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· Fachbeitrag · Gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile

Gewährung der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG bei variablen Kaufpreisbestandteilen?

von StB Jan Böttcher, LL.M., Nürnberg

| Die Inanspruchnahme der Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG aus Anlass einer Betriebsveräußerung bzw. der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils ist regelmäßig steuergestaltendes Ziel in der Beratung entsprechender Mandate. Ein Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 2 EStG ist hierbei nur begünstigt, wenn dieser außerordentlich ist, wenn also eine atypische Zusammenballung vorliegt (vgl. BFH 9.12.14, IV R 36/13, Abruf-Nr. 174992 ). Kritisch zu hinterfragen ist hierbei, ob die mittlerweile gängige Vereinbarung nachlaufender variabler Kaufpreisbestandteile die Tarifbegünstigung gefährden kann. Die aktuelle Rechtsprechung des BFH legt dies zumindest nahe. |

1. Grundsatz: Sofortbesteuerung

Die Besteuerung solcher Veräußerungsgewinne erfolgt grundsätzlich nach dem Realisationsprinzip. Das heißt, es kommt zu einer gesonderten stichtagsbezogenen Gewinnermittlung. Bei Einnahmen-Überschuss-Rechnern ist aus diesem Grund ein Übergang zum Bestandsvergleich notwendig. Der Wert des Betriebsvermögens ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung anhand der allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze und in einer letzten Schlussbilanz zu ermitteln (BFH 26.3.91, VIII R 315/84).

 

PRAXISTIPP | Dieser Grundsatz gilt auch bei einer Veräußerung gegen wiederkehrende Bezüge. Veräußerungsgewinn i. S. d. § 16 Abs. 2 EStG ist in diesem Fall der Barwert der wiederkehrenden Leistungen abzüglich der Veräußerungskosten und dem Buchwert des Kapitalkontos. Die eingehenden Raten sind mit ihrem Ertragsanteil als sonstige Einkünfte zu versteuern.

 

2. Wahlrecht bei wiederkehrenden Bezügen

In besonderen Fällen wird dem Steuerpflichtigen jedoch die Option zur Zuflussbesteuerung eingeräumt. Diese Möglichkeit stellt eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Ausnahmeregelung dar (vgl. BFH 29.3.07, XI B 56/06). Sie wird dem Steuerpflichtigen eröffnet, wenn dieser seinen ganzen Gewerbebetrieb oder Mitunternehmeranteil vollentgeltlich gegen eine Leibrente oder Ratenzahlung veräußert.

 

Beachten Sie | Bei Ratenzahlung soll dies jedoch nur dann gelten, wenn diese während eines mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraums zu zahlen sind und die Ratenvereinbarung sowie die sonstige Ausgestaltung des Vertrags eindeutig die Absicht des Veräußerers zum Ausdruck bringt, sich eine Versorgung zu schaffen.

 

PRAXISTIPP | Die Finanzverwaltung gewährt das Wahlrecht regelmäßig für mehr als 10-jährige Ratenzahlungen mit Versorgungscharakter und Zeitrenten. Allerdings wird die entsprechende Regelung nur noch in den ‒ die Finanzverwaltung nicht bindenden ‒ ESt-Hinweisen (EStH) aufgeführt. Die ESt-Richtlinien sehen ein solches Wahlrecht unter R 16 (11) S. 1 lediglich für den Fall der Leibrente vor. In der Literatur wird daraus teilweise gefolgert, dass der Fiskus an diesem Wahlrecht nicht mehr uneingeschränkt festhalten wolle (vgl. Schmidt/Wacker § 16 Rz. 224).

 

Übt der Steuerpflichtige das Wahlrecht zur Zuflussbesteuerung aus, stellen die wiederkehrenden Leistungen zunächst nicht steuerbare Kapitalrückzahlungen dar, solange das Kapitalkonto des Veräußerers nicht überschritten wird. Ein steuerpflichtiger Gewinn liegt erst dann vor, wenn und soweit die wiederkehrenden Leistungen das Kapitalkonto zuzüglich der vom Veräußerer getragenen Veräußerungskosten übersteigen. Die wiederkehrenden Leistungen werden dann als nachträgliche Betriebseinnahmen behandelt. Eine Aufteilung in Zins und Ertragsanteil erfolgt nicht.

