· Fachbeitrag · Der Mieter des Monats
Kettenraucher „unchained“
von RA Axel Wetekamp, RiAG a. D., München
| Ein Leser berichtete uns folgenden Fall: Mieter M. ist „Kettenraucher“. Am liebsten pafft er in seiner Wohnung, die er nach eigenen Angaben „in liebevoller, jahrzehntelanger Kleinarbeit so richtig schön eingeraucht“ hat. M. genießt seinen Qualm auch auf dem Balkon oder im Treppenhaus. Beim Vermieter hagelt es Beschwerden der Mitmieter. Unser Leser fragt sich, was er in solchen Fällen tun kann. |
1. Raucherfrage in der Selbstauskunft
Es liegt im Interesse des Vermieters, hinsichtlich der Frage, ob der Mieter Raucher ist, eine vorvertragliche Information einzuholen und den Mieter zu veranlassen, diese Frage in einem Selbstauskunftsformular zutreffend zu beantworten. Raucht der Mieter in der Wohnung, hat dies in der Regel erhebliche Auswirkungen auf deren Zustand (s. u., 4.). Auch sind Probleme mit anderen, nicht rauchenden Mietern eines Mehrfamilienhauses zu befürchten.
Andererseits steht das Interesse des Mieters am Schutz persönlicher Daten seiner Privatsphäre möglicherweise einer Auskunft entgegen. Nach Art. 5 und 6 DS-GVO ist die Erhebung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dies der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses dient und zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze mag zwar ein Interesse des Vermieters vorhanden sein, eine Wohnung nur an Nichtraucher zu vermieten, doch dürfte die Nicht- oder Falschbeantwortung der Frage keine Konsequenzen in Form einer Kündigung des Mietverhältnisses nach sich ziehen.
Beachten Sie | Dem Vermieter stehen Schadenersatzansprüche gegen den Mieter zu, wenn dieser erhebliche Schäden durch das Rauchen verursacht. Zudem kann er kündigen, wenn andere Mieter erheblich gestört werden (s. u., 3.).
2. Rauchverbot in AGB und Individualvereinbarung
Ist ein Rauchverbot in einem Wohnungsmietvertrag so vereinbart, dass die Regelung nicht zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt, sondern die Klausel von vornherein für eine Mehrzahl von Verträgen vom Vermieter vorformuliert worden ist, § 305 BGB, liegen AGB vor. Hier gilt: Eine solche Vertragsklausel ist unwirksam, wenn sie den Betroffenen, hier also den rauchenden Mieter, entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 BGB.
Die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters nach § 535 Abs. 1 BGB beinhaltet, dass der Mieter die Mieträume in jeder Hinsicht in seinem Sinne nutzen darf. Dem widerspricht ein generelles, einseitig in den Vertrag aufgenommenes Rauchverbot. Eine solche AGB-Klausel ist daher unwirksam.
Zwar gelten die Grundsätze des § 307 BGB für eine mit dem Mieter ausgehandelte Vereinbarung nicht, doch ist auch eine solche Individualvereinbarung an § 242 BGB zu messen. Sie kann also im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen. Der BGH hat eine das Rauchen einschränkende Vereinbarung für möglich gehalten (28.6.06, VIII ZR 124/05, Abruf-Nr. 062079). Dies bedeutet: Das Rauchen kann zumindest an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten individualvertraglich verboten werden.
3. Beeinträchtigung von Mitmietern
Es wird meist so sein, dass der Raucher die Geruchsbeeinträchtigungen und die Wirkungen des Passivrauchens nicht (mehr) wahrnimmt. Raucht er jedoch z. B. bei offenem Fenster oder im Treppenhaus bzw. lüftet er seine Wohnung in das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses, sind objektiv andere Mieter hiervon betroffen. Dann kann es vorkommen, dass diese die Miete wegen eines Umfeldmangels ihrer Wohnung mindern oder den Raucher auf Unterlassung in Anspruch nehmen. I. Ü. sind hier dieselben Maßstäbe anzulegen wie nach der BGH-Rechtsprechung (s. u. zum Rauchen auf dem Balkon).
Geht man davon aus, dass Rauchen in der Wohnung auf jeden Fall erlaubt ist und der Balkon Teil der Wohnung ist, könnte auch das Rauchen auf dem Balkon uneingeschränkt zulässig sein. Diese Ansicht wurde früher vereinzelt vertreten. Aber auch hier gilt: Wie beim Rauchen am geöffneten Fenster oder dem Lüften der Raucherwohnung durch das Fenster, können die Beeinträchtigungen durch den Tabakrauch von anderen Mietern wahrgenommen werden.
