· Fachbeitrag · Elektronischer Rechtsverkehr
beA: Aktive Nutzungspflicht durch die Hintertür?
von Ilona Cosack, ABC AnwaltsBeratung Cosack, Mainz, https://bea-abc.de
| Ob die Arbeitsgerichte in Schleswig-Holstein die aktive Nutzungspflicht des beA auf den 1.1.20 vorziehen, steht noch nicht fest. Dennoch sollten Rechtsanwälte nicht darauf vertrauen, dass diese erst in zwei Jahren ‒ zum 1.1.22 ‒ beginnt. |
1. beA-Nutzung ist Pflicht, wenn Faxen nicht möglich ist
Das OLG Dresden und das LG Krefeld sind der Auffassung, dass Rechtsanwälte, um Fristen zu wahren, schon vor Beginn der aktiven Nutzungspflicht einen Versand über das beA vornehmen müssen, falls eine Versendung per Telefax nicht möglich ist.
a) OLG Dresden 29.7.19, 4 U 879/19
Gegen die Beklagte und Widerklägerin, eine Bauträger KG, wurde mit Urteil vom 26.3.19 die Wirksamkeit eines notariellen Kaufvertrags bei Abweisung der Widerklage festgestellt. Die Berufungsbegründungsfrist war bis zum 26.6.19 verlängert worden. Erst am 27.6.19 ging die Berufungsbegründung per Telefax bei der zentralen Faxeingangsnummer des OLG Dresden ein. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde zurückgewiesen, die Berufung verworfen, der Streitwert auf 50.000 EUR festgesetzt.
Die Gründe sind lesenswert. Das OLG Dresden widerlegt die Behauptungen des Wiedereinsetzungsantrags und hält die Verwendung einer falschen Telefaxnummer „in hohem Maße für wahrscheinlich“. Gleichzeitig stellt es fest: „Zwar sieht das Gesetz eine aktive Nutzungspflicht derzeit noch nicht vor. Mit erfolgreicher Anmeldung zum beA ist jedoch die Schaltfläche „Nachrichtenentwurf erstellen“ freigeschaltet und besteht damit grundsätzlich auch die Möglichkeit, aus dem beA heraus auch Nachrichten zu versenden. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist hierzu nicht erforderlich, wenn die Nachricht aus dem Postfach des Rechtsanwalts von diesem selbst versendet wird.“
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b) LG Krefeld 10.9.19, 2 S 14/19
Kurz und knapp fasst das LG Krefeld seinen Beschluss zum Wiedereinsetzungsantrag nach § 233 Abs. 1 ZPO:
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Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, bei Unerreichbarkeit des gerichtlichen Faxgeräts zur Fristwahrung das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu nutzen.
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Die Berufung wurde als unzulässig verworfen, der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen, der Streitwert auf 30.780 EUR festgesetzt.
2. beA-Kenntnisse sind Pflicht für jeden Rechtsanwalt
Dass Anwälte sich nicht darauf berufen können, wegen Problemen in der beA-Bedienung gerichtliche Dokumente nicht zur Kenntnis zu nehmen, hat das LAG Schleswig-Holstein mit seinem Beschluss am 19.9.19 entschieden:
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Ein Rechtsanwalt ist als Inhaber eines beA nicht nur verpflichtet, die technischen Einrichtungen zum Empfang von Zustellungen und Mitteilungen über das beA lediglich vorzuhalten, vielmehr ist der Rechtsanwalt zugleich verpflichtet, sich die Kenntnisse zur Nutzung dieser technischen Einrichtungen anzueignen, damit er die über beA zugestellten Dokumente auch gemäß § 31a Abs. 6 BRAO zur Kenntnis nehmen kann. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, den Rechtsanwälten Handlungsanweisungen zum Öffnen der über beA zugesandten Dokumente zu erteilen.
