· Fachbeitrag · Freie Mitarbeiter
Haftung und Regress bei freier Mitarbeit
von RA StB WP Dr. Norbert H. Hölscheidt, RA Daniel König, PRAEVENIA GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft, www.praevenia.de
| Wer als Steuerberater in freier Mitarbeit für andere Berufskollegen oder Berufsgesellschaften tätig ist, ist bei eigenen beruflichen Fehlern stets einem Ersatzanspruch seines Dienstgebers ausgesetzt, der ‒ bei entsprechender Regulierung ‒ auf den Berufshaftpflichtversicherer des Dienstgebers übergeht. Die Risikoabsicherung des freien Mitarbeiters sollte daher stets umfassend geklärt werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Steuerberater in seiner Kanzlei freie Mitarbeiter beschäftigt. |
Freie Mitarbeit in der Praxis
Steuerberater sind in vielen Konstellationen in anderen Kanzleien als freie Mitarbeiter tätig. So übernehmen beispielsweise Steuerberater, die sich in eigener Kanzlei selbstständig gemacht haben, teilweise noch für die Kanzlei des ehemaligen Arbeitgebers einzelne Sachbearbeitungen als freie Mitarbeiter. Auch spezialisierte Steuerberater sind häufig im Rahmen der freien Mitarbeit für größere Berufsgesellschaften in Spezialfragen tätig. Die Konstruktion der freien Mitarbeit wird auch regelmäßig für überleitende Tätigkeiten eines Kanzleiverkäufers in der Kanzlei des Nachfolgers gewählt.
Aber auch der Steuerberater selbst beschäftigt in seiner Kanzlei häufig freie Mitarbeiter. Zu denken ist vor allem an den Bilanzbuchhalter, der in freier Mitarbeit die entsprechenden Buchhaltungstätigkeiten in der Kanzlei für Mandanten des Steuerberaters durchführt und dem dabei natürlich auch Fehler unterlaufen können, die zu einem Schaden des Mandanten führen.
Haftung für berufliche Fehler
Gerade für den Steuerberater, der als freier Mitarbeiter in der Kanzlei eines anderen Berufsträgers (Dienstgeber) tätig ist, stellt sich die Frage der eigenen Haftung für berufliche Fehler und der hinreichenden Risikoabsicherung.
Aber auch der Steuerberater, der in seiner eigenen Kanzlei freie Mitarbeiter beschäftigt, muss bei der Risikoabsicherung einige Punkte beachten. Der Steuerberater darf nicht der irrigen Annahme unterliegen, der freie Mitarbeiter habe ja eine eigene Berufshaftpflichtversicherung und er müsse daher nichts weiter beachten.
Haftung im Außenverhältnis
Wird die Bearbeitung des Auftrags einem freien Mitarbeiter übertragen, ist dieser gegenüber dem Mandanten Erfüllungsgehilfe seines Dienstgebers (des eigentlichen Auftragnehmers) gemäß § 278 S. 1 BGB. Der Auftragnehmer haftet grundsätzlich für eigenes Verschulden und das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen gegenüber dem Mandanten, ohne dass dem Mandanten ein direkter Anspruch gegen den Erfüllungsgehilfen (freien Mitarbeiter) zusteht. Eine direkte Eigenhaftung des freien Mitarbeiters gegenüber dem Mandanten kommt nur in sehr wenigen Ausnahmefällen in Betracht. Sobald der freie Mitarbeiter nach außen unter der „Flagge“ seines Dienstgebers auftritt, haftet stets der Dienstgeber gegenüber dem Mandanten.
Haftung im Innenverhältnis
Innerhalb des bestehenden Vertragsverhältnisses haftet aber grundsätzlich der freie Mitarbeiter gegenüber seinem Dienstgeber für berufliche Fehler im Rahmen seiner Tätigkeit vollumfänglich gemäß §§ 280 ff. BGB.
