· Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht
Wann ist ein Managermodell zulässig?
von RA Dr. Jochen Blöse, MBA, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Köln
| Das „Managermodell“ ist ein beliebtes Gestaltungsmittel, um leitende Angestellte an das Unternehmen zu binden und sie durch die vorübergehende Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung am Gewinn partizipieren zu lassen. Es handelt sich dabei um Personen, die nicht zu den Stammgesellschaftern gehören und die nach ihrer Abberufung als Manager auch diese Gesellschafterstellung wieder aufgeben sollen. Dies führt allerdings zu rechtlichen Herausforderungen, mit denen sich zuletzt wieder das OLG München auseinandersetzen musste (OLG München 13.5.20, 7 U 1844/19, NZG 20, 903). |
1. Problemstellung
Von der herkömmlichen Mitarbeiterbeteiligung unterscheidet sich das Managermodell durch zwei Besonderheiten: Zum einen wird bei der üblichen Mitarbeiterbeteiligung lediglich ein ganz geringer Prozentsatz der Anteile am Unternehmen übertragen und zum anderen gibt es normalerweise keine Rückübertragungsverpflichtung bei Beendigung der Tätigkeit für das Unternehmen. Dieser letzte Aspekt ist das wesentliche Spezifikum des Managermodells, denn bei diesem soll die Beteiligung am Unternehmen auf den Zeitraum begrenzt sein, in dem die Führungskraft im Unternehmen tätig ist.
Die rechtliche Herausforderung bei der Gestaltung von Managermodellen liegt darin, dass die zwangsweise Beendigung einer Gesellschafterstellung nach der Rechtsprechung des BGH eines sachlichen Grundes bedarf. Oder anders formuliert: Ein sog. freies Hinauskündigen ist im Grundsatz nicht zulässig, sondern stellt einen Verstoß gegen die guten Sitten i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB dar und ist daher nichtig (ständige Rechtsprechung, s. z. B. BGH 19.9.88, II ZR 329/87, BGHZ 105, 213; 9.7.90, II ZR 194/89, BGHZ 112, 103).
MERKE | Diesen Grundsatz hat der BGH in seiner Entscheidung vom 19.9.05 (II ZR 173/2005, BGHZ 164, 98) allerdings eingeschränkt. Es bleibt zwar dabei, dass ein sachlicher Grund vorliegen muss. Der BGH hat jedoch die Tatsache, dass einem Geschäftsführer eine Minderheitsbeteiligung gerade im Hinblick auf seine Organstellung eingeräumt wurde, als sachlichen Grund genügen lassen. Damit in einer solchen Grundkonstellation keine Sittenwidrigkeit vorliegt, müssen jedoch weitere Voraussetzungen erfüllt sein. |
2. Anforderungen an die Zulässigkeit eines Managermodells
Die Zulässigkeit eines solchen Modells knüpft an drei grundsätzliche Voraussetzungen an. Zum einen muss sich das wirtschaftliche Risiko des Managers, das mit der Übernahme der Beteiligung an der Gesellschaft verbunden ist, in einem engen Rahmen halten und zum anderen dürfen die sich aus der Beteiligung ergebenden Einflussnahmemöglichkeiten nur ganz limitiert sein. Hinzukommen muss eine gewisse „Belohnungsfunktion“.
- Geringes wirtschaftliches Risiko
- Von einem geringen wirtschaftlichen Risiko wird regelmäßig dann auszugehen sein, wenn die Beteiligung zu ihrem Nominalwert erworben wird. Dies jedenfalls dann, wenn die Führungskraft bei ihrem Ausscheiden eine Abfindung in gleicher Höhe erhält.
- Geringe Einflussnahmemöglichkeit
- Auf den ersten Blick erstaunlich mag es sein, dass der Manager als weitere Voraussetzung mit seiner Beteiligung an der Gesellschaft nur geringe Einflussmöglichkeiten erhält. Hintergrund ist der Gedanke, dass dann, wenn die Einflussmöglichkeiten gering sind, der Manager auch nicht viel verlieren kann, wenn er aus der Gesellschaft ausscheidet.
- Anreiz- und Belohnungsfunktion
- Der BGH geht davon aus, dass die Einräumung einer Gesellschafterstellung für einen Geschäftsführer eine Anreiz- und Belohnungsfunktion haben muss, um als Managermodell zu gelten.
