· Fachbeitrag · E-Mobilität
Brandschäden beim Betrieb von Ladesäulen und E-Fahrzeugen im Miet- und WEG-Recht
von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen
| Eine typische Beratungssituation: Ein Mieter oder ein Mitglied einer Eigentümergemeinschaft wünschen sich die Zustimmung zum Anbringen einer Ladesäule bzw. Wallbox, um für sich akkugestützte E-Mobilität (E-Auto, E-Roller, E-Bike) zu realisieren. Der Vermieter bzw. ein anderes Mitglied der Eigentümergemeinschaft oder der Verwalter fragen, ob man dem ohne Weiteres zustimmen muss oder z. B. vorher verlangen kann, dass der Abschluss einer Haftpflichtversicherung nachgewiesen wird, falls Akkus beim Laden oder Betrieb in Brand geraten und sogar explodieren. |
1. Rechtliche Ausgangssituation
Seit dem 1.12.20 haben Mieter bis zur Grenze der Zumutbarkeit gegenüber ihren Vermietern einen Anspruch darauf, die Herstellung einer Ladeinfrastruktur zur E-Mobilität auf eigene Kosten zu dulden (§ 554 Abs. 1 S. 1 BGB). In Eigentümergemeinschaften ist es genauso (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG): Die Gemeinschaft kann beschließen, dass die Anlage entsprechend hergerichtet wird. Weitergehend haben einzelne Eigentümer gegenüber der Gemeinschaft einen Anspruch darauf, zu gestatten, dass sie auf ihre Kosten für sich selbst eine Ladeinfrastruktur herstellen, um E-Fahrzeuge zu betreiben (§ 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 WEG). Der Gemeinschaft bleibt dann ein Beschlussermessen im Hinblick auf das „Wie“ der Umsetzung. Was aber gilt nach der Herstellung und während des Betriebs dieser Ladestationen, wenn sich die Akkus der Elektrofahrzeuge entzünden oder gar explodieren? Wer haftet?
a) Mietrecht
aa) Denkbare Anspruchsgrundlagen
Betrachten wir zunächst den Mieter und Eigentümer eines „abgefackelten“ E-Mobils im Verhältnis zu seinen Mieter-Nachbarn und zum Vermieter: Bei Beeinträchtigungen kann sich der benachbarte Mitmieter insbesondere durch Unterlassungs-, Besitzstörungs- und durch Schadenersatzansprüche gegenüber dem unmittelbaren Störer wehren. Seine Ansprüche als unmittelbarer Besitzer (LG Düsseldorf DWW 97, 188) der Mietsache nach § 862 Abs. 1 BGB auf Beseitigung und Unterlassung führen zum selben Ergebnis, wie die Ansprüche des Eigentümers nach § 1004 Abs. 1 BGB (OLG Düsseldorf DWW 97, 149; AG Warendorf DWW 97, 344). § 906 BGB gilt für den Mieter als Besitzer nicht analog und ist auf das Verhältnis zwischen den Mietern verschiedener Stockwerke eines Hauses nicht entsprechend anwendbar (BGH NJW 04, 775).
Gegenüber Mieter-Nachbarn können sich vertragliche Haftungen aber unter keinem Gesichtspunkt ergeben. Denn in Hausgemeinschaften sind vertragliche Beziehungen nicht anzunehmen. Der Mietvertrag entfaltet ebenfalls keine Schutzwirkung für andere Mitmieter, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt eine vertragliche Haftung ausscheiden muss (vgl. zur Haftung unter Mietern (BGHZ 157, 188; OLG Frankfurt/M. 7.9.18, 10 U 8/18; 24.7.18, 10 U 8/18).
bb) Verschulden als Haftungsvoraussetzung
Die hier allein in Betracht kommende gesetzliche Schadenersatzhaftung aus §§ 823, 831 BGB setzt ein eigenes Verschulden voraus. Wurde das Elektrofahrzeug oder die Ladesäule/Wallbox durch einen dazu auch befugten zertifizierten Fachhandwerker unter Beachtung der dafür geltenden gesetzlichen Vorschriften und Sicherheitsanforderungen eingebaut oder zumindest abgenommen, technisch nicht manipuliert, ordnungsgemäß betrieben und der Akku des Elektrofahrzeugs nach seinen technischen Vorgaben (Ladekapazität) geladen, scheidet ein solches Verschulden in aller Regel aus.