PRAXISTIPP | Im Rahmen der freien Mitarbeit gelten auch nicht die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Haftungserleichterung bei Ansprüchen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, da der freie Mitarbeiter nicht als Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne gilt. |
Der Steuerberater, dem im Rahmen seiner freien Mitarbeit für die Steuerkanzlei eines anderen Berufsträgers ein beruflicher Fehler unterläuft, haftet daher grundsätzlich zwar nicht direkt gegenüber dem Mandanten, jedoch im Innenverhältnis gegenüber seinem Dienstgeber, und zwar gerichtet auf Freistellung des Dienstgebers von dessen Haftung gegenüber dem Mandanten.
Eintrittspflicht der Berufshaftpflichtversicherung
Um den Schaden durch fehlerhafte Beratung abzudecken, kommen grundsätzlich zwei Berufshaftpflichtversicherungen infrage: die des freien Mitarbeiters und die des Dienstgebers.
Eigene Haftpflichtversicherung des freien Mitarbeiters
Soweit der freie Mitarbeiter eine eigene Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat, deckt diese regelmäßig nur seine Tätigkeit im eigenen Namen für seine eigenen Mandanten ab, nicht jedoch die Tätigkeit als freier Mitarbeiter für Mandanten seines Dienstgebers.
Es ist dabei auch zu beachten, dass unterschiedliche Deckungen in den Berufshaftpflichtversicherungen des Dienstgebers und des freien Mitarbeiters bestehen, da der freie Mitarbeiter oft nicht auf dem Niveau des Dienstgebers versichert ist oder dies teilweise auch gar nicht kann (z. B. der als freier Mitarbeiter bei dem Steuerberater tätige Bilanzbuchhalter oder der bei einem Wirtschaftsprüfer tätige Steuerberater).
Haftpflichtversicherung des Dienstgebers
Erfolgt die Bearbeitung des Auftrags in der Kanzlei des Dienstgebers durch den freien Mitarbeiter, ist dessen Verschulden gemäß § 278 S. 1 BGB dem Dienstgeber zuzurechnen. Seine Tätigkeit ist dann im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung des Dienstgebers mit abgedeckt, da der Versicherungsschutz in den maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) auch für den Fall bestimmt wird, dass der Versicherungsnehmer „wegen eines bei der Ausübung beruflicher Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach § 278 oder § 831 BGB einzustehen hat, begangenen Verstoßes […] für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird“.
PRAXISTIPP | Der freie Mitarbeiter ist dem Berufshaftpflichtversicherer des Dienstgebers stets zu melden. Unterbleibt eine Meldung, stellt dies die Verletzung einer Obliegenheitspflicht aus dem Versicherungsvertrag durch den Dienstgeber dar, wodurch der Versicherer die Versicherungsleistung kürzen kann. Folge dieser Verringerung der Versicherungsleistung für den einzelnen Schadensfall kann dann sein, dass z. B. eine in Allgemeinen Auftragsbedingungen vereinbarte Haftungsbeschränkung unwirksam wird und eine unbeschränkte Haftung entsteht. Dies sollte unbedingt vermieden werden. Es kann durch die Verringerung der Versicherungsleistung zudem die Mindestdeckung der Berufshaftpflichtversicherung unterschritten werden, was auch berufsrechtliche Folgen haben kann. Dies ist besonders wichtig für die Absicherung des Steuerberaters, der in seiner Kanzlei freie Mitarbeiter beschäftigt. |
Regressanspruch der Versicherung
Reguliert die Versicherung des Dienstgebers einen von dem freien Mitarbeiter verursachten Schaden, ist für den freien Mitarbeiter die Frage der eigenen Haftung aber noch nicht erledigt. Denn der oben beschriebene Ersatzanspruch des Dienstgebers gegenüber dem schadensverursachenden freien Mitarbeiter im Innenverhältnis geht regelmäßig auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden im Rahmen der Haftpflichtversicherung ersetzt. Folglich kann dann der Versicherer den Regressanspruch gegenüber dem freien Mitarbeiter geltend machen. Soweit eine Regulierung nicht erfolgt (etwa in Höhe eines mit der Versicherung vereinbarten Selbstbehalts oder soweit ein Schaden die vereinbarte Versicherungsdeckung übersteigt oder das Risiko nicht versichert ist), findet kein Forderungsübergang statt und es verbleibt insoweit bei dem Ersatzanspruch des Dienstgebers gegenüber dem freien Mitarbeiter.
