· Fachbeitrag · Einlagenrückgewähr
Steuerliche Risiken und Besonderheiten bei (grenzüberschreitenden) Kapitalrückzahlungen
von RA Christian Gaßmann, Düsseldorf und StB Timo Welling, LL.M., Hamburg
| § 27 KStG regelt, wie Gewinnausschüttungen von der Einlagenrückgewähr abzugrenzen sind. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber zwischen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften oder Personenvereinigungen und solchen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unbeschränkt steuerpflichtig sind. Regelungen für Körperschaften, die in einem EWR-Mitgliedstaat oder Drittstaat unbeschränkt steuerpflichtig sind, finden sich in § 27 KStG dem Gesetzeswortlaut nach nicht. In der Vergangenheit hat der BFH allerdings entschieden, dass auch Kapitalgesellschaften mit Sitz in Drittstaaten eine Einlagenrückgewähr vornehmen können (vgl. BFH 20.10.10, I R 117/08, IStR 11, 227; BFH 13.7.16, VIII R 47/13, DStR 16, 2395 und VIII R 73/13, DStRE 16, 1416). |
1. Einführung
Die §§ 27 bis 29 KStG wurden durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23.10.00 (BGBl I 00, 1433) eingeführt. § 27 KStG soll dabei regeln, wie die Einlagenrückgewähr und die Gewinnausschüttung voneinander abzugrenzen sind. Dadurch soll gewährleistet werden, dass auch nach der Umstellung des Körperschaftsteuersystems vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren die Rückgewähr von Einlagen nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt.
Erbringt eine Kapitalgesellschaft Leistungen an ihre Anteilseigner, ist zu unterscheiden, ob es sich um Bezüge handelt, die zu steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG führen, oder um Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto, die zu Bezügen i. S. d. § 20 EStG führen. Diese Leistungen gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Dabei handelt es sich um die Rückgewähr von Einlagen der Anteilseigner, die nicht im Nennkapital gebunden sind. Es ist dabei unerheblich, ob diese offen oder verdeckt bzw. ob sie in Form von Bar- oder Sacheinlagen geleistet wurden. Zudem führt die Einlagenrückgewähr zu einer Minderung der historischen Anschaffungskosten.
2. Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland
Gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 KStG hat eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jeden Wirtschaftsjahres gesondert auszuweisen. Die nachfolgenden Regelungen gelten nach § 27 Abs. 7 KStG auch für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen.
Das steuerliche Einlagekonto erhöht sich, wenn offene oder verdeckte Einlagen in die Kapitalgesellschaft geleistet werden, die das Nennkapital nicht erhöhen. Werden Einlagen später von der Kapitalgesellschaft zurückgewährt, kann sich das steuerliche Einlagekonto mindern. Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto können gemäß § 27 Abs. 1 S. 3 KStG nur dann vorgenommen werden, wenn diese den ausschüttbaren Gewinn übersteigen. § 27 Abs. 1 S. 5 KStG bestimmt dessen Ermittlung. Demnach ist der ausschüttbare Gewinn das um das gezeichnete Eigenkapital geminderte, in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos. Als Leistungen sind sämtliche Auskehrungen der Körperschaft an die Anteilseigner, die ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben, anzusehen (vgl. Endert, in: Frotscher/Drüen, KStG, § 27, Rn. 42). Dazu zählen z. B. offene und verdeckte Gewinnausschüttungen.
Auf den Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres haben Körperschaften Erklärungen zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos abzugeben (§ 27 Abs. 2 S. 4 KStG). Der zum Ende des Wirtschaftsjahres festgestellte Bestand des steuerlichen Kontos wird gemäß § 27 Abs. 2 S. 1 KStG gesondert festgestellt. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung dient nach § 27 Abs. 2 S. 2 KStG als Grundlagenbescheid für die folgende Feststellung. Insofern bedarf es einer sorgfältigen und zeitnahen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos. Erbringt eine Körperschaft Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto, ist diese nach § 27 Abs. 3 S. 1 KStG verpflichtet, ihren Anteilseignern eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster darüber auszustellen.
