· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht
Kommanditistenhaftung ‒ immer wieder für Überraschungen gut
von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Köln
| Es besteht die ebenso weit verbreitete wie unzutreffende Überzeugung, dass einen Kommanditisten praktisch keine Außenhaftung treffen könne. Insbesondere an einer Publikums-KG beteiligte Kapitalanleger erleben hier immer wieder unangenehme Überraschungen. Das Gefahrenpotenzial zeigt eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamburg (31.1.20, 11 U 90/19) eindrucksvoll auf, auch wenn die Klage gegen die Kommanditisten wegen der Besonderheiten des Falls abgewiesen wurde. Aber auch bei einer herkömmlichen KG besteht ein solches Haftungsrisiko, um das die beteiligten Kommanditisten vielfach nicht wissen. |
1. Kommanditistenhaftung ‒ Grundsätze
Beim Thema der Kommanditistenhaftung bestehen ‒ auch wegen der nicht ganz klaren Terminologie des Gesetzes ‒ häufig Missverständnisse. Im Grundsatz ist zu unterscheiden zwischen einerseits der Leistungspflicht des Kommanditisten gegenüber der Gesellschaft und andererseits einer evtl. Zahlungsverpflichtung im Außenverhältnis, also der Haftungsfrage im eigentlichen Sinne.
Mit seinem Beitritt zu einer KG verpflichtet sich der Kommanditist zur Leistung einer Einlage gegenüber der Gesellschaft. Grundlage dafür ist der Gesellschaftsvertrag und/oder die Beitrittsvereinbarung. Diese Einlageverpflichtung gegenüber der Gesellschaft kann, muss aber nicht betragsgleich zu der Kommanditeinlage sein, wie sie im Handelsregister eingetragen wird.
|
K ist Kommanditist der A-KG, an der er sich bei deren Gründung beteiligt hat. Im Gesellschaftsvertrag ist eine Kommanditeinlage von 10.000 EUR bestimmt. Bei Gründung der Gesellschaft bestand zwischen den Gesellschaftern Einigkeit darüber, dass die Ingangsetzungsaufwendungen für das Unternehmen von den Gesellschaftern aufgebracht werden müssen. K hat sich deshalb gegenüber der Gesellschaft zu einer Einlageleistung von 100.000 EUR verpflichtet. |
In diesem Beispiel hat die Gesellschaft einen Anspruch auf 100.000 EUR gegen K, während sich sein mögliches Außenhaftungsrisiko ‒ auf der nachstehend darzustellenden Grundlage ‒ auf 10.000 EUR beziffert.
|
K reut es schon sehr bald, sich an der Gesellschaft beteiligt zu haben. Er sieht mittlerweile günstigere Anlagemöglichkeiten und hat deshalb seine verfügbaren Mittel anderweitig investiert. Er leistet deshalb keine Einlage an die KG. |
Die Gesellschaft selbst hat aus der mit K geschlossenen Vereinbarung einen Anspruch auf Zahlung von 100.000 EUR. Im Außenverhältnis, also gegenüber den Gläubigern der KG, trifft K eine Haftung nach § 171 Abs. 1 1. HS HGB. Danach haftet ein Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar, es sei denn, so § 171 Abs. 1 2. HS HGB, die Einlage ist geleistet. Als Einlage in diesem Sinne ist nicht die Zahlungsverpflichtung gegenüber der KG zu verstehen, sondern die Kommanditeinlage, wie sie im Handelsregister eingetragen wird (§ 172 Abs. 1 HGB).
Festzuhalten ist also zunächst, dass einen Kommanditisten eine Außenhaftung bis zur Höhe des im Handelsregister eingetragenen Kommanditanteils trifft, von der er sich durch Einlageleistung befreien kann.
|
Nach einigen Diskussionen mit seinen Mitgesellschaftern ist K letztendlich doch bereit, der KG Mittel zur Verfügung zu stellen. Es wird vereinbart, dass er einen Betrag von 10.000 EUR in zwei Raten zu je 5.000 EUR zahlt. |
Nach Zahlung der ersten Rate ist die Außenhaftung des K nach § 171 Abs. 1 1. HS HGB i. H. v. 5.000 EUR erloschen, sodass Gläubiger ihn nur noch unmittelbar wegen des verbleibenden Teilbetrags von 5.000 EUR in Anspruch nehmen könnten. Mit Zahlung der zweiten Rate ist die Außenhaftung vollständig erloschen.
