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· Erfahrungsbericht

Lohnt sich der Abschluss einer KFO-Versicherung?

Bild: ©frankdaniels.de - People & Eventfotografie - adobe.stock.com

von Dental-Betriebswirtin Birgit Sayn, ZMV, sayn-rechenart.de

| Fast jedes zweite Kind in Deutschland unterzieht sich einer Behandlung beim Kieferorthopäden. Kieferorthopädische (KFO-)Behandlungen sind im Allgemeinen kostspielig. Doch rechnet sich der Abschluss einer Versicherung, um die teils hohen Eigenanteilskosten abzufedern? Dieser Erfahrungsbericht zeigt, in welchem Verhältnis die Beitragszahlungen zur Erstattung von Privatleistungen stehen. Dadurch hilft er Zahnärzten, die Hintergründe einer Erstattung besser zu verstehen, und liefert ihnen Hintergrundinformationen für die Patientenberatung. |

Konditionen der abgeschlossenen KFO-Versicherung

Im September 2009 wurde für einen damals Zehnjährigen eine KFO-Versicherung bei der Schweizer CSS abgeschlossen. Die Wartezeit betrug acht Monate. Der Tarif sah von Anfang an eine unbegrenzte Erstattungshöhe pro Jahr vor. Medizinisch notwendige Behandlungen wären auch erstattet worden, wenn im Zuge weiterer Reformen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Leistungen weggefallen oder gekürzt worden wären.

 

Die CSS hätte im Tarif „flexi Zahnbehandlung“ auch geleistet, wenn die GKV für medizinisch notwendige Behandlungen gar keinen Zuschuss mehr erbracht hätte (grundsätzlich kassenunabhängige Erstattung). Der Tarif war so kalkuliert, dass zustehende Leistungen der GKV in Anspruch genommen werden sollten. Die volle tarifliche Erstattung erhielt man daher nur dann, wenn ein Kieferorthopäde bzw. Zahnarzt mit Kassenzulassung konsultiert wurde und dieser auch alle dem Patienten zustehenden Leistungen mit der gesetzlichen Krankenkasse abgerechnet hatte.

 

Sofern die GKV die Behandlungskosten übernahm (KIG-Einstufung 3‒5), konnten im Rahmen einer gültigen Mehrkostenvereinbarung medizinisch notwendige Zusatzleistungen bis zu 80 Prozent übernommen werden, jedoch für eine komplette Behandlungsmaßnahme maximal bis 600 Euro pro Kiefer (also bis zu 1.200 Euro Erstattungsleistung bei KIG 3‒5). Eine Erstattung wurde bis zu den Höchstsätzen der GOZ und GOÄ ‒ maximal bis zum 3,5-fachen Satz ‒ vorgenommen, wenn eine entsprechende Begründung auf der Rechnung vermerkt wurde.

 

Unter die Mehrkostenvereinbarung fielen KFO-Zusatzleistungen ‒ vor allem Mini-Metall-, Gold-, Keramik- und Kunststoffbrackets, unsichtbare Zahnspange, Lingualtechnik, festsitzender Retainer, konfektionierte herausnehmbare Geräte, festsitzender Lückenhalter, farbige/farblose Bögen/Teilbögen und funktionstherapeutische und -analytische Maßnahmen im Zusammenhang mit KFO-Maßnahmen ‒ , sofern eine medizinische Notwendigkeit vorlag,.

 

Der monatliche Beitrag für die KFO-Versicherung betrug 13,04 Euro im Jahr 2009 und stieg bis Ende 2016 auf 18,65 Euro.

Befund und Therapie

Die KFO-Behandlung begann im Dezember 2013 im Alter von 13 Jahren unter Beteiligung der gesetzlichen Krankenkasse (KIG-Klasse 4). Nach ausführlicher Beratung wurden die Zähne 27 bis 23 nach vorn bewegt, um die Lücke 22 aufgrund einer Nichtanlage zu schließen. Vor der Eingliederung von Miniatur-Brackets als Mehrkostenleistung wurden in beiden Kiefern lose Klammern getragen. Die Retentionsphase begann im März 2016. Um eine Zahnwanderung zu verhindern, sollen die Retainer rund 10 Jahre in situ verbleiben. Nachkontrollen sind seit 2017 nicht vereinbart. Der mittlerweile 21-jährige Patient sucht die Praxis nur bei Veränderungen der Zahnstellung auf.

Erbrachte KFO-Leistungen und entstandene Kosten

In der Behandlungszeit von 2013 bis 2016 wurden acht Privatrechnungen zu drei Terminen zur Kostenerstattung eingereicht.