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Dr. Henning Müller, Richter am Hessischen LSG in Darmstadt, kommentiert auf seinem Blog (www.iww.de/s3095): „Die Gerichte nutzen im Postausgang das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) bzw. zumeist sogar eine vorgeschaltete Fachanwendung. Weder die Geschäftsstellen noch die Entscheider in der Justiz sind daher im Einzelnen in der Lage, bei beA-Problemen Hilfestellung zu bieten ‒ die Oberfläche des beA ist in der Justiz schlicht unbekannt.“
3. So reichen Sie eine Klage über beA ein
Am Wochenende kam ein Hilferuf über Twitter: „Freunde, es ist so weit. Ich will eine Klage über #beA einreichen. Gibt‘s da irgendwo ein Tutorial?“ Die folgende „Anleitung“ ist hilfreich für Rechtsanwälte, die erstmalig eine Klage über das beA einreichen wollen:
- 1. Prüfen Sie, ob das zuständige Gericht den elektronischen Weg eröffnet hat, z. B. über https://bea-abc.de/lexikon/landesverordnung/
- 2. Bereiten Sie die Klage (mit einem elektronischen Briefkopf) vor und versehen sie mit einer einfachen Signatur, z. B.: Fritz Müller Rechtsanwalt.
- a) Wenn Sie selbst die Klage versenden, können Sie den Zusatz: „Gesendet aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach gem. § 130a ZPO“ hinzufügen. Eine händische Unterschrift ist nicht erforderlich!
- b) Wenn Sie die Klage durch Mitarbeiter versenden lassen wollen, muss diese zwingend mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) des Rechtsanwalts versehen sein. Dann kann der Zusatz: „Qualifiziert elektronisch signiert durch Fritz Müller Rechtsanwalt“ verwendet werden.
- c) Der Hinweis „Per beA“ hilft den Beteiligten, den sicheren Übertragungsweg zu kennzeichnen. Vorteil: Es werden keine Abschriften benötigt.
- 3. Speichern Sie die Klage als durchsuchbares PDF ab und vergeben Sie einen aussagekräftigen Dateinamen. Nordrhein-Westfalen hat Informationen zur Benennung von elektronischer Post veröffentlicht: www.iww.de/s3096
- 4. Verwenden Sie bei der Dateibezeichnung weder Umlaute noch Sonderzeichen. Der Dateiname kann (abhängig vom Bundesland) maximal 50 bis 90 Zeichen lang sein.

- 5. Speichern Sie die Anlagen einzeln ebenfalls als durchsuchbares PDF ab und vergeben Sie Dateinamen, aus denen sich der Inhalt erkennen lässt. Zusätzlich versehen Sie diese mit K1, K2 etc. Notieren Sie die Stelle, an der Sie Klage und Anlagen gespeichert haben.
- 6. Stecken Sie Ihre beA-Karte in das angeschlossene Kartenlesegerät und starten Sie die beA-Client-Security. Öffnen Sie anschließend die Seite https://www.bea-brak.de und melden sich an Ihrem beA an. Geben Sie nach Aufforderung an Ihrem Lesegerät zweimal Ihre PIN ein (einmal zur Authentifizierung, einmal Verschlüsselung).
- 7. Klicken Sie auf „Erstellen“. Es öffnet sich ein neues beA-Fenster ‒ der Nachrichtenentwurf. Klicken Sie auf „Empfänger hinzufügen“. Der Cursor steht standardmäßig auf „Adressbuch“. Klicken Sie auf „Gesamtes Verzeichnis“. Tragen Sie im Feld „Name“ das zuständige Gericht ein, fügen dann noch die PLZ oder den Ort hinzu und klicken Sie auf „Suchen“. Übernehmen Sie das angezeigte Gericht mit Klick vor dem Namen und klicken Sie auf das weiße Feld „Empfänger“ sowie auf „OK“. Klicken Sie auf das Feld „Strukturdatensatz generieren und anhängen“. Bei „Justizbehörde“ wird jetzt das oben angegebene Gericht nochmals angezeigt. Füllen Sie den Betreff aus, z. B. „Klage X / Y“. Tragen Sie in das Feld „Aktenzeichen Sender“ Ihr eigenes Aktenzeichen und in das Feld „Aktenzeichen Empfänger“ den Hinweis „Neueingang Klage“ ein.