GESTALTUNGSTIPP | K sollte seine Zahlungen allerdings vorsichtshalber ausdrücklich mit der Tilgungsbestimmung auf die Kommanditeinlage erbringen. Da seine Leistungsverpflichtung gegenüber der KG betragsmäßig darüber hinausgeht, könnte sonst zumindest theoretisch zweifelhaft sein, ob die geleisteten 10.000 EUR ausschließlich auf die Einlageverpflichtung gegenüber der KG und nicht zugleich auf den darin enthaltenen Teilbetrag der Kommanditeinlage zu verrechnen sind. |
Nur der Vollständigkeit halber soll darauf hingewiesen werden, dass einen Kommanditisten auch eine unbeschränkte Außenhaftung nach § 176 HGB treffen kann. Dies dann, wenn er sich als Gründungsgesellschafter beteiligt und die Gesellschaft mit seiner Zustimmung ihre Geschäfte aufnimmt, bevor sie ins Handelsregister eingetragen wird. In diesem Fall besteht für die Kommanditisten eine unbeschränkte Außenhaftung für die bis zum Zeitpunkt der Eintragung begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten. Eine solche unbeschränkte Haftung besteht auch dann, wenn ein Kommanditist in eine bestehende KG eintritt. Hier bezieht sich diese Haftung auf Verbindlichkeiten, die im Zeitraum zwischen seinem Beitritt und seiner Eintragung ins Handelsregister begründet wurden.
Beachten Sie | In beiden Fällen ist die unbeschränkte Außenhaftung jedoch leicht zu vermeiden, indem der Kommanditist sowohl bei seiner Beteiligung im Gründungsstadium als auch bei seinem Eintritt in eine bestehende Gesellschaft seine Eintrittserklärung unter der aufschiebenden Bedingung der Eintragung im Handelsregister abgibt.
2. Wiederaufleben der Haftung
Auch dann, wenn sich der Kommanditist von seiner ‒ beschränkten ‒ Außenhaftung nach § 171 Abs. 1 1. HS HGB durch Einlageleistung befreit hat, kann eine solche Haftung wiederaufleben. Nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB gilt eine Einlage, die an einen Kommanditisten zurückgezahlt wurde, im Verhältnis zu den Gläubigern als nicht geleistet. Damit befindet sich der Kommanditist wieder in der haftungsmäßigen Ausgangssituation des § 171 Abs. 1 1. HS HGB.
|
Ks anderweitige Investitionen haben sich doch als nicht so günstig erwiesen wie erhofft. Er ist deshalb in Liquiditätsschwierigkeiten und fragt bei seinen Mitgesellschaftern an, ob die Gesellschaft ihm nicht die gezahlten 10.000 EUR zurückgewähren könne. Da sich das Geschäft der A-KG mittlerweile gut entwickelt hat, erklären sich die Mitgesellschafter damit einverstanden. |
Mit der Rückzahlung an K lebt dessen Haftung im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wieder auf, sodass diese ihn bis zur Höhe des Betrags von 10.000 EUR unmittelbar in Anspruch nehmen können. Der Betrag der Kommanditeinlage, im hier gewählten Beispiel also jene 10.000 EUR, sind aber auch die Haftungsobergrenze, selbst wenn die Leistung der Gesellschaft an den Kommanditisten höher ist als dieser Betrag.
|
K vereinbart mit seinen Mitgesellschaftern, dass die A-KG an ihn einen Betrag von insgesamt 11.000 EUR zahlt. |
Auch diese über die Haftsumme hinausgehende Zahlung der Gesellschaft an den Kommanditisten führt nicht dazu, dass sich seine Außenhaftung auf den insgesamt geleisteten Zahlbetrag erhöht (Baumbach/Hopt-Roth, HGB, § 172, Rz. 5).