Der BGH hat deshalb entschieden (16.1.15, V ZR 110/14, Abruf-Nr. 176825): Die Störung eines Mieters durch den Tabakrauch eines Mitmieters, der auf dem Balkon raucht, ist verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 BGB. Dies gilt auch, wenn dem rauchenden Mieter dies durch seinen eigenen Vermieter gestattet worden ist. Keine verbotene Eigenmacht liegt allerdings vor, wenn der durch den Tabakrauch gestörte Mitmieter im Sinne von § 906 BGB nicht oder nur unwesentlich durch das Rauchen beeinträchtigt wird. Eine „wesentliche“ Beeinträchtigung lässt sich nach zwei Kriterien bestimmen, nämlich der Intensität der Beeinträchtigung einerseits und ihrer Dauer andererseits.
MERKE | Liegt eine wesentliche Beeinträchtigung vor, haben die betroffenen Mieter einen Unterlassungsanspruch gegen den rauchenden Mieter. Darüber hinaus können sie ggf. die Miete nach § 537 BGB mindern, da die Beeinträchtigung durch starkes Rauchen einen Mangel der Mieträume darstellt. Dies gilt auch, wenn z. B. starker Tabakgeruch im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses wahrzunehmen ist, weil ein rauchender Mieter über den Hausflur lüftet. |
4. Beschädigungen durch Nikotineinwirkung in den Mieträumen
Häufiges Rauchen in einer Wohnung führt zu Nikotinablagerungen. Inwieweit diese eine übervertragliche Abnutzung darstellen, die ggf. einen Schadenersatzanspruch des Vermieters auslöst, war immer umstritten.
Während das LG Berlin (GE 04, 1096) davon ausging, dass eine übervertragliche Nutzung z. B. bei verschmutzten Gurtbändern von Rollläden in der Regel nicht vorliegt, bejahte das AG Magdeburg (ZMR 00, 541) eine Beschädigung, wenn ein Teppichboden bereits nach zweijähriger Nutzung wegen Nikotinbeeinträchtigungen ausgetauscht werden muss.
Der BGH meinte zunächst, dass das „normale“, nicht exzessive Rauchen vertragsgemäß sei (28.6.06, VIII ZR 124/05). „Exzessives Rauchen“ solle vorliegen, wenn schon nach kurzer Mietzeit ein erheblicher Renovierungsbedarf zu erwarten sei. Dieser könne bestehen, wenn spezielle Maßnahmen nötig sind, um einen ordnungsgemäßen Zustand der Mieträume wiederherzustellen. Es könne z. B. ein Isolieranstrich (w„Nikotinsperre“) erforderlich sein (so LG Baden-Baden, WuM 01, 603) oder eine Spezialreinigung des Teppichbodens.
Der BGH präzisierte seine Rechtsprechung später (5.3.08, VIII ZR 37/07, Abruf-Nr. 080910) dahin gehend, dass ‒ allgemein ‒ ein Schadenersatzanspruch wegen Beschädigung gegeben ist, wenn sich die Verschlechterungen der Mieträume nicht mehr durch Schönheitsreparaturen beseitigen ließen. Offen blieb dabei aber weiterhin, ob „aufwendigere“ Schönheitsreparaturen im Fall einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel bereits einen Schadenersatzanspruch wegen Beschädigung auslösen oder es sich immer noch um Schönheitsreparaturen handelt, sodass kein Anspruch des Vermieters gegeben ist.
Stehen Schönheitsreparaturen nicht infrage, da sich die Nikotinbeeinträchtigungen auf Teile der Mieträume beziehen, die nicht von der Definition des § 28 Abs. 4 S. 3 II. BVO erfasst sind, dürften immer Beschädigungen anzunehmen sein, wenn diese nicht nur geringfügig sind.
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Die „Rauchbemühungen“ des M. ergaben nicht mehr zu reinigende, verfärbte Gurtbänder von Rollläden, verfärbte Kunststoffrahmen von Fenstern und vergilbte Fliesenfugen. Hier wird vertreten, dass der Mieter die betroffenen Teile zunächst mit einem speziellen Mittel reinigen muss und, falls die Verfärbungen nicht zu beseitigen sind, die Kosten für den Ersatz der Teile tragen muss (LG Koblenz ZMR 06, 288). |
Sind im Mietvertrag bei einer Schönheitsreparaturklausel Fristen für die Schönheitsreparaturen vereinbart, die wegen des Transparenzgebots des § 307 BGB nur „im Allgemeinen“ gelten, dürften sich diese Fristen bei einer Raucherwohnung mit Nikotinbeeinträchtigungen von vornherein erheblich verkürzen.
5. Kündigung des rauchenden Mieters
Erhebliche Störungen anderer Mieter durch die Rauchgewohnheiten eines Mieters können eine Pflichtverletzung darstellen, die dem Vermieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses § 543 Abs. 1 BGB unzumutbar macht und die außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigt. Hierbei ist die Pflicht zur vorausgehenden Fristsetzung bzw. Abmahnung (§ 543 Abs. 3 BGB) zu beachten. Auch eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB kann in Betracht kommen, falls ein berechtigtes Interesse des Vermieters vorliegt, das Mietverhältnis zu beenden.