- 8. Laden Sie mit dem Button „Anhang hochladen“ Ihre Klage hoch und achten Sie bei „Typ des Anhangs“ darauf, „Schriftsatz“ auszuwählen.

- 9. Laden Sie danach die Anlagen K1 + K2 hoch und wählen Sie bei Typ des Anhangs „Anlage“ aus.
- Beachten Sie | Wenn Sie bis um 23.54 Uhr warten, bringt beA folgende Meldung:
- Der Klick auf Ok führt leider nicht zum Hochladen der Anlagen. Erst nach 24.00 Uhr konnten die Anhänge hochgeladen werden. Deshalb: Beginnen Sie rechtzeitig vor Fristablauf!
- Nach dem erfolgreichen Hochladen sehen Sie die Kündigungsschutzklage nebst den beiden Anlagen K1 und K2 als Anhänge.
- 10. Signieren Sie den Schriftsatz ‒ Variante 2.b) ‒ mit qeS (Klick auf den runden Kreis am Ende der Dateizeile) und prüfen Sie danach mit Klick auf das Häkchen, ob die Signaturprüfung erfolgreich war (wird angezeigt).
- 11. Sofern Sie nur eine beA-Basiskarte haben, können Sie bei Variante 2.a) die Klage auch ohne eine qeS versenden, wenn Sie dies als Rechtsanwalt selbst tun.
PRAXISTIPP | Nutzen Sie die qeS, um als Qualitätskontrolle mit der Eingabe der PIN den Schriftsatz „freizugeben“. Dann kann auch ein Mitarbeiter versenden.
- 12. Je nach Umfang der Anhänge klicken Sie auf „Speichern“, damit zwischenzeitlich nichts verloren geht. beA hat keine automatische Speicherfunktion! Dadurch werden die Anhänge direkt auf den Server der BRAK geladen und das Senden geht schneller vonstatten.
- 13. Prüfen Sie, ob
- a) der Empfänger korrekt ist,
- b) der Betreff stimmt,
- c) die Aktenzeichen Empfänger und Sender eingetragen sind,
- d) der Schriftsatz korrekt ist und auch die einfache Signatur (Namenszug) enthält,
- e) die Anlagen vollständig und korrekt bezeichnet sind,
- f) der Strukturdatensatz angeklickt und als Datei (xjustiz_nachricht.xml) angehängt ist.
- 14. Danach kann die Nachricht mit Klick auf „Senden“ abgesandt werden.
- 15. Wechseln Sie in den Ordner „Gesendete Nachrichten“ und öffnen Sie die Nachricht. Scrollen Sie nach unten, bis Sie beim Empfänger der Nachricht den Übermittlungsstatus sehen. Sofern dort „Erfolgreich“ steht, ist Ihre Klage auf dem Gerichtsserver eingegangen.
- 16. Exportieren Sie die gesendete Nachricht (Sonstige Funktionen, Exportieren; vgl. Cosack, AK 19, 42)
FAZIT | Der elektronische Rechtsverkehr birgt ebenso wie die Übermittlung per Telefax Tücken. Wichtig ist, dass sich Rechtsanwälte und Mitarbeiter mit beA vertraut machen und den Umgang üben. Dabei soll Sie die vorliegende Beschreibung unterstützen. Der Countdown läuft: Nutzen Sie die verbleibende Zeit, um Ihre Kanzlei fit für den elektronischen Rechtsverkehr zu machen. |
Weiterführende Hinweise
- Auf der Seite https://bea-abc.de halten wir Sie auf dem Laufenden und informieren Sie, sobald es Neuigkeiten in Sachen beA gibt
- Die Screenshots dieses Beitrags wurden mit freundlicher Genehmigung der Bundesrechtsanwaltskammer ohne Änderung wiedergegeben