· Fachbeitrag · Corona-Krise
Abmilderung der Folgen der Corona-Krise
| Die Corona-Krise hat erhebliche negative Auswirkungen auf das öffentliche Leben und negative wirtschaftliche Folgen für viele Bürger und Unternehmen. Doch der Gesetzgeber ist aktiv geworden: Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27.3.20 (BGBl. I, S. 569 ff.) enthält viele Erleichterungen für jene, die infolge der Pandemie aktuell nicht ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können. Insbesondere Miet- und Pachtverhältnisse, aber auch in diesem Zusammenhang abgeschlossene Dauerschuldverhältnisse sind betroffen. MK beantwortet hierzu die wichtigsten Fragen und gibt Hilfestellungen zu weiteren Praxisproblemen. |
1. Was wird zum Schutz von Mietern und Pächtern geregelt?
Das Recht der Vermieter, Miet- und Pachtverhältnisse über Räume oder über Grundstücke wegen Zahlungsrückständen zu kündigen, wird für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.6.20 eingeschränkt. Die Einschränkung gilt aber nur für Fälle, in denen die Rückstände auf den Auswirkungen der SARS-CoV-2-Virus-Pandemie beruhen.
MERKE | Die Pflicht des Mieters/Pächters zur fristgerechten Zahlung der Miete/Pacht bleibt bestehen. Zahlungsrückstände aus dem o. g. Zeitraum berechtigen ‒ für die Dauer von 24 Monaten ‒ aber nicht zur Kündigung. Erst, wenn die Zahlungsrückstände auch nach dem 30.6.22 noch nicht beglichen sind, kann der Vermieter ab dem 1.7.22 wegen der Miet-/Pachtrückstände aus dieser Zeit kündigen. Die Problematik wird damit nicht auf Vermieter/Verpächter verlagert. |
Ausgeschlossen sind sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses aufgrund der coronabedingten Mietrückstände. Entsprechendes gilt für die außerordentliche fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses über Grundstücke oder über Räume, die keine Wohnräume sind.
Beachten Sie | Diese Mietrückstände stellen somit keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung (§ 543 BGB) dar, noch folgt aus ihnen ein berechtigtes Interesse zur ordentlichen Kündigung auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Wohnraummietverhältnisse (§ 573 BGB).
PRAXISTIPP | Der Mieter muss glaubhaft machen, dass er coronabedingt in Mietrückstand geraten ist. Dazu kann er sich auf eine Versicherung an Eides statt oder auf andere geeignete Nachweise berufen (z. B. Antrag oder Bescheinigung auf Gewährung staatlicher Leistungen, Bescheinigungen des Arbeitgebers oder andere Nachweise über das Einkommen bzw. über den Verdienstausfall; hierzu mehr in MK 6/20). |
2. Was passiert, wenn die Corona-Krise im Juli noch andauert?
Sollte sich herausstellen, dass der o. g. Zeitraum nicht ausreicht, um die wirtschaftlichen Folgen der Krise für Mieter/Pächter abzufedern, kann er durch Rechtsverordnung zunächst um weitere drei Monate und dann ein weiteres Mal (aber nur unter Beteiligung des Bundestags) verlängert werden.
3. Sind Mieter damit vor Kündigungen während der Krise sicher?
Unberührt bleiben die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen des BGB hinsichtlich Fälligkeit und Verzug. Das bedeutet:
- Mieter und Pächter müssen weiterhin fristgerecht leisten und geraten daher bei nicht fristgerechter Leistung u. U. in Verzug; Verzugszinsen können fällig werden.
- Beruht die Nichtleistung des Mieters auf Zahlungsunwilligkeit oder hat dessen Zahlungsunfähigkeit andere Ursachen als die Corona-Pandemie, ist die Kündigung zulässig.
- Kündigungen des Miet- bzw. Pachtverhältnisses aus anderen Gründen bleiben weiterhin möglich. Die Kündigung kann z. B. wegen Vertragsverletzungen anderer Art erfolgen ‒ etwa schwerwiegendes Fehlverhalten des Mieters, unbefugte Überlassung der Mietsache an Dritte (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB) ‒ oder wegen Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB).
