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· Fachbeitrag · Gewinnermittlung

Rückzahlung von Corona-Soforthilfen erhöht Steuern: Übergang zur Bilanzierung als Ausweg?

von Diplom-Finanzwirt Rudolf Krümpel, Kassel-Calden

| Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) nach § 4 Abs. 3 EStG gilt das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. Werden deshalb im Jahr 2021 Corona-Soforthilfen zurückgezahlt, die 2020 zugeflossen sind, kann dies zu einer effektiven Steuermehrbelastung führen. Kann diese Mehrbelastung umgangen werden? Bietet der Übergang zur freiwilligen Bilanzierung einen Ausweg? SSP bezieht Stellung. |

EÜR: Das Problem des Zu- und Abflussprinzips

Sind Ihnen im Jahr 2020 Corona-Soforthilfen gewährt worden, müssen Sie diese in der EÜR für 2020 als Betriebseinnahme angeben (Zufluss). Stellt sich später heraus, dass die Auszahlung zu Unrecht erfolgte, müssen Sie den zu Unrecht erhaltenen Betrag zurückzahlen. Im Zeitpunkt der Rückzahlung ergeben sich Betriebsausgaben (Abfluss). Erfolgt die Rückzahlung nicht im Auszahlungsjahr, sondern im Jahr 2021, kann sich eine zusätzliche Steuerbelastung ergeben. Denn im Jahr 2020 müssen Sie damit in Höhe der Soforthilfe einen Gewinn versteuern, den Sie gar nicht erzielt haben. Es kommt zu Verzerrungen in der Einkommensprogression. Das bei der EÜR geltende Zu- und Abflussprinzip können Sie nicht „abwählen“. Insbesondere können Sie die Rückzahlung nicht schon 2020 geltend machen, wenn Sie diese tatsächlich erst im Jahr 2021 geleistet haben.

 

Wichtig | Für 2020 ergibt sich auch keine Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG („Fünftel-Regelung“) für außerordentliche Einkünfte. Denn die Soforthilfe ist kein Ersatz für entgangene Einnahmen, und es liegt ‒ zweitens ‒ regelmäßig auch keine Zusammenballung von Einkünften vor.

Übergang zur Bilanzierung als Ausweg?

Grundsätzlich müssen Sie Ihren Gewinn durch Bilanzierung ermitteln (§ 4 Abs. 1 S. 1 EStG). Die EÜR kommt in Frage, wenn Sie gesetzlich nicht zur Bilanzierung verpflichtet sind, insbesondere wenn Ihr Unternehmen die Grenzen des § 141 AO einhält. Die Gewinnermittlung durch EÜR müssen Sie dann aktiv wählen. Üben Sie das Wahlrecht nicht aus, bleibt es bei der Bilanzierung ‒ selbst wenn der Gewinn nur wenige tausend Euro im Jahr beträgt.

 

Besteht das Wahlrecht, können Sie es von Jahr zu Jahr neu aktiv ausüben. Sie können folglich von Jahr zu Jahr wechseln und z. B. den Gewinn des Jahres 2019 durch EÜR und den Gewinn des Jahres 2020 durch Bilanzierung ermitteln. Maßgebend für die Wahlrechtsausübung ist, wie Sie die Gewinnermittlung tatsächlich handhaben. Ein Beweisanzeichen, dass Sie die von Ihnen gefertigte Gewinnermittlung mit Wahl der Gewinnermittlungsart als endgültig ansehen, kann unter anderem die Übersendung ans Finanzamt sein (BFH, Urteil vom 02.06.2016, Az. IV R 39/13, Abruf-Nr. 188697).

 

Bei einem Wechsel von der Gewinnermittlung nach EÜR zur Bilanzierung kommt aber dem BFH-Urteil vom 19.10.2005 (Az. XI R 4/04, Abruf-Nr. 053594) eine wesentliche Bedeutung zu: Denn danach ist erforderlich, dass Sie zeitnah zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz aufstellen und eine kaufmännische Buchführung eingerichtet haben. Zudem ist bei jedem Wechsel der Gewinnermittlungsart zu bedenken, dass Sie einen Übergangsgewinn ermitteln müssen. Den müssen Sie grundsätzlich sofort versteuern. Auf Ihren Antrag kann er aber beim Wechsel von der EÜR zur Bilanzierung auf zwei oder drei Jahre verteilt werden (R 4.6 Abs. 1 S. 2 EStR). Allerdings sind Sie bei Verteilung des Übergangsgewinns regelmäßig auch für die Jahre der Gewinnverteilung an die Gewinnermittlung durch Bilanzierung gebunden (BFH, Urteil vom 09.11.2000, Az. IV R 18/00, Abruf-Nr. 010135).

 

PRAXISTIPP | Die Praxis der Finanzämter lehrt, dass diese in vielen Fällen keinen Wert auf die zeitnahe Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und die sofortige Einrichtung einer kaufmännischen Buchführung legen. Wird der Gewinn nach bisheriger Ermittlung durch EÜR erstmalig durch Bilanzierung ermittelt und ein entsprechender Übergangsgewinn ausgewiesen, akzeptiert das Finanzamt den Wechsel der Gewinnermittlungsart regelmäßig kommentarlos.

 

Rückstellung für Rückzahlung der Soforthilfen bilden

Der Vorteil der Bilanzierung ist, dass Sie den laufenden Gewinn durch die Bildung von Rückstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG) mindern können. Um für die zu Unrecht erhaltenen Corona-Soforthilfen eine Rückstellung zu bilden, müssen Sie die Grundsätze der BFH-Entscheidungen vom 22.08.2012 (Az. X R 23/10, Abruf-Nr. 123085) und 19.10.1993 (Az. VIII R 14/92) beachten. Denn es handelt sich um die Rückzahlung für eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Danach kommt die Bildung einer Rückstellung erst in Betracht, wenn die Behörde von der unberechtigten Inanspruchnahme Kenntnis hat oder eine vor dem Abschlussstichtag zu erfüllende Frist bereits abgelaufen ist und dieses fristwidrige Handeln sanktionsbewährt ist. Liegt zum Abschlussstichtag der Behörde also noch keine Kenntnis über eine unberechtigte Inanspruchnahme vor und ist deshalb noch nicht von einer Rückforderung auszugehen, ist die Bildung einer Rückstellung noch nicht zulässig.

 

PRAXISTIPP | Die Kurzinformation 2021/23 aus dem Finanzministerium Schleswig-Holstein (vom 18.10.2021, Az. VI 304 ‒ S 2137 ‒ 347, Abruf-Nr. 225868) zeigt eine praktikable Lösung: Vor dem Hintergrund des Aufrufs zur Überprüfung der erhaltenen Soforthilfen im August 2021 wird es nicht beanstandet, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bereits in der Bilanz zum 31.12.2020 passiviert wird.

 

Verbindlichkeit für Rückzahlung der Soforthilfe bilden

Haben Sie bis zum Bilanzstichtag bereits einen Rückforderungsbescheid erhalten, aber noch nicht bezahlt, ist der Betrag als Verbindlichkeit einzustellen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Sie mindert ebenfalls den Gewinn des Jahres 2020.

Quelle: Seite 27 | ID 47767881