MERKE | Bei einer Verwendung des Einlagekontos gemäß § 27 KStG handelt es sich grundsätzlich um eine Kapitalrückzahlung, die nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen führt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Soweit die Rückzahlung die Höhe der Anschaffungskosten übersteigt, liegen hingegen Einnahmen vor. |
In Fällen, in denen Gewinnrücklagen in Nennkapital umgewandelt worden sind, entsteht ein Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 S. 3 KStG. Bei einer Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres gemindert (§ 28 Abs. 2 S. 1 KStG). Die Minderung des Sonderausweises führt nach § 28 Abs. 2 S. 2 KStG zu einer Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt.
Beachten Sie | Das Einlagekonto wird nur für steuerliche Zwecke geführt. Daher ist bei der Auskehrung handelsbilanzieller Kapitalrücklagen zu prüfen, ob diese für steuerliche Zwecke zu einer nicht steuerpflichtigen Einlagenrückgewähr oder zu einer steuerpflichtigen Gewinnausschüttung führt.
2. Unbeschränkte Steuerpflicht in einem EU-Mitgliedstaat
Durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7.12.06 (BGBl I 06, 2782) wurde § 27 Abs. 8 KStG eingeführt. Dem Wortlaut des § 27 Abs. 8 S. 1 KStG nach kann eine Einlagenrückgewähr auch durch Körperschaften und Personenvereinigungen erbracht werden, wenn diese in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Gemäß § 27 Abs. 8 S. 2 KStG finden die §§ 27 Abs. 1 bis 6, 28 und 29 KStG entsprechend Anwendung. Bei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften erfolgt eine jährliche Feststellung des steuerlichen Einlagekontos. Von der leistenden EU-Körperschaft ist gemäß § 27 Abs. 8 S. 3 KStG für den jeweiligen Veranlagungszeitraum der Leistung ein Antrag auf gesonderte Feststellung zu stellen. Die gesonderte Feststellung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu beantragen.
PRAXISHINWEIS | Bei der Antragstellung ist die kurze Frist des § 27 Abs. 8 S. 4 KStG zu beachten. Demnach ist der Antrag bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, welches auf das Kalenderjahr der Leistungserbringung folgt. Die Antragsfrist des § 27 Abs. 8 S. 4 KStG stellt eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist dar (vgl. FG Köln 15.2.17, 2 K 803/15, EFG 17, 769, anh. I B 37/17; Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 27, Rn. 193; krit. Behrens/Renner, BB 16, 1180, 1181). |
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Erfolgt in 2016 eine offene Gewinnausschüttung für 2015, ist der Antrag für das Kalenderjahr 2016 bis zum 31.12.17 zu stellen. |
Sofern eine Feststellung nach § 27 Abs. 8 S. 1 KStG unterblieben ist, gelten die erbrachten Leistungen gemäß § 27 Abs. 8 S. 9 KStG als Gewinnausschüttungen, die beim Anteilseigner zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG führen. Selbst wenn dem Anteilseigner eine Bescheinigung nach § 27 Abs. 8 S. 3 KStG vorliegt, ist die Leistung als Gewinnausschüttung zu behandeln, sofern keine gesonderte Feststellung durchgeführt wurde (vgl. Bauschatz, in: Gosch, KStG, § 27, Rn. 149). Dabei ist auch zu beachten, dass nach § 27 Abs. 8 S. 8 KStG in die Bescheinigung das Aktenzeichen der zuständigen Behörde aufzunehmen ist.
