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· Fachbeitrag · DSGVO/Zurückbehaltungsrecht

Herausgabeanspruch nach Art. 20 DSGVO und Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters

von Aileen Günther, stud. jur., Münster

| Steuerberater haben ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht an Daten und Unterlagen, wenn sie eine fällige (§ 7 StBVV) und durchsetzbare (§ 9 StBVV) Honorarforderung innehaben. Seit der Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stellt sich die Frage, ob dieses Zurückbehaltungsrecht mit den Betroffenenrechten der DSGVO ausgehebelt werden kann. Dazu kommt insbesondere Art. 20 DSGVO als „Datenschutzrechtlicher Herausgabeanspruch“ in Betracht. |

Der Herausgabeanspruch nach Art. 20 DSGVO

Art. 20 DSGVO beinhaltet das Recht auf Datenübertragbarkeit oder konkreter: „das Recht [einer Person], die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten“ und „diese Daten einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung durch den Verantwortlichen […] zu übermitteln“. Gemäß der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO können betroffene Personen nur natürliche Personen sein, sodass Art. 20 DSGVO auf juristische Personen und Personenvereinigungen nicht anwendbar ist.

 

Fraglich ist, welche Daten von dem „Herausgabeanspruch“ erfasst sind.

 

Personenbezogene Daten

Art. 20 DSGVO spricht von „personenbezogenen Daten“. Dafür liefert Art. 4 Nr. 1 DSGVO ebenfalls eine Legaldefinition: „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“. Dies wird allerdings durch weitere Voraussetzungen eingeschränkt. Zum einen muss es sich um Daten handeln, die den Betroffenen selbst angehen. Dadurch werden anonymisierte Daten und solche, die lediglich Dritte betreffen, ausgeschlossen (Piltz in Gola, DSGVO, S. 495, Rz. 14).

 

Daten, die auf Vertrag/sonstiger Einwilligung beruhen

Zum anderen werden bloß solche Daten von Art. 20 erfasst, die auf einem Vertrag oder einer sonstigen Einwilligung der betroffenen Person beruhen und mithilfe automatischer Verfahren verarbeitet werden (Art. 29 ‒ Datenschutzgruppe, Guidelines on the right to data portability, WP 242, 13.12.16, S. 7). Die im Hinblick darauf wichtigste Voraussetzung ist also, dass der Anspruch aus Artikel 20 DSGVO ausschließlich solche Daten umfasst, die die betroffene Person dem Verantwortlichen selbst zur Verfügung gestellt hat (Art. 29 ‒ Datenschutzgruppe, Guidelines on the right to data portability, WP 242, 13.12.16, S. 7; Piltz in Gola, DSGVO, S. 495, Rz. 15). Daraus ergibt sich, dass Daten schon dann nicht mehr von dem Anspruch erfasst sind, wenn sie das Ergebnis irgendeiner Verarbeitung seitens des Verantwortlichen sind (Herbst in Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, S. 484, Rz. 11).

Konsequenzen für die Praxis

Daraus folgt für die Praxis, dass „Identifizierungsdaten“ des Mandanten (personenbezogene Daten i. S. des § 4 Nr. 1 DSGVO), die beispielsweise in einen Mandantenaufnahmebogen einfließen und im System des Steuerberaters gespeichert werden, unter Berufung auf Art. 20 DSGVO herausverlangt werden können. Alles, was durch den Steuerberater erarbeitet oder verarbeitet worden ist (Steuererklärungen, Jahresabschlüsse, Buchführung, Lohnbuchführung etc.), unterliegt jedoch nicht dem Anspruch.

 

Des Weiteren ist festzustellen, dass die Grenzen des Anspruchs auf Datenübertragbarkeit sich ohnehin aus den Rechten und Freiheiten Dritter ergeben. Dazu zählen insbesondere Geschäftsgeheimnisse oder Rechte aus geistigem Eigentum, aber auch andere Rechte, wie z. B. das sich aus §§ 675, 273 Abs. 1 BGB ergebende Zurückbehaltungsrecht (Art. 29 ‒ Datenschutzgruppe, Guidelines on the right to data portability, WP 242, 13.12.16, S. 10; Offermann-Burckart, Die Datenschutz-Grundverordnung ‒ erste Erkenntnisse und ihre Anwendung auf die anwaltliche Berufspraxis, S. 17).

 

Letztlich wird auch der Anspruch aus Art. 20 DSGVO durch das Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters begrenzt. Darauf kommt es aber i. d. R. nicht an, da die Dienstleistungen, für die der Steuerberater einen Honoraranspruch geltend machen kann, entweder gar keine oder nur einzelne „personenbezogenen Daten“ i. S. des Art. 20 i. V. mit Art. 4 Nr. 1 DSGVO umfassen. Wenn Letzteres der Fall ist (z. B. die Angaben zur Person im Rahmen einer Steuererklärung), kann der Steuerberater dem Anspruch aus Art. 20 DSGVO sein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht entgegenhalten, wenn er eine fällige und durchsetzbare Honorarforderung innehat.

 

FAZIT | Der Steuerberater ist lediglich verpflichtet, dem Mandanten, der sich auf Art. 20 DSGVO beruft (vorausgesetzt es handelt sich um eine natürliche Person), die Informationen (personenbezogene Daten i. S. des Art. 4 Nr. 1 DSGVO) unentgeltlich zu übermitteln, die dieser dem Steuerberater bereitgestellt hat, auf Anfrage sogar mehrmals. Einen darüber hinausgehenden Anspruch (z. B. Daten der Buchführung, der Steuererklärungen, des Jahresabschlusses) kann der Mandant aus Art. 20 DSGVO nicht ableiten (Art. 29 ‒ Datenschutzgruppe, Guidelines on the right to data portability, WP 242, 13.12.16, S. 12). Der Anspruch auf Datenübertragbarkeit aus Art. 20 DSGVO läuft dem Zurückbehaltungsrecht des Steuerberaters also nicht zuwider.

 

Zur Autorin | Der Beitrag ist anlässlich eines Verwaltungspraktikums bei der Steuerberaterkammer Düsseldorf entstanden.

 

Weiterführende Hinweise

  • Digitalisierung des Besteuerungsverfahrens ‒ Rechtsgrundlagen, Status Quo und Ausblick (KP Beitrag vom 15.2.19)
  • DSGVO/Aufbewahrungspflichten ‒ Berufsrechtliche Aufbewahrungspflicht versus datenschutzrechtliche Löschpflicht (Beyme, KP 19, 103)
  • DSGVO ‒ Unverschlüsselten E-Mail-Verkehr gem. DSGVO berufsrechtlich unbedenklich gestalten (Feiter, KP 18, 131)
Quelle: Seite 121 | ID 45787065