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· Fachbeitrag · Forderungsvollstreckung

Vorauspfändung bei Eigentümerbriefgrundschuld

| Der BGH hat entschieden: Bei einer Vorauspfändung (Dauerpfändung) für künftig fällig werdende Unterhaltsansprüche kann Pfändungsgegenstand auch eine Eigentümerbriefgrundschuld des Schuldners sein. |

Sachverhalt

Die Gläubigerin betrieb gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem gerichtlich protokollierten Vergleich, in dem dieser sich verpflichtet hatte, Trennungsunterhalt i. H. v. 730 EUR monatlich an die Gläubigerin zu zahlen. Nach dem Vergleich erhöht sich der Unterhalt u.a. auf 1.000 EUR monatlich, sobald für den gemeinsamen Sohn kein Unterhalt mehr zu zahlen ist.

 

Mittels PfÜB pfändete die Gläubigerin wegen rückständiger Unterhaltsforderungen von 11.000 EUR sowie wegen laufenden Unterhalts von 1.000 EUR monatlich die Ansprüche des Schuldners aus einer im Grundbuch eingetragenen (Brief-)Eigentümergrundschuld über 10 Mio. EUR nebst Zinsen. Neben der Überweisung zur Einziehung wurde angeordnet, dass der Grundschuldbrief ‒ hilfsweise zur Bildung eines Teilgrundschuldbriefs ‒ an die Gläubigerin herauszugeben ist. Dagegen hat der Schuldner Beschwerde eingelegt, die als Erinnerung behandelt worden ist. Im März 2020 glich der Schuldner die bis dahin bestehenden Unterhaltsrückstände aus.

 

Auf Erinnerung des Schuldners hat das Vollstreckungsgericht den PfÜB klargestellt. Es hat ihn so berichtigt, dass eine Vollstreckung allein wegen künftigen monatlichen Unterhalts ab dem 1.4.20, zahlbar jeweils am 1. eines Monats, in die im PfÜB genannte Eigentümergrundschuld erfolgt und der Schuldner jeweils entweder den Grundschuldbrief der gepfändeten Eigentümergrundschuld oder hilfsweise einen über den jeweiligen fälligen Betrag lautenden Teilgrundschuldbrief an die Gläubigerin herausgeben muss. Zudem wurde angeordnet, dass die Pfändung jeweils erst am Tag der kalendermäßig bestimmten Fälligkeit und in Höhe des dann fällig werdenden Betrages wirksam werden soll. Die weitergehende Erinnerung des Schuldners hat das AG zurückgewiesen.

 

Hiergegen erhob der Schuldner sofortige Beschwerde und beantragte, den Antrag der Gläubigerin auf Pfändung der Eigentümergrundschuld zurückzuweisen, soweit er künftige Ansprüche ab April 20 betrifft. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der BGH wies diese überwiegend zurück (16.9.21, VII ZB 9/21, Abruf-Nr. 225644).

Relevanz für die Praxis

Die gläubigerfreundliche Entscheidung beinhaltet zwei wesentliche Problemfelder:

 

Erteilung einer uneingeschränkten Vollstreckungsklausel

Der Rechtsbehelf des Schuldners richtet sich u. a. gegen eine nach seiner Ansicht fehlerhaft erteilte Vollstreckungsklausel. Diese hätte nur wegen des monatlich zu zahlenden Trennungsunterhalts von 730 EUR und nicht hinsichtlich 1.000 EUR erteilt werden dürfen.

 

MERKE | Da vorliegend eine uneingeschränkte Vollstreckungsklausel vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt worden ist, bezeugt diese dem Vollstreckungsorgan die Vollstreckbarkeit sämtlicher in der Urkunde aufgeführter Ansprüche. Der Schuldner hat die vom BGH entschiedene Frage, ob eine Vollstreckungsklausel zu Recht uneingeschränkt erteilt worden ist, nicht beachtet. Diese Frage ist nämlich der Nachprüfung durch das Vollstreckungsorgan entzogen; deshalb kann sie auch nicht im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO vor dem Vollstreckungsgericht und dem ihm übergeordneten Beschwerdegericht aufgeworfen werden (BGH VE 17, 82). Insbesondere ist im Erinnerungsverfahren nach § 766 ZPO der Einwand des Schuldners nicht zu berücksichtigen, die der Vollstreckung zugrunde liegende Klausel sei zu Unrecht ‒ ohne etwa gemäß § 726 Abs. 1 ZPO erforderliche Nachweise ‒ erteilt worden (BGH VE 12, 146).

