· Fachbeitrag · Fördermittel für die Kanzlei
Zuschüsse zur „Gründung“, zur Festigung oder für neue Vorhaben in der Rechtsanwaltskanzlei
von Dipl.-Ing. Marion Rohwedder, Geschäftsführerin Grantconsult GmbH, Kleve
| Sie haben in den letzten fünf Jahren den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt oder möchten jetzt Ihre Kanzlei erweitern? Dann gehören Sie zum Kreis derer, die auf eine Vielzahl von Fördermitteln Zugriff haben. Zuschüsse und Finanzierungsfördermittel für Rechtsanwälte in der Vorgründungs- und Etablierungsphase erleichtern die Festigung der beruflichen Selbstständigkeit. Dieser Beitrag stellt Ihnen Programme aus unterschiedlichen Bereichen mit Praxisbeispielen vor, die vor allem für kleinere Rechtsanwaltskanzleien interessant sind. |
1. Existenzgründer ist jeder, der ein neues Vorhaben initiiert
Es gibt viele Förderprogramme, auf die Selbstständige und „junge“ Unternehmen Zugriff haben. Tatsächlich ist es dabei so, dass nur wenige Programme ausschließlich reinen Erstgründern vorbehalten sind. Die meisten Programme rücken abweichende Kriterien als Zugangsvoraussetzungen in den Fokus. Die Bezeichnung „Existenzgründer“ ist in dieser Hinsicht irreführend, rührt allerdings aus den Förderrichtlinien. Auch mit dem Alter des Antragstellers hat die Förderung nichts zu tun. Vielmehr gilt:
- Die Fördermittel stellen auf den Zeitpunkt der Kanzleigründung, der Übernahme oder der Beteiligung etc. ab.
- Auch ein etablierter Rechtsanwalt kann später in seinem Berufsleben einen zweiten Standort eröffnen oder sich mit einem anderen Rechtsanwalt zusammentun.
- Insofern ist Existenzgründer im Fördersinn jeder, der ein neues Vorhaben auf den Weg bringt (im Folgenden: Gründer).
MERKE | Anwälte haben ‒ anders als andere „Gründer“ ‒ unabhängig vom Beratungsbedarf in der Regel keinen Anspruch auf Beratungszuschüsse für wirtschaftliche Beratung (z. B. im Rahmen von Marketing- oder Finanzberatung). So heißt es z. B. in der Richtlinie des Bafa-Förderprogramms Unternehmenszuschuss, dass „Unternehmen sowie Angehörige der Freien Berufe, die in der Unternehmens-, Wirtschaftsberatung, Wirtschafts- oder Buchprüfung oder Steuerberatung bzw. als Rechtsanwalt, Notar, Insolvenzverwalter oder in ähnlicher Weise beratend oder schulend tätig sind oder tätig werden wollen“, nicht antragsberechtigt sind. |
2. Das Förderprogramm „StartGeld“
Für Anwälte ohne Eigenkapital ist das StartGeld-Darlehen der KfW ‒ bis zu 125.000 EUR je Antragsteller ‒ ideal (iww.de/s4084). Dieser Betrag gilt für jeden Gründer. Gründen Sie mit einem Partner, kann jeder von Ihnen 125.000 EUR beantragen. Das „StartGeld“ dient der Anschaffung von verschiedenen Betriebsmitteln und der Finanzierung von Investitionen. Damit können Sie z. B.
- Baukosten bestreiten,
- einen Dienstwagen anschaffen,
- die Kanzleiausstattung erwerben,
- Computer nebst Software kaufen,
- das Geld für die ersten Löhne verwenden oder
- für die anstehenden Marketingmaßnahmen ausgeben.
Beachten Sie | Bei einer Kreditaufnahme in Höhe von 125.000 EUR gilt eine Grenze von 50.000 EUR, bis zu der Sie das Geld für Betriebsmittel verwenden dürfen. Damit sind die Ausgaben gemeint, die den laufenden Betrieb sicherstellen (Löhne und Gehälter, Mieten, liquide Mittel, Ausgaben für Marketing etc.).
Das StartGeld können alle beantragen, die ein Unternehmen gründen, übernehmen oder in den ersten fünf Jahren nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit festigen wollen. Es ist explizit für kleine Unternehmen aufgelegt.