Ein spezielles „Überwachungsverschulden“ kann zwar nicht angenommen werden, doch müssen die Ladesäulen regelmäßig überprüft werden. Wird der Mieter beim Betrieb des Elektrofahrzeugs und beim Ladevorgang nicht selbst oder zumindest nicht nur allein tätig, kann allenfalls ein Auswahlverschulden im Hinblick auf die Person und ein Organisationsverschulden bei ihrer Anleitung und Überwachung infrage kommen. Regelmäßig wird dies aber ebenfalls ausscheiden und kaum nachweisbar sein. Gegenüber seinem Vermieter haftet der Mieter zwar auch vertraglich für entstandene Schäden, das setzt aber wiederum eine Pflichtverletzung und ein Verschulden voraus (§ 280, § 281, § 241 Abs. 2 BGB). Spätestens am Verschulden oder an seiner Beweisbarkeit fehlt es aber in aller Regel. Dies drängt zu der Frage, ob nicht wenigstens ein Hinweis im Mietvertrag oder in einer nach dessen Abschluss verhandelten Ergänzungsvereinbarung anlässlich der Ladeinfrastruktur geboten erscheint.
cc) Versicherungsrechtliche Betrachtung
Wenn aber der Mieter selbst nicht haftet, tritt auch seine Haftpflichtversicherung nicht ein. Es bleibt dann nur noch die Gebäudeversicherung für die Schäden am Haus hervorgerufen durch das real gewordene Versicherungsrisiko „Feuer“. Auch diese Aussage ist stark zu relativieren, und das gleich zweifach:
- Zunächst könnte es versicherungsrechtlich als „Gefahrerhöhung“ betrachtet werden, Ladeinfrastruktur im Haus herzustellen und dann E-Fahrzeuge dort zu parken, zu laden und zu bewegen. Wurde dieser gefahrerhöhende Umstand dem Versicherer zuvor nicht angezeigt, können sich sehr schnell Probleme für den Versicherungsnehmer und Gebäudeeigentümer (Vermieter) ergeben, wenn der Versicherer den eingetretenen Brandschaden regulieren soll (vgl. §§ 23 bis 26 VVG). Er wird die Deckung in aller Regel zumindest kürzen oder sogar ganz verweigern, zumal er mangels Verschulden des einzelnen Mieters keinen Regress nehmen kann.
- Beachten Sie | Da einzelne Versicherer nach Auskunft der Versicherungswirtschaft unterschiedlich beurteilen, ob mit einer nachmalig installierten und betriebenen Ladeinfrastruktur zur Herstellung von E-Mobilität eine Gefahrerhöhung vorliegt oder nicht, sollte unbedingt vorher über das Vorhaben informiert und mit dem Gebäudeversicherer Rücksprache genommen werden.
- Des Weiteren muss durch Einblick in die Police und Rücksprache mit dem Versicherer geklärt werden, ob es sich bei hergestellten Ladesäulen um ein zusätzlich zu versicherndes Risiko handelt. So ist z. B. eine Photovoltaikanlage zu versichern, eine eingebaute Sauna dagegen nicht.
