· Fachbeitrag · Courtagevereinbarung/Courtagezusage
Umdeckungsaufforderung des Versicherers nach Kündigung der Courtagevereinbarung rechtens?
| Zum Makleralltag gehört es, dass ein Versicherer eine Courtagevereinbarung kündigt. Wenn Versicherer Kündigungsgründe nennen, sind dies meist eine mangelnde Anzahl der vom Makler vermittelten Verträge oder eine zu hohe Schadenquote seiner Kunden. Oft wird die Kündigung mit der Aufforderung verbunden, der Makler möge alle bisher geschlossenen Versicherungsverträge zur nächsten Hauptfälligkeit umdecken. Unterlasse er das, werde der Versicherer die Verträge selbst kündigen. VVP geht der Frage nach, ob das alles rechtens ist und was bei Kündigungen rechtlich gilt. |
Die fristgerechte Kündigung des Versicherers
Kündigt ein Versicherer die Courtagevereinbarung ‒ mit oder ohne Umdeckungsaufforderung ‒ unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist, verhält er sich vertragskonform. In diesem Fall muss er keinen Kündigungsgrund angeben.
Gibt er gleichwohl einen Kündigungsgrund an, etwa einen zu geringen Bestand, eine zu hohe Schadenquote, ist das rechtlich ohne Bedeutung. Kommt der Makler der Umdeckungsaufforderung nicht nach, kann der Versicherer die Versicherungsverträge fristgerecht selbst kündigen.
Die sofortige ‒ fristlose ‒ Kündigung
Einen ‒ wichtigen ‒ Kündigungsgrund muss der Versicherer nur angeben, wenn er bei einer vereinbarten Kündigungsfrist den Vertrag mit sofortiger Wirkung fristlos kündigt (§ 314 BGB).
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 S. 2 BGB).
Wichtige Gründe aus dem Gesetz
Bezogen auf den Makler leiten sich wichtige Gründe aus dem Gesetz ab, etwa aus § 34d Abs. 5 GewO. Ein wichtiger Grund liegt demnach z. B. vor, wenn
- die Zuverlässigkeit wegfällt,
- die Vermögensverhältnisse nicht mehr geordnet sind oder
- die Berufshaftpflichtversicherung nicht mehr besteht.
Wichtige Gründe aus der Courtagevereinbarung
In einigen Fällen sind Gründe für eine fristlose Kündigung auch bereits in der Courtagevereinbarung niedergelegt. Vertragsrechtlich darf der Versicherer das regeln.
Wenn Regelungen zur Laufzeit und Kündigung fehlen?
Ist in einer Courtagevereinbarung weder eine Laufzeit noch eine Kündigungsfrist geregelt, gilt § 314 BGB ebenfalls. Das bedeutet:
Kündigung binnen angemessener Frist möglich
Der Berechtigte kann ein Dauerschuldverhältnis innerhalb einer angemessenen Frist kündigen (§ 314 Abs. 3 BGB). Was angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Die Angemessenheit ist gegeben, wenn die aus der Maßnahme resultierenden Nachteile in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die durch sie entstehen. Im Ausgangsfall müsste dem Makler ausreichend Zeit gegeben werden, die Verträge umdecken zu können. Je größer die Anzahl der umzudeckenden Verträge und/oder je komplizierter das umzudeckende Risiko sind, desto mehr Zeit muss dem Makler für die Umdeckung gewährt werden.
Fristsetzung kann auch bei wichtigem Kündigungsgrund erforderlich sein
Liegt ein wichtiger Kündigungsgrund vor, kann grundsätzlich von jedem Vertragsteil ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden.
Wichtig | Besteht der wichtige Grund aber in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig (§ 314 Abs. 2 BGB).
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Ein Makler ist wegen eines Stornos mit der Courtagerückzahlung einer unbestrittenen Forderung des Versicherers in Verzug.
Folge: Der Versicherer kann erst nach erfolglosem Ablauf der von ihm bestimmten Rückzahlungsfrist oder nach erfolgloser Abmahnung kündigen. |
Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind allerdings entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.
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Folge: In diesen Fällen kann der Versicherer sofort kündigen; einer Abmahnung bedarf es nicht. |
Keine Kündigung zur Unzeit
Liegt kein wichtiger Kündigungsgrund vor, ergeben sich ‒ ergänzend zu den Regelungen des § 314 BGB ‒ die Fristen für die ordentliche Kündigung eines nicht explizit im BGB geregelten Dauerschuldverhältnisses aus der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 28.02.1972, Az. III ZR 212/70). Demnach dürfte der Versicherer die Courtagevereinbarung, die als Dauerschuldverhältnis im BGB nicht gesondert geregelt ist, nicht zur Unzeit kündigen (§ 723 Abs. 2 BGB).
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Der Versicherer kündigt die Courtagevereinbarung mit der Aufforderung, zur nächsten Hauptfälligkeit umzudecken. Dies ist zur Unzeit, wenn abzusehen ist, dass dies dem Makler etwa wegen der Vielzahl der Verträge und der Kürze der Zeit nicht möglich ist. |
Folge: Die Kündigung der Courtagevereinbarung ist als solche zwar wirksam. Allerdings macht sich der Versicherer schadenersatzpflichtig, sollte dem Makler wegen der Kündigung zur Unzeit ein Schaden entstehen (auch bereits § 314 Abs. 4 BGB). Ein Schaden könnte sich daraus ergeben, dass der Versicherer zwar fristgerecht kündigt (z. B. am letztmöglichen Kündigungstag), wohl wissend, dass der Makler seinen Bestand (z. B. 1.000 Verträge) nicht rechtzeitig umdecken kann.
Auch bei „Courtagezusagen“ Kündigungsregelungen möglich
Für den Widerruf einer Courtagezusage ist das hier Gesagte in der Regel entsprechend anwendbar. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich bei einer Courtagezusage rechtlich um eine Courtagevereinbarung handelt. Das ist der Fall, wenn in der Courtagezusage eine oder mehrere Pflichten des Maklers aufgeführt werden und der Makler die „Zusage“ zur „Kenntnisnahme“ unterzeichnen soll.
PRAXISTIPP | Sollte Ihnen ein Versicherer die Courtagevereinbarung kündigen und Sie damit in organisatorische Schwierigkeiten bringen, fragen Sie ihn zum Zwecke der juristischen Überprüfung nach der konkreten Rechtsgrundlage, am besten schriftlich. Kommt er Ihrem Wunsch nicht nach, verweisen Sie je nach Einzelfall auf die fehlende Angemessenheit der Kündigungsfrist, auf das Nicht-Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes oder auf das Vorliegen der Kündigung zur Unzeit. Deuten Sie ferner darauf hin, ggf. Schadenersatz von ihm zu verlangen. In vielen Fällen wird der Versicherer sein Vorgehen überdenken bzw. zu Verhandlungen bereit sein. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Der Grundsatz ‚nichts geht ohne Rechtsgrundlage‘ gilt immer“, VVP 1/2021, Seite 8 → Abruf-Nr. 46946093