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· Fachbeitrag · Digitale Konkurrenz für den Steuerberater

Amazon: seine Händler, deren Steuern, unser Problem

von Alexandra Buba, M. A., freie Wirtschaftsjournalistin, Nürnberg

| Alles bei Amazon ‒ das ist den meisten mittlerweile aus dem Privatleben vertraut. Doch die Allmacht des US-amerikanischen Handelsriesen hat Grenzen, wenn es um Dienstleistung geht. Das gilt vor allem dann, wenn diese auch noch berufsrechtlich geregelt ist. So kursiert bereits seit einiger Zeit die Frage im Netz, ob Amazon nicht unerlaubterweise Hilfeleistung in Steuersachen anbietet und damit letztlich den Beratern Konkurrenz machen könnte. Das ist nicht der Fall, doch Probleme bestehen dennoch. |

Immer mehr Mandanten betreiben Onlinehandel

Als Amazon vor drei Jahren damit begann, sein PAN-EU-Network auszubauen, Lagerkapazitäten in Polen und Tschechien schuf und dies der immer größer werdenden Gemeinde der Onlinehändler durch attraktive Konditionen schmackhaft zu machen, dachte kaum jemand an Steuern. Weder die Plattformbetreiber noch die Händler verschwendeten wohl mehr als einen Gedanken an Lieferschwellen, die später einmal zur Umsatzsteuerpflicht in diversen Ländern führen würden. Heute liegt genau hier das Problem. Betroffen sind eine ganze Menge Mandanten, die möglicherweise Waren über Amazon ausschließlich an deutsche Kunden verkaufen und denen gar nicht bewusst ist, dass ausländische Lagerung ein steuerliches Thema sein kann. Die Zahl derer, die haupt- oder nebenberuflich Amazon-Seller werden, wächst. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Amazon die Hürden für den Einstieg in die Verkaufskarriere durch den Ausbau seiner Marketplace-Dienstleistungen immer weiter gesenkt hat. Zuletzt kamen die Umsatzsteuer-Services hinzu.

 

Für die Steuerberater bedeutet dies, dass inzwischen beinahe jede Kanzlei mit Mandanten konfrontiert ist, die Onlinehandel betreiben und dabei oftmals auch ohne ausländische Kundschaft Grenzen überschreiten. Die Haltung dazu hängt vom Standpunkt ab:

 

  • Der Berater könnte diesen Umstand als Chance begreifen, so er sich mit den Fragen der internationalen Umsatzbesteuerung auseinandersetzen will.
  • Er könnte sich freuen, dass er genau dies nicht tun muss, weil Amazon ihm dies durch den Umsatzsteuer-Service abnimmt.
  • Er könnte sich darüber ärgern, dass der Onlinemagnat nun auch noch in seinem angestammten Gebiet aktiv wird, und Konkurrenz befürchten.

 

Vor allem Letzteres passierte, als vor einiger Zeit bekannt wurde, dass Amazon seinen Händlern Umsatzsteuer-Services anbietet. Die Konditionen, die das Unternehmen dazu auf seiner Website veröffentlichte, ließen aufhorchen: Pauschal 400 EUR pro Jahr soll die Umsatzsteuererklärung für die Transaktionen bei Amazon kosten. Für 100 EUR mehr pro Jahr lassen sich außerdem Transaktionen außerhalb von Amazon in die Bearbeitung integrieren.

Umsatzsteuer-Services sind rechtlich nicht zu beanstanden

Etliche Berater fragten sich: Darf Amazon das? Tatsächlich bietet Amazon die umsatzsteuerliche Dienstleistung nicht selbst an, sondern über eine international tätige Steuerkanzlei namens Avalara mit Sitz in England. Diese hat die für eine Beratung in Deutschland erforderliche Erlaubnis. Insofern ist das, was Amazon tut, durchaus rechtens, da die Gesellschaft lediglich als Vermittler auftritt und nicht etwa selbst Hilfeleistung in Steuersachen erbringt.

