Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Gemeinnützigkeit

BFH: Welche Gehälter sind für Führungskräfte in gemeinnützigen Organisationen angemessen?

| Wann sind Vergütungen von Geschäftsführern in gemeinnützigen Einrichtungen noch angemessen? Wann sind sie überhöht mit der Folge, dass dem Verein bzw. der Einrichtung die Gemeinnützigkeit entzogen werden muss? Mit dieser Frage hat sich der BFH sehr detailliert auseinandergesetzt. VB stellt Ihnen die Aussagen und Maßgaben des BFH vor. |

Der Fall: Gehalt lag weit über dem Branchenüblichen

Der Fall betraf eine gemeinnützige GmbH, die im sozialpsychiatrischen Bereich tätig ist. Der Geschäftsführer mit Einzelvertretungsbefugnis war einer der Gesellschafter. Zu seinem Aufgabenfeld gehörte u. a. die Leitung und Ausgestaltung neuer Projekte, die Verhandlung mit Kostenträgern sowie die psychiatrisch-sozialtherapeutische inhaltliche Arbeit.

 

Sein Gehalt, das über die Jahre zum Teil sprunghaft angestiegen war, belief sich einschl. freiwilliger sozialer Leistungen auf bis zu 283.000 Euro im Jahr. Außerdem erhielt er Vorsorgeleistungen von der GmbH (Unfall- und Lebensversicherung). Die GmbH erzielte Jahresumsätze bis zu 17 Mio. Euro und Gewinne bis zu 488.000 Euro. Sie beschäftigte bis zu 290 Mitarbeiter.

 

Der Betriebsprüfer war der Auffassung, die Bezüge des Geschäftsführers seien unangemessen hoch gewesen. Er bezog sich dabei auf eine Studie des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands (DPWV) Berlin zu Bezügen von Geschäftsführern gemeinnütziger Körperschaften in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin (DPWV-Gutachten). Das Finanzamt entzog der GmbH deshalb die Gemeinnützigkeit. Dagegen klagte die GmbH.

 

Der BFH gab ‒ wie schon die Vorinstanz ‒ dem Finanzamt im Wesentlichen Recht. Er korrigierte die Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern aber in einigen Punkten.

Die Kernaussagen des BFH

Zur gemeinnützigkeitsschädlichen bzw. zur unschädlichen Höhe von Vergütungen hat der BFH folgende Kernaussagen gemacht (BFH, Urteil vom 12.03.2020, Az. V R 5/17, Abruf-Nr. 217488):

 

  • Es wird durch einen Fremdvergleich ermittelt, ob unverhältnismäßig hohe Vergütungen gewährt wurden. Dabei müssen alle geldwerten Vorteile einbezogen werden, die der Beschäftigte erhält (Gesamtausstattung).
  • Es gelten im Regelfall die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung.
  • Für gemeinnützige Organisationen gelten keine Besonderheiten. Vergleichsmaßstab ist die gewerbliche Wirtschaft, nicht der gemeinnützige Sektor.

 

  • Angemessen ist eine Vergütung, die nicht über dem Median der Branche liegt. Mit anderen Worten: Die Vergütung darf im Regelfall nicht höher sein als das, was 50 Prozent der vergleichbar Beschäftigten erhalten.
  • Dabei muss ein Sicherheitszuschlag von 20 Prozent hinzugerechnet werden.
  • Es ist unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn diese Grenze nur geringfügig überschritten wird.

 

1. Die Gesamtausstattung ist maßgebend

Die Vergütung bezieht sich auf die „Gesamtausstattung“ des Geschäftsführers. Darunter fallen alle Vorteile, die er im maßgeblichen Zeitraum von der Gesellschaft oder Dritten für deren Rechnung bezieht (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld, Versicherungsbeiträge, Pkw-Nutzung und Pensionszusagen).