Beachten Sie | Zum Wiederaufleben der Haftung kommt es nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB auch, wenn ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den Einlagebetrag herabgemindert wird.
|
Die A-KG hat in den ersten beiden Jahren ihrer Existenz Verluste erwirtschaftet. Nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen sind die Verluste von den Kommanditisten im Verhältnis ihrer Beteiligung zu tragen. Unter Berücksichtigung dessen weist Ks Kapitalkonto einen Stand von ./. 15.000 EUR auf. Im Jahr 3 erwirtschaftet die Gesellschaft einen kleinen Gewinn, der nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags nach demselben Schlüssel wie die Verluste auf die Kommanditisten zu verteilen ist. Der auf K entfallende Gewinn beträgt 5.000 EUR. Dieser Betrag wird von K entnommen. |
Nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB führt dies wiederum zu einer Außenhaftung des K gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Gerade dies ist die Haftungskonstellation, der sich Kapitalanleger bei der Beteiligung an einer Publikums-KG als Anlagevehikel häufig gegenübersehen. Regelmäßig ist es der Insolvenzverwalter, der in einer solchen Konstellation gegenüber den Anlegern einen Anspruch auf Rückzahlung der Entnahmen, die bei bestehendem negativem Kapitalkonto getätigt wurden, geltend macht.
3. Wirkungen einer Herabsetzung der Einlage
Beschließen die Gesellschafter eine Herabsetzung der Kommanditeinlage, so hat dies auch eine Konsequenz für die Außenhaftung des Kommanditisten, da nach § 172 Abs. 1 HGB der Umfang von dessen Haftung im Verhältnis zu Gläubigern durch die Kommanditeinlage, wie sie im Handelsregister eingetragen ist, bestimmt wird. Diese außenhaftungsreduzierende Wirkung tritt nach § 174 HGB aber erst dann ein, wenn die Herabsetzung der Einlage im Handelsregister eingetragen ist. Hier stellen sich zwei Fragen:
- Zum einen ist fraglich, welche Konsequenzen sich für die im Zeitpunkt der Herabsetzung bereits begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten ergeben.
- Zum anderen geht es darum, ob eine Haftungsreduzierung auch in dem Zeitpunkt eintritt, in dem ein Gläubiger positive Kenntnis von der Herabsetzung hat, auch wenn diese noch nicht im Handelsregister eingetragen ist.
|
Die A-KG befindet sich mittlerweile in einer gesicherten wirtschaftlichen Situation. Alle Kommanditisten sind der Meinung, dass die Kommanditeinlagen herabgesetzt werden sollten. Sie fassen deshalb einen Gesellschafterbeschluss, dass sämtliche Kommanditanteile um 50 % reduziert werden. Der Hausbank B wird der Beschluss der Gesellschafterversammlung unverzüglich zur Kenntnisnahme übersandt. Aufgrund verschiedener Umstände erfolgt die Eintragung der Herabsetzung mit einer Verzögerung von rund einem Jahr. Vier Jahre und elf Monate nach der Eintragung tritt die Bank an K heran und nimmt diesen wegen ausstehender Tilgungsleistungen der A-KG für eine Darlehensverbindlichkeit, die im Zeitpunkt der Eintragung der Herabsetzung bereits begründet war, mit einem Betrag von 10.000 EUR in Anspruch. |
Es soll davon ausgegangen werden, dass die grundsätzlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des K gegeben sind. Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieser einer Außenhaftung in Höhe der ursprünglichen Hafteinlage von 10.000 EUR unterliegt oder lediglich einer solchen von 5.000 EUR.