3. Variable Veräußerungsentgelte

In der Praxis treten neben den obigen „klassischen“ Entgeltvariationen immer mehr ‒ oftmals ergänzende ‒ variable Kaufpreiselemente hinzu. Die Motivationen derartiger Vereinbarungen sind unterschiedlich. Sie reichen von unterschiedlichen Ansichten bezüglich der Einschätzung der künftigen Entwicklung des Unternehmens bis zur Möglichkeit des liquiditätsschonenden Bei- oder Eintritts in das Unternehmen. Solche „neudeutsch“ als Earn-Out-Klauseln vereinbarten Veräußerungsentgelte fließen dem Veräußerer in der Regel über mehrere Veranlagungszeiträume fortlaufend zu (vgl. mit Formulierungsbeispiel Klein, GStB 10, 117).

 

In der Praxis werden i. d. R. Kombinationskaufpreise vereinbart. Hierbei wird ein fixer Teilbetrag zum Verkaufsstichtag sofort fällig. Darüber hinaus ist ein variables Teilentgelt unter der Bedingung des Erreichens gewisser fest vereinbarter Kennziffern (Umsatz, EBITDA etc.) in einem bestimmten Zeitraum nach der Veräußerung von dem Erwerber zu leisten. Bei einer solchen Vereinbarung wird der Veräußerer praktisch noch für eine bestimmte Zeit an den künftigen Gewinnen oder Umsätzen des ihm dann nicht mehr gehörenden Unternehmens beteiligt ‒ sei es prozentual oder entsprechend einer genauen Berechnungsformel (vgl. Etinger/Schmitz, GmbHR 16, 966).

4. Qualifikation variabler Entgelte

Zunächst ist zu hinterfragen, welcher Einkunftsart die variablen Veräußerungsentgelte zuzurechnen sind. Diese könnten als Teil des Veräußerungsgewinns i. S. d. § 16 EStG zu qualifizieren sein oder nachlaufende Betriebseinnahmen i. S. d. § 24 Nr. 2 i. V. m. §§ 15, 18 EStG darstellen.

 

4.1 Rechtsprechung des VIII. Senats zu Gewinnanteil auf Lebenszeit

Zur Beantwortung dieser Frage wird bislang regelmäßig die Entscheidung des BFH vom 14.5.02 (VIII R 8/01, BStBl II 02, 532) herangezogen:

 

Gegenstand dieser Entscheidung war die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils gegen einen Barbetrag in Höhe des Buchwerts der Beteiligung zzgl. 22,28 % des auf die veräußerte Beteiligung künftig entfallenden Gewinnanteils auf Lebenszeit des Veräußerers, mindestens jedoch 45.000 DM jährlich. In den ersten fünf Jahren nach der Veräußerung lagen die an den Veräußerer zu zahlenden Gewinnanteile deutlich über diesem Mindestbetrag. Der Veräußerer begehrte hierauf die begünstigte Besteuerung nach §§ 16, 34 EStG.

 

MERKE | Der BFH versagte die Sofortbesteuerung der nachlaufenden Gewinnanteile und damit auch die Anwendung der Tarifbegünstigung des § 34 EStG. Zur Begründung führte er an, dass es sich bei diesen Entgelten um nachlaufende Betriebseinnahmen gem. § 24 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG handele. Dieser gewinnabhängige Kaufpreisbestandteil sei in der Höhe zu versteuern, in der die Summe der Kaufpreiszahlungen das ‒ ggf. um Einmalleistungen gekürzte ‒ Schlusskapitalkonto zuzüglich der Veräußerungskosten überschreite.