Soweit ein Forderungsübergang des Regressanspruchs des Dienstgebers gegenüber dem freien Mitarbeiter auf den Versicherer eintritt, liegt es nicht mehr in der Entscheidung des Dienstgebers, ob ein ihm zustehender Regressanspruch gegenüber dem freien Mitarbeiter wegen eines von diesem verschuldeten beruflichen Fehlers geltend gemacht wird. Aus diesem Grund ist es wichtig, zum einen zu wissen, in welchen Fällen dem Regress des Versicherers Einwendungen aus dem Versicherungsverhältnis entgegengehalten werden können, sowie zum anderen gegebenenfalls durch individuelle Vereinbarung mit dem Dienstgeber Regressansprüche auszuschließen.
Folgende Formen kommen in Betracht:
- Ausschluss des Regresses gegen mitversicherte Personen
- Ausschluss des Regresses aufgrund einer Vereinbarung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)
- Regelung des Regresses aufgrund individueller Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und dem freien Mitarbeiter
Ausschluss des Regresses gegen mitversicherte Personen
Ein Regress des Versicherers gegen mitversicherte Personen ist von vornherein systemimmanent ausgeschlossen (OLG Hamburg 22.6.82, 7 U 194/80). Als mitversicherte Personen gelten diejenigen Personen, die so in den Versicherungsvertrag einbezogen werden, dass sie nach § 43 Abs. 1 VVG einen eigenen Anspruch gegen den Versicherer auf Deckung für gegen sie selbst gerichtete Haftpflichtansprüche haben. Dies wird i. d. Regel auf freie Mitarbeiter nicht zutreffen.
Ausschluss des Regresses aufgrund einer Vereinbarung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)
In den AVB der Versicherer besteht in der Regel eine Einschränkung dahingehend, dass ein Regress des Versicherers gegen schadensverursachende Angestellte ausgeschlossen ist, soweit diesem nicht eine wissentliche Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann. Es ist aber fraglich, ob diese Ausschlussklausel in den jeweiligen AVB auch für freie Mitarbeiter gilt. Denn die gebräuchlichen Klauseln sind in ihrem Wortlaut von Versicherer zu Versicherer unterschiedlich. Teilweise wird allgemein von „Mitarbeitern“ gesprochen, häufig verwenden die AVB bei dem Ausschluss aber nur den Begriff „Angestellte“ des Versicherungsnehmers. Gerade bei der häufig verwendeten Formulierung „Angestellter“ ist die Frage offen, ob davon auch der freie Mitarbeiter umfasst ist.
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Zwar soll nach einer älteren Entscheidung des OLG Hamburg (7 U 194/80) der Ausdruck „Angestellte“ oder „Angestellte Mitarbeiter“ auch die Tätigkeiten von freien Mitarbeitern ohne festes Anstellungsverhältnis umfassen. Neuere, gesicherte Rechtsprechung zu dieser Frage gibt es ‒ soweit ersichtlich ‒ jedoch nicht, sodass eine erhebliche Unsicherheit besteht, ob der freie Mitarbeiter tatsächlich im Einzelfall ohne Weiteres von dem Ausschluss des Regresses in den AVB umfasst und eine Regressnahme durch den Versicherer auf die Fälle wissentlicher Pflichtverletzung beschränkt ist. |
Im Hinblick auf die Tätigkeit des freien Mitarbeiters ist daher dringend zu empfehlen, sich nicht allein auf die (unsichere) Ausschlussregelung in den AVB zu verlassen. Hinzu kommt, dass über Art und Umfang des Versicherungsschutzes grundsätzlich der Dienstgeber nach eigenem Ermessen und in eigener Verantwortung entscheidet, sodass es von der ‒ vom freien Mitarbeiter nicht beeinflussbaren ‒ vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und seinem Versicherer abhängt, ob im konkreten Einzelfall eine Regressnahme beim freien Mitarbeiter erfolgt oder nicht. Zudem ist zu beachten, dass es auch zu einem Schaden kommen kann, der nicht oder nicht vollständig von der Berufshaftpflichtversicherung des Dienstgebers abgedeckt ist. Auch hier ist der freie Mitarbeiter stets einem Regressanspruch des Dienstgebers ausgesetzt.