Die größten Probleme in der Praxis bereitet wohl der Nachweis, dass es sich bei der Leistung der Körperschaft um eine Einlagenrückgewähr handelt. Nach § 27 Abs. 8 S. 7 KStG hat der Steuerpflichtige geeignete Unterlagen vorzulegen, aus denen zum einen ersichtlich wird, wie hoch der ausschüttbare Gewinn zum Ende des der Leistung vorangegangenen Wirtschaftsjahres war, und zum anderen eine Übersicht über die bislang getätigten Einlagen. Dies umfasst auch die Einlagen, die vor Einführung des § 27 Abs. 8 KStG geleistet wurden (vgl. Bauschatz, in: Gosch, KStG, § 27, Rn. 144). Eine Orientierung, welche Unterlagen möglichst beizubringen sind, gibt der „Unterlagenkatalog“ des BZSt (Stand: 24.3.16). Dazu zählen u. a.:
- Entwicklung und Nachweis der verschiedenen Bestandteile des Eigenkapitals ab dem Zeitpunkt, ab dem Einlagen erbracht wurden, deren Rückzahlung geltend gemacht wird, frühestens seit dem 1.1.77,
- Entwicklung des Einlagebestandes ab dem 1.1.77; ab dem 1.1.06 nach den Grundsätzen der Differenzrechnung unter Berücksichtigung des ausschüttbaren Gewinns und der Einlagenrückgewähr gemäß § 27 Abs. 1 S. 3 KStG,
- Jahresabschlüsse für den fraglichen Zeitraum mit Überleitungsrechnungen ins deutsche Steuerrecht in analoger Anwendung des § 60 EStDV,
- Nachweis sämtlicher durchgeführter Ausschüttungen und Einlagen, bei Bareinlagen und Barleistungen durch Kontoauszüge (Bankbelege, aus welchen Zahlungsleistender und Zahlungsempfänger ersichtlich sind), bei Sacheinlagen und Sachleistungen durch Übertragungsverträge und Buchungsnachweise.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige ist nicht verpflichtet, alle im „Unterlagenkatalog“ aufgeführten Dokumente vorzulegen. Vielmehr sollten die Unterlagen ausreichen, anhand derer die Einlagenrückgewähr objektiv festgestellt werden kann. Insbesondere vor dem Hintergrund der Fiktion einer Gewinnausschüttung gemäß § 20 Abs. 8 S. 9 KStG sollten die Anforderungen u. E. nicht zu hoch angesetzt werden (vgl. Bauschatz, in: Gosch, KStG, § 27, Rn. 147; Endert, in: Frotscher/Drüen, KStG, § 27, Rn. 299). Trotzdem dürften die Anforderungen insbesondere Minderheitsanteilseigner oder gar Kleinanleger vor ein unüberwindbares Hindernis stellen.
PRAXISHINWEIS | Das BMF vertritt in seinem Schreiben vom 4.4.16 (IV C 2 ‒ S 2836/08/10002) die Auffassung, dass die Vorschriften des § 27 Abs. 8 KStG nicht nur auf nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen Anwendung finden, sondern auch auf Nennkapitalrückzahlungen (vgl. Rz. 1). Somit besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung die Notwendigkeit, auch in Fällen der Nennkapitalrückzahlung einen Antrag auf gesonderte Feststellung zu stellen. Diese Sichtweise gilt in allen noch offenen Fällen. |
In der Literatur ist die Anwendung des § 27 Abs. 8 KStG auf Nennkapitalrückzahlungen umstritten. Gegen eine Anwendung wird angeführt, dass nur die Einlagenrückgewähr von dem Gesetzeswortlaut umfasst wird (vgl. Behrens/Renner, BB 16, 1180, 1180). Für eine Anwendung spreche hingegen § 27 Abs. 8 S. 2 KStG, nach dem die „Einlagenrückgewähr […] in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 [KStG] zu ermitteln“ und somit die Nennkapitalrückzahlung des § 28 Abs. 2 S. 3 KStG mit einbezogen sei (vgl. Hageböke, IStR 10, 715, 716 f.; Bauschatz, in: Gosch, KStG, § 27, Rn. 142).
Eine Besteuerung einer Nennkapitalrückzahlung kann dann in Betracht kommen, wenn eine Kapitalerhöhung aus Gewinnrücklagen vorausgegangen ist. Insoweit käme eine Besteuerung nach § 7 Abs. 2 KapErhStG in Frage.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist für die Fälle, in denen Nennkapitalrückzahlungen vor dem 1.1.14 erbracht wurden und ein Antrag nach § 27 Abs. 8 KStG abgelehnt, zurückgenommen oder nicht gestellt wurde, nicht zu beanstanden, wenn die Nennkapitalrückzahlung nicht als Gewinnausschüttung gemäß § 27 Abs. 8 S. 9 KStG behandelt wird, wenn das für den Anteilseigner zuständige Finanzamt die Qualifizierung der Leistung als nicht steuerbare Nennkapitalrückzahlung vornimmt bzw. vorgenommen hat (vgl. BMF 4.4.16, IV C 2 ‒ S 2836/08/10002, Rz. 6).