 

Aus dem Urteil wird allgemein eine getrennte steuerliche Behandlung des fixen Kaufpreisanteils und der variablen Entgelte hergeleitet (vgl. Stahl, BeSt 02, 30). Der fixe Entgeltbestandteil unterfällt hiernach der Ägide des § 16 Abs. 2 EStG und ‒ soweit dieser das steuerliche Eigenkapital des Veräußerers übersteigt ‒ der Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG bzw. in den Fällen der Abschmelzung des Freibetrags (§ 16 Abs. 4 EStG) des § 34 Abs. 3 EStG (vorbehaltlich der Erfüllung der persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen). Der variable Entgeltanteil würde hingegen nach dem Zuflussprinzip einer nachlaufenden, ratierlichen Besteuerung mit dem individuellen Steuersatz unterfallen.

 

Beachten Sie | Eine Belastung mit Gewerbesteuer ist für diese nachlaufenden Gewinneinkünfte mangels Gewerbebetrieb nach § 2 GewStG auszuschließen. Hier gelten m. E. die Grundsätze zu im Rahmen einer Betriebsaufgabe/-veräußerung zurückbehaltenen Forderungen (sog. Restbetriebsvermögen; vgl. hierzu OFD Niedersachsen 3.3.17, S 1978d - 10 - St 243).

 

4.2 Aktuelles Urteil des I. Senats zu variablen Kaufpreisforderungen

In diesem Zusammenhang bislang kaum beachtet wird ein aktuelles Urteil des I. Senats des BFH zu einem Beteiligungsverkauf (BFH 19.12.18, I R 71/16, BStBl II 19, 493). Im Streitfall veräußerte die A-GmbH im Jahr 1999 75 % ihrer Anteile an der B-GmbH. Neben einem fixen Kaufpreis wurde ein variabler Kaufpreisanteil vereinbart, der bis zum Jahr 2015 anhand von definierten Umsatzgrößen ermittelt und monatlich ausgezahlt werden sollte. Die Streitfrage war, ob diese variablen Veräußerungsentgelte der Anwendung des seit dem Übergang vom Anrechnungs- zum Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren geltenden § 8b Abs. 2 KStG unterfallen würden.

 

Doch welche Relevanz soll dieses Urteil für die Anwendung der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1, 3 EStG haben? Nun, der BFH leitet sein Ergebnis ‒ es sei vorweggenommen, dass der BFH den Zuflusszeitpunkt der variablen Kaufpreisbestandteile als maßgeblich ansah ‒ aus den Grundsätzen der Veräußerungsgewinnbesteuerung des § 16 EStG her. Denn auch die Regelung des § 8b Abs. 2 KStG knüpfe an einen einmaligen Vorgang an, wobei der Gesetzgeber typisierend davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem entsprechenden Veräußerungsgewinn um thesaurierte (komprimierte) Gewinne handele. Daher müsse man den Veräußerungsvorgang ähnlich den Grundsätzen zu § 16 EStG von der laufenden Besteuerung des Anteilseigners abgrenzen. Im Ergebnis führe dies dazu, dass auch im Anwendungsbereich des § 8b KStG für gewinn- und umsatzabhängige Kaufpreisforderungen das Zuflussprinzip gelte.

 

Um nun auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ganz nebenbei stellt der I. Senat hierbei mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die Regelung des § 16 EStG fest, dass variable Kaufpreiszahlungen Teil des Veräußerungserlöses und damit zugleich des Veräußerungsgewinns i. S. d. § 16 Abs. 2 EStG seien. Damit löst sich der I. Senat jedoch von der gedanklichen Aufspaltung des Veräußerungsentgelts in einen Veräußerungsgewinn und (nach-)laufende Einkünfte. Die Einkünfte sind vielmehr einheitlich als solche aus § 16 EStG zu qualifizieren, wobei jedoch auf einen (den variablen) Teil dieser Einkünfte das Zuflussprinzip zur Anwendung gelangt.

 

Beachten Sie | Hierbei verweist der I. Senat auf eine Entscheidung des BFH aus dem Jahr 1967 (IV R 288/62, BStBl II 68, 76), die jedoch zu einem Fall der Leistung eines Festbetrags zzgl. einer Leibrente erging und sich daher m. E. für Fälle umsatz- oder gewinnabhängiger Entgelte nur bedingt als Präjudiz eignet.