Ausschlaggebend dafür ist, ob die Vorschrift des § 160 HGB auf eine Haftkapitalherabsetzung anwendbar ist. Diese Norm befasst sich mit der Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Es entspricht aber der h. M. in Rechtsprechung und Literatur, dass die Bestimmung auf die Herabsetzung der Haftsumme entsprechend anwendbar ist. Begründet wird dies damit, dass eine solche Herabsetzung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein teilweises Ausscheiden des Kommanditisten aus der Gesellschaft darstellt (OLG Hamburg 31.1.20, 11 U 90/19, Tz. 20, m. w. N.).
Die Konsequenz: Ist die in § 160 HGB normierte Nachhaftungsfrist abgelaufen, können Ansprüche gegen einen Kommanditisten nur noch in der Höhe geltend gemacht werden, in der seine Kommanditbeteiligung nach der Herabsetzung noch besteht; im vorliegenden Fall also lediglich noch i. H. v. 5.000 EUR. Hinsichtlich neuer Verbindlichkeiten der Gesellschaft, also solcher, die nach der Kapitalherabsetzung begründet werden, ist die Haftung ohnehin auf den herabgesetzten Betrag beschränkt (§ 174 HGB).
Nach § 160 HGB beginnt die fünfjährige Nachhaftungsfrist mit Ende des Tages, an dem das Ausscheiden des Kommanditisten in das Handelsregister eingetragen wird. Es stellt sich nun die Frage, ob auch im Fall der Herabsetzung des Kommanditanteils für den Beginn der 5-Jahresfrist der Zeitpunkt der Eintragung im Handelsregister entscheidend ist. Das Hanseatische OLG beurteilt diesen Fall entsprechend der Handhabung bei der unmittelbaren Anwendung des § 160 HGB. Hier wird die Nachhaftungsfrist auch durch die positive Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters in Gang gesetzt (BGH 24.9.07, II ZR 284/05, BGHZ 174, 7). Danach kommt es also für den Fristbeginn entweder auf den Zeitpunkt der Eintragung oder den Zeitpunkt der positiven Kenntnis von der Herabsetzung des Kommanditanteils an.
Im vorstehenden Beispiel heißt dies, dass B den Kommanditisten K nur mit einem Betrag i. H. v. 5.000 EUR in Anspruch nehmen kann. Da B von dem Kapitalherabsetzungsbeschluss in Kenntnis gesetzt wurde, begann die 5-Jahresfrist rund ein Jahr vor der Handelsregistereintragung und war im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des K bereits abgelaufen.
Die vom Hanseatischen OLG vertretene Rechtsauffassung ist jedoch nicht unumstritten. So hat das OLG Düsseldorf (1.8.19, 6 O 156/18) vertreten, dass die 5-Jahresfrist analog § 160 HGB mit Eintragung der Haftsummenherabsetzung beginnt (OLG Düsseldorf, a.a.O., Tz. 46).
4. Nochmals die Fakten auf einen Blick
- a) Ein Kommanditist unterliegt bis zur Höhe der im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage einer Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern (§ 171 Abs. 1 1. HS HGB).
- b) Von dieser Außenhaftung kann er sich durch wirksame Einlageleistung befreien § 171 Abs. 1 2. HS HGB).
- c) Auch nach Leistung der Einlage kann die Haftung jedoch wiederaufleben, wenn die Einlage zurückgewährt wird oder bei negativem Kapitalkonto Entnahmen getätigt werden (§ 172 Abs. 4 S. 1, 2 HGB).
- d) Eine unbeschränkte Außenhaftung kann eintreten für den Zeitraum zwischen Erwerb einer Kommanditbeteiligung und entsprechender Handelsregistereintragung (§ 176 HGB).
- e) Wird das Haftkapital herabgesetzt, so führt dies zu einer entsprechenden Reduzierung des Betrags der möglichen Außenhaftung. Für Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt der Herabsetzung bereits bestanden haben, gilt aber entsprechend § 160 HGB eine fünfjährige Nachhaftungsfrist.
- f) Die Frist beginnt entweder im Zeitpunkt der Eintragung der Herabsetzung im Handelsregister oder im Zeitpunkt der positiven Kenntnis des Gläubigers von der erfolgten Herabsetzung.