 

Vorauspfändung (Dauerpfändung) vs. Vorratspfändung

Der ursprüngliche Antrag der Gläubigerin auf eine sog. Vorratspfändung war tatsächlich eine sog. Vorauspfändung: § 850d ZPO enthält Sonderregelungen im Zusammenhang mit dem Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen. Die Vorschrift beinhaltet eine Sonderbehandlung bestimmter Gläubiger. Diese erhalten nämlich erweiterte Pfändungsmöglichkeiten in Arbeitseinkünfte (Anspruch A) wegen künftig fällig werdender Ansprüche, die bereits zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche gepfändet und überwiesen werden können (Vorratspfändung). Bei der Pfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO entsteht im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungsbeschlusses ein Pfandrecht gleichen bevorzugten Rangs auch an künftig fällig werdendem Arbeitseinkommen wegen künftig fällig werdender Ansprüche (BGH VE 04, 60). Im Klartext: Der Gläubiger erwirbt bereits ein Pfandrecht wegen seiner noch nicht fälligen Forderungen.

 

MERKE | § 850d Abs. 3 ZPO stellt eine Ausnahme zu § 751 ZPO dar, wonach eine Vollstreckung zunächst die Anspruchsfälligkeit voraussetzt. Denn künftige Ansprüche sollen nicht durch ein Pfändungspfandrecht lange im Voraus gesichert werden können, während Gläubiger bereits fälliger Ansprüche mit nachrangigen Pfandrechten blockiert wären, nur weil sie ihren Titel später erlangt haben. Die von § 850d Abs. 3 ZPO bevorrechtigten Gläubiger erhalten damit erweiterte Pfändungsmöglichkeiten wegen bereits fälliger Unterhaltsansprüche bzw. fälliger Ansprüche auf Rentenzahlungen wegen Körper- oder Gesundheitsverletzung in Arbeitseinkommen.

 

Beachten Sie | Zukünftige Forderungen sind bereits pfändbar, wenn schon eine Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner besteht, aus der die spätere Forderung nach ihrem Inhalt und der Person des Drittschuldners bestimmt werden kann (BGH Rpfleger 01, 357). Für die Zulässigkeit der Vorratspfändung kommt es auf das Vorhandensein und die gleichzeitige Beitreibung fälliger Ansprüche im Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungsbeschlusses an, nicht erst auf den Zeitpunkt der Zustellung. Die zulässige Vorratspfändung kann daher auch noch wirksam gemacht werden, wenn der Schuldner zwischen Erlass des Pfändungsbeschlusses und Zustellung die Rückstände bezahlt hat (Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 850d Rn. 24).

 

Nicht zu verwechseln mit der Vorratspfändung ist die sog. Vorauspfändung oder auch Dauerpfändung. Sie ist eine aufschiebend bedingte Pfändung, die unter der Bedingung steht, dass die Pfändung immer am Folgetag nach Fälligkeit der Forderung wirksam wird (AG Hamburg NJW-RR 03, 149).

 

MERKE | Es kommt oft vor, dass ein Gläubiger künftig fällig werdende Ansprüche titulieren lässt. Solche Forderungen können nach Ansicht des BGH (VE 04, 60) nur in bestimmten Ausnahmefällen klageweise durchgesetzt werden, und zwar

  • in Fällen, in denen die Leistungszeit datiert ist (§ 257 ZPO),
  • bei wiederkehrenden Leistungen (§ 258 ZPO) oder
  • wenn die rechtzeitige Leistung gefährdet erscheint (§ 259 ZPO).
 

Bei der Vollstreckung ergibt sich dann aber das Problem, dass der Gläubiger erst nach der Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs (vgl. § 751 Abs. 1 ZPO) einen Pfändungsbeschluss erwirken kann und somit immer wieder neue Kosten produziert werden. Zur Problemlösung in den o. g. Fällen hat der BGH (VE 04, 60) entschieden, dass das Vollstreckungsgericht die Pfändung bestehender und künftiger Ansprüche wegen künftig fällig werdender Forderungen unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Fälligkeit anordnen kann.

