· Fachbeitrag · COVID-19-Pandemie
Hotelstornierungskosten und Corona
| Die COVID-19-Pandemie hat nicht nur massive Gesundheitsgefahren, sondern auch fundamentale wirtschaftliche Folgen hervorgerufen. Zahlreiche Unternehmen leiden darunter, weil ihnen aufgrund der coronabedingten Verbote die Möglichkeit genommen wird, im Handel, in Hotels und Gaststätten oder anderen Dienstleistungsbereichen ihre Waren und Leistungen umzusetzen. Für die betroffenen Unternehmen stellt sich dann regelmäßig die Frage, wer die Risiken und die Folgen dieses Lockdowns trägt. Die Rechtsprechung wird zunehmend mit diesen Fragen konfrontiert. Das LG Köln hat sich jetzt mit der Frage des Kostenrisikos bei Stornierung einer Hotelbuchung aufgrund der Corona-Beschränkungen auseinandergesetzt. |
1. Das war geschehen
Die Klägerin hat bei der Beklagten in der Kölner Innenstadt anlässlich des Besuchs einer Fitnessmesse insgesamt 16 Hotelzimmer für ihre Mitarbeiter reserviert. Die Parteien haben dabei differenzierte Stornierungsbedingungen ausgehandelt, die zeitlich gestaffelt bis zu 90 Prozent des ursprünglichen Zimmerpreises betrugen. Die Klägerin zahlte im Voraus den vollen Preis für alle Zimmerreservierungen in Höhe von 22.847 EUR. Nachdem im Februar 2020 die Messe wegen der COVID-19-Pandemie abgesagt worden war, stornierte die Klägerin am 2.3.20 alle reservierten Zimmer. Die Klägerin macht Ansprüche auf Rückzahlung der bereits im Voraus bezahlten Hotelzimmer abzüglich der Stornierungsgebühren in Höhe von 13.653,90 EUR geltend.
Mit Wirkung vom 19.3.20 verbot die Stadt Köln dann den Betrieb aller Hotels und Beherbergungsstätten bis zum 19.4.20. Die Klägerin ist der Ansicht, aufgrund der Schließung des Hotels hätten ihre Mitarbeiter dort überhaupt nicht übernachten dürfen. Daher habe die Beklagte den Zahlungsanspruch verloren. Die Stornierungsgebühren seien zudem unangemessen hoch. Die Beklagte ist der Ansicht, die Durchführung der Messe sei nicht Gegenstand des Hotelvertrags gewesen. Daher stünde ihr die vereinbarte Stornierungspauschale zu.
2. Basiswissen: Stornierung von Hotelverträgen
Pacta sunt servanda ‒ Verträge sind einzuhalten. Dieser Grundsatz gilt auch bei der Buchung von Hotelübernachtungen. Mit Abschluss des Beherbergungsvertrags kann sich eine Partei nicht mehr einseitig vom Vertrag lösen. Storniert der Hotelgast den Vertrag, weil er erkrankt ist oder Angst vor einer Ansteckung durch den Corona-Virus hat, bleibt der Zahlungsanspruch des Hotels bestehen. Der Gast trägt grundsätzlich das sog. Verwendungsrisiko. Dieser Grundsatz findet seine Grundlage in § 537 Abs. 1 BGB. Der Hotelbetreiber muss sich aber nach § 537 Abs. 1, S. 2 BGB seine ersparten Aufwendungen anrechnen lassen.
Regelmäßig werden als ersparte Aufwendungen angesetzt:
- 10 Prozent bei reiner Übernachtung,
- 20 Prozent bei Übernachtung mit Frühstück,
- 30 Prozent bei Halbpension und
- 40 Prozent bei Vollpension.
Also kann der Hotelier 90 Prozent, 80 Prozent, 70 Prozent bzw. 60 Prozent des Vertragspreises verlangen. Höhere Stornopauschalen haben die Gerichte durchweg als unwirksam angesehen.
In AGB von Beherbergungsverträgen ist jedoch häufig für den Gast die Möglichkeit des kostenfreien Rücktritts bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor den gewohnten Aufenthalt ausdrücklich vorgesehen. Sofern ein Gast in einem solchen Fall aufgrund der COVID-19-Pandemie rechtzeitig zurücktritt, schuldet er dem Beherbergungsbetrieb wieder den Übernachtungspreis noch eine Pauschalentschädigung.
PRAXISTIPP | Aufgrund der Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie sollten Hoteliers solche Vereinbarungen möglichst vermeiden und Beherbergungsgäste solche Vereinbarungen möglichst anstreben. |
3. Unmöglichkeit aufgrund behördlicher Anordnung
Darf eine Leistung aufgrund einer gesetzlichen oder behördlichen Anordnung nicht erbracht werden, handelt es sich um eine sog. rechtliche Unmöglichkeit. Ist dem Schuldner die Erbringung seiner Leistung nicht mehr möglich, ist der Anspruch des Gläubigers auf die Leistung nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Muss also der Betreiber sein Hotel aufgrund der länderspezifischen Corona-Verordnungen schließen, hat der Gast keinen Anspruch auf die vertragliche Leistung. Er kann sich dann auf § 326 Abs. 1 BGB berufen. Danach entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung. Soweit er Zahlungen bereits entrichtet hat, kann er nach § 326 Abs. 4 BGB die Rückerstattung verlangen.
