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· Fachbeitrag · Geldwäschegesetz

Meldepflichten im Immobilienbereich: Die GwGMeldV schränkt die Schweigepflicht ein

von RA Udo Henke, Unna

| Nach dem neuen Geldwäschegesetz (GwG) von 2020 gelten u. a. strengere und erweiterte Meldepflichten auch für rechtsberatende Berufe. Die Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung-Immobilien (GwGMeldV) konkretisiert diese für Sachverhalte bei Erwerbsvorgängen nach § 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG). Der Beitrag skizziert die Kernpunkte der aktuellen Verordnung mit Blick auf die Rechtsberatungspraxis. |

1. NRA-Analyse war Anlass für die verschärften Regelungen

Anlass für die Neuregelungen war die Erste Nationale Risikoanalyse (NRA) des Bundesministeriums der Finanzen vom Herbst 2019 zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (iww.de/s4607). Es wurde ein hohes Geldwäscherisiko im Immobiliensektor gesehen. Besondere Wachsamkeit sollten Kreditinstitute, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Notare walten lassen, die in solche Transaktionen eingebunden werden oder in deren Ausgestaltung beratend tätig sind.

 

MERKE | § 2 Abs. 1 GwG nennt explizit die Adressaten der Meldepflichten, und zwar

  • in Nr. 10: Rechtsanwälte, Kammerrechtsbeistände, Patentanwälte sowie Notare, soweit sie an dem in der Vorschrift genau aufgelisteten Katalog bestimmter Angelegenheiten mitwirken, beraten, durchführen oder sonstige Dienstleistungen erbringen,
  • in Nr. 12: Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und die in § 4 Nr. 11 StBerG genannten Lohnsteuerhilfevereine.
 

2. Verdacht muss sich auf Tatsachen stützen

Bei der Klärung, ob es sich um einen meldepflichtigen Verdachtsfall handelt, darf sich der Meldeverpflichtete nur auf Tatsachen und nicht allein auf Gerüchte oder Mutmaßungen stützen. Vielmehr muss er einen Sachverhalt nach allgemeinen Erfahrungen und eigenem beruflichen Erfahrungswissen unter dem Blickwinkel seiner Ungewöhnlichkeit und Auffälligkeit im jeweiligen geschäftlichen Kontext würdigen.

 

Bei aller Sorge wegen des zunehmend bürokratischen Aufwands für die betroffenen Berufe gibt es scheinbar ein Trostpflaster: Der Verordnungsgeber will ausdrücklich keine eigenständigen Pflichten begründen, meldepflichtige Tatsachen zu ermitteln (§ 1 S. 2 GwGMeldV). Den Verpflichteten wird (noch) keine Detektivfunktion auferlegt. Allerdings bestehen verschärfte Sorgfaltspflichten in Bezug auf die einzuholenden Informationen. Die Sorgfaltspflichten sind nach § 10 Abs. 2 GwG risikobasiert umzusetzen. Kümmert sich also ein Verpflichteter angesichts des konkreten Geldwäscherisikos einer Transaktion nicht oder nur nachlässig um die Beschaffung relevanter Informationen, kann er damit gegen seine Sorgfaltspflichten und damit gegen das GwG verstoßen.

3. Diese Sachverhalte unterliegen der GwGMeldV

Als relevante Erwerbsvorgänge definiert § 2 Nr. 6 GwGMeldV die Rechtsvorgänge nach § 1 GrEStG einschließlich deren Vorbereitung. Davon betroffen sind Erwerbsvorgänge

  • mit Bezug zu einem Risikostaat oder einer Sanktionsliste (§ 3 GwGMeldV),
  • wegen bestimmter personeller Auffälligkeiten anlässlich des Erwerbsvorgangs (§ 4 GwGMeldV),
  • wegen Auffälligkeiten bei Stellvertretung (§ 5 GwGMeldV) oder
  • wegen Auffälligkeiten beim Preis oder den Kauf- oder Zahlungsmodalitäten (§ 6 GwGMeldV).

 

Darunter fallen jeweils Kaufverträge und andere Rechtsgeschäfte, die einen Anspruch auf Übereignung begründen. Außerdem werden Auflassungen oder Eigentumsübergänge ohne vorangegangenes Rechtsgeschäft sowie Abtretungen von Übereignungsansprüchen und weitere in § 1 GrEStG genannte Fallkonstellationen erfasst. Weil schon die Vorbereitung relevanter Rechtsvorgänge dem Anwendungsbereich der Verordnung unterliegt, kann bereits die Begründung einer auf die besagten Transaktionen gerichteten Geschäftsbeziehung (im Extremfall also sogar schon die Geschäftsanbahnung) Meldepflichten für den Anwalt, Notar usw. entstehen lassen.