 

MERKE | Zweck der Vorauspfändung ist es, Mehrkosten durch neue Pfändungsbeschlüsse bei jeweiliger Fälligkeit zu vermeiden. So wird das Vollstreckungsverfahren einfacher und billiger, weil fortlaufend aus einem einzigen Beschluss gepfändet wird, allerdings mit keiner anderen Wirkung als bei einer sukzessiven, nach Fälligkeitsabschnitten erfolgenden Pfändung (AG Hamburg, a. a. O.).

 

Die Vorauspfändung kann erfolgen wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche, wegen der aus einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten und bei Vollstreckung anderer wiederkehrender Gläubigerforderungen, z. B. künftiger Miete oder Pacht, Kaufpreisraten sowie Reallastleistungen (Stöber/Rellermeyer, a. a. O., Rn B. 354). So können mit aufschiebend bedingter Dauerwirkung gepfändet werden

  • künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen und ähnliche fortlaufende Bezüge sowie
  • andere gegenwärtige, aber auch künftige, einmalige sowie wiederkehrende Schuldnerforderungen, damit auch
    • spätere Kontoguthaben,
    • Miete und Pacht,
    • Kaufpreisraten,
    • einmalige Kapitalforderungen sowie
    • andere Vermögensrechte, wie ein Miterbenanteil (OLG Hamm NJW-RR 94, 895), auch eine Hypothekenforderung, Grundschuld und der Anspruch auf Rückgewähr einer Grundschuld (Stöber/Rellermeyer, a. a. O.).

 

Beachten Sie | Damit Gläubiger die Vorauspfändung beantragen können, muss zumindest bei Erlass des Pfändungsbeschlusses ein Teil der Gläubigerforderung bereits fällig sein und mit vollstreckt werden (LG Flensburg FamRZ 04, 1224). Denn § 751 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass die Zwangsvollstreckung nur beginnen darf, wenn die Geltendmachung des Anspruchs vom Eintritt eines Kalendertages abhängig und der Kalendertag abgelaufen ist.

 

PRAXISTIPP | Damit der Gläubiger durch einen einzigen Pfändungsbeschluss auf die künftigen Ansprüche des Schuldners zugreifen kann, muss dies durch das Vollstreckungsgericht angeordnet werden (s. u., Schritt-für-Schritt-Anleitung).

 

Die Vorauspfändung bewirkt, dass

  • die Zwangsvollstreckung i. S. d. § 751 Abs. 1 ZPO erst mit dem Wirksamwerden des die Pfändung aussprechenden Beschlusses des Vollstreckungsgerichts beginnt, also bei Fälligkeit der titulierten Ansprüche. Insofern muss der jeweilige Kalendertag abgelaufen sein (§ 751 Abs. 1 ZPO; BGH VE 04, 60) und

 

  • zwischenzeitliche Verfügungen des Schuldners und Pfändungen anderer Gläubiger für fällige Vollstreckungsforderungen (auch eine Vorratspfändung nach § 850d Abs. 3 ZPO) die erst mit späterer Fälligkeit der künftigen Gläubigerforderungen wirksam werdende Vorauspfändung nicht hindern und somit nicht ausschließen (BGH VE 04, 60).

 

Beachten Sie | Die Vorauspfändung hat keine rangwahrende Wirkung. Folge: Sie schafft damit ‒ im Gegensatz zur Vorratspfändung ‒ dem Vollstreckungsgläubiger keinen einheitlichen vorgezogenen Pfändungsrang auch hinsichtlich seiner künftig fällig werdenden Ansprüche (BGH VE 04, 60);

 

Die Vorauspfändung bewirkt auch keine andauernde Sperre der Ansprüche des Schuldners. Nur i. H. d. gepfändeten Betrags muss dieser sich zwischen Eintritt der Pfändungswirkung und Auskehr des Betrags an die Gläubiger einer Verfügung enthalten, damit der fällige Gläubigeranspruch befriedigt werden kann. Die Rechte anderer Gläubiger werden somit nicht beeinträchtigt, weil die Vorauspfändung ja gerade keine rangwahrende Wirkung hat. Ihre Position ist daher nicht anders, als wenn der Gläubiger jeweils am Monatsanfang eine neue Pfändung ausbrächte. Andere Gläubiger können vor dem auf den Monatsersten folgenden Werktag wegen bereits fälliger Ansprüche bestehende und künftige Forderungen insgesamt pfänden; auch soweit der jeweils fällige Betrag gepfändet ist, können sie in darüber hinausgehende Beträge vollstrecken.

