C211) im Durchschnitt 20 Minuten seiner Arbeitszeit und der des fachlichen Mitarbeiters erforderlich sind. Für die Besprechung in der allgemeinen Verwaltung veranschlagt er 10 Minuten seiner und der Arbeitszeit der Sekretärin. Für den Pendelordner und die erforderliche Neuanlage des Mandanten (C212) werden 10 Minuten Arbeit für die Sekretärin kalkuliert. Die EDV-technische Einrichtung der Übertragung der Daten vom Vorberater (C213) übernimmt dagegen der fachliche Mitarbeiter. In rund der Hälfte der Fälle braucht der Mitarbeiter dafür rund 20 Minuten (einschließlich der Rückfragen). Jeweils 15 Minuten vom fachlichen Mitarbeiter und der Sekretärin werden für die EDV-Stammdaten (C214) berücksichtigt. Während die Verwaltungskraft allgemeine Daten wie die Anschrift einpflegt, muss sich der fachliche Mitarbeiter um die Basisdaten für die Buchhaltung kümmern.
Die elektronischen Übermittlungen (C215), z.B. an die Finanzbehörden, wie die Schnittstellen zu anderen Programmen (C216), werden dagegen nur vom fachlichen Mitarbeiter betreut (jeweils 5 Minuten). 10 Minuten Arbeitszeit der Sekretärin sind für die Einrichtung des Kanzleiordners (C217) eingeplant. Die übrigen Hauptprozesse (C22 bis C26) werden monatlich mit 30 Buchhaltungen kalkuliert.
Bei rund einem Drittel der Buchhaltungsmandanten ist die Anforderung der Belege (C221) durch den fachlichen Mitarbeiter erforderlich (Zeitaufwand: 10 Minuten). Im Rahmen des allgemeinen Posteingangs erfasst die Sekretärin den Eingang der Belege (C222: 1 Minute pro Erfassung). Bei 10 % der Buchhaltungen (der berühmte „Schuhkarton“) muss der fachliche Mitarbeiter in ungefähr 20 Minuten die Unterlagen sichten und sortieren (C223). Bei 20 % der Buchhaltungen liegen noch Fragen aus dem Vormonat vor, die der fachliche Mitarbeiter mit einer geschätzten Viertelstunde pro Fall abarbeitet (C231).
Mit 5 Minuten (C232 und C234) bzw. 20 Minuten (C233) werden wiederkehrende Buchungen (C232) und Lohnbuchungen (C234) sowie weitere elektronische Belege (C233), z.B. elektronische Bankauszüge, übernommen. Bei den Lohnbuchungen (C234) wird jedoch davon ausgegangen, dass nur die Hälfte sozialversicherungspflichtige Beschäftigte hat, der Rest nur Einzelunternehmer sind.
Arbeitsaufwendiger sind dagegen die manuell zu erfassenden Belege. Bei durchschnittlich 190 solcher Belege pro Mandant werden für das Kontieren (C235) 2,5 Minuten und für das Verbuchen (C236) eine halbe Minute berechnet. Bei 5 % der Buchungen sind schätzungsweise Fragen zu klären und Nachkontierungen/Verbuchungen erforderlich (C237). Diese werden mit 3,5 Minuten fachlicher Arbeit veranschlagt.
In Vorbereitung auf den Jahresabschluss wird das Anlagevermögen vom fachlichen Mitarbeiter aktualisiert (C238). Da nicht jeder Mandant jeden Monat Zugänge beim Anlagevermögen hat, wird der Aufwand hierfür mit 70 % aller Fibu-Mandate auf 15 Minuten für den fachlichen Mitarbeiter geschätzt.