PRAXISTIPP | Viele Versicherer betrachten Ladeeinrichtungen als Gebäudezubehör und damit als mitversichert. Abgrenzungen können sich aber aus dem Wert der installierten Einrichtungen sowie aus der Frage ergeben, ob sie mit der Bausubstanz fest verbunden sind oder dem Gebäudeeigentümer und Versicherungsnehmer oder etwa Mietern gehört. Mietern, die auf ihre Kosten Ladeinfrastruktur herstellen möchten, ist daher zu empfehlen, sich einen Versicherungsschutz im Rahmen einer existierenden Hausratversicherung bestätigen zu lassen. Vermietern ist zu empfehlen, diese Bestätigungen einzufordern und zur Mieterakte zu nehmen. Ob das durch Formularklausel erfolgen kann, ist derzeit nicht entschieden, wurde aber für den formularmäßig zu erbringenden Nachweis von Haftpflichtversicherungen abgelehnt (AG Dresden 14.12.11, 141 C 6282/11; LG Düsseldorf 18.5.90, 21 S 354/89; anders im Gewerbemietrecht: OLG Düsseldorf NZM 98, 728; Heinrichs, NJW 98, 1447; a. A.: LG Düsseldorf WuM 90, 336).
- Alternativ könnten E-Ladestationen auch mittels einer Elektronik-Versicherung abgesichert werden. Hier werden Beschädigungen oder Zerstörungen von versicherten Sachen (Sachschäden) und ihr Wert bei Abhandenkommen durch Diebstahl, Einbruchdiebstahl, Raub oder Plünderung versichert, nicht aber ein Betriebsrisiko! Denn Folgeschäden finanzieller Art durch Beschädigung und Fehlbedienung sind aus der Versicherungsdeckung eliminiert.
dd) Regressmöglichkeiten des Versicherers?
Schadlos halten kann sich der Versicherer auch dann meist nicht, wenn der Mieter die Versicherungsprämien über die Betriebskosten mitträgt (Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung). Denn dann muss er im Ergebnis so gestellt werden, als sei er selbst Versicherungsnehmer ‒ er zahlt ja auch die Prämie (BGH 19.11.14, VIII ZR 191/13). Weder der Versicherer noch der Vermieter selbst könnten deshalb Regress nehmen, bereits wegen mangelndem Verschulden des Mieters in aller Regel sowieso nicht. Für Schäden am Hausrat könnte die Hausratsversicherung des Geschädigten, für Schäden an anderen parkenden Fahrzeugen die Kfz-Kaskoversicherung angesprochen werden.
b) Wohnungseigentumsrecht
Derselbe Befund zeigt sich im Verhältnis von Eigentümergemeinschaften zu einzelnen Mitgliedern oder zu deren Mietern, die Ladeinfrastruktur zum Betrieb von E-Mobilität begehren und eingeführt haben.
c) Keine Produzentenhaftung
Zu denken ist noch an eine Produkthaftung. Rechtsgrundlage hierfür ist das ProdHaftG. Es regelt die Haftung des Herstellers eines fehlerhaften Produkts, wenn sich aus der Fehlerhaftigkeit Gefahren für den Nutzer ergeben und sich diese Gefahren zu einem eingetretenen Schaden verdichtet haben. Allerdings entfällt diese Haftung, wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte (§ 1 Nr. 5 ProdHaftG). Gerade bei Akkus mit CE-Prüfsiegel muss vermutet werden, dass sich die Hersteller der schädigenden Akkus genau darauf berufen werden. Aussagegehalt verkürzt: „Besser können wir es eben nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht.“ Mit Sicherheit ist zu erwarten, dass ein Rechtsstreit auch aufgrund der immensen wirtschaftlichen Bedeutung für den beklagten Hersteller sehr langwierig, zeitaufwendig und teuer werden dürfte. Ob deshalb ein geschädigter privater Verbraucher einen solchen Rechtsstreit bis in die letzte Konsequenz führen kann, erscheint zweifelhaft. Zu denken ist eher an einen entsprechenden Regress eines in Anspruch genommenen Versicherers nach dem Schadensausgleich.