 

Richtig pfänden

Bei gesetzlichen Unterhaltsansprüchen ist das amtliche Formular zu nutzen:

 

  • Schritt 1

Forderung aus Anspruch

gemäß gesonderter Anlage(n)                                                                  

 

 
  • Alternative 1: Schuldner ist nicht als Grundschuldgläubiger eingetragen

Auf Entstehung der künftigen bzw. der bereits entstandenen Eigentümer(buch)-grundschuld bzw. -hypothek nebst Zinsen und sonstigen Nebenleistungen, welche aus der (Brief)Hypothek entstanden ist, die zugunsten ... im Grundbuch von ..., Blatt ..., Flur, Flurstück, Abteilung III lfd. Nr. ... eingetragen ist.

 
  • Alternative 2: Teil-Eigentümergrundschuld/Umschreibung noch nicht erfolgt

Auf Entstehung der künftigen bzw. der bereits entstandenen Teil-Eigentümer(buch)-grundschuld bzw. -hypothek nebst Zinsen und sonstigen Nebenleistungen, die aus der (Brief-)Hypothek durch teilweise Zahlung entstanden ist, die zugunsten des … im Grundbuch von …, Blatt, Flur Flurstück, Abteilung III lfd. Nr. … eingetragen ist.

 
  • Alternative 3: Eigentümergrundschuld ist im Grundbuch eingetragen

Aus der/den im Grundbuch von …, Blatt …, Flur …, Flurstück …, Abteilung III lfd. Nr. … eingetragenen künftigen (Brief-)Eigentümergrundschuld(en) i. H. v. ... EUR nebst Zinsen und Nebenleistungen.

 
  • Alternative 4: bei Teileigentümerbriefgrundschuld
  • die Teileigentümergrundschuld,
  • das Miteigentum des Schuldners am Hypothekenbrief (§§ 952, 1008 BGB),
  • der Anspruch des Schuldners gegen den Hypotheken- bzw. Grundschuldgläubiger auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft am Brief (§ 749 Abs. 1, § 752 BGB),
  • der Anspruch des Hypotheken- bzw. Grundschuldgläubigers auf Vorlage des Briefs beim Grundbuchamt oder Notar zur Herstellung eines Teilbriefs (§ 1145 Abs. 1 BGB),
  • der Anspruch des Schuldners auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB),
  • der Anspruch auf Grundbuchberichtigung hinsichtlich der Umschreibung der bezeichneten Grundschuld(en) in ein (Teil-)Eigentümerpfandrecht,
  • bei Briefrecht: auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens für den Fall, dass der zugrunde liegende Grundschuld-, Hypothekenbrief verloren gegangen ist.
 
  • Schritt 2

☒ Es wird angeordnet, dass

  •  
  • ...
  •  
  • ☒ Bei Briefrecht: Der Schuldner den Grundschuldbrief Nr. ... hinsichtlich der gepfändeten (Eigentümer)Grundschuld an den Gläubiger herausgeben muss.
 

☒ Sonstige Anordnungen: Es wird angeordnet, dass der Pfändungsbeschluss erst mit dem auf den jeweiligen Fälligkeitstag folgenden Werktag und in Höhe des dann fällig werdenden Betrags wirksam wird (BGH 16.9.21, VII ZB 9/21).

 
  • Schritt 3

Der Drittschuldner darf, soweit die Forderung gepfändet ist, an den Schuldner nicht mehr zahlen. Der Schuldner darf insoweit nicht über die Forderung verfügen, sie insbesondere nicht einziehen.

 

Zugleich wird dem Gläubiger die zuvor bezeichnete Forderung in Höhe des gepfändeten Betrags

zur Einziehung überwiesen

an Zahlungs statt überwiesen

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Pfändung des schuldrechtlichen Rückgewähranspruchs, VE 02, 143
  • BGH: Dauerpfändung von Kontoguthaben zulässig, VE 04, 60
Quelle: Seite 6 | ID 47828421