· Fachbeitrag · Früherkennung
Kindervorsorgeuntersuchung nach Nr. 26 GOÄ: Was geht und was geht nicht?
von Ernst Diel, ehem. Leiter Grundsatzfragen PVS Büdingen
| Die meisten privaten Krankenversicherungen erstatten Vorsorgeleistungen nur im Rahmen der Vorsorgerichtlinien, die in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verbindlich gelten. Die Richtlinie „über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres“ (Kinder-Richtlinie) wurde zum 01.09.2016 wesentlich geändert, jedoch gibt es immer noch einige Unklarheiten in der Abrechnung. |
Privatversicherungen erstatten den „GKV-Katalog“
Die Privatversicherungen richten sich bei Vorsorgeuntersuchungen nach den GKV-Vorsorgerichtlinien, in denen Art und Fristen für Vorsorgeuntersuchungen sowie deren Inhalte genau definiert sind. Die Versicherungsverträge von Privatpatienten beziehen sich i. d. R. auf die „Musterbedingungen“ des Verbands der privaten Krankenversicherungen (MBKK):
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„Ambulante Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen (gezielte Vorsorgeuntersuchungen).“ |
Auch die Beihilferichtlinien enthalten entsprechende Vorgaben! Somit richtet sich der Erstattungsanspruch des Patienten gegenüber seiner Versicherung nur nach dem, was Inhalt der Vorsorgerichtlinien im GKV-Bereich ist. Bei der Privatliquidation steht die Nr. 26 GOÄ im Fokus (450 Punkte, 60,33 Euro beim Faktor 2,3). Doch für den Fall, dass neben Nr. 26. GOÄ noch weitere Abrechnungsziffern kompatibel sind, bedeutet dies allerdings nicht gleichzeitig, dass der Patient diese Leistungen nach den jeweiligen Versicherungsbedingungen von der PKV erstattet bekommt.
Werden also die im Rahmen der Vorsorgerichtlinien vorgegebenen Leistungsinhalte überschritten, so sollte dies nur aufgrund einer bestehenden Indikation erfolgen. Wie immer ist es empfehlenswert, in solchen Fallkonstellationen bereits im Rahmen der Rechnungslegung eine Plausibilität zwischen abgerechneten Leistungen und den entsprechenden Diagnosen herzustellen.
Patient wünscht weitergehende Untersuchungen
Wünscht der Patient aber weitergehende Untersuchungen, ohne dass eine tatsächliche Indikation besteht, sollte eine entsprechende Information durch den behandelnden Arzt erfolgen, dass diese Leistungen u. U. nicht erstattungsfähig sind. Es empfiehlt sich ‒ um nachträgliche Auseinandersetzungen mit dem Patienten zu vermeiden ‒ die Leistungen gem. § 12 Abs. 3 GOÄ (letzter Satz) auf der Rechnung als Wunschleistung entsprechend zu kennzeichnen.
Rechtlich sind dabei die Vorgaben zu den Aufklärungspflichten aus § 630e Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu beachten. Die wichtigsten Pflichten sind in Absatz 1 genannt, weitere Bedingungen finden sich in den Absätzen 2 bis 5.
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(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können. |
Mögliche Leistungen neben Nr. 26 GOÄ
Die folgende Tabelle enthält die Leistungen, die fakultativ neben Nr. 26 GOÄ berechnungsfähig und in den Vorsorgerichtlinien enthalten sind.
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U2 3.‒14. Lebenstag |
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U3: 3.‒8. Lebenswoche |
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U4: 2.‒4 1/2. Lebensmonat |
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U5: 5.‒ 8. Lebensmonat |
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U6: 9.‒14. Lebensmonat |
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U7: 20.‒27. Lebensmonat |
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U7a: 33.‒38. Lebensmonat |
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U8: 43.‒50. Lebensmonat |
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U9: 58.‒66. Lebensmonat |
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! Die Tabelle beinhaltet ausschließlich rechtlich unverbindliche Abrechnungsempfehlungen.
* Mit Beschluss des G-BA vom 24.11.2016 wurde das „Screening auf angeborene kritische Herzfehler mittels Pulsoxymetrie“ zusätzlich in die Richtlinien aufgenommen und soll i. d. R. am 2. Lebenstag durchgeführt werden, ist aber bis zum 14. Lebenstag möglich.
** Nr. 717 GOÄ wird bei der U5 als Analogbewertung dargestellt, da die ursprüngliche Leistungslegende auf ein Kleinkind abstellt!
*** Die Richtlinie verlangt nur „Screeningaudiometrie“.
Leistungsausschlüsse zu Nr. 26 GOÄ
Zudem sind mit Blick auf Nr. 26 GOÄ auch einige Leistungsausschlüsse zu beachten. Nicht neben Nr. 26 GOÄ berechnungsfähig sind die Leistungen nach
- Nr. 1 (Beratung …),
- Nr. 3 (eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende Beratung),
- Nr. 4 (Erhebung der Fremdanamnese),
- Nr. 5 (symptombezogene Untersuchung),
- Nr. 6 (vollständige körperliche Untersuchung),
- Nr. 7 (vollständige körperliche Untersuchung) und/oder
- Nr. 8 (Untersuchung zur Erhebung des Ganzkörperstatus) sowie
- Nr. 715 und
- Nr. 800 GOÄ.
MERKE | Bei allen durchgeführten Untersuchungen kann die Bescheinigung im Untersuchungsheft nach Nr. 70 GOÄ (40 Punkte, 5,36 Euro beim Faktor 2,3) berechnet werden! |
Ausnahmen von der Bindung an die Kinder-Richtlinie
Bei der Untersuchung nach Nr. 26 GOÄ besteht eine Ausnahme in der Bindung der Erstattung von PKV und Beihilfe an die Kinder-Richtlinie, da diese nur Untersuchungen bis zum 6. Lebensjahr umfasst. Nr. 26 GOÄ ist aber ausdrücklich auf Untersuchungen bis zum vollendeten 14. Lebensjahr abgestellt.
Auch die Bestimmung, nach der die Nr. 26 GOÄ nur einmal je Kalenderjahr berechnet werden darf, kann ab dem vollendeten 2. Lebensjahr (theoretisch) in Widerspruch zur Kinder-Richtlinie treten, da bei Untersuchungen innerhalb der Toleranzgrenzen der Untersuchungszeiträume auch zwei Untersuchungen innerhalb desselben Kalenderjahres erfolgen können.
MERKE | Ein Ausweichen auf Einzelleistungen, um die Kalenderjahr-Beschränkung von Nr. 26 GOÄ zu umgehen, ist weder sinnvoll noch empfehlenswert. Dies widerspräche dem Sinn einer als ausdrücklich die Früherkennungsuntersuchung vergütenden Leistung und ergäbe auch gegenüber der Berechnung auf Grundlage der Ziff. 26 kein höheres Honorar. |
Ausnahmen davon, dass PKV und Beihilfe sinnvollerweise die Nr. 26 auch bis zum vollendeten 14. Lebensjahr und auch ggf. zweimal innerhalb eines Kalenderjahr erstatten, sind nicht bekannt.
Weiterführende Hinweise
- Leistungen neben Vorsorgeuntersuchungen (AAA 02/2019, Seite 9)
- Kinder- und Jugendärzte: Nr. 26 GOÄ ‒ zusätzlich abrechenbare Ziffern (AAA 03/2013, Seite 22)