 

MERKE | Schon die Vorbereitung eines meldepflichtigen Erwerbsvorgangs i. S. v. § 1 GrEStG kann für den Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater usw. Meldepflichten begründen. Keine Meldepflicht entsteht im Rahmen der Erwerbsvorbereitung nur, wenn meldepflichtige Gestaltungsvorschläge lediglich erwogen, aber letztlich bereits in diesem Stadium wieder verworfen werden.

 

4. Meldepflicht wegen Risikostaat oder Sanktionsliste

§ 3 GwGMeldV bestimmt Sachverhalte als meldepflichtig, sofern das Rechtsgeschäft einen hinreichend engen Bezug zu einem Land aufweist, das von der EU-Kommission oder der OECD-Untergliederung Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF) als sog. Risikoland eingestuft wird. Gleiches gilt bei einer beteiligten Person, die auf der Sanktionsliste der EU geführt oder in einer nationalen Umsetzungsmaßnahme genannt wird.

 

Neben der Ansässigkeit eines an dem Erwerbsvorgang Beteiligten (i. S. v. § 2 Nr. 2 GwGMeldV) oder eines wirtschaftlich Berechtigten (i. S. v. § 3 GwG) in einem der gelisteten Risikostaaten können die Staatsangehörigkeit, regelmäßige oder häufigere Aufenthalte oder geschäftliche Beziehungen der Beteiligten bzw. wirtschaftlich Berechtigten als Anknüpfungspunkte für einen engen Bezug in Frage kommen. Auch ein Geschäftsgegenstand oder ein Bankkonto mit Bezug zu einem Risikostaat können eine Meldepflicht begründen. Zudem besteht eine Meldepflicht bei Listung eines Beteiligten oder wirtschaftlich Berechtigten in einem offiziellen Rechtsakt der EU, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt.

 

PRAXISTIPP | Eine Suche in der konsolidierten EU-Finanz-Sanktionsliste ist z. B. über die von NRW betriebene Internetseite finanz-sanktionsliste.de möglich („FiSaLis2021“). „Drittländer mit hohem Risiko“ finden Sie unter zoll.de.

 

5. Meldepflicht wegen personeller Auffälligkeiten

Der differenzierte Katalog des § 4 GwGMeldV definiert „Auffälligkeiten“ im Zusammenhang mit den Beteiligten bzw. wirtschaftlich Berechtigten:

 

  • Abs. 1 nennt u. a. die Nichterfüllung einer Mitwirkungspflicht oder einer Auskunfts- und Nachweispflicht nach § 11 Abs. 6 S. 1, 3 und 4 GwG.
  • Abs. 2 führt unrichtige oder unvollständige Angaben zur Identität der Beteiligten oder wirtschaftlich Berechtigten auf.
  • Nach Abs. 3 und 4 begründen auch Treuhandverhältnisse, Ermittlungen oder Strafverfahren wegen § 261 StGB oder ein grobes Missverhältnis des Erwerbsvorgangs zu dem legalen Einkommen oder Vermögen eines Veräußerers, Erwerbers oder wirtschaftlich Berechtigten Meldepflichten, sofern konkrete Tatsachen eine entsprechende Vermutung stützen.

 

Beachten Sie | Keine Meldepflicht besteht nach § 4 Abs. 4 S. 2 GwGMeldV ausdrücklich, wenn sich ein Beteiligter im Rahmen eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens des Verpflichteten als Verteidiger bedient (hat). Dieses Privileg gilt für Strafverteidiger und an dem Strafverfahren mitwirkende Personen gemäß § 203 Abs. 3 StGB. Bei anderweitigen Mandaten werden Anwälte nicht von der Meldepflicht nach § 4 Abs. 4 GwGMeldV freigestellt.

6. Meldepflicht wegen Auffälligkeiten bei Stellvertretung

Zu Meldepflichten aus § 5 GwGMeldV führen Sachverhalte, wenn

  • ein Beteiligter aufgrund einer Vollmacht handelt, die nicht der Schriftform genügt, er diese trotz Aufforderung nicht binnen zwei Monaten nachreicht,
  • die Vollmachtsurkunde unecht oder verfälscht ist, ihr Grundverhältnis für den Verpflichteten nicht erkennbar ist oder sie von Mitarbeitern eines deutschen Konsulats in einem Risikostaat beglaubigt worden ist.