Das StartGeld bietet aktuell attraktive Effektivzinsen. Diese liegen je nach Laufzeit zwischen 1,20 und 2,04 Prozent. Zudem profitieren Gründer von einer tilgungsfreien Anlaufphase, die je nach der fünf- oder zehnjährigen Gesamtlaufzeit bei ein bis zwei Jahren liegt. In diesem Zeitraum müssen sie lediglich die Zinsen bezahlen. Das verschafft etwas Luft, um finanziell ein kleines Polster zu erwirtschaften.
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Rechtsanwalt M übernimmt eine bestehende Kanzlei und muss dafür eine neue Betriebs- und Geschäftsausstattung anschaffen: Zur Umgestaltung des Empfangsbereichs und zur Finanzierung der ersten Monatsgehälter seines Mitarbeiterteams benötigt er rund 50.000 EUR.
Er geht zur Hausbank und stellt eine Kreditanfrage. Die Bank stimmt zu, das Vorhaben zu begleiten. M erhält den vollen Betrag ohne Eigenkapital über das Förderdarlehensprogramm StartGeld, das die Hausbank für ihn bei der KfW beantragt. |
3. Das Förderprogramm EU-Personalkostenzuschüsse
Der europäische Sozialfonds (ESF) gibt eine Leitlinie vor, an der sich Investitionen in die Aus- und Weiterbildung sowie die Beschäftigung von Menschen orientieren. Aus dem ESF bekommt Deutschland in der Förderperiode von 2014 bis 2020 insgesamt 7,5 Mrd. EUR. Dieses Geld wird u. a. in Maßnahmen der Inklusion, Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern gesteckt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verteilt das Geld über die lokal ansässigen Agenturen für Arbeit an die antragsberechtigten Personen.
Konkret werden Eingliederungszuschüsse, Einstiegsqualifizierungen und berufsqualifizierende Maßnahmen gefördert, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten und nicht gleichzeitig nutzbar sind.
a) Eingliederungszuschüsse
Für Rechtsanwaltskanzleien bieten sich vor allem Eingliederungszuschüsse an (iww.de/s4085). Wenn sie z. B. ältere Mitarbeiter 50+ einstellen wollen, die schon Berufs- und Lebenserfahrung mitbringen, gibt es sogar erweiterte Fördermöglichkeiten. Der Eingliederungszuschuss wird für einen Mitarbeiter bezahlt, der aus der Arbeitslosigkeit heraus angestellt wird, dessen Fachkenntnis jedoch nicht den Anforderungen der zu besetzenden Stelle entspricht. Muss ein Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Einarbeitung dieser Person länger als üblich dauert, sind die Chancen auf eine Förderung mittels Eingliederungszuschuss gut.
Der Zuschuss ist vom Einzelfall abhängig und wird von dem zuständigen Sachbearbeiter in einer Ermessensentscheidung festgesetzt. Maximal können 50 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts als Zuschuss fließen, bei Schwerbehinderten oder sonstigen behinderten Bewerbern sind es bis zu 70 Prozent. Gefördert wird bis längstens 96 Monate.
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Rechtsanwalt M braucht jemanden für den Kanzleiempfang. Er entscheidet sich für eine langzeitarbeitslose Quereinsteigerin Mitte 40. Da diese den Anschluss an die technischen Neuerungen verloren hat und außerdem noch nie in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war, braucht sie mehr Zeit für die Einarbeitung als jüngere Bewerber/innen.
M setzt sich vor Unterzeichnung des Anstellungsvertrags mit der zuständigen Agentur für Arbeit in Verbindung und beantragt einen Eingliederungszuschuss. Er erhält für zwölf Monate aufgrund der Ermessensentscheidung des zuständigen Sachbearbeiters 40 Prozent des Bruttogehalts als nicht rückzahlbaren Zuschuss. |
b) Einstiegsqualifizierungen
Einstiegsqualifizierungen richten sich an Personen, die eine Ausbildung anstreben, aber aufgrund individueller Einschränkungen keinen Ausbildungsplatz erhalten haben.
c) Berufsqualifizierende Maßnahmen
Die berufsqualifizierende Maßnahme ist für junge Menschen gedacht (z. B. mit einer Lernbehinderung), um deren Chancen zu erhöhen, langfristig dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Sie sollen in die Ausbildung gebracht werden (typisch sind z. B. ein Berufsgrundschuljahr oder eine Ausbildung in Behindertenwerkstätten).
Weiterführender Hinweis
- Förderdarlehen ‒ so kommen Rechtsanwälte an öffentliche Finanzierungsfördermittel, AK 20, 162