Nach Abschluss der Buchhaltung sieht der fachliche Mitarbeiter kursorisch die Summen- und Saldenliste bzw. die Konten durch (C241). Dabei werden auch typische Konstellationen abgestimmt, z.B. Saldo Bankauszug oder Abschreibungen laut Anlagenbuchhaltung mit Hauptbuch (5 Minuten - fachlicher Mitarbeiter). Bei geschätzten 1 % der Buchungen dürften größere Abstimmungs-arbeiten erforderlich sein, die mit durchschnittlich 7,5 Minuten Arbeitszeit des fachlichen Mitarbeiters veranschlagt werden. Ebenfalls gesondert wird die Abstimmung der offenen Posten (Debitoren und Kreditoren) mit 5 Minuten veranschlagt (C243). Abschließend für die Kontrolle sieht der Berufsträger die Buchführung und die entsprechenden Auswertungen durch (C244). Hierfür rechnet er mit durchschnittlich 10 Minuten seiner eigenen Arbeitszeit.
Bei der Prüfung der BWA und der internen Besprechung (C251) werden 70 % der Fälle ohne Auffälligkeiten sein, sodass dieser Teilprozess in 3 Minuten Arbeitszeit vom Berufsträger und fachlichem Mitarbeiter abgearbeitet wird. Bei den übrigen Fällen werden 10 Minuten Arbeitszeit geschätzt. Den Ausdruck der benötigten Unterlagen (C252) übernimmt die Verwaltungskraft in durchschnittlich 5 Minuten. Die Ablage der Unterlagen (C253) erfolgt durch den fachlichen Mitarbeiter in der gleichen Zeit. Die Arbeiten im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung (C254) verteilen sich auf die Vorbereitung durch den fachlichen Mitarbeiter (10 Minuten), den Mitarbeiter der allgemeinen Verwaltung (15 Minuten) und den Berufsträger für Prüfung und Unterschrift (5 Minuten).
Jeweils 5 Minuten sind für die Bereitstellung der Unterlagen (C261) durch den fachlichen Mitarbeiter und die Sekretärin vorgesehen. In der Hälfte aller Mandate ist eine Besprechung schätzungsweise erforderlich (jeweils 20 Minuten für Berufsträger und fachliche Mitarbeiterin), ansonsten ist nur der Austausch des Pendelordners (C263) durch den fachlichen Mitarbeiter vorgesehen. Die für letzteren Prozess vorgesehenen 10 Minuten beinhalten auch das oft stattfindende kurze Gespräch „am Rande“.
Für die Meldungen, z.B. an die Finanzbehörden (C264) sind 5 Minuten Arbeit des fachlichen Mitarbeiters vorgesehen.
Die gesamten leistungsmengeninduzierten Kosten betragen 7.231,31 EUR (vgl. Zeile (ae) des Zeilenbeispiels). Hinzu kommen die Kosten, die sich nicht direkt den (produktiven) Leistungsprozessen zuordnen lassen. Wesentlicher Bestandteil sind die Kosten der allgemeinen Verwaltung der Kanzlei. Diese können vereinfachend wie folgt abgeschätzt werden:
| ||||
Anteil | EUR | EUR | ||
Berufsträger | ||||
Unternehmerlohn gesamt | 125.000,00 | |||
davon allgemeine Verwaltung | 1/3 | 41.666,67 | ||
Sekretariat | ||||
Personalkosten insgesamt | 24.948,00 | |||
davon allgemeine Verwaltung | 90 % | 22453,20 | ||
Sachkosten | ||||
Miete und Nebenkosten Kanzlei | 13.000,00 | |||
Haftpflichtversicherung | 2.000,00 | |||
EDV | 9.600,00 | |||
Sonstige Sachkosten | 2.500,00 | |||
| 27.100,00 | |||
gesamte Gemeinkosten | 91.219,87 | |||
davon Finanzbuchhaltung | 45 % | 41.048,94 | ||
bezogen auf einen Monat | 1/12 | 3.420,75 |
Die Zuordnung auf den Leistungsprozess „Finanzbuchhaltung“ erfolgt anhand des Anteils des Umsatzes, hier: geschätzten 45 %. Bezogen auf die leistungsmengeninduzierten Kosten in Höhe von 7.231,31 EUR beträgt der Zuschlagssatz 47,3 %; mit anderen Worten: Für jeden Euro an leistungsmengeninduzierten Kosten fallen 47,3 Cent an leistungsmengenneutralen Kosten an.