7. Meldepflicht wegen Preis, Kauf- oder Zahlungsmodalität

Als melderelevante Auffälligkeiten nennt § 6 GwGMeldV in

  • Abs. 1 Nr. 1 die Barzahlung bei Beträgen über 10.000 EUR oder mittels Kryptowerten i. S. v. § 1 Abs. 11 KWG oder über ein Bankkonto in einem Drittstaat, in dem sich weder Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt des Kontoverwenders befinden,
  • Abs. 1 Nr. 2 eine erheblich vom tatsächlichen Verkehrswert des Geschäftsgegenstands abweichende Gegenleistung,
  • Abs. 1 Nr. 3 die vollständige oder teilweise Zahlung vor dem Geschäftsabschluss, sofern der Betrag 10.000 EUR übersteigt und der Veräußerer keine juristische Person des öffentlichen Rechts ist,
  • Abs. 1 Nr. 4 Zahlungen von oder an Personen, die weder am Erwerbsvorgang beteiligt noch wirtschaftlich Berechtigte sind und die nicht unter die in den lit. a) bis h) aufgeführten Ausnahmen fallen, z. B. bestimmte Verwandte, verbundene Unternehmen oder besonders überwachte oder vertrauenswürdige Personen,
  • Abs. 2 Nrn. 1 und 2 bestimmte Konstellationen der Weiter- oder Rückveräußerung binnen drei Jahren zu erheblich abweichendem Preis oder ohne nachvollziehbaren Grund und
  • Abs. 3 den Umstand einer Zahlung über ein Anderkonto, ohne dass ein berechtigtes Sicherungsinteresse besteht.

8. Es bestehen enge Ausnahmen von der Meldepflicht

Die §§ 3 bis 6 GwGMeldV, § 43 Abs. 1 GwG 2020 erfassen typisierte Sachverhalte, die nach der Erfahrung der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit ‒ FIU) und der NRA besonders geldwäscherelevant sein sollen. Die Vielgestaltigkeit von geldwäscherelevanten Fallgestaltungen bringt es mit sich, dass im konkreten Einzelfall der durch die Typologie indizierte Geldwäschezusammenhang durch weitere Tatsachen entkräftet werden kann. Dem trägt die (enge!) Ausnahmeregelung des § 7 S. 1 GwGMeldV Rechnung: Die Meldepflicht entfällt, wenn Tatsachen den Zusammenhang zu Geldwäsche im Einzelfall entkräften.

 

  • Beispiel

Der an einem Grundstücksverkauf beteiligte A handelt unter Berufung auf eine formlose Vollmacht (mündlich) als Vertreter für B. Trotz Aufforderung durch den Notar C weist A keine schriftliche Vollmacht innerhalb von zwei Monaten nach. Grundsätzlich entsteht damit gemäß § 5 Nr. 1 GwGMeldV eine Meldeverpflichtung für den nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 und 11 GwG zur Geldwäschemeldung verpflichteten C. Tritt A allerdings für eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder für eine Erbengemeinschaft auf, dürfte dies die auf die Typologie gestützte Annahme eines Geldwäschezusammenhangs entkräften. Damit würde nach § 7 Nr. 1 GwGMeldV keine Meldepflicht entstehen.

 

Beachten Sie | Nach § 4 GwG müssen Meldeverpflichtete über ein wirksames Risikomanagement verfügen, das eine Risikoanalyse nach § 5 GwG sowie interne Sicherungsmaßnahmen nach § 6 GwG umfasst. Zur Erfüllung dieser komplexen und meist auch berufsfremden Aufgaben bieten einige spezialisierte Unternehmen Dienstleistungen in modular gestaffeltem Umfang an, soweit das GwG explizit eine Auslagerung auf Dritte erlaubt. Insbesondere die ab 1.1.18 nur digital und in bestimmter Form zulässige Verdachtsmeldung an die FIU über deren Webportal goAML (vgl. § 45 Abs. 1 S. 1 GwG) sollte wegen der dem beA vergleichbaren technischen Anforderungen nicht unterschätzt werden (Details unter iww.de/s4608).

 

Weiterführende Hinweise

  • So setzen Sie das neue Geldwäschegesetz in der anwaltlichen Praxis um, AK 18, 68
  • Verstärkte Kontrolle von Rechtsanwälten aufgrund des neuen Geldwäschegesetzes, AK 18, 51
  • Einschränkung der Schweigepflicht des StB: Meldepflicht bei Immobilientransaktionen, BBP 21, 35
  • Erneute Verschärfung des Geldwäschegesetzes ‒ Änderung des GwG erfordert Anpassungen der kanzleiinternen Compliance-Systeme, AnwBl Online 20, 382
Quelle: Seite 134 | ID 47137841