 

Pensionszusagen werden nicht mit dem jeweiligen Rückstellungsbetrag in die Gesamtausstattung einbezogen, sondern lediglich mit der fiktiven Jahresnettoprämie für eine entsprechende Versicherung. Die fiktive Jahresnettoprämie entspricht dem Jahresbetrag einer „gedachten“ Versicherung bis zum vorgesehenen Versorgungsalter ohne Berücksichtigung von Abschluss- und Verwaltungskostenzuschlägen und unter Beachtung der Rechnungsgrundlagen von § 6a EStG, insbesondere dem dort bestimmten Rechnungszinsfuß von sechs Prozent.

 

2. Der Fremdvergleich

Die angemessene Höhe der Vergütung wird durch Fremdvergleich ermittelt. Dabei kann Bezug genommen werden auf

  • die Vergütung, die andere Geschäftsführer oder Arbeitnehmer der betreffenden Einrichtung beziehen (interner Fremdvergleich) oder
  • die Entgelte, die unter gleichen Bedingungen Fremdgeschäftsführer anderer Unternehmen erhalten (externer Fremdvergleich).

 

Das Finanzamt darf sich dabei auf einschlägige Branchenstudien (Gehaltsstrukturuntersuchungen) beziehen.

 

3. Die Angemessenheit der Vergütung

Für die Angemessenheit von Geschäftsführerbezügen gibt es ‒ so der BFH ‒ nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung keine festen Regeln. Die obere Grenze für die Angemessenheit wird im Einzelfall durch Schätzung ermittelt. Dabei können innerbetriebliche und außerbetriebliche Merkmale einen Anhaltspunkt für diese Schätzung bieten.

 

Dazu gehören insbesondere Kriterien wie

  • Umsatz,
  • Gewinn und
  • Beschäftigtenzahl der Einrichtung.

 

Das angemessene Gehalt kann dabei meist nicht konkret, sondern nur innerhalb einer gewissen Bandbreite von Beträgen festgelegt werden. Unangemessen sind die Bezüge nur, wenn sie den oberen Rand dieser Bandbreite übersteigen.

 

4. Keine Besonderheiten für den gemeinnützigen Sektor

Wichtig ist vor allem eine Feststellung des BFH: Für die Prüfung der Angemessenheit von Gehältern gelten für gemeinnützigen Organisationen keine Besonderheiten. Eine Gehaltszahlung an den Geschäftsführer einer gemeinnützigen Organisation ist auch dann angemessen und damit nicht unverhältnismäßig, wenn sie den Gehältern entspricht, die nicht steuerbegünstigte Unternehmen für eine vergleichbare Tätigkeit zahlen. Sie darf also über den Vergütungen liegen, die für den gemeinnützigen Sektor typisch sind.

 

Der BFH begründet das damit, dass es keinen speziellen Arbeitsmarkt für Beschäftigte bei gemeinnützigen Organisationen gibt. Gemeinnützige Organisationen konkurrieren deswegen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit gewerblichen Unternehmen um geeignete Mitarbeiter.

 

5. Median der Vergütungen als Maßstab

In einem wesentlichen Punkt hat der BFH die Vorinstanz korrigiert: Das statistische Maß für die Angemessenheit der Vergütung ist in der Regel der Median der Gehaltshöhe der in der Branche vergleichbar Beschäftigen.

 

Wichtig | Der Medianwert ist in der statistischen Verteilung der Wert, bei dem die Hälfte der erfassten Einzeldaten darunter und die andere Hälfte darüber liegt. Hier also die Gehaltshöhe, unter der die Hälfte der vergleichbar Beschäftigten liegt und die andere Hälfte darüber. Anders als der Mittelwert (Durchschnitt) wird der Median nicht durch Einzelfälle mit sehr niedrigem oder sehr hohem Gehalt verzerrt.

 

Das FG Mecklenburg-Vorpommern hatte für die Höhe der angemessenen Vergütung das sog. dritte Quartil festgelegt. Das ist die Vergütungshöhe, unter der drei Viertel der Beschäftigten mit ihrem Gehalt liegen. Der BFH hält das dritte Quartil aber nur im Sonderfall als Grenze für angemessen. Nämlich dann, wenn sich das betreffende Unternehmen mit seinen Umsätzen und Gewinnen im obersten Viertel der Branche bewegt.

