· Fachbeitrag · Gebäudeversicherung
Kein Versicherungsschutz für ein unterhalb der Bodenplatte befindliches Abwasserrohr
von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln
| Ein unterhalb der Bodenplatte eines Gebäudes befindliches Abwasserrohr ist nach der im Streitfall vereinbarten Klausel § 3 Nr. 2 VGB 2011 nicht versichert. Es verläuft im Sinne dieser Klausel außerhalb des versicherten Gebäudes (Abgrenzung zu BGH VersR 98, 758). Eine Kurzformulierung „Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden“ im Versicherungsschein ändert daran nichts. So entschied es das OLG Hamm. |
Sachverhalt
Der VN verlangt aus einer Wohngebäudeversicherung Versicherungsleistungen wegen eines Wasserschadens. Ein Abwasserrohr war im Bereich unterhalb der Bodenplatte zwischen den Streifenfundamenten mehrfach gebrochen.
In den vereinbarten VGB 2011 heißt es u.a.:
„§ 3 Nr. 1:
Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, sind Rohre und Installationen unterhalb der Bodenplatte nicht versichert.“
Nach § 3 Nr. 2 leistet der VR Entschädigung für außerhalb von Gebäuden eintretende frostbedingte und sonstige Bruchschäden nur hinsichtlich der Zuleitungsrohre der Wasserversorgung und der Rohre der Warmwasserheizungs-, Dampfheizungs-, Klima-, Wärmepumpen- und Solarheizungsanlagen.
Das LG wies die Klage ab, weil das maßgebliche Abwasserrohr außerhalb des versicherten Gebäudes verlaufe.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Hamm keinen Erfolg (20.2.19, 20 U 2/19, Abruf- Nr. 212345).
Nach den hier maßgeblichen VGB 2011 besteht kein Versicherungsschutz. Das gilt selbst, wenn man den Vortrag des VN als richtig unterstellt, dass es zu mehreren Rohrbrüchen an einer Abwasserleitung gekommen sei, die unterhalb der Bodenplatte, aber zwischen den dort vorhandenen Streifenfundamenten verläuft.
Denn gemäß § 3 Nr. 2 VGB 2011 leistet der VR Entschädigung für außerhalb von Gebäuden eintretende frostbedingte und sonstige Bruchschäden nur hinsichtlich der Zuleitungsrohre der Wasserversorgung und der Rohre der Warmwasserheizungs-, Dampfheizungs-, Klima-, Wärmepumpen- oder Solarheizungsanlagen.
Handelt es sich ‒ wie hier ‒ um ein Abwasserrohr, ist gemäß § 3 Nr. 1 VGB 2011 ein Rohrbruch nur versichert, wenn sich das Rohr innerhalb des Gebäudes befindet. Das Abwasserrohr, hinsichtlich dessen der VN mehrere Rohrbrüche behauptet, verläuft dagegen nicht im Sinne von § 3 Nr. 1 VGB 2011 innerhalb, sondern im Sinne von § 3 Nr. 2 VGB 2011 außerhalb des versicherten Gebäudes.
Aus der vom VN angeführten Rechtsprechung folgt nichts anderes. Denn der Entscheidung lagen die VGB 62 zugrunde. Diese enthielten noch keine nähere Bestimmung dazu, wie genau die Grenze zwischen „innerhalb“ und „außerhalb“ des Hauses verlaufenden Rohren zu ziehen war. Demgegenüber enthalten die VGB 2011 in § 3 Nr. 1 a.E. die klare und für einen durchschnittlichen VN ohne Weiteres verständliche Regelung. Die frühere Rechtsprechung, wonach hinsichtlich der VGB 62 auch solche Rohre innerhalb des Hauses verliefen, die zwar unterhalb der Bodenplatte, aber oberhalb einer gedachten Ebene zwischen den Unterkanten der Streifenfundamente lagen, ist damit auf die derart neugefassten VGB 2011 nicht übertragbar.
Die Regelung in § 3 Nr. 1 a.E. VGB 2011 ist auch wirksam. Es handelt sich um eine Beschränkung des Versicherungsschutzes, an welcher der VR ein legitimes Interesse hat. Sie ist weder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB, noch gefährdet sie den Vertragszweck und würde deshalb eine unangemessene Benachteiligung des VN im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB bedeuten. Dafür spricht schon, dass der Ausschluss von Abwasserrohren unterhalb der Bodenplatte keineswegs nur einseitig den Interessen des VR dient. Er schützt auch die Interessen der Versichertengemeinschaft. Genaue Schadensursachen an derartigen Rohren können nämlich nur mit einem beträchtlichen Aufwand festgestellt werden.
Schließlich vermag der Berufungsangriff, Versicherungsschutz ergebe sich aufgrund der Fassung des Versicherungsscheins, dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar trifft es zu, dass es im Versicherungsschein wie folgt heißt: „Ihr Wohngebäude ist gegen folgende Gefahren abgesichert:
Brand, Blitzschlag, [...], Leitungswasser, Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden sowie Nässeschäden [...].“
Ebenso zutreffend ist, dass gemäß § 5 Abs. 1 VVG bei Abweichungen zwischen Antrag und Versicherungsschein diese Abweichungen unter bestimmten Voraussetzungen Vertragsbestandteil werden. Weicht der Inhalt des Versicherungsscheins zugunsten des VN vom Inhalt des zugrunde liegenden Antrags ab, kommt der Versicherungsvertrag auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande, wenn der VN nicht binnen eines Monats widerspricht. Vorliegend liegt aber keine „Abweichung“ zwischen dem Antrag (und damit zusammenhängend den VGB 2011) einerseits sowie dem Versicherungsschein andererseits in diesem Sinne vor. Es liegt auf der Hand, dass der Versicherungsschein nicht in allen Einzelheiten das getreue Spiegelbild des Antrags und der zugrunde liegenden AVB sein kann. Auch dann, wenn keine wortwörtliche Übereinstimmung vorliegt, ist vielmehr im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob tatsächlich eine inhaltliche Abweichung vorliegt.
Eine solche Auslegung ergibt vorliegend, dass allein wegen der pauschalen Formulierung „Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden“ keine inhaltliche Abweichung vorliegt. Vielmehr nennt der Schein ausdrücklich die VGB 2011 als Vertragsgrundlage.
Ein durchschnittlicher VN erkennt ohne Weiteres, dass der Versicherungsschein die versicherten Gefahren nur schlagwortartig umreißen kann, und dass sich die Einzelheiten des Versicherungsschutzes und seiner Ausschlüsse aus den AVB ergeben. Die Formulierung „Bruchschäden innerhalb und außerhalb von Gebäuden“ gibt den Inhalt der AVB insofern zutreffend wieder, als tatsächlich nach diesen Bedingungen Bruchschäden keineswegs nur innerhalb des Gebäudes, sondern durchaus auch außerhalb des Gebäudes versichert sind. Dass aber hinsichtlich dieser außerhalb des Gebäudes auftretenden Bruchschäden in dem Bedingungswerk bestimmte Begrenzungen des versicherten Risikos und Risikoausschlüsse normiert sind, liegt in der Natur der Sache. Das muss auch einem durchschnittlichen VN klar sein.
Relevanz für die Praxis
Stets ist zu prüfen, ob nicht nach den neueren Bedingungswerken ein Leistungsausschluss für Abwasserrohre unterhalb der Bodenplatte vorliegt. Die frühere Rechtsprechung greift dann nicht.
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Weiterführender Hinweis
- Zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls Rohrbruch: OLG Saarbrücken VK 19, 47; BGH VK 17, 151.