Aufgrund dieser Faktoren ist es daher dringend anzuraten, die Haftung des freien Mitarbeiters klar durch eine individuelle Vereinbarung zu regeln.
Regelung des Regresses aufgrund individueller Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und dem freien Mitarbeiter
Die einzelvertragliche Vereinbarung eines Regressverzichts zwischen dem freien Mitarbeiter und seinem Dienstgeber ist möglich. Eine solche Vereinbarung führt dazu, dass eine Regressforderung gegen den freien Mitarbeiter, die auf den Versicherer übergehen könnte, erst gar nicht entsteht.
MERKE | Eine solche Regressverzichtsvereinbarung ist inhaltlich mit der Haftpflichtversicherung des Dienstgebers abzustimmen, damit sich dieser nicht wegen der Vereitelung einer Regressmöglichkeit gegenüber dem Versicherer schadensersatzpflichtig machen kann. Deshalb wird regelmäßig (im Interesse des Dienstgebers) in die Regressverzichtsvereinbarung eine Ausnahme für Fälle wissentlicher Pflichtverletzung einzubeziehen sein, da anderenfalls der Versicherer einer solchen Vereinbarung wohl nicht zustimmen wird. |
Eine solche Vereinbarung zum Regressverzicht zwischen dem Dienstgeber und dem freien Mitarbeiter ist dringend zu empfehlen. Die Vereinbarung sollte inhaltlich so ausgestaltet werden, dass sie den Interessen aller Beteiligten an einer Begrenzung der jeweils eigenen Haftung angemessen Rechnung trägt und zu einem gerechten Ausgleich der vorhandenen Haftungsrisiken führt.
FAZIT | Die Tätigkeit des freien Mitarbeiters ist zwar bei entsprechender Meldung regelmäßig von der Berufshaftpflichtversicherung des Dienstgebers gedeckt. Aufgrund der Haftung aus §§ 280 ff. BGB entsteht jedoch seitens des Dienstgebers ein Regressanspruch gegen den freien Mitarbeiter. Reguliert die Versicherung des Dienstgebers einen derartigen, vom freien Mitarbeiter verursachten Schaden, geht der Regressanspruch insoweit auf den Versicherer über. Ob eine Regressnahme des Versicherers gegen den freien Mitarbeiter erfolgt, hängt dann im Wesentlichen von den ‒ vom freien Mitarbeiter nicht beeinflussbaren ‒ vertraglichen Vereinbarungen (insbesondere den vereinbarten AVB) zwischen dem Dienstgeber und seinem Versicherer ab. Aufgrund dieser Faktoren ist zu empfehlen, die Ansprüche zwischen dem Dienstgeber und dem freien Mitarbeiter durch eine entsprechend ausgestaltete Vereinbarung zum Regressverzicht zur Rechtssicherheit aller Beteiligten zu regeln. |
Weiterführende Hinweise
- Haftungsrecht ‒ 10 goldene Regeln, wenn der Haftungsfall droht (KP-Sonderausgabe 2018)
- Berufshaftpflicht ‒ Beiträge zur Haftpflicht der Sozietät sind kein geldwerter Vorteil der angestellten Berater (KP-Beitrag vom 2.1.19)
- Haftung ‒ (Mit-)Haftung für fremde Haftungsschulden (Hölscheidt, KP 18, 216)
- Kauf und Verkauf von Steuerberaterpraxen: Augen auf beim Praxiskauf! (Gilgan, KP 17, 176)