 

6. Der Sicherheitszuschlag

Überschreitet die Vergütung die Angemessenheitsgrenze nur geringfügig, liegt noch keine verdeckte Gewinnausschüttung vor und damit auch keine gemeinnützigkeitsschädliche Vergütungshöhe. Dafür ‒ so der BFH ‒ muss die Gesamtvergütung in einem „krassen Missverhältnis“ stehen. Das ist dann der Fall, wenn die Angemessenheitsgrenze um mehr als 20 Prozent überschritten ist.

 

Bei dem Sicherheitszuschlag handelt es sich dabei nicht um eine gesetzlich festgelegte Freigrenze, sondern lediglich um eine Konkretisierung und Quantifizierung des „krassen Missverhältnisses“ für das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung.

 

7. Verhältnismäßigkeit bei Entzug der Gemeinnützigkeit

Der BFH betont darüber hinaus, dass geringfügige Verstöße gegen das Mittelverwendungsgebot den Entzug der Gemeinnützigkeit nicht rechtfertigen. Diese ‒ allgemeine ‒ Aussage geht über die Frage angemessener Vergütungen hinaus. Auch beim Entzug der Gemeinnützigkeit gilt das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Geringfügige Verstöße gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO dürfen nicht mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit geahndet werden.

 

Der Entzug der Gemeinnützigkeit ‒ so der BFH ‒ ist keine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung. Im Bagatellfall ist diese einschneidende Rechtsfolge des Verlusts der Gemeinnützigkeit ausgeschlossen.

 

PRAXISTIPP | Im konkreten Fall hielt der BFH den Entzug der Gemeinnützigkeit in einem Jahr für unzulässig. Das geschätzte angemessene Gehalt war hier nur um 3.000 Euro überschritten worden. Diese Überschreitung war sowohl hinsichtlich des absoluten Betrags als auch im Verhältnis zur Gesamttätigkeit der GmbH (Jahresumsatz von ca. acht Mio. Euro) noch geringfügig.

 

Konsequenz für die Praxis

Das Urteil des BFH bedeutet für die allermeisten gemeinnützigen Einrichtungen Entwarnung. Denn die Vergütungen im gemeinnützigen Sektor liegen ja in der Regel unter denen der gewerblichen Wirtschaft.

 

Verdeckte Gewinnausschüttung ist größeres Gemeinnützigkeitsrisiko

Zu verdeckten Gewinnausschüttungen kommt es bei gemeinnützigen Einrichtungen meist nur, wenn keine (klaren) vertraglichen Regelungen vorliegen oder diese nicht eingehalten werden. Das gilt z. B. für vertraglich nicht vereinbarte Sonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld. Ebenfalls problematisch sind Vergütungen, die an die Höhe der Einnahmen der Einrichtung gekoppelt sind.

 

BFH-Urteil betrifft nicht nur Leitungspositionen

Das Urteil wird nicht nur für die Vergütung von Leitungspositionen gelten. In Leitungspositionen sind aber häufig Gesellschafter oder Mitglieder tätig. Deswegen taucht hier regelmäßig die Frage auf, ob die Vergütung durch das Gesellschafterverhältnis (mit-)veranlasst ist ‒ also eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.

 

Auch für andere Tätigkeiten liefert das Urteil aber einen interessanten Orientierungsmaßstab: Gehälter dürfen demnach über dem Branchendurchschnitt für die entsprechende Tätigkeit liegen, aber nicht in der oberen Bandbreite der dort gezahlten Vergütungen.

 

Nicht zwingend am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst orientieren

Vielfach wird Vereinen empfohlen, sich am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu orientieren. Das Urteil erlaubt ihnen stattdessen, sich an branchenüblichen Vergütungen der Privatwirtschaft zu orientieren. Allerdings wird es nur wenigen gemeinnützigen Einrichtungen möglich sein, diesen Rahmen tatsächlich auszuschöpfen.

Quelle: Seite 4 | ID 46825746