3. Zulässigkeit im konkreten Fall
3.1 Geringes wirtschaftliches Risiko
Wann das Risiko des Managers als gering einzustufen ist, lässt sich auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung nur negativ abgrenzen. Das heißt, relative Klarheit besteht nur darüber, wann das wirtschaftliche Risiko nicht mehr als gering bezeichnet werden kann. Nach der eingangs erwähnten Entscheidung des OLG München vom 13.5.20 ist von einem erhöhten wirtschaftlichen Risiko auszugehen, wenn zusätzlich zum Kaufpreis für die Anteile ‒ bzw. im Fall einer Anteilsübernahme im Zuge einer Kapitalerhöhung zusätzlich zur Einzahlung in das Stammkapital ‒ eine Zahlung in eine Kapitalrücklage zu leisten ist.
Ebenso wird das Risiko nicht mehr als gering gelten, wenn die Führungskraft die Beteiligung kaufweise erwirbt und der dafür gezahlte Kaufpreis über dem Nominalwert liegt. Hingegen ist es ohne Bedeutung, ob die Regelungen zur Höhe der Abfindung angemessen sind.
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Die A-GmbH ist seit 20 Jahren in ihrer Branche erfolgreich tätig. Nach Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers wird G zu seinem Nachfolger bestellt. Dabei wird im Zuge einer Kapitalerhöhung ein 10%iger Anteil an der Gesellschaft gewährt. Vereinbart ist, dass er diese Beteiligung an die Gesellschaft rückübertragen muss, wenn seine Geschäftsführerstellung endet. Dabei soll er eine Abfindung erhalten, die der Höhe nach seiner Einlage entspricht.
G ist zehn Jahre erfolgreich in der Gesellschaft tätig und diese entwickelt sich überaus positiv, sodass der Unternehmenswert kontinuierlich steigt. Dementsprechend hat sich auch der Wert der Beteiligung des G erhöht. Als G als Geschäftsführer ausscheidet, steht er auf dem Standpunkt, es würde eine unangemessene Benachteiligung darstellen, wenn er seinen Anteil gegen eine Abfindung in Höhe des Nominalwertes der Beteiligung übertragen müsse. Er ist daher der Auffassung, dass eine Übertragungsverpflichtung nicht bestehe. |
Die Ansicht von G ist allerdings unzutreffend. Zwar mag es durchaus sein, dass die Abfindung unangemessen ist. Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit des praktizierten Managermodells. Die Konsequenz ist lediglich, dass statt der vereinbarten Abfindung eine Abfindung nach dem Verkehrswert zu zahlen ist (BGH 19.9.05, II ZR 173/04, BGHZ 164, 98, 104).
3.2 Geringe Einflussmöglichkeit
Die Einflussmöglichkeit in einer Gesellschaft hängt einerseits von der Zahl der Stimmen ab, die ein Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung hat und andererseits von den vereinbarten Mehrheitserfordernissen. Letztere ergeben sich in erster Linie aus dem Gesellschaftsvertrag. Trifft dieser dazu keine Regelungen, gilt für die praxisdominante Gesellschaftsform der GmbH im Grundsatz die einfache Mehrheit (§ 47 Abs. 1 GmbHG), es sei denn, es handelt sich um Entscheidungen von grundlegender Bedeutung, bei denen eine Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen erforderlich ist (siehe z. B. für die Satzungsänderung § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG und für den Auflösungsbeschluss § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG).
Beachten Sie | Dies bedeutet, dass nach dem gesetzlichen Regelfall ein Gesellschafter bei Beschlussgegenständen mit grundsätzlicher Bedeutung nur dann Einfluss nehmen kann, wenn er über mindestens 25 % plus eine Stimme verfügt (sog. Sperrminorität). Jedoch kann sich aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen eine ganz andere Situation ergeben.
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In der A-GmbH ist gesellschaftsvertraglich vereinbart, dass alle Beschlüsse nur einstimmig gefasst werden können. |
Bei einer solchen ‒ allerdings höchst außergewöhnlichen ‒ Gestaltung des Gesellschaftsvertrages kann jeder Gesellschafter, auch ein solcher, der nur über eine einzige Stimme in der Gesellschafterversammlung verfügt, Beschlussfassungen zumindest verhindern, wenngleich ihm eine aktive Gestaltungsmöglichkeit nicht zukommt.