Zusammen ergeben leistungsmengeninduzierte und -neutrale Kosten den Teilprozesskostensatz (Spalte (9) der Berechnung). Zum Beispiel kostet demnach eine Buchung 1,10 EUR (Zeile (o), Spalte (9)), zusammen mit dem Kontieren 3,28 EUR.
3.4 Auswertung der Prozesskostenrechnung
Mithilfe der Prozesskostenrechnung kann der Steuerberater objektiver abschätzen, ob sich das Outsourcing einzelner Leistungen lohnt. Wenn beispielsweise ein Buchhaltungsbüro das Verbuchen für 2,50 EUR pro Buchungszeile anbietet, ist dies günstiger als die eigenen Kosten (hier z.B. 3,28 EUR).
Aus der Prozesskostenrechnung lassen sich aber auch die Kosten der einzelnen Hauptprozesse ablesen. So lohnt sich kein Neumandat, das zusätzlich zu den laufenden Kosten die Einrichtung eines Neumandats in Höhe von 82,14 EUR (Zeile (g), Spalte (10)) deckt.
Bei der Addition der Teilprozesskostensätze ist jedoch auf die gleiche Bezugsgröße zu achten. So macht die Addition des Hauptprozesses C23 (Ver-buchung) keinen Sinn, da hier sowohl die Buchungen als auch die Anzahl der Buchhaltungen Bezugsgröße sind.
Neben den Entscheidungen über „make or buy“ (selber buchen vs. outsourcen), über die Annahme eines Mandats oder die Ermittlung von Preisuntergrenzen, ist die Entscheidung, ob die Prozesskostenrechnung auch zur internen Kontrolle verwendet werden, zu treffen. Wenn - um das gerade angeführte Beispiel aufzugreifen - ein (externes) Buchhaltungsbüro die Buchungszeile für 2,50 EUR anbieten kann, muss sich der Steuerberater die Frage stellen, ob er mit 3,28 EUR nicht zu teuer „produziert“.
4. Fazit
Theoretisch ist die Prozesskostenrechnung „ideal“ für das Controlling in der Steuerkanzlei, da es dem Kostenverursachungsprinzip gerecht wird. Denn die Kostentreiber sind die einzelnen Prozesse. Hinzu kommt, dass in der Steuerberatung wesentliche Dienstleistungen (z.B. Finanzbuchhaltung oder Lohnabrechnung) standardisiert werden können, sodass die Bildung von Durchschnittssätzen Sinn macht.
In der Praxis ist zum einen zwischen den Kosten der Genauigkeit und dem Nutzen der zusätzlichen Information abzuwägen. So könnte die genauere Erfassung der - hier geschätzten - Zeitvorgaben für den einzelnen Prozess die Genauigkeit der Berechnung erhöhen. Natürlich wird auch z.B. nicht jede Besprechung „nur“ 20 Minuten dauern (so für Prozess C262).
Zum anderen kann jedem Schema vorgeworfen werden, zu oder zu wenig detailliert zu sein oder die Verhältnisse des Einzelfalls dann doch nicht abzubilden. So ist der „Pendelordner“ zwar weit verbreitet, bei einem rein elek-tronischen Austausch der Daten jedoch nicht mehr erforderlich.
Drittens kann jeder Controlling-Aktivität vorgeworfen werden, sie sei zu arbeitsaufwendig, konkret: Der Steuerberater solle sich besser auf die Akquisition konzentrieren als nachzurechnen, warum ihm der angestrebte Gewinn nicht bleibe. Es ist aber der Verdienst jeder Controlling-Aktivität im Allgemeinen und der Prozesskostenrechnung im Besonderen, genauer zu sein als die bloße Abschätzung „über den Daumen“.
In diesem Sinne kann dem Kanzleiinhaber zumindest empfohlen werden, für die wesentlichen, standardisierten Prozesse eine Prozesskostenrechnung für seine Kanzlei aufzustellen. Einmal aufgestellt, können die Berechnungen in regelmäßigen Abständen mit wesentlich weniger Aufwand aktualisiert werden. Es bietet sich an, diese Berechnungen mit der Einführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen zu verbinden.