2. Das muss die Praxis wissen
a) Mietrecht
Zu klären bleibt, ob man zur Deckung ggf. erhöht anfallender Versicherungskosten und evtl. Rückbaukosten dem Mieter (doch) abverlangen kann, vor der eigenen Zustimmung zur Ausstattung mit E-Ladeinfrastruktur eine spezielle eigene Sicherheit beizubringen. § 554 Abs. 1 S. 3 BGB sieht das aber nicht zwingend vor, sondern stellt dies in das Gutdünken des Mieters („Kann“-Vorschrift).
MERKE | Die Argumentation hierbei wäre: Entweder der Mieter bringt diese zusätzliche Sicherheit, dann wäre die Duldung für den Vermieter und für die Nachbarn im Haus entsprechend § 554 BGB zumutbar, oder er erbringt sie nicht. Dann dürfte wegen des erhöhten Gefahrenrisikos und wegen der Probleme eines Haftungsregresses eine Duldung unzumutbar sein. Folge: Die Ladeinfrastruktur wird dann nicht hergestellt (§ 554 Abs. 1 S. 2 BGB). Eine solche Vereinbarung bewegt sich auch im Rahmen des Erlaubten und ist wirksam (§ 554 Abs. 2 BGB). Denn eine finanzielle Sicherheit durch den Mieter ist ja gesetzlich gerade vorgesehen. Als Alternative kann der Nachweis einer Haftpflichtversicherung verhandelt werden. |
b) Wohnungseigentumsrecht
Ebenso ließe sich für das Wohnungseigentum argumentieren. § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG sieht den Gestattungsanspruch für bauliche Veränderungen zum Betrieb von E-Mobilität vor. Eine (abstrakte) Gefahrerhöhung tritt zwar nicht schon durch die Ladeinfrastruktur ein, jedoch durch den Betrieb akkugestützter E-Fahrzeuge. Wegen der o. g. Haftungslage könnte zumindest dieser Umstand zu einer „unbilligen Benachteiligung“ aller anderen Eigentümer führen, die dann nicht auch über die Möglichkeit eines Betriebes von E-Mobilität verfügen. Macht man diese Argumentation vom Ansatz her mit, dürften nach § 20 Abs. 4 WEG derartige bauliche Veränderungen weder beschlossen, gestattet noch verlangt werden, solange das damit einhergehende Schadensrisiko (Brand oder Explosion des Akkus eines Elektrofahrzeugs) nicht abgefedert wird.
Beachten Sie | Denkt man das allerdings zu Ende, hätte dies zur Konsequenz, dass wohl kaum noch Ladeinfrastruktur hergestellt werden könnte. Denn das damit einhergehende letztendliche Betriebsrisiko der Akkus in Elektrofahrzeugen wäre entsprechend hoch zu beziffern. Deshalb kann man nach der hier vertretenen Ansicht eine zusätzliche wirtschaftliche Sicherheit nicht erzwingen, sondern nur im Konsens vereinbaren; abgesehen davon ließe sich nur über eine „Versicherungslösung“ tragbar arbeiten: Der Eigentümer, der eine Ladeinfrastruktur herstellen will, müsste dann einen „Gefahrenzuschlag“ zur Hausratversicherung bzw. Kfz-Kaskoversicherung und zur Gebäudeversicherung leisten. Dass die Versicherer ihre Policen entsprechend anpassen und ein erhöhtes Gefahrenpotenzial durch den Betrieb von Elektrofahrzeugen einpreisen werden, lässt sich sicher annehmen. Denn: „Aus Schaden wird man klug“.
c) Betriebs- und Überwachungspflichten
Sinnvoll ist ein Hinweis schon im Mietvertrag oder in einer nachträglichen Ergänzungsvereinbarung. Analog gilt dies auch, wenn die Eigentümergemeinschaft allgemein oder für einzelne Miteigentümer das Herstellen von Ladeinfrastruktur beschließt, und schließlich, wenn einzelne Miteigentümer einen Gestattungsanspruch geltend machen und die Gemeinschaft über die Umsetzung befinden muss.
3. Vereinbarung zum Herstellen von Ladeinfrastruktur
Checkliste / Ladeinfrastruktur: Das ist zu beachten |
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