Das OLG München hat in seiner Entscheidung allerdings klargestellt: Ein nennenswerter Einfluss eines Minderheitsbeteiligten kann auch dann gegeben sein, wenn kein Einstimmigkeitserfordernis (wie im Beispiel 2) im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist. Im vom OLG entschiedenen Fall verfügte der Gesellschafter-Geschäftsführer über 25 % der Geschäftsanteile. Außer ihm waren 16 weitere natürliche und juristische Personen an der Gesellschaft beteiligt. Die klare Botschaft des Gerichts: In dieser Konstellation könne im Hinblick auf die Vielzahl der Mitgesellschafter nicht angenommen werden, dass diese stets einheitlich gegen den Geschäftsführer stimmen. Damit sei es also durchaus möglich, dass der Geschäftsführer bei Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung Unterstützung erfährt und er daher die Möglichkeit hat, Einfluss auf die Entscheidungen in der Gesellschaft zu nehmen.
Aber nicht nur aufgrund tatsächlicher Umstände, wie einer Zersplitterung des Anteilsbesitzes entsprechend dem vom OLG München entschiedenen Fall, kann ein Minderheitsgesellschafter gestaltenden Einfluss haben, sondern auch aufgrund schuldrechtlicher Abreden.
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B ist Alleingesellschafter und auch Geschäftsführer der B-GmbH. Er hat mittlerweile das 70. Lebensjahr vollendet und möchte sich aus dem aktiven Geschäft zurückziehen. Da die Gesellschaft vergleichsweise ertragsschwach ist, kann einem Fremdgeschäftsführer kein attraktives Gehalt angeboten werden. C, der bisher bei einem anderen Unternehmen derselben Branche tätig war, ist jedoch bereit, auch zu einem vergleichsweise geringen Gehalt die Geschäftsführerposition zu übernehmen. Dies jedoch unter der Voraussetzung, dass er an der Gesellschaft beteiligt wird, um über die Ausschüttungen am wirtschaftlichen Erfolg teilzuhaben. Da er der Meinung ist, dass ein solcher wirtschaftlicher Erfolg nur dann sicher zu erzielen ist, wenn er das alleinige Sagen in der Gesellschaft hat, bedingt er sich aus, dass ein Stimmbindungsvertrag zwischen ihm und B abgeschlossen wird. Nach der getroffenen Regelung darf B bei operativen Entscheidungen sein Stimmrecht nur in gleicher Weise wie C ausüben. |
Aufgrund eines solchen ‒ grundsätzlich zulässigen ‒ Stimmbindungsvertrags gewinnt C unabhängig davon, inwieweit er selbst an der Gesellschaft beteiligt ist, die Möglichkeit, gestaltenden Einfluss zu nehmen (s. im Einzelnen Lutter/Hommelhoff-Bayer, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 47 Rz. 19).
3.3 Anreiz- und Belohnungsfunktion
Die Anreiz- und Belohnungsfunktion ist regelmäßig unproblematisch gegeben. Sie liegt darin, dass über die Gesellschafterstellung der Führungskraft wirtschaftlich die Teilnahme am Gewinn der Gesellschaft eingeräumt wird. Zweifel am Vorliegen dieser Funktion können allerdings dann bestehen, wenn aufgrund dauerhafter praktischer Handhabung eine Gewinnausschüttung nicht oder lediglich zu einem ganz geringen Anteil des ausschüttbaren Gewinns erfolgt. Gleiches kann dann gelten, wenn gesellschaftsvertraglich eine Mindestthesaurierung vorgesehen ist.
Weiterführende Hinweise
- Martin Schockenhoff, Managerbeteiligung und das Verbot der Hinauskündigung, NZG 18, 201
- Lukas Kawka/Maximilian Vocke/Benno L‘habitant, Zivil- und schenkungsrechtliche Behandlung von (Rück-)Übertragungsverpflichtungen bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen („Westing“), BB 17, 1694
- Götz Tobias Wiese/Hubertus Leo, Die Ausgestaltung von Management-Beteiligungsmodellen, GmbHR 17, 690