- Der Vermieter kann auch während der Geltungsdauer des Gesetzes aufgrund von Mietzahlungsverzug kündigen, der in einem früheren Zeitraum als dem 1.4.20 entstanden ist bzw. aus einem späteren Zeitraum resultiert. Soweit das Gesetz die Kündigung eines Mietverhältnisses ohne Gründe zulässt, z. B. im Fall unbefristeter Mietverhältnisse über Grundstücke und über Räume, die keine Wohnräume sind (§ 580a Abs. 1, 2 BGB), bleibt auch diese Kündigungsmöglichkeit unberührt.
MERKE | Schon vor der Gesetzesänderung galt: Im Gewerbemietrecht führen Betriebsverbote zur rechtlichen Unmöglichkeit der Ausübung des Gewerbes bzw. der freiberuflichen Tätigkeit in den gemieteten Räumen. In diesen Fällen bestand bereits früher kein Anspruch auf Gewerbemiete (§§ 535 Abs. 2, 275 Abs. 1 bis 3, 326 Abs. 1 S. 1 BGB). Behördliche Nutzungsverbote begründen ebenso einen Rechtsmangel, der nach der Automatik des Gesetzes eine Mietminderung nach sich zieht, hier in Höhe von 100 Prozent. Denn die Ausübung des Gewerbes ist nicht nur beeinträchtigt, sondern muss unterbleiben. Je nach Abschlussdatum des Mietvertrags wird diese Rechtsfolge auch nach den Grundsätzen der Vertragsanpassung wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 2 BGB) zu begründen sein. Formularvertragliche Minderungsausschlüsse und -beschränkungen, die sich auf unbeherrschbare Verwendungsrisiken durch Naturgewalten/höhere Gewalt/pandemische Zustände erstrecken sollten, müssen auch im Gewerberaummietrecht als unangemessen benachteiligend geächtet werden. Denn ein solcher formularvertraglicher Ausschluss wäre schon im Fall eines Rechtsmangels, begründet durch ein behördliches Nutzungsverbot, unwirksam (OLG Brandenburg NZM 19, 946). |
4. Leistungsverweigerungsrecht gilt bei Darlehensverträgen auch für Vermieter/Verpächter
Es besteht eine gesetzliche Stundungsregelung und eine Vertragsanpassung nach Ablauf der Stundungsfrist, mit der Möglichkeit für die Vertragsparteien, eine abweichende Vertragslösung zu vereinbaren. Für eine Übergangszeit werden Darlehensnehmer daher vor einer Kündigung geschützt, indem die in den Zeiten der Krise fälligen Darlehensforderungen kraft Gesetzes zunächst für sechs Monate gestundet werden. Dies soll auch dazu dienen, den Verbrauchern die notwendige Zeit zu verschaffen, Hilfsangebote wahrzunehmen und Unterstützungsmaßnahmen zu beantragen, deren rechtzeitige Prüfung und Gewährung nicht in ihrem Einflussbereich liegt. Flankiert wird dies von einem gesetzlichen Kündigungsschutz.
PRAXISTIPP | Im Bereich der Miet- und Pachtverhältnisse dürften hier insbesondere Vermieter und Verpächter, die Immobilien über Miet- und Pachteinnahmen finanziert haben, betroffen sein. |
Die Regelungen zu Darlehensverträgen gelten daher auch für Vermieter/Verpächter, solange sie nicht als Unternehmer (vgl. § 14 BGB), sondern als Verbraucher (vgl. § 13 BGB) tätig werden. Das ist der Fall, wenn die Vermietung vom Umfang her nicht als gewerbliche Tätigkeit, sondern als private Vermögensverwaltung einzuordnen ist.
Beachten Sie | Die Abgrenzung von gewerblicher Tätigkeit und privater Vermögensverwaltung ist jedoch einzelfallbezogen. Ausschlaggebendes Kriterium für die Abgrenzung ist der Umfang der mit der Vermietung verbundenen Geschäfte. Erfordert die Verwaltung und Vermietung/Verpachtung der Immobilien einen planmäßigen Geschäftsbetrieb, wie etwa die Unterhaltung eines eigenen Büros oder einer Organisation für die Verwaltung und Vermietung des finanzierten Objekts, liegt i. d. R. eine gewerbliche Betätigung vor.
5. Leistungsverweigerungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen
Für viele Schuldverhältnisse wird bis zum 30.6.20 ein Leistungsverweigerungsrecht für Verbraucher und Kleinstunternehmen begründet, die Ansprüche im Zusammenhang mit Dauerschuldverhältnissen, die vor dem 1.4.20 geschlossen wurden, nicht erfüllen können. Damit wird gewährleistet, dass man insbesondere von Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, soweit zivilrechtlich geregelt auch Wasser) nicht abgeschnitten werden kann. Dies gilt insbesondere auch für Miet- und Pachtverhältnisse dieser Personenkreise.
Und was passiert, wenn die aktuelle Pandemie-Situation länger andauert? Die Bundesregierung ist ermächtigt, die vorgesehenen Fristen im Wege einer Verordnung bis höchstens zum 31.7.21 zu verlängern, bei Verbraucherdarlehensverträgen bis zum 31.3.21.
6. Weitere Praxisfälle
a) Besichtigungen der Wohnung
Hier gelten die Vorgaben der behördlich verfügten Kontaktsperren. Sie sind in jedem Fall zu beachten, nicht nur wegen ansonsten verwirklichter Ordnungswidrigkeitstatbestände und Straftatbestände sowie Bußgelder, sondern vor allem im Rahmen einer Gesamtverantwortung aus Gründen des Gesundheitsschutzes.
b) Umzug
Auch hier sind ordnungsbehördliche Kontaktsperren zu beachten. Statt persönlicher Kontaktaufnahme anlässlich der Rückgabe der Wohnung und der Neuvermietung sollte zunächst über eine flexible Termingestaltung nachgedacht werden. Kommt das nicht infrage, bietet es sich an, Abreden per Fernkommunikation zu treffen und die Schlüssel nach Vereinbarung in den Briefkasten einzulegen. Immer ist dringend zu empfehlen, schriftlich klar zu regeln, dass mit einer Wohnungsrückgabe und -übernahme in dieser Form keinerlei (konkludente) rechtliche Erklärungen, z. B. zur Akzeptanz des vorgefundenen Wohnungszustands, verbunden sind. Um den Wohnungszustand festzustellen, bietet es sich an, die Wohnung zu fotografieren und die Fotos in ein Protokoll einzubinden. Entweder unterzeichnet der Mieter oder ein Zeuge. Bevor man in die Wohnung geht, sollten immer ausreichende gesundheitliche Schutzvorkehrungen getroffen werden. Der Mieter sollte gebeten werden zu bestätigen, dass in der Wohnung seiner Kenntnis nach keine coronabestätigten oder coronaverdächtigen Personen anwesend waren.
c) Handwerker/Prüfen von Mängeln/Besucher
Vorgreiflich ist auch hier die Kontaktsperre, was die Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum angeht. Betriebsverbote für Handwerker sind damit bislang (Stand: 16.4.20) nicht verbunden. Es liegt in der Natur der Sache, sich auf wirklich zwingende und unaufschiebbare Maßnahmen zu beschränken.
Ob und inwieweit der Mieter Besuch empfangen darf, beurteilt sich ebenfalls nicht nur nach der Kontaktsperre, sondern auch nach etwaigen landesrechtlichen Verordnungen und kommunalrechtlichen ordnungsbehördlichen Allgemeinverfügungen, die auf dieser Grundlage erlassen worden sind. Der danach noch erlaubte Rahmen ist zunächst zu klären. Grundsätzlich gilt: Nahe Familienangehörige darf der Mieter empfangen. Freunde oder Bekannte zählen allerdings nicht zu etwaigen privilegierten Personenkreisen.
PRAXISTIPP | Bemerkt der Vermieter ein solches Verhalten, darf er die Wohnung nicht betreten. Denn das Hausrecht steht nur dem Mieter zu. Dem Vermieter bleibt, „Corona-Partys“ bei Polizei und Ordnungsbehörden anzuzeigen. Eine solche dokumentierte Handlung stellt einen Straftatbestand (§ 75 IfSG) dar, der abmahnfähig und kündigungsrelevant sein dürfte. |
d) Versterben in der Mietwohnung
Kommt es zum Äußersten und verstirbt ein kranker Mieter in der Wohnung, gibt es wegen dadurch aufgetretener Wohnungsschäden nach der Rechtsprechung keine Schadenersatzansprüche des Vermieters gegen die Erben (AG Bad Schwartau 5.1.01, 3 C 1214/99).