 

Ob sich der I. Senat des BFH hierbei in Widerspruch zur (aktuellen) Auffassung des VIII. Senats befindet, ist fraglich. M. E. spricht das Urteil v. 27.10.15 (VIII R 47/12, BStBl II 16, 600) gegen einen solchen Dissens. Dort ordnete der VIII. Senat gewinnabhängige Kaufpreisforderungen (im Rahmen des Eintritts eines Neugesellschafters nach dem sog. Gewinn-Vorabmodell) auf Ebene des Veräußerers ausdrücklich dem Veräußerungsentgelt gemäß § 16 Abs. 2 EStG zu. Da der abzutretende Gewinnanteil jedoch der Höhe nach ungewiss wäre, sei dieser beim Veräußerer entstehende Veräußerungsgewinn erst im Zuflusszeitpunkt zu versteuern. Somit ordnet auch der VIII. Senat in seiner neueren Entscheidung einen variablen Kaufpreisbestandteil gerade nicht (mehr?) einer nachlaufenden Betriebseinnahme gem. § 24 Nr. 2 i. V. m. §§ 15, 18 EStG zu.

5. Auswirkungen auf die Gewährung der Tarifbegünstigung

Besteht der Veräußerungspreis in wiederkehrenden Bezügen und einem festen Entgelt, so steht dem Steuerpflichtigen die Option zur Zuflussbesteuerung nur hinsichtlich der wiederkehrenden Bezüge zu. Das fixe Entgelt ist der Sofortbesteuerung zu unterwerfen, soweit es den Buchwert des Kapitalkontos und die Veräußerungskosten übersteigt. Auf diesen Festbetrag ist nach der Rechtsprechung des BFH auch der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 und 3 EStG anzuwenden (vgl. BFH 10.7.91, X R 79/90). Damit kann die Tarifbegünstigung auch grundsätzlich in den Fällen einer mangelnden Zusammenballung zur Anwendung kommen.

 

Allerdings hat der BFH diesen Grundsatz nur für Fälle angenommen, in denen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich auch ein solches Wahlrecht, also eine entsprechende Option zur Zuflussbesteuerung auf Antrag, zustand.

 

MERKE | Im Rahmen der hier zu betrachtenden gewinnabhängigen Kaufpreisleistungen steht nach der Rechtsprechung des BFH einer solchen Sofortversteuerung jedoch schon das handelsrechtliche Realisationsprinzip entgegen. Durch die Vereinbarung einer gewinnabhängigen Vergütung werde lediglich ein aufschiebend bedingter Anspruch begründet, der nur dann zu aktivieren sei, wenn er „so gut wie sicher” ist. Aufgrund der Unwägbarkeiten der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung sowie im Hinblick auf die Stellung des einzelnen Unternehmens am Markt sei eine solche Möglichkeit zur Schätzung eines Kapitalwerts des Veräußerungsgewinns nicht gegeben. Aus diesem Grund komme es daher bzgl. der variablen Veräußerungsentgelte zwingend zur Zuflussbesteuerung (vgl. BFH 17.7.13, X R 40/10, BStBl II 13, 883).

 

Daraus folgt m. E. aber auch, dass die Grundsätze der Gewährung der Tarifbegünstigung gem. § 34 EStG in den Fällen von wiederkehrenden Bezügen als Kaufpreisanteil auf Fälle der Vereinbarung eines Earn-Out nicht übertragen werden können.

6. Folgen für die Praxis

In der Praxis ist im Zusammenhang mit Earn-Out-Zahlungen oftmals die Auffassung anzutreffen, dass nachträgliche Veränderungen des Veräußerungspreises sowie nachträglich angefallene Veräußerungskosten gewinnmindernd auf den Veräußerungszeitpunkt zurückwirken, sofern die Kaufpreisanpassung bereits im ursprünglichen Kaufvertrag vorgesehen war. Diese Grundsätze würden daher auch bei umsatz- und gewinnabhängigen nachlaufenden Veräußerungsentgelten greifen und zu einer entsprechenden Änderung des erklärten/festgesetzten Veräußerungsgewinns gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO führen.