Daraus folgt, dass in Fällen einer Nennkapitalrückzahlung nach dem 1.1.14 ein Antrag zwingend zu stellen ist. An dieser Stelle erscheint die Übergangsregel lückenhaft, da nach der Antragsfrist des § 27 Abs. 8 S. 4 KStG die Anträge im Jahr 2015 hätten gestellt werden müssen, obwohl das BMF erst im April 2016 sein Schreiben veröffentlicht hat. Anträge für Nennkapitalrückzahlungen aus dem Jahr 2015 hätten demnach bis zum 31.12.16 gestellt werden müssen, da auch keine anderweitige Übergangsregelung geschaffen wurde und auch die Finanzverwaltung die Antragsfrist des § 27 Abs. 8 S. 4 KStG als nicht verlängerbare Ausschlussfrist sieht (vgl. BMF 4.4.16, IV C 2 ‒ S 2836/08/10002, Rz. 4; Ende 2014 veröffentlichte das BZSt einen Hinweis auf seiner Internetseite, dass auch Nennkapitalrückzahlungen aus EU-Staaten von § 27 Abs. 8 KStG erfasst sein sollen).
3. Unbeschränkte Steuerpflicht in einem EWR-Mitgliedstaat
Vom Wortlaut des § 27 Abs. 8 KStG sind Körperschaften und Personenvereinigungen, die in einem EWR-Staat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, allerdings nicht erfasst. Dies hätte zur Folge, dass solche Körperschaften nicht dem Verfahren des § 27 Abs. 8 KStG unterworfen wären, sondern wie Drittstaatenkörperschaften (dazu unter 4.) zu behandeln wären.
Es ist allerdings zu überlegen, ob Körperschaften, die in einem EWR-Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht eher mit Körperschaften mit unbeschränkter Steuerpflicht in einem EU-Mitgliedstaat vergleichbar sind. In Teilen der Literatur wird eine analoge Anwendung gefordert (vgl. Dötsch/Krämer, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 27, Rn. 266; Nordmeyer, in: Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 27, Rn. 170). Dafür spricht, dass bei einer Nichteinbeziehung gegen die Niederlassungsfreiheit der Art. 31 ff. des EWR-Abkommens verstoßen würde (vgl. Häberer, DStZ 10, 840, 842 m. w. N.). Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll die gesonderte Feststellung von Nennkapitalrückzahlungen nicht nur für Körperschaften, die der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union unterliegen, sondern auch für Körperschaften, die in einem EWR-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind, gelten (vgl. BMF 4.4.16, IV C 2 ‒ S 2836/08/10002, Rz. 1)
4. Unbeschränkte Steuerpflicht in einem Drittstaat
Nach dem Gesetzeswortlaut sind von der Norm des § 27 Abs. 8 KStG Körperschaften, die unbeschränkt steuerpflichtig in Drittstaaten sind, nicht erfasst. Sollte aber eine Gesellschaft, die nicht in einem EU-Staat gegründet wurde, in einem Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtig sein, fällt sie in den Regelungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG (vgl. Stimpel, in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 27, Rn. 216 m. w. N.).
Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr einer in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft an ihre inländischen Gesellschafter nicht möglich (z. B. Finanzministerium NRW 6.10.11, S 2836-17-V B 4). Dies wird damit begründet, dass es eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen sei, in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften in den Wortlaut des § 27 Abs. 8 KStG nicht einzubeziehen.
Der BFH hatte zur Rechtslage vor Einführung des § 27 Abs. 8 KStG allerdings entschieden, dass es zu einer Einlagenrückgewähr kommt, soweit eine Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage vorgenommen wird (vgl. BFH 20.10.10, I R 117/08, DStRE 11, 412). Voraussetzung dafür ist, dass unter Heranziehung des einschlägigen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts von einer Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage auszugehen ist.
