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· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

Wann ist der GmbH-Geschäftsführer Arbeitnehmer?

von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Mediator (CfM), Köln

| Die rechtliche Stellung eines GmbH-Geschäftsführers ist bzgl. unterschiedlicher Aspekte relevant. Immer wieder wird die Frage diskutiert und auch häufig zum Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen gemacht, ob der Geschäftsführer Beschäftigter im sozialrechtlichen Sinne ist und somit der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Aber auch die Frage, wie die arbeitsrechtliche Einordnung zu erfolgen hat, ist häufig Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten. So auch unlängst in einem Verfahren, das das BAG (21.1.19, 9 AZB 23/18, Abruf-Nr. 207982 ) entschieden hat. |

1. Die Entscheidung des BAG

Dem Beschluss des BAG lag ‒ kurz zusammengefasst ‒ der folgende Sachverhalt zugrunde:

 

  • Sachverhalt

A ist Fremdgeschäftsführerin einer GmbH. Nach einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung durch die Geschäftsführerin folgte eine fristlose Kündigung durch die GmbH. Dagegen klagte A vor dem Arbeitsgericht und begehrte die Feststellung, dass das bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der GmbH nicht aufgelöst worden ist. Es kam sodann die Frage auf, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist oder die ordentlichen Gerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits anzurufen sind. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG sind von der Zulässigkeit des Rechtswege zur Arbeitsgerichtsbarkeit ausgegangen, das BAG hat dem jedoch widersprochen.

 

Maßgeblich für die Frage des Rechtswegs ist, ob es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst.  a und b ArbGG). Wer Arbeitnehmer i. S. dieses Gesetzes ist, folgt aus § 5 ArbGG. Arbeitnehmer sind danach Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die ihnen Gleichgestellten sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.

 

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen hat sich das BAG mit der Frage auseinandergesetzt, wie ein Dienstverhältnis, das regelmäßig die Grundlage der Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers ist, von einem Arbeitsverhältnis abzugrenzen ist. Als entscheidendes Differenzierungskriterium hat das Gericht dabei den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet, herangezogen und dabei auch auf § 611a Abs. 1 BGB abgestellt.

 

Nach dieser Vorschrift ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeiten in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Weisungsgebunden ist, so definiert die Vorschrift weiter, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Dabei hängt der Grad der persönlichen Abhängigkeit auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. § 611a Abs. 1 BGB bestimmt weiter, dass eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen ist und dass es wesentlich auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ankommt und nicht darauf, wie die Parteien dieses Vertragsverhältnis bezeichnet haben.

 

Das BAG geht davon aus, dass ein Geschäftsführer in aller Regel auf Grundlage eines freien Dienstvertrags, der auf eine Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichtet ist, tätig wird. Dies ist auch dann der Fall, wenn er einen starken Anteilseigner oder weiteren Geschäftsführer neben sich hat, der die konkrete Geschäftstätigkeit bestimmend mitgestaltet. Es komme nicht entscheidend darauf an, welchen Gebrauch der Geschäftsführer im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG von seiner im Außenverhältnis wegen §§ 35, 37 Abs. 2 GmbHG unbeschränkten Vertretungsbefugnis machen darf.

 

Hintergrund dieser Anmerkung des BAG ist Folgendes: Nach § 37 Abs. 1 GmbHG hat ein GmbH-Geschäftsführer die Beschränkung einzuhalten, die ihm für den Umfang seiner Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschlüsse festgesetzt sind. Häufig enthalten die Gesellschaftsverträge von GmbHs Regelungen zu zustimmungspflichtigen Geschäften.

 

  • Beispiel

Im Gesellschaftsvertrag der B-GmbH ist geregelt, dass deren Geschäftsführer für eine Reihe von Maßnahmen und Rechtsgeschäften der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen.

 

Diese Beschränkungen im Innenverhältnis lassen die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis jedoch unberührt, denn nach § 37 Abs. 2 GmbHG ist die Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis nicht beschränkbar.