 

Diese Auffassung ist mit der gefestigten Rechtsprechung des BFH abzulehnen. Mittlerweile unstreitig ist in den Fällen von Earn-Out-Entgelten von einer Besteuerung nach dem Zuflussprinzip auszugehen. Ein Wahlrecht zur Sofortversteuerung steht dem Steuerpflichtigen nicht zu. Als gefestigt kann auch gelten, dass ein umsatz- oder gewinnabhängiges Veräußerungsentgelt nicht der Tarifbegünstigung unterliegen kann (vgl. BFH 14.5.02, VIII R 8/01, BStBl II 02, 532).

 

Offen ist jedoch, ob sich die Gestaltung solcher variablen Kaufpreisbestandteile auch auf die (tarifbegünstigte) Besteuerung des fest vereinbarten Kaufpreisanteils auswirkt. Geht man nach den obigen Grundsätzen des BFH davon aus, dass Earn-Out-Zahlungen grundsätzlich als Entgeltbestandteil unter § 16 Abs. 2 EStG fallen, ist dies m. E. zu bejahen und hat sowohl auf die Gewährung des Freibetrags gemäß § 16 Abs. 4 EStG als auch die damit zusammenhängende Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 und 3 EStG Auswirkungen.

 

6.1 Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG

Ein Abschmelzen des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 S. 2 EStG kann in diesen Fällen nicht durch eine steueroptimierte Kaufpreisgestaltung dergestalt verhindert werden, dass ein Festpreis aus Buchwert und Freibetrag nach § 16 Abs. 4 S. 2 EStG und darüber hinaus variable Veräußerungsentgelte vereinbart werden. Denn für die Frage des Überschreitens der Höchstgrenzen des § 16 Abs. 4 EStG ist der gesamte Veräußerungspreis anzusetzen, auch wenn ein Teil dessen der Zuflussbesteuerung unterliegt (vgl. FG Münster 25.4.01, EFG 01, 1275).

 

6.2 Tarifbegünstigung § 34 Abs. 1 und 3 EStG

Zählen Earn-Outs nun aber zum Veräußerungspreis i. S. d. § 16 Abs. 2 EStG und ist für diesen Entgeltbestandteil von vornherein eine Erfassung zur Ermittlung des entsprechenden Veräußerungsgewinns nach Realisationsgrundsätzen (= Sofortversteuerung) ausgeschlossen, so fehlt es schlicht an der für die Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 1 und 3 EStG erforderlichen Zusammenballung der Einkünfte. Dies betrifft den Veräußerungsgewinn in vollem Umfang, also sowohl Einmalzahlungen als auch laufende Zahlungen. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Einkünfte feststehend oder variabel vereinbart werden (so auch Müller/Dorn/Schwarz, NWB 17, 2906). Folgt man dieser Sichtweise, ist die Tarifbegünstigung nach § 34 EStG zu versagen ‒ und zwar insgesamt!

7. Gestaltungsoptionen

Der Große Senat des BFH hat hinsichtlich einer später eintretenden Änderung eines ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreises in Fällen der Betriebsveräußerung nach § 16 EStG schon früh Folgendes klargestellt:

 

MERKE | Derartige Änderungen sind so lange und so weit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat (Beschluss vom 19.7.93, GrS 2/92, BStBll II 93, 897). Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des Erlöses maßgebend gewesen sind.

 

Ausgehend von diesem Grundsatz könnten zur Sicherstellung der Tarifbegünstigung nach § 34 EStG anstatt variabler Kaufpreisentgelte i. S. eines Earn-Outs fest vereinbarte Anpassungen des Kaufpreises (Erhöhungen oder Minderungen) vereinbart werden, die aufschiebend bedingt ausgestaltet sind. Z. B. wird bei Erreichung einer bestimmten Umsatzgröße zum Ende des dritten Jahres nach erfolgter Veräußerung eine entsprechende Anpassung des Kaufpreises auf einen um 100.000 EUR erhöhten Betrag vereinbart.