 

Konkurrenz droht den meisten Steuerberatern seitens Avalara nun aber sicherlich nicht ‒ denn internationales Umsatzsteuerrecht dürften sich die wenigsten als lukratives Beratungsgebiet vorgenommen haben. Das gilt insbesondere deshalb, weil die Abwicklung zahlloser Transaktionen über verschiedene Ländergrenzen hinweg händisch oder halbautomatisch nicht wirtschaftlich durchgeführt werden kann. Unter dem Konkurrenzgesichtspunkt betrachtet ist die Vorgehensweise von Amazon deshalb unkritisch. Vielmehr könnte man tatsächlich argumentieren, dass der Onlinehändler den Steuerberatern einen Gefallen tut, wenn er die Probleme der Mandanten löst, die für die Kanzlei aus betriebswirtschaftlicher Sicht wenig attraktiv sind: Ein hoher Aufwand steht einem eher mageren Honorar gegenüber.

Onlinehändler unzufrieden mit Amazon Umsatzsteuer-Services

Soweit die Theorie, denn in der Praxis funktioniert das Modell von Amazon oftmals nicht. Auch Avalara kann offenbar keine qualitativ ausreichende Abwicklung zu den niedrigen Fixpreisen anbieten. So wächst derzeit die Unzufriedenheit mit der Dienstleistung der internationalen Beratungsgesellschaft, wie sich an Stimmen im Netz ablesen lässt.

 

Ein Blick in ein Amazon-Sellerforum bestätigt das, was Experten seit dem Start des Angebots betonen: Die abgegebenen Erklärungen beinhalten keine echte Beratung. Sie beachten weder sämtliche Lieferschwellen, noch kümmern sie sich um die günstigste Besteuerung.

 

  • Stimmen im Netz

„Ich hatte auch ewig Probleme mit Avalara. Die Gesellschaft hat keine Rücksicht auf die Lieferschwellen für Deutschland und Österreich genommen und diese Umsätze zusätzlich im Lagerland gemeldet. Als dann erstmalig die Meldungen für Tschechien und Polen anstanden, konnte ich die daraus entstehenden Konsequenzen nicht mehr übersehen.“

 

Ein anderer Seller berichtet in demselben Forum: „Ich habe heute den Avalara-Vertrag fristlos gekündigt. Hatte ein aufschlussreiches Gespräch mit Amainvoice [...]. Es fielen Wörter wie Steuernachzahlungen und Schätzungen und auch das Wort ‚Selbstanzeige‘ war dabei. Ich habe jetzt die Reißleine gezogen.“

 

Weitere Stimmen bringen das Problem genau auf den Punkt: „Ich finde, dass nicht nur Avalara und ggf. andere Dienstleister unverantwortlich handeln. Das ist ganz besonders ein Amazon-Problem. Hier wurden Händler in ein Pilotprogramm eingeladen, mit Webinaren von angeblichen Steuerfachleuten in dem Glauben

gelassen, dass die Steuergeschichten klar, logisch und überschaubar sind, und wenn hinterher die ganze Wahrheit [...] ans Licht kommt, von Amazon im Regen stehen gelassen. Bis heute hat Amazon die seit 2016 versprochenen Verbringungsnachweise nicht zur Verfügung gestellt.“

 

Ein weiterer Nutzer schreibt: „Ich habe inzwischen mit Crowe Horwath, KPMG und Avalara Erfahrungen und auch mit mehreren Steuerberatern in Deutschland. Ehrlich gesagt, kann ich da keine großen Unterschiede feststellen. Die sind alle kompetent ‒ aber eben nur genau in dem Segment, in dem sie sich auskennen. Und das reicht nicht aus, um ein Unternehmen mit PAN-EU oder PL/CZ zu betreiben.“

 

Das können Steuerberater ihren Mandanten raten

Dieser von einem Einzelnen erstellte und doch für das Grundproblem symptomatische Befund stellt Steuerberater vor eine Herausforderung:

 

  • Was können Sie Ihren Mandanten guten Gewissens empfehlen, sofern Sie die Beratung nicht selbst übernehmen können oder wollen?
  • Gibt es Lösungen, die besser funktionieren?
  • Lässt sich die umsatzsteuerliche Beratung von Onlinehändlern derzeit überhaupt gleichermaßen korrekt und wirtschaftlich bewerkstelligen?

 

Amainvoice: Rechnungssoftware für Amazon-Händler

Bessere Erfahrungen als mit den Amazon Umsatzsteuer-Services haben Nutzer jedenfalls offenbar mit dem von Amazon unabhängigen Angebot Amainvoice gemacht. Dahinter steckt eine bereits 2010 für Amazon-Händler entwickelte Rechnungssoftware. Im Hintergrund der cloudbasierten Lösung sorgen Steuerberater, die in einem Netzwerk verbunden sind, in unterschiedlichen Ländern dafür, dass der grenzüberschreitende Onlinehandel fiskuskonform wird. So drückt es der Kopf und Entwickler von Amainvoice, Andreas Honisch, aus.