Ebenfalls zur alten Rechtslage urteilte der BFH in folgendem Fall:
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Die in Deutschland ansässige Klägerin hielt im Streitjahr 1998 1.500 Aktien an einer US-Inc. Durch eine steuerneutrale Ausgliederung (sog. Spin-off) erhielten die Aktionäre der US-Inc. Anteile an der ausgegliederten US-Kapitalgesellschaft. Dazu erhielten sie noch eine Bardividende, die jeweils quartalsweise ausgeschüttet wurde. Das Finanzamt beurteilte den Erhalt der Aktien als Bardividende. Es ermittelte die Höhe der Kapitaleinkünfte anhand des Kurswertes der im Zuge des Spin-offs erhaltenen Anteile an der US-Kapitalgesellschaft. |
Beachten Sie | Wirtschaftlich betrachtet kommt es durch den Spin-off aber zu keiner Vermögensmehrung, da die Klägerin schon vor dem Spin-off an der US-Kapitalgesellschaft beteiligt war, und zwar über die Beteiligung an der US-Inc.
Nach Auffassung des BFH führen die erhaltenen Aktien grundsätzlich zu Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, da die Zuteilung als Sachausschüttung zu qualifizieren ist. Ausnahmsweise unterliegt die Sachausschüttung jedoch keiner Besteuerung, wenn es sich um eine Einlagenrückgewähr nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG handelt.
Als Nachweis dafür ist nach Ansicht des BFH bei Anwendung deutschen Steuerrechts auf ausländische Sachverhalte eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen. Demnach könne die Sachausschüttung mit einer Dividende i. S. d § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG verglichen werden, wenn sie aus vorhandenen ‒ laufenden oder in früheren Jahren angesammelten ‒ Jahresüberschüssen der Gesellschaft gezahlt wird. Eine Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen kann u. a. dann vorliegen, wenn die Leistungen der Kapitalgesellschaft im Wirtschaftsjahr das Nennkapital und den im Vorjahr festgestellten ausschüttbaren Gewinn übersteigen. Zudem kann sich eine Einlagenrückgewähr auch aus der nach ausländischem Recht aufgestellten Bilanz der ausschüttenden Gesellschaft ergeben.
Der VIII. Senat verwies den Fall zurück an das FG Rheinland-Pfalz. Die in dem eingeholten Gutachten des FG zur US-amerikanischen Rechtslage getroffenen Feststellungen seien hinsichtlich der entscheidungserheblichen Frage, ob es sich bei der Anteilsgewährung um eine Einlagenrückgewähr handelt, unzulänglich.
In einem weiteren Verfahren entschied der BFH ebenfalls zur Einlagenrückgewähr von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften, diesmal allerdings zur Rechtslage nach der Gesetzesänderung 2006. Auch in diesem Fall ging es um einen Spin-off in den USA.
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Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 Aktien des US-amerikanischen Unternehmens A. A löste aufgrund eines Beschlusses des Verwaltungsrats ihre Beteiligung an der B zu 100 % aus ihrem Unternehmen heraus. In diesem Zuge erhielt jeder Anteilseigner für jede A-Aktie eine B-Aktie. Das Finanzamt legte in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2008 den Wert der eingebuchten B-Aktien der Besteuerung als Einnahmen aus Kapitalvermögen zugrunde. |
Der BFH entschied ebenfalls, dass der Spin-off grundsätzlich als Sachausschüttung zu qualifizieren sei und daher zu Einkünften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG führe, es sei denn, es handele sich um eine Leistung, die als Einlagenrückgewähr gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG zu bewerten sei.
In seinem Urteil vertritt der VIII. Senat die Auffassung, dass die Rechtsprechung zu Drittstaatsgesellschaften auch nach der Gesetzesänderung fortzuführen sei (Rn. 18). Diese Auffassung stützt der Senat darauf, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung des § 27 KStG nicht klar zum Ausdruck gebracht habe, eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr durch eine in einem Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft gänzlich ausschließen zu wollen (Rn. 16). Der Gesetzgeber habe zudem weder in § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG noch in § 27 KStG die Einlagenrückgewähr von Drittstaatenkörperschaften explizit ausgeschlossen. Eine andere Auslegung würde zu einer systemwidrigen Besteuerung von Einlagen führen.