 

Beachten Sie | Der Unterschied zu einem „klassischen“ Earn-Out wäre in diesen Fällen, dass die Höhe des variablen Kaufpreisanteils nicht unsicher ist ‒ ganz im Gegenteil. Unsicher ist lediglich, ob es zu einer entsprechenden Nachzahlung kommt.

 

Eine zwingende Besteuerung nach dem Zuflussprinzip wäre nach der obigen Rechtsprechung des BFH nicht gegeben, da dieser regelmäßig herausgestellt hat, dass hierfür auch die Höhe der Entgelte ungewiss sein müsse (vgl. BFH 27.10.15, VIII R 47/12, BStBl II 16, 600). M. E. käme daher in diesen Konstellationen eine rückwirkende Änderung des Veräußerungsgewinns gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

 

Beachten Sie | Allerdings sieht die Finanzverwaltung in H 16 Abs. 10 EStH 2016 ausdrücklich nur Fälle der Herabsetzung des Kaufpreises als ein rückwirkendes Ereignis an, das zur Änderung des Steuer-/Feststellungsbescheides führt, dem der nach dem ursprünglich vereinbarten Kaufpreis ermittelte Veräußerungsgewinn zugrunde liegt.

 

GESTALTUNGSTIPP | Als möglicher Ausweg könnte daher auch im obigen Beispiel das variable Entgelt schon in das Kaufentgelt eingepreist werden ‒ mit einer entsprechenden „Cash-Back“-Regelung, falls die von den Parteien angenommene Entwicklung (Bsp. kumulierte Umsätze innerhalb der nächsten drei Jahre) nicht eintreffen. In der Praxis dürfte es m. E. jedoch schwierig sein, eine solche Regelung beim Erwerber durchzusetzen.

 

Daneben könnte über eine zeitlich befristete (Weiter-)Beschäftigung des Veräußerers nachgedacht werden. Nach der BFH-Rechtsprechung ist eine nachfolgende Tätigkeit im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses bzw. eine freie Mitarbeit „im Namen und für Rechnung des Erwerbers“ für die Gewährung der Tarifbegünstigung unschädlich (vgl. BFH 11.2.20, VIII B 131/19). M. E. sollten diese Grundsätze auch bei einer „Weiterbeschäftigung“ des Veräußerers gegen Vereinbarung weitgehend variabler Entgelte greifen. Dies auch dann, wenn die Höhe der Entlohnung/des Honorars (entsprechend eines Earn-Outs) an gewisse betriebliche Kennzahlen gekoppelt ist.

 

Beachten Sie | Solche Zahlungen dürfen jedoch keine verschleierten Kaufpreisentgelte darstellen und müssen daher einem Fremdvergleich standhalten. Entgelte für die Beendigung einer Geschäftsführertätigkeit o. Ä. dürften dagegen, wenn diese im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung der unternehmerischen Einheit erfolgen, m. E. als (verdeckter) Kaufpreisbestandteil zu qualifizieren sein (a. A. Müller/Dorn/Schwarz, NWB 17, 2906) und könnten daher eine Versagung der Tarifbegünstigung nach sich ziehen.

 

FAZIT | Die aktuelle Rechtsprechung des BFH ordnet nachlaufende variable Kaufpreisanteile grundsätzlich dem Veräußerungsentgelt i. S. d. § 16 Abs. 2 EStG zu, für die jedoch das Realisationsprinzip im Veräußerungszeitpunkt durch das Stichtagsprinzip suspendiert ist. Stattdessen greift für diese Kaufpreisbestandteile das Zuflussprinzip. Die durch den BFH vorgenommene Einkünftequalifikation solcher variablen Entgelte müsste konsequenterweise zur Versagung der Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 1, 3 EStG führen. Höchstrichterliche Rechtsprechung steht hierzu zwar (noch) aus, die Beraterschaft muss dieses Risiko dennoch in aktuellen Fällen hinreichend berücksichtigen. Den sich anbietenden Alternativen stehen allerdings praktische Hemmnisse und Unsicherheiten in der steuerlichen Beurteilung gegenüber. Rechts- und Beratungssicherheit ist aktuell wohl nur über eine verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO zu erreichen.

 
Quelle: Seite 140 | ID 46390908