4. Absage einer Veranstaltung
Die Absage einer Veranstaltung, z. B. einer Messe, berechtigt den Gast grundsätzlich nicht dazu, seine Hotelbuchung kostenfrei zu stornieren. Denn das Durchführen der Veranstaltung gehört nicht zur Leistungspflicht des Hoteliers, sondern zum persönlichen Risikobereich des Gastes (MüKo/Finkenauer, BGB, § 313, Rn. 260; OLG Frankfurt a.M. MDR 81, 231). Eine Ausnahme ist nur anzuerkennen, wenn die Veranstaltung die Geschäftsgrundlage des Beherbergungsvertrags bildet. Das ist aber nur der Fall, wenn ein spezielles Leistungspaket(z. B. Hotelleistungen und Veranstaltungsbesuch o. Ä.) vom Hotel angeboten und vom Gast in Anspruch genommen wurde. Findet die Veranstaltung dann nicht statt, kann sich der Gast auf Unmöglichkeit der Leistung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen und kostenfrei stornieren.
5. Wie die Rechtsprechung aktuell die Lage sieht
Das LG Köln hat im vorliegenden Fall weder eine Unmöglichkeit der Leistung noch den Wegfall der Geschäftsgrundlage erkannt.
|
|
Das LG Köln hat zunächst geprüft, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Vorauszahlung in Höhe von 13.653,90 EUR gemäß § 346 Abs. 1, § 326 Abs. 4 BGB wegen Unmöglichkeit der Leistung zusteht.
6. Keine Unmöglichkeit der Leistung
Der Anspruch auf Leistung ist nach § 275 Abs. 1 ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Gleichzeitig entfällt dann nach § 326 Abs. 1 BGB auch der Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung bzw. muss diese nach § 326 Abs. 4 BGB zurückerstattet werden. Nach Auffassung des Gerichts entsteht dieser Rückzahlungsanspruch aber nur, wenn die Leistung im Zeitpunkt der Stornierung bereits unmöglich war. Die Stornierung und das Verlangen auf Rückerstattung konnten sich hier angesichts des zeitlichen Vorlaufs gar nicht auf eine etwaige Unmöglichkeit der Leistung durch die Beklagte beziehen. Im Zeitpunkt der Stornierung am 2.3.20 existierten nämlich noch keine Untersagungen für den Hotelbetrieb der Beklagten. Auf spätere Ereignisse, die sich auf die Leistungspflicht der Beklagten auswirken können, kommt es daher nach Ansicht des LG nicht mehr an.
MERKE | Der Hotelgast wird nur befreit, den Übernachtungspreis zu zahlen bzw. er kann dessen Rückerstattung verlangen, wenn dem Hotelbetreiber bereits im Zeitpunkt der Stornierung die Leistung unmöglich war. Hat der Gast aber vor Untersagung des Hotelbetriebs storniert, bleibt er verpflichtet, zu zahlen, auch wenn sich später herausstellt, dass dem Betreiber die Leistung zum Buchungszeitraum rechtlich unmöglich ist. Der Hotelgast muss also gut abwägen, wann er storniert. |
7. Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage
Auch, dass die Messe abgesagt wurde, führt nach Ansicht des LG nicht zur Unmöglichkeit der Leistung oder zum Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB. Die Messe durchzuführen, gehöre nicht zur Leistungspflicht der Beklagten. Ihr sei zwar bekannt gewesen, dass die Zimmerreservierungen für den Besuch der Messe vorgenommen worden waren. Das genüge jedoch nicht, den Verwendungszweck auch zum Vertragsinhalt zu machen. Der Messebesuch sei lediglich Motiv der Klägerin für die Reservierung gewesen. Soweit der Gläubiger an der Leistung kein Interesse mehr habe, liege eine Zweckstörung vor, die keine Unmöglichkeit nach § 275 BGB begründe.
Ebenso könne kein kostenfreies Stornierungsrecht der Klägerin aus einem Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen werden. Ungeachtet, ob die Durchführung der Messe Geschäftsgrundlage geworden war, falle der Umstand, dass diese abgesagt wurde, allein in den Risikobereich der Klägerin nach § 537 BGB. Gegenstand der Geschäftsgrundlage könnten nie Umstände sein, die in den Risikobereich der einen oder der anderen Vertragspartei fallen.
8. Zu hohe Pauschalentschädigung?
Die Vereinbarung der Stornierungsgebühr in Höhe von 90 Prozent des Zimmerpreises ist nach Ansicht des LG wirksam. Dabei können etwaige Unwirksamkeitsgründe nicht aus §§ 305 ff. BGB herangezogen werden. Die im Beherbergungsvertrag vereinbarten Stornierungsgebühren seien nämlich keine AGB nach § 305 Abs. 1 BGB gewesen. Es handele sich um eine Individualabrede gemäß § 305b BGB, da die Klausel nicht von der Beklagten einseitig gestellt, sondern zwischen den Parteien ausgehandelt worden sei.