 

Seine Software liefert die Daten, die die kooperierenden Steuerberater für die Anmeldung im jeweiligen Land benötigen. Die Betreuung des Händlers im Inland verbleibt beim angestammten Steuerberater, „der mit vier bis acht zusätzlichen Buchungen das Europaproblem seines Mandanten löst“, so Honisch. Da sich Amainvoice ausschließlich auf Amazontransaktionen (also ein geschlossenes System) fokussiert, können die Buchungsdaten in summierter Darstellung übergeben werden.

 

Beachten Sie | Diese Daten müssen Steuerberater im Inland derzeit noch händisch in die Buchführung eingeben. Künftig soll dies aber automatisiert möglich sein, da die DATEV gerade gemeinsam mit Amainvoice an einer Schnittstelle arbeitet.

 

Softwarelösungen für Onlinehändlerberatung

Neben diesem Angebot, das sich an Händler richtet, gibt es auch Softwarelösungen für Steuerkanzleien, die verstärkt in das Geschäft der Onlinehändlerberatung einsteigen wollen, etwa Taxdoo oder AccountOne.

 

PRAXISHINWEIS | Überlegenswert ist eine mögliche Spezialisierung im Bereich Onlinehändlerberatung derzeit sicherlich, denn Kanzleien, die sich mit der Thematik auskennen, haben derzeit einen Aufnahmestopp für Neumandanten.

 

Mehrwertsteuervereinfachung seitens der EU

Darüber hinaus können Berater ihren im Onlinehandel tätigen Mandanten die Bestrebungen der EU zur Angleichung der Umsatzbesteuerung analog zum Mini-One-Stop-Shop-Verfahren für digitale Dienstleistungen als Perspektive geben. Allerdings wird noch einige Zeit vergehen, ehe das geplante zentrale Online-Portal für die Anmeldung und Entrichtung der Steuer geschaffen wird und die Ende vergangenen Jahres vom EU-Ministerrat beschlossenen ersten Vereinfachungen schrittweise bis 2021 in Kraft treten.

Statement von Amazon auf Anfrage von KP

KP fragte bei Amazon nach,

  • welche Dienstleistungen in welcher Form und in welchem Umfang das Unternehmen seinen Kunden anbietet,
  • welche Motivation dahintersteckt und
  • ob deutsche Steuerberater Amazon teilweise zu Recht als Konkurrenz betrachten.

 

Dies sind die Antworten.

 

  • Statement von Amazon

Amazon unterstützt kleine Unternehmen und Händler in der digitalen Wirtschaft mit Services wie „Amazon Marketplace“ und „Versand durch Amazon“, damit diese ihre E-Commerce-Umsätze und -Exporte steigern können. Um das Verkaufen und Exportieren online noch einfacher und schneller für Verkäufer zu gestalten, führt Amazon einen neuen Service ein: Umsatzsteuer-Services bei Amazon.

 

Die Umsatzsteuer-Services bei Amazon sind ein gemeinsames Angebot von Amazon und dem Steuerdienstleister Avalara, der Marketplace-Verkäufer jeder Größe bei der Umsatzsteuerregistrierung, Meldung und Einreichung der Steuern in ausgewählten europäischen Ländern außerhalb des Heimatlands unterstützt.

 

Marketplace-Verkäufer aus Deutschland und ganz Europa können mit den Umsatzsteuer-Services bei Amazon ihre Umsatzsteuerpflichten verwalten. Die neuen Umsatzsteuer-Services bei Amazon umfassen die Verpflichtungen zur Umsatzsteuermeldung in Frankreich, Italien, Polen, Spanien, Tschechien und dem Vereinigten Königreich. Als Bestandteil des Amazon Verkäuferportals „Seller Central“ unterstützen die Umsatzsteuer-Services bei Amazon Marketplace-Verkäufer bei der lokalen Umsatzsteuerregistrierung, Meldung der Umsätze auf dem Amazon Marketplace und ggf. auch aus anderen Vertriebskanälen. Außerdem helfen sie bei der Genehmigung und Einreichung der entsprechenden Dokumentation.

 

Weiterführender Hinweis

  • Lesen Sie auch das Interview „Keine rechtlichen Schritte gegen Amazon geplant“ auf der Folgeseite.
Quelle: Seite 77 | ID 45184911