 

Die arbeitsrechtliche Relevanz dieser Regelungen des § 37 GmbHG bestimmt das BAG nun dahin, dass Beschränkungen im Innenverhältnis in aller Regel nicht dazu führen, dass der Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu betrachten ist. Solche Beschränkungen könnten „allenfalls in extremen Ausnahmefällen“ dazu führen, dass von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschafterversammlung über ihr gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht hinausgehend Weisungsbefugnisse auch hinsichtlich solcher Umstände hat, unter denen der Geschäftsführer seine Leistungen zu erbringen hat und die die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung durch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen bestimmen können. Eine solche Situation könnte in dem nachfolgenden Beispiel vorliegen.

 

  • Beispiel

Im Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers ist geregelt, dass der Geschäftsführer seine Arbeitsleistung werktäglich zwischen 8:30 Uhr und 18:00 Uhr zu erbringen hat, dass er sich während der genannten Zeiten in den Geschäftsräumen der Gesellschaft aufzuhalten hat, dass Außentermine nur nach Rücksprache mit einem Gesellschafter wahrgenommen und sämtliche Rechtsgeschäfte, unabhängig von einer Wertgrenze, nur mit der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorgenommen werden dürfen. Weiter ist in dem Anstellungsvertrag eine Bezugnahme auf eine Geschäftsordnung enthalten, in der dezidiert vorgegeben wird, welche innerbetrieblichen Maßnahmen in welcher Form vorgenommen werden dürfen.

 

In einer Konstellation wie dieser, in der dem Geschäftsführer letztlich keinerlei eigene Entscheidungsbefugnis verbleiben soll, spricht vieles dafür, einen extremen Ausnahmefall, wie ihn das BAG angesprochen hat, anzunehmen.

2. Kündigungsschutz für GmbH-Geschäftsführer

Die Frage, vor welchem Gericht ein Geschäftsführer seine Ansprüche geltend machen muss, ist im Vergleich zu der Frage, welche Schutzvorschriften für ihn gelten, häufig von nachrangiger Bedeutung. Im unter 1. geschilderten Fall hätte die Klage dann Erfolg gehabt, wenn die von der GmbH ausgesprochene Kündigung nicht wirksam gewesen wäre. In diesem Zusammenhang kommt es regelmäßig entscheidend darauf an, ob das KSchG Anwendung findet. Ist dies nicht der Fall, bedarf die Kündigung also keiner sozialen Rechtfertigung, kann sich deren Unwirksamkeit nur aus allgemeinen Erwägungen, z. B. aus einer etwaigen Sittenwidrigkeit ergeben. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG finden die Vorschriften über das Erfordernis einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung für Geschäftsführer jedoch keine Anwendung.

 

Allerdings hat das BAG in einer Entscheidung vom 21.9.17 (2 AZR 865/14, DB 2018, 452) gewisse Einschränkungen vorgenommen. Diese folgen nicht aus spezifisch arbeitsrechtlichen Erwägungen, sondern aus allgemeinen Prinzipien. Das BAG hat unter Bezugnahme auf § 242 BGB die Berufung auf die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG versagt, wenn dies treuwidrig wäre. Eine solche Treuwidrigkeit sei dann gegeben, wenn eine Bestellung zum Geschäftsführer alleine mit dem Ziel erfolgt, diesen alsbald entlassen zu können.

 

  • Beispiel

G ist seit 20 Jahren in leitender Position für die C-GmbH, die rund 100 Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Die Gesellschafter der C-GmbH sind mittlerweile der Meinung, dass G starrsinnig sei und sich modernen Arbeitsmethoden verschließe. Sie möchten daher das mit ihm bestehende Arbeitsverhältnis beenden. Sie holen arbeitsrechtlichen Rat ein, um zu klären, wie dies am besten geschehen könne. Dabei werden sie darüber aufgeklärt, dass auf die C-GmbH das KSchG anwendbar ist, also ein Kündigungsgrund gegeben sein muss und dass zudem die Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats beträgt. Weiter müssen sie sich sagen lassen, dass für den Fall, dass es zu einem Kündigungsschutzprozess käme, die Aussichten schlecht sind und selbst dann, wenn man sich vergleichen würde, im Zweifel eine Abfindung zu zahlen wäre, die wohl nicht unter einem Betrag von zehn Monatsgehältern (1/2 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr) liegen würde.