 

  • Privat- und Mehrkostenleistungen (Jahre 2013 bis 2016)
GOZ/GOÄ
Leistungsbeschreibung
Anzahl
Faktor
Euro

6150

Eingliederung ungeteilter Bogen, je Kiefer

2

2,3

129,36

2000

Versiegelung

20

2,3

232,80

Abzüglich Vorleistung BEMA-Nr. 128a

-49,97

6150

Eingliederung ungeteilter Bogen, je Kiefer

1

2,3

64,68

Abzüglich Vorleistung BEMA-Nr. 128a

-24,99

6150

Eingliederung ungeteilter Bogen, je Kiefer

1

2,3

64,68

1040

Professionelle Zahnreinigung

24

1,0

37,68

6150

Eingliederung ungeteilter Bogen, je Kiefer

2

2,3

129,36

Abzüglich Vorleistung BEMA-Nr. 128a

-74,96

1040

Professionelle Zahnreinigung

24

1,0

37,68

1040

Professionelle Zahnreinigung

24

1,0

37,68

6150

Eingliederung ungeteilter Bogen, je Kiefer

1

2,3

64,68

Abzüglich Vorleistung BEMA-Nr. 128a

-24,99

6150

Eingliederung ungeteilter Bogen, je Kiefer

1

2,3

64,68

Abzüglich Vorleistung BEMA-Nr. 128a

-24,99

Ä2698a

Befestigen Retainer, je Kiefer entsprechend Nr. Ä2698, Anlegen einer Schiene am unverletzten OK/UK

2

2,3

402,18

Gesamtbetrag Privatleistungen nach Abzug der Vorleistung

1.065,56

 

Kostenerstattung

Die ersten privaten Rechnungen wurden bei der CSS eingereicht. Zum 01.10.2015 übernahm die Hanse Merkur Versicherung die CSS, die ab diesem Zeitpunkt als „advignon“ firmierte und für die Behandlungskosten laut den weiteren zugestellten Rechnungen aufkam. Alle eingereichten Rechnungen wurden zu 100 Prozent anerkannt und die Kosten wurden tarifgemäß erstattet. Allerdings hatte der Kieferorthopäde nur den 2,3-fachen Gebührensatz berechnet.

 

  • Übersicht: eingereichte Rechnungen und Erstattungen
Datum Einreichung
Rechnungsbetrag Euro (nach Abzug der GKV-Vorleistung)
Erstattung (Euro, 80 %)

03-2014

312,19

239,76

01-2016

351,19

280,95

04-2017

402,18

321,74

Gesamtbetrag

1.065,56

842,45

 

Die KFO-Versicherung wurde zum 31.12.2016 gekündigt. Eine Weiterführung der Versicherung über das Jahr 2016 hinaus ergab keinen Sinn, da die Behandlung abgeschlossen war. Die Privatleistungen betrugen nach Abzug der GKV-Vorleistungen (Mehrkostenvereinbarungen) rund 1.065 Euro. Die Beitragszahlungen betrugen insgesamt rund 1.415 Euro. Demgegenüber steht lediglich eine Erstattung i. H. v. 842 Euro. Die Beitragsleistungen überstiegen mit rund 573 Euro die tatsächliche Erstattung.

KfO-Versicherung ‒ pro und kontra

Das Erstattungsprozedere zeigte sich durchweg unkompliziert und zügig. Obwohl im Tarif weder eine PZR noch eine Versiegelung der Zähne dezidiert abgebildet war, wurden auch diese Leistungen zu 80 Prozent erstattet. Allerdings war der Abschluss einer KFO-Versicherung im vorliegenden Behandlungsfall finanziell von Nachteil. Die bis dato angefallenen Kosten in der Retentionsphase werden privat geleistet. Diese sind jedoch derart niedrig, dass eine Fortführung der KFO-Versicherung auch bei nachträglicher Kosten-Nutzen-Betrachtung keinen Vorteil bietet.

 

Bei umfangreichen Änderungen in beiden Kiefern hätten die Privatleistungen nach Abzug der GKV-Vorleistung 1.500 Euro betragen müssen, um den Höchstsatz der Erstattung zu erzielen. Doch wer weiß bei Abschluss einer KFO-Versicherung, welche Therapien später nötig werden? Erst im Nachhinein lässt sich beurteilen, ob sich eine KFO-Versicherung rentiert hat. Viele KFO-Praxen bieten zudem Ratenzahlungen an, die etwa in Höhe der Versicherungsbeiträge liegen.

 

Es ist sinnvoll, die infrage stehende KFO-Versicherung vor Vertragsabschluss anhand folgender Checkliste mit dem Versicherungsmakler zu erörtern (Muster online unter iww.de/pa, Abruf-Nr. 46697744).

 

Checkliste / Konditionen einer KFO-Versicherung

  • Was sind die exakten Versicherungsinhalte des Tarifs?
  • Bleibt der Tarif auch bei Reformen in der GKV bestehen?
  • Sind Begleitleistungen enthalten (z. B. PZR, Versiegelung, Analogleistungen)?
  • Wie hoch ist die tarifliche Erstattung?
  • Welcher Monatsbeitrag fällt bei welchem Eintrittsalter an?
  • Wie lange ist die Wartezeit bis zur KFO-Behandlung?
  • Welche Materialien sind im Tarif enthalten?
  • Gibt es eine Kostenerstattung auch bei KIG-Stufe 1‒3?
  • Welche KFO-Leistungen sind versichert?
  • Wie hoch ist die Erstattung bei Mehrkostenvereinbarungen?
  • Wie lang ist die Kündigungsfrist?
 
Quelle: Seite 15 | ID 46559444