Eine solche systemwidrige Besteuerung würde einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen. Der BFH sieht dafür keine sachliche Rechtfertigung (Rn. 19). Des Weiteren würde eine Einschränkung einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV bedeuten. Der Ausschluss einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr bei Ausschüttungen einer in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft würde die Investition in Drittstaaten behindern und die Gesellschafter von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften im Vergleich zu inländischen oder EU-Sachverhalten benachteiligen (Rn. 26).
MERKE | Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) verbietet jegliche Beschränkung des Kapitalverkehrs. Die gilt nicht nur für den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, sondern auch zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten. |
Der VIII. Senat hat selbst erkannt, dass damit u. U. Anteilseigner einer Drittstaatenkörperschaft besser als Anteilseigner einer im Inland oder in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft gestellt sind. Die für diese geregelten Nachweisvorschriften gelten jedoch weder unmittelbar noch analog für Drittstaatenkörperschaften (Rn. 28).
Beachten Sie | Das FG München (22.11.16, 6 K 2548/14, EFG 17, 236) sieht in § 27 Abs. 8 KStG weder einen Verstoß gegen Verfassungs- noch Europarecht. Auch das FG Köln (15.2.17, 2 K 803/15, EFG 17, 769, anh. I B 37/17) sieht § 27 Abs. 8 KStG nicht als europarechtswidrig an.
Auch im Verfahren VIII R 47/13 verwies der BFH zurück. Die Vorinstanz, FG Nürnberg, habe nicht die erforderlichen Feststellungen zur Qualifizierung der Sachausschüttung vorgenommen.
5. Fazit
Nach den BFH-Urteilen vom 13.7.16 ist eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr auch für Drittstaatenkörperschaften weiterhin möglich, auch wenn diese nicht dem Verfahren des § 27 Abs. 8 KStG unterliegen. Somit dürfte u. E. auch nicht die knapp bemessene Antragsfrist des § 27 Abs. 8 S. 4 KStG zur Anwendung kommen. Gleichwohl werden die Steuerpflichtigen, denen die Nachweispflichten obliegen, nicht umhinkommen, eine vernünftige und möglichst lückenlose Dokumentation vorzunehmen, was insbesondere für Kleinanleger schwierig bis unmöglich sein dürfte.
Fraglich bleibt jedoch, worauf der Nachweis erbracht werden soll.
- Ist die Einlagenrückgewähr als solche nach dem jeweiligen Handels- und Gesellschaftsrecht des ausländischen Staates zu beurteilen, wie es der I. Senat in seiner Entscheidung vom 20.10.10 (I R 117/08) festgestellt hat?
- Oder ist darauf abzustellen, ob die Leistungen im Wirtschaftsjahr den festgestellten ausschüttbaren Gewinn übersteigen oder dieser anderweitig aus der Bilanz abzuleiten ist, wie der VIII. Senat festgestellt hat (BFH 13.7.16, VIII R 47/13, VIII R 73/13)?
Beim BFH ist ein weiteres Verfahren bezüglich § 27 Abs. 8 KStG anhängig (I R 15/16). Es bleibt abzuwarten, ob sich der I. Senat der Auffassung des VIII. Senats anschließt. Die Vorinstanz, FG Münster (19.11.15, 9 K 1900/12 K, EFG 16, 756), ging von der Beurteilung, ob eine Einlagenrückgewähr vorliegt, nicht vom ausländischem Handels- und Gesellschaftsrecht aus, sondern stellte darauf ab, ob ein ausschüttbarer Gewinn vorliege. Das FG Münster sah in der Vorschrift des § 27 Abs. 8 KStG i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG eine nicht steuerbare Einnahme. Das Gericht führte dies auf eine geltungserhaltende Reduktion zurück, die nach Art. 63 AEUV gegeben sei.
Zudem bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf die Entscheidungen reagiert. Es wäre denkbar, dass auch Drittstaatenkörperschaften in den Regelungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG aufgenommen werden. Eine solche Ergänzung könnte aus Sicht der Verfasser zwar zu einer höheren Rechtssicherheit führen und die bestehenden gesetzgeberischen Defizite für Sachverhalte mit Drittstaatenkörperschaften überwinden. Allerdings wäre einer grundsätzlichen Überarbeitung des § 27 Abs. 8 KStG im Sinne des Steuerpflichtigen der Vorzug zu geben.