Die Gesellschafter kommen daher auf die Idee, G zum Geschäftsführer zu bestellen, um ihn dem Schutzbereich des KSchG zu entziehen. Das Vorhaben wird umgesetzt, G wird zum Geschäftsführer bestellt und es wird mit ihm ein Dienstvertrag geschlossen, der unbefristet ist und eine Kündigungsregelung enthält, nach der die Kündigungsfrist drei Monate zum Ende eines Kalendermonats beträgt. Ein halbes Jahr nach der Bestellung des G und nach Abschluss des Dienstvertrags erklärt die Gesellschaft sodann die fristgerechte Kündigung.

 

In einem solchen Fall wird man sicherlich von einem treuwidrigen Verhalten der Gesellschaft ausgehen können und trotz des Umstandes, dass G formal unter die Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG fällt, gleichwohl den Kündigungsschutz für ihn anwendbar sein lassen.

3. Unterschiede zwischen Arbeits- und Sozialrecht

Wie eingangs bereits erwähnt, ist die Frage der rechtlichen Einordnung eines GmbH-Geschäftsführers sehr häufig unter dem Gesichtspunkt seiner Sozialversicherungspflicht relevant. Obwohl sich die Kriterien, die für die Feststellung einer Arbeitnehmereigenschaft einerseits und einer Beschäftigteneigenschaft im sozialversicherungsrechtlichen Sinne andererseits, nahezu decken und es in beiden Fällen ganz entscheidend auf den Gesichtspunkt der Weisungsunterworfenheit ankommt, fällt das Ergebnis der Prüfung sehr häufig unterschiedlich aus. Das BSG geht bei Geschäftsführern, die nicht zugleich Gesellschafter sind, regelmäßig von einer Sozialversicherungspflicht aus (s. dazu insbesondere die Entscheidungen des BSG 11.11.15, B 12 R 2/14 R, B 12 KR 10/14 R; B 12 KR 12/14 R). Dagegen ist das BAG, wie die hier besprochene Entscheidung vom 21.1.19 zeigt, durchaus nicht immer der Auffassung, dass ein Fremdgeschäftsführer Arbeitnehmer sein muss. Diese Unterschiedlichkeit in der Behandlung hat das BAG veranlasst, nochmals ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass der Begriff des Arbeitnehmers i. S. v. § 5 ArbG und der des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses nicht deckungsgleich sind.

 

In einem Fall wie im nachfolgenden Beispiel geschildert, führt dies dazu, dass ein Geschäftsführer zwar Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss, Arbeitnehmerschutzvorschriften für ihn aber keine Anwendung finden.

 

  • Beispiel

G ist Geschäftsführer der C-GmbH, an der er nicht beteiligt ist. Sowohl im Gesellschaftsvertrag der GmbH als auch im Anstellungsvertrag des G sind die üblichen Regelungen zu zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäften und Maßnahmen enthalten. Auch ansonsten sehen Gesellschafts- und Anstellungsvertrag keine Regelungen vor, die die Kompetenzen des Geschäftsführers in unüblicher Art beschneiden.

 

Bei dieser Lage der Dinge wird G aufgrund des Umstands, dass er auf die Willensbildung in der Gesellschafterversammlung keinen bestimmenden Einfluss nehmen kann, von den Sozialgerichten als Beschäftigter und also als sozialversicherungspflichtig betrachtet werden, während die Arbeitsgerichte davon ausgehen werden, dass er nicht Arbeitnehmer ist und also arbeitnehmerschützende Vorschriften für ihn nicht einschlägig sind.

Quelle: Seite 179 | ID 45887177