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· Fachbeitrag · Geldwerte Vorteile

Sind Fluggastentschädigungen bei Dienstreisen lohnsteuerpflichtig?

| Erhält ein Arbeitnehmer eine Fluggastentschädigung für einen dienstlichen Flug, den der Arbeitgeber bezahlt hat, wirft das stets die Frage auf, ob die Entschädigung lohnsteuer- und beitragspflichtig ist. LGP hat die zuständigen Ministerien BMF und BMAS sowie das BAG befragt. Ergebnis: Es gibt keine eindeutige Antwort. Der Beitrag erläutert die unklare Rechtslage und gibt Handlungsempfehlungen. |

Wem steht die Entschädigung zivil- und arbeitsrechtlich zu?

Das BMF hat auf die LGP-Presseanfrage Folgendes erläutert:

 

  • Für die lohnsteuerliche Beurteilung der Fluggastentschädigung ist im jeweiligen konkreten Einzelfall zunächst der Sachverhalt dahingehend aufzuklären, ob zivilrechtlich dem Arbeitgeber oder dem Arbeitnehmer die Entschädigung der Fluggesellschaft zusteht.

 

  • In einem zweiten Schritt ist dann der arbeitsrechtliche Anspruch entscheidend.

 

Zivilrechtlicher Anspruch auf Fluggastentschädigung

Nach der Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11. Februar 2004 sind Fluggesellschaften bei Verspätungen von mindestens zwei bzw. drei Stunden, bei Flugannullierung sowie beim Ausschluss von der Beförderung gegenüber dem Fluggast zu Betreuungsleistungen (Mahlzeiten, Hotel, anderweitige Beförderung) sowie zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs verpflichtet (Fluggastentschädigung). Die Höhe der Pauschale ist nach Dauer der Verspätung und Flugkilometer gestaffelt, sie kann bis zu 600 Euro betragen.

 

Aus der EG-Verordnung ergibt sich, dass mit der Entschädigung die persönlichen Fluggastrechte des Reisenden gestärkt sowie dem Ärger und den Unannehmlichkeiten des betroffenen Fluggastes entgegen gewirkt werden soll (Präambel Tz. 2 und 4 der VO). Der Arbeitgeber des Fluggastes hat auf Basis der Verordnung keine eigenen Ansprüche - auch wenn er den Flug bezahlt haben sollte. Das bestätigt auch die zivilrechtliche Rechtsprechung (u.a. LG Aurich, Vergleich vom 4.6.2010, Vorinstanz AG Emden, Urteil vom 27.1.2010, Az. 5 C 197/09, Abruf-Nr. 101459).

 

Arbeitsrechtlicher Anspruch auf Fluggastentschädigung

Die Frage, wem die Entschädigung im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusteht, lässt sich nicht so eindeutig beantworten wie die zivilrechtliche Frage. Höchstrichterlich gibt es aktuell keine Entscheidungen zu dem Thema noch sind Verfahren anhängig, so der Pressesprecher des BAG.

 

Der Pressesprecher des BMF weist darauf hin, dass für den arbeitsrechtlichen Anspruch entscheidend sei, „ob individuelle arbeitsvertragliche Verein-barungen insbesondere durch reisekostenrechtliche Regelungen bestehen“. In der Praxis wird es aber häufig keine expliziten Regelungen dazu geben. Für diesen Fall gilt laut einem Pressesprecher des BMAS Folgendes:

 

  • Zitat eines Pressesprechers des BMAS

„Sofern nicht durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung etwas anderes geregelt ist, bestimmt sich die Antwort für das deutsche Recht nach der Regelung in § 667 BGB, wonach der Beauftragte dem Auftraggeber alles herauszugeben hat, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt. Die Vorschrift aus dem Auftragsrecht findet auf Arbeitsverhältnisse entsprechende Anwendung. Der beauftragte Arbeitnehmer soll durch die Geschäftsbesorgung keinen Nachteil erleiden, aus ihr aber auch regelmäßig neben der vereinbarten Arbeitsvergütung keine weiteren materiellen Vorteile ziehen. Ob die in Rede stehenden Ausgleichsansprüche als Erlangtes aus der im Interesse des Arbeitgebers vom Arbeitgeber besorgten Geschäftsreise anzusehen sind, muss einer gerichtlichen Klärung vorbehalten bleiben. Gegen eine Herausgabepflicht könnte aber der Schutzzweck der unionsrechtlichen Fluggastrechte aus der einschlägigen Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sprechen, dem Fluggast persönlich entstandene Unannehmlichkeiten auszugleichen.“

 

Wichtig | Man könnte auf die Idee kommen, die Konstellation des Erwerbs bzw. der privaten Nutzung von auf Dienstreisen erworbenen Bonusmeilen auf Fluggastentschädigungen anzuwenden. Diese stehen im Innenverhältnis dem Arbeitgeber zu (BAG, Urteil vom 11.4.2006, Az. 9 AZR 500/05, Abruf-Nr. 061174). Gegen eine Übertragbarkeit spricht, dass

  • Bonusmeilen wirtschaftlich den Charakter eines Mengenrabatts haben,
  • wohingegen Fluggastentschädigungen zum Ausgleich von persönlichen Unannehmlichkeiten geleistet werden, d. h. aus einem völlig anders gelagerten Rechtsgrund.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

Bislang ist also rechtlich ungeklärt, wem bei arbeitsvertraglich ungeregelten Sachverhalten der Anspruch zusteht. Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitgeber ausdrücklich festlegen, wem bei Dienstreisen die Fluggastentschädigung zusteht, und zwar entweder im konkreten Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in den Reisekostenrichtlinien.

 

GESTALTUNGSHINWEIS | Der Arbeitgeber hat zwei Alternativen:

  • Bestimmt er, dass eine Fluggastentschädigung beim Arbeitnehmer verbleibt, ist sie nicht lohnsteuer- und beitragspflichtig.
  • Regelt er, dass die Entschädigung ihm als Arbeitgeber zusteht,
    • und fordert er sie vom Arbeitnehmer ein, verbleibt im Ergebnis kein geldwerter Vorteil;
    • verzichtet er - entgegen der Regelung - auf seinen Erstattungsanspruch, führt dies aufgrund des Veranlassungszusammenhangs zwischen den Einnahmen und dem Dienstverhältnis zu lohnsteuer- und beitragspflichtigem Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. Abs. 1 EStG, § 2 Abs. 1 LStDV, H  19.3 LStH 2016). So sieht es auch der Pressesprecher des BMF.
  • Um die Lohnsteuerhaftung zu vermeiden, sollte der Arbeitgeber seine Regelungen im Rahmen einer Lohnsteuer-Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) vom Betriebsstättenfinanzamt bestätigen lassen.
 
